Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280321/18/Kl/Rd

Linz, 05.02.1999

VwSen-280321/18/Kl/Rd Linz, am 5. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 4.12.1996, Ge96-47-1996, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge. Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 22 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG. zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 4.12.1996, Ge96-47-1996, wurden über den Bw Geldstrafen von zweimal 25.000 S, Ersatzfreiheitsstrafen von zweimal 36 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß 1) § 110 Abs.1 BauV iVm § 130 Abs.1 Z15 ASchG und 2) § 117 Abs.6 BauV iVm § 130 Abs.1 Z15 ASchG verhängt, weil er am 17.4.1996 beim Anwesen S, zum Zwecke des Einbaus eines Einfahrtstores einen Mauerdurchbruch durchgeführt und für diese Tätigkeiten den rumänischen Staatsbürger M beschäftigt hat, der in der Folge durch herabstürzende Mauerteile tödlich verletzt wurde, wobei 1) eine Untersuchung des abzubrechenden Objekts durch eine fachkundige Person nicht durchgeführt wurde, obwohl vor Durchführung von Abbrucharbeiten der Bauzustand des abzubrechenden Objekts von einer fachkundigen Person untersucht werden muß; 2) sich der beschäftigte Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Umstürzens der Mauer im Gefahrenbereich der Mauer aufgehalten hat, obwohl während des Einreißens von Bauwerksteilen nur die für die Bedienung von maschinellen Einrichtungen notwendigen Arbeitnehmer anwesend sein dürfen und sich alle übrigen Arbeitnehmer außerhalb des Gefahrenbereiches aufzuhalten haben.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin im wesentlichen ausgeführt, daß entgegen der Rechtsauffassung der bescheiderlassenden Behörde § 117 Abs.6 BauV in Scheinkonkurrenz mit der Verwaltungsübertretung nach § 110 Abs.1 BauV stehe. Wären nämlich entsprechende Untersuchungen des abzubrechenden Objektes und eine Ausmittlung allfälliger Gefahrenbereiche durch fachkundige Personen veranlaßt worden, so hätten entsprechende Absicherungsmaßnahmen getroffen werden können. Weiters sei der Bw vor dem BG Grieskirchen zu 2 U 70/96 wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB rechtskräftig verurteilt worden und werde dadurch eine Bestrafung gemäß § 117 Abs.6 BauV verdrängt, zumal der Schuldspruch damit begründet wurde, daß bedingt durch die mangelnde Absicherung beim beabsichtigten Abtragen des Mauerteils sich der Beschäftigte zum Zeitpunkt des Umstürzens der Mauer im Gefahrenbereich aufgehalten hätte. Es liege daher jedenfalls Konsumtion vor. Für den Fall, daß Scheinkonkurrenz verneint werde, werde die Anwendung des § 20 VStG beantragt. 3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat Akteneinsicht genommen. Weiters wurde Einsicht in den Akt des BG Grieskirchen zu 2 U 70/96 genommen. Insbesondere geht daraus hervor, daß der Bw mit Urteil vom 2.10.1996 schuldig gesprochen wurde, daß er am 17.4.1996 durch Außerachtlassung der gebotenen Umsicht und Vorsicht, insbesondere dadurch, daß er, obwohl ihm die erforderliche Ausbildung und ausreichende Kenntnisse im Bauwesen fehlten, beabsichtigte, einen Mauerteil abzutragen, ohne den Gefahrenbereich ausreichend abzusichern, was dazu führte, daß der Mauerteil umstürzte und den sich im Gefahrenbereich befindlichen Beschäftigten traf, diesen fahrlässig getötet habe und daher das Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB begangen habe. Hiefür wurde er zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen in der Höhe von je 400 S, insgesamt also 48.000 S, bestraft. Als Ersatzfreiheitsstrafe wurden 60 Tage festgesetzt. Es wurde eine Probezeit von zwei Jahren bestimmt. Dieses Urteil wurde am 8.10.1996 rechtskräftig.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hegte Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 130 Abs.5 ArbeitnehmerInnenSchutzgesetz - ASchG, BGBl.Nr. 450/1994, im Hinblick auf die Bestimmung des § 22 Abs.1 VStG und stellte am 25.2.1997 zu VwSen-280321/10/Kl/Rd einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß § 140 Abs.1 B-VG.

Mit Erkenntnis des VfGH vom 7.10.1998, G 51/97-7 und G 26/98-10, wurde der Hauptantrag auf Aufhebung der Z1 des § 130 Abs.5 ASchG abgewiesen. Darin führt der VfGH im wesentlichen aus, daß für die gerichtliche Bestrafung der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 StGB wesentliche Voraussetzung fahrlässiges Verhalten, demnach das Außerachtlassen jener Sorgfalt ist, zu der man nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die einem überdies zumutbar ist. Das Maß der erforderlichen objektiven Sorgfalt wird häufig durch Rechtsnormen bestimmt. Die Vorschriften der BauV iVm den Straftatbeständen des ASchG sind derartige Regelungen, die ein bestimmtes Maß an erforderlicher Sorgfalt vorschreiben. In Konstellationen wie in der den Anträgen zugrundeliegenden, kann die Fahrlässigkeit mit der objektiven Sorgfaltswidrigkeit begründet werden, die in der Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften liegt, aufgrund derer auch die verwaltungsbehördliche Bestrafung erfolgte. Wenn der strafrechtsrelevante Erfolg durch die Außerachtlassung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen verursacht wurde, liegen auch die übrigen, für die objektive Zurechnung des Erfolges erforderlichen Strafbarkeitsvoraussetzungen - Rechtswidrigkeits-, (Adäquanz-) und Kausalzusammenhang - vor, da das Leben und die Gesundheit die primären Schutzzwecke der verletzten Vorschriften des ASchG sind. Bei der Außerachtlassung der Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt es sich also um ein zentrales Tatbestandselement der Körperverletzungs- und Tötungsdelikte des StGB und daher um einen wesentlichen Gesichtspunkt des gerichtlichen Strafverfahrens. Nach dem Urteil des EGMR im Fall Gradinger wie auch den Erkenntnissen VfSlg. 14696/1996 und VfGH 19.6.1998, G 275/96, widerspricht eine gesetzliche Strafdrohung dann dem Art.4 des 7. ZPEMRK, wenn sie den wesentlichen Gesichtspunkt ("aspect") eines Straftatbestandes, der bereits Teil eines von den Strafgerichten zu ahndenden Straftatbestandes ist, neuerlich der Beurteilung und Bestrafung durch die Verwaltungsbehörden unterwirft.

In Fällen, in denen wie hier eine Handlung gesetzt wird, die sowohl unter die Strafdrohung des § 130 Abs.5 Z1 bzw Abs.1 Z15 oder Z16 AschG als auch unter die des § 80 bzw § 88 StGB fällt, wird zwar in der Regel davon auszugehen sein, daß das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung bzw Tötung gemäß § 80 bzw § 88 StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z1 bzw Abs.1 Z15 oder Z16 AschG vollständig erschöpft. Dies insbesondere dadurch, daß im Zuge eines strafgerichtlichen Verfahrens wegen fahrlässiger Körperverletzung bzw Tötung die objektive Sorgfaltswidrigkeit, dh die Verletzung von Verkehrsnormen, das sind hier die angefochtenen Arbeitnehmerschutzvorschriften, wie auch die objektive Zurechnung geprüft werden und damit über alle Elemente der verletzten Arbeitnehmerschutzvorschriften entschieden wird. Wenn in den Körperverletzungs- bzw Tötungsdelikten des StGB bereits der volle Unrechts- und Schuldgehalt der in Rede stehenden Straftatbestände des § 130 ASchG enthalten ist, gibt es neben der Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder Tötung, die sich auf die Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen als verletzte Verkehrsnormen stützt, auch kein zusätzliches Strafbedürfnis aufgrund desselben Tatverhaltens. Die Bestrafung nach § 80 bzw § 88 StGB schließt unter den erörterten Bedingungen die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 130 Abs.5 Z1 bzw Abs.1 Z15 und Z16 ASchG aus.

Weil durch eine nochmalige Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde eine unzulässige Doppelbestrafung eintreten würde, waren daher Umstände vorliegend, die die Verfolgung ausschließen. Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen. Bei diesem Verfahrensergebnis waren keine Kostenbeiträge zu leisten (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. Konrath

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