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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280326/8/KON/KM

Linz, 21.10.1997

VwSen-280326/8/KON/KM Linz, am 21. Oktober 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn F J H, S, S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W M, L, K, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr als Bezirksverwaltungsbehörde vom 12. Dezember 1996, GZ: Ge587-96, wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z1 (2. Fall) VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuldspruch: "Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma H Handelsgesellschaft mbH in S, S, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, daß am 9.5.1996 in der Filiale oa. Firma in H, O, für den Arbeitsraum in der Arbeitsstätte oa. Filiale, welcher eine Raumtiefe von mehr als 10 Meter aufweist, keine Querlüftung möglich war. Da für Arbeitsräume bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen möglich sein muß, stellt gegenständlicher Tatbestand eine Übertretung der Bestimmungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzvorschrift (AAV) und des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) dar.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 13 Abs.2 AAV, BGBl. 218/1983 i.d.g.F. i.V.m. §§ 106 Abs.3 Ziff.6 und 130 Abs.5 Ziff.1 ASchG, BGBl. 450/1994." Begründend führt die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß die Übertretung der Bestimmungen der AAV schon aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 10. Aufsichtsbezirk als auch aufgrund des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens als erwiesen zu erachten sei.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im wesentlichen vorgebracht: Im Spruch des Straferkenntnisses werde ihm zur Last gelegt, daß für den Arbeitsraum der Filiale H, welcher eine Raumtiefe von mehr als 10 m aufweise, keine Querlüftung möglich gewesen wäre. Daß keine Querlüftung möglich war, könne ihm jedoch nicht zur Last gelegt werden, weil sich eine solche Möglichkeit nach den tatsächlichen Verhältnissen (Bausubstanz, Statik) richte. Dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z1 VStG wäre nur entsprochen worden, wenn ihm zur Last gelegt worden wäre, daß keine Querlüftung vorhanden gewesen sei. Die Mangelhaftigkeit des Spruches ergebe sich auch daraus, daß nicht erkennbar sei, was ihm zur Last gelegt werde. Aus Abs.2 des Schuldspruches sei nicht erkennbar, ob ihm das Fehlen von Fenstern, Ventilatoren oder sonstigen Lüftungsöffnungen vorgeworfen werde. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Strafbehörde von einer nicht ausreichenden "Querlüftung" ausgehe, zumal in seiner Stellungnahme vom 28.8.1996 darauf hingewiesen worden sei, daß ein Ventilator vorhanden sei, der die Luft nach außen ziehe. Der Spruch des Straferkenntnisses sei auch deswegen nicht ausreichend konkretisiert, da er nicht auf sämtliche in § 13 Abs.2 AAV angeführten Tatbestandsmerkmale eingehe. Unterstelle man der Erstbehörde, daß sie ihm zur Last lege, es seien keine Fenster oder sonstigen Lüftungsöffnungen vorhanden gewesen, so hätte auch auf die in § 13 Abs.2 Satz 2 erforderlichen Tatbestandselemente eingegangen werden müssen.

Unter dem Titel inhaltliche Rechtswidrigkeit bringt der Berufungswerber vor, daß die belangte Behörde von einer nicht ausreichenden Lüftung des Arbeitsraumes ausgehe, obwohl in der Stellungnahme vom 28.8.1996 auf das Vorhandensein eines Ventilators hingewiesen worden sei. Die Bestimmungen des § 13 Abs.2 AAV seien verfassungswidrig, da für den Normanwender nicht nachvollziehbar sei, was unter einer Querlüftung zu verstehen sei. Sinn des gesamten § 13 AAV sei, daß die Arbeitsräume ausreichend be- und entlüftet würden. Wenn, wie im gegenständlichen Fall, an der hinteren Wand des Geschäftslokales ein Ventilator und ein Fenster angebracht seien, und an der Vorderseite eine Geschäftseingangstüre vorhanden sei, so liege eine ausreichende Belüftung des Arbeitraumes vor. § 13 Abs.2 AAV erfordere nicht, daß in einem Raum mit mehr als 10 m Raumtiefe gegenüberliegend Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen vorhanden sein müßten. Dies gehe auch daraus hervor, daß die Fenster oder sonstigen Lüftungsöffnungen so angeordnet sein müssen, daß Arbeitnehmer an Arbeitsplätzen vor schädlicher Zugluft geschützt seien. Da sich an der Vorderseite des Geschäftslokales die Eingangstüre befände und an der Hinterseite ein Fenster und ein Ventilator vorhanden seien, sei den Erfordernissen des § 13 AAV voll entsprochen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs.1 AAV ist in Arbeitsräumen dafür zu sorgen, daß frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt sowie Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxydgehalt abgeführt wird.

Gemäß § 13 Abs.2 leg.cit. hat die natürliche Lüftung von Arbeitsräumen nach Möglichkeit durch Fenster zu erfolgen. Bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m, muß eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen, möglich sein.

Gemäß § 13 Abs.3 leg.cit. müssen Arbeitsräume, in denen eine ausreichende natürliche Lüftung nicht möglich ist, durch Lüftungsanlagen, Klimageräte oder Klimaanlagen künstlich gelüftet sein.

Gemäß § 106 Abs.3 Z6 ASchG gilt für die Lüftung von Arbeitsräumen § 13 AAV.

Die aus § 13 AAV für den Arbeitgeber resultierende Verpflichtung, deren Nichterfüllung eine Verwaltungsübertretung darstellt, besteht darin, nach Maßgabe des Abs.1 dafür zu sorgen, daß eine ausreichende Be- und Entlüftung der Arbeitsräume stattfindet. Dies ist bei Arbeitsräumen mit einer Raumtiefe von mehr als 10 m dann der Fall, wenn deren natürliche Belüftung auch noch durch eine Querlüftung im Sinne des Abs.2 erfolgt. Bei Arbeitsräumen, in denen eine ausreichend natürliche Lüftung nicht möglich ist, ist unabhängig von ihrer Raumtiefe für eine ausreichende Lüftung im Sinne des Abs.1 dann gesorgt, wenn diese durch Lüftungsanlagen, Klimageräte oder Klimaanlagen künstlich gelüftet sind.

Unter diesem Gesichtspunkt stellt der Umstand, daß im verfahrensgegenständlichen Arbeitsraum "keine Querlüftung möglich war", für sich alleine keinen Straftatbestand dar, sondern besagt lediglich, daß eine ausreichende natürliche Belüftung dieses Arbeitsraumes auszuschließen ist.

Falls die natürliche Belüftung eines Arbeitsraumes überhaupt nicht möglich ist (Abs.3) wird der Verpflichtung gemäß § 13 Abs.1 AAV auch dann entsprochen, wenn unabhängig von der Raumtiefe dieses Arbeitsraumes eine ausreichende künstliche Belüftung nach Maßgabe des Abs.3 gewährleistet ist. Aufzuzeigen ist, daß das Fehlen dieser Alternative dem Tatvorwurf nicht zu entnehmen ist.

Daraus folgt, daß das Fehlen einer Querbelüftung im Sinne des Abs.2 und einer künstlichen im Sinne des Abs.3 lediglich Elemente der Tatumschreibung einer Verwaltungsübertretung gemäß § 13 AAV zu bilden vermögen, nicht jedoch die Verwaltungsübertretung selbst. Diese besteht darin, daß nicht für eine ausreichende natürliche oder künstliche Be- und Entlüftung des Arbeitsraumes durch den Arbeitgeber Sorge getragen wurde. Eine solche Pflichtverletzung wurde dem Beschuldigten aber nicht vorgeworfen.

Dem Tatvorwurf laut Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ermangelt es daher an der Tatbildmäßigkeit, sodaß wie im Spruch zu entscheiden war. Unabhängig davon ist im Hinblick auf die Bestimmungen des § 106 Abs.4 Z1 ASchG aufzuzeigen, daß der Aktenlage nach nicht zu entnehmen ist, ob auf den gegenständlichen Arbeitsraum die Bestimmungen des § 13 AAV oder des § 15 ADSV anzuwenden wären. § 15 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung (ADSV), BGBl.Nr. 31/1951 i.d.F. BGBl.Nr. 265/1965, kennt den Begriff Querlüftung nicht. Aufgrund des vorliegenden Verfahrensergebnisses ist der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge befreit.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. K o n r a t h

Beschlagwortung: Nicht mögliche Querbelüftung i.S.d. § 13 Abs.2 AAV vermag noch keinen Straftatbestand nach § 13 AAV zu bilden.

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