Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280327/5/Ga/Fb

Linz, 27.08.1998

VwSen-280327/5/Ga/Fb Linz, am 27. August 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des KR L D in R gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 2. Jänner 1997, Ge96-88-1996, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG), zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Schuld in allen drei Fakten abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird insoweit mit der Maßgabe bestätigt, daß als verletzte Rechtsvorschrift (Spruchteil gemäß § 44a Z2 VStG) zu 1. "Art. 6 Abs.1 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z4 AZG", zu 2. "Art. 7 Abs.1 und 2 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z6 AZG" und zu 3. "Art. 8 Abs.1 und 6 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z2 AZG" anzuführen ist.

II. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung hingegen teilweise stattgegeben; zu 1. bis 3. werden die verhängten Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) auf je 2.500 S (je 30 Stunden), die Kostenbeiträge zum Verfahren vor der Strafbehörde auf je 250 S herabgesetzt. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. §§ 24; 19, 51 Abs.1, 51c, 64f VStG.

Entscheidungsgründe: 1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der bezeichneten Speditionsgesellschaft, näherer Gewerbestandort in B, verwaltungsstrafrechtlich dafür einzustehen, daß er eine bestimmte Person am 31. August 1996 um 19.30 Uhr als Lenker eines mit Kennzeichen angegebenen LKW/Anhänger auf der A M in L "eingesetzt" habe, wobei 1. im Zuge der Kontrolle der Tageslenkzeit am Schaublatt für die Tage 26. bis 31. August 1996 jeweils eine Gesamtlenkzeit von mehr als neun Stunden festgestellt worden sei (das Überschreitungsausmaß wurde im Schuldspruch durch Angabe der "Gesamtlenkzeit" je tagesbezogen genau angeführt; für drei dieser Tage ergab sich eine Gesamtlenkzeit von mehr als zehn Stunden, in einem Fall, nämlich vom 29. auf den 30. August 1996 eine Gesamtlenkzeit von 17 Stunden 50 Minuten); es dürfe jedoch die Gesamtlenkzeit nur zweimal pro Woche von (höchstens) neun auf (höchstens) zehn Stunden verlängert werden; 2. die Kontrolle der Lenkzeitunterbrechung ergeben habe, daß am 26., 27. und am 30. August 1996 die vorgeschriebenen Lenkpausen jeweils nicht - in spruchgemäß näher ausgeführter Weise - eingehalten worden seien; 3. am 26., 27., 30. und am 31. August 1996 die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit jeweils nicht - in spruchgemäß näher ausgeführter Weise - eingehalten worden sei. Dadurch habe der Berufungswerber 1. § 28 Abs.1a Z3 bzw 4 AZG iVm § 14 Abs.2 AZG "iVm Kollektivvertrag Art. 6 Abs.1 VO 3820/85", 2. § 28 Abs.1a Z5 bzw 6 AZG iVm § 15 Abs.2 und 3 AZG "iVm dem Kollektivvertrag Art. 7 Abs.1 und 2 VO 3820/85" und 3. § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm § 15a Abs.1 und 2 AZG "iVm dem Kollektivvertrag Art. 8 Abs.1 und 6 VO 3820/85" verletzt. Über ihn wurde zu 1. bis 3. gemäß § 28 Abs.1a AZG je eine Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: je 36 Stunden) je kostenpflichtig verhängt. 2. Der Berufungswerber bestreitet tatseitig nicht den den Schuldsprüchen zugrunde gelegten Lebenssachverhalt als solchen. Er verweist im wesentlichen auf die zur Rechtfertigung von ihm an die Strafbehörde übersandte "Sachverhaltsdarstellung" vom 5. November 1996, aus der hervorgehe, daß der involvierte Lenker zugebe, daß er die festgestellten Überschreitungen der Arbeitszeitvorschriften aus eigenem Interesse begangen habe und er dafür selbst verantwortlich sei. Von der Dispositionsabteilung seines Betriebes jedoch seien die Fahrten des Lenkers so eingeteilt worden, daß er die Arbeitszeitvorschriften habe einhalten können. Der Lenker habe in der erwähnten Darstellung auch bestätigt, daß ihm (dem Lenker) nicht zumutbar gewesen sei, ständig nachzukontrollieren, ob er die Fahrzeit nicht ein paar Minuten länger oder kürzer gestaltet habe. Auch habe er eingestanden, über die einschlägigen Bestimmungen genauestens Bescheid zu wissen, wofür weiters auch spreche, daß er ein langjähriger Berufskraftfahrer im internationalen Fernverkehr sei. Ihm als Arbeitgeber könne jedenfalls nicht angelastet werden, keinen Einfluß auf die Lenkzeiten genommen zu haben, weil es ihm zum Zeitpunkt der Übertretungen keinesfalls möglich gewesen sei, den Lenker davon abzuhalten, eben 30 oder 40 Minuten länger zu fahren. 3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Einsicht in den Strafverfahrensakt der belangten Behörde genommen und zur Berufung die Amtspartei angehört. Schon aus dieser Aktenlage erweist sich der maßgebende Sachverhalt als hinreichend geklärt. Weil zudem mit der vorliegenden Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde geltend gemacht wird und die Verfahrensparteien entsprechende Anträge nicht stellten, konnte im übrigen von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß Art. 6 Abs.1 Unterabsatz 1 EG-VO 3820/85 darf die "Tageslenkzeit" genannte Gesamtlenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit neun Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf zehn Stunden verlängert werden. Gemäß Art. 7 Abs.1 EG-VO 3820/85 ist vom Fahrer nach einer Lenkzeit von viereinhalb Stunden eine Unterbrechung von mindestens 45 Minuten einzulegen, sofern er keine Ruhezeit nimmt. Gemäß Abs.2 leg.cit. kann diese Unterbrechung durch Unterbrechungen von jeweils mindestens 15 Minuten ersetzt werden, die in die Lenkzeit oder unmittelbar nach dieser so einzufügen sind, daß Abs.1 eingehalten wird. Gemäß Art. 8 Abs.1 EG-VO 3820/85 hat der Fahrer innerhalb jedes Zeitraums von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens elf zusammenhängenden Stunden einzulegen, die höchstens dreimal pro Woche auf nicht weniger als neun zusammenhängende Stunden verkürzt werden darf, sofern bis zum Ende der folgenden Woche eine entsprechende Ruhezeit zum Ausgleich gewährt wird. Gemäß Abs.6 leg.cit. muß jede als Ausgleich für die Verkürzung der täglichen (....) Ruhezeit genommene Ruhezeit zusammen mit einer anderen mindestens achtstündigen Ruhezeit genommen werden und ist dem Betroffenen auf dessen Antrag hin am Aufenthaltsort des Fahrzeugs oder am Heimatort des Fahrers zu gewähren. Gemäß § 28 Abs.1a AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen, wenn sie gemäß Z4 dieser Bestimmung Lenker über die gemäß Art. 6 Abs.1 Unterabsatz 1 oder Abs.2 der EG-VO 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen; gemäß Z6 dieser Bestimmung Lenkpausen gemäß Art. 7 Abs.1, 2 oder 4 der EG-VO 3820/85 nicht gewähren; gemäß Z2 dieser Bestimmung die tägliche Ruhezeit gemäß Art. 8 Abs.1, 2, 6 oder 7 oder Art. 9 der EG-VO 3820/85 nicht gewähren. 4.2. Vor diesem Hintergrund - tatseitig geht der Oö. Verwaltungssenat von dem oben (1. und 3.) als erwiesen festgestellten Sachverhalt aus - steht fest, daß im Berufungsfall der (dem) involvierte(n) Lenker unter den spruchgemäß angeführten Umständen 1. über die zulässige Lenkzeit hinaus eingesetzt wurde, 2. die vorgeschriebenen Lenkpausen nicht gewährt und 3. die vorgeschriebenen täglichen Ruhezeiten nicht gewährt wurden. Für diese Übertretungen hat nach den Umständen dieses Falles der Berufungswerber in seiner (im § 9 Abs.1 VStG begründeten) Stellung als verantwortliches Organ der Arbeitgebergesellschaft verwaltungsstrafrechtlich auch einzustehen. Daran vermag nichts zu ändern, wie sogleich zu begründen sein wird, daß der involvierte Fahrer in der von ihm eigenhändig gefertigten Sachverhaltsdarstellung vom 5. November 1996 die eigenmächtigen Übertretungen zugibt ("Die aufgetretenen Verfehlungen gehen voll zu meinen Lasten, habe ich diese jedoch nicht vorsätzlich begangen, sondern vielmehr sind diese Übertretungen meiner eigenen Kreativität und meinem eigenen Willen zuzuschreiben. Mir ist bekannt, daß ich für diese Tatbestände voll verantwortlich zeichne"). Beides - objektive und subjektive Tatbestandsmäßigkeit der angelasteten Übertretungen - folgt aus der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes, die dieser mit jüngsten Erkenntnissen nach Beschwerdefällen, die vom Oö. Verwaltungssenat ausgegangen sind, neuerlich bestätigt hat. 4.2.1. Der Oö. Verwaltungssenat vertrat nämlich in hier vergleichbaren Straffällen (vgl die h Erkenntnisse vom 30.7.1997, VwSen-280290, und vom 23.9.1997, VwSen-280329) die Auffassung, unter bestimmten, von § 28 Abs.1a AZG nun ausdrücklich mittels besonderer Tätigkeitswörter unter Strafe gestellten Verhaltensweisen könne - nach gänzlicher Neufassung der Strafbestimmungen zufolge Anpassung des AZG an die Verordnung (EWG) Nr. 3820/ 85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und der dadurch bewirkten Abkehr vom System des bis dahin geltenden Blankettstrafbestandes - nur ein zielgerichtetes, vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers verstanden werden. Dem habe die Formulierung des Schuldspruchs zu entsprechen und sei daher im Grunde des neuen Strafkataloges gemäß § 28 Abs.1a AZG ausgeschlossen, dem ansonsten rechtstreu die Lenker einsetzenden Arbeitgeber die dann im Einzelfall uU eigenmächtige Übertretung von AZG-Vorschriften durch seine Lenker mit der (der "alten" Rechtslage und Judikatur folgenden) Begründung, er habe eben fahrlässig seine Kontrollpflichten verletzt, anzulasten. Dagegen aber hat die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und den Standpunkt vertreten, daß nach wie vor von einem Ungehorsamsdelikt, für das Fahrlässigkeitsschuld genüge, ausgegangen werden müsse; zur näheren Begründung wurde auf die sogenannte Kontrollsystem-Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die im gegebenen Zusammenhang allerdings zur Rechtslage vor der Novelle BGBl.Nr. 446/1994 entwickelt wurde, hingewiesen.

4.2.2. Der Verwaltungsgerichtshof allerdings hat den Beschwerden mit Erkenntnissen vom 21. April 1998, 97/11/0284 und 97/11/0316, stattgegeben und, auf den Punkt gebracht, ausgesprochen, daß auch im Lichte der durch die AZG-Novelle BGBl.Nr. 446/1994 geänderten Rechtslage für die Verwirklichung der Einzelstraftatbestände des § 28 Abs.1a AZG kein zielgerichtetes vorsätzliches Verhalten des Arbeitgebers gefordert sei, sondern hiefür - weiterhin - auch bloß fahrlässiges Verhalten, das im Unterlassen entsprechender Kontrollen und Maßnahmen bestehen kann, ausreicht. An diese - wenngleich vom h Tribunal nicht geteilte - Rechtsansicht ist der Oö. Verwaltungssenat bei der Erlassung auch der vorliegenden Berufungsentscheidung nun gebunden. 4.2.3. Das bedeutet schuldseitig in diesem Fall, daß alle drei Fakten dem Berufungswerber im Grunde des § 5 Abs.1 VStG schon wegen eines ihm aus Fahrlässigkeit unterlaufenen Sorgfaltsmangels zurechenbar sind, weil er das von der einschlägigen (und, wie oben dargelegt, unverändert fortgeschriebenen) Judikatur geforderte System von wirksamen Maßnahmen zur Hintanhaltung eigenmächtiger (gegen das AZG verstoßender) Verhaltensweisen seiner Lenker im wesentlichen schon behauptungsmäßig nicht dargetan hat. In solchen Fällen wäre zufolge Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das zur Sicherung der Einhaltung ua der Tageslenkzeiten, Lenkpausen und täglichen Ruhezeiten durch die Fahrer im Betrieb des Berufungswerbers tatsächlich eingerichtete und wirksam auch gehandhabte System von Kontrollen und internen Sanktionen in allen Einzelheiten darzulegen gewesen, was aber, wie das Arbeitsinspektorat im Ergebnis zu Recht eingewendet hat, weder im Verfahren vor der Strafbehörde noch in der Berufungsschrift geschehen ist. Dem Berufungswerber ist entgegen zu halten, daß ein bloß pauschales Behaupten von Kontrollen, Anweisungen, Rügen und Ermahnungen die geforderte detaillierte Schilderung des im Betrieb zur Tatzeit eingerichtet gewesenen (freilich fallbezogen auch zumutbaren) Kontrollsystems und seine wirksame Handhabung ebensowenig zu ersetzen vermögen wie ein "Schuldeingeständnis" des involvierten Lenkers. Aus allen diesen Gründen war daher zu 1. bis 3. wie im Spruch zu entscheiden; die gleichzeitig zu verfügen gewesene Berichtigung der verletzten Rechtsvorschriften (vgl diesbezüglich das h Erk vom 30.7.1997, VwSen-280290, Abschnitt 3.2.2.) bedeutet keine Erweiterung der Tatvorwürfe.

4.3. Was hingegen die Höhe der zu 1. bis 3. verhängten, vom Berufungswerber konkret nicht bekämpften Geldstrafen anbelangt, ist iSd § 19 Abs.1 VStG der Unrechtsgehalt, der - aus dem Blickwinkel einer gemeinwohllegitimierten Abwehr von schwerwiegenden, mit der Übermüdung von Kfz-Lenkern verbundenen Gefahren - dem Nichteinrichten eines wirksamen Kontrollsystems zur Gewährleistung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften innewohnt, als nicht bloß unbeträchtlich zu werten. Andererseits aber ist iSd § 19 Abs.2 VStG hier zu berücksichtigen, daß das (allgemein- und selbstgefährdende, jedenfalls aber) eigenmächtige Verhalten des Fahrers das dem Berufungswerber als Arbeitgeber in diesem Fall zurechenbare Verschulden zwar keineswegs vernachlässigbar macht, so doch aber zurücknimmt. Das Strafausmaß war daher schuldangemessen zu reduzieren. Einer noch stärkeren Herabsetzung steht allerdings der, von der belangten Behörde zu Recht gewertete Erschwerungsgrund noch nicht getilgter einschlägiger Vorstrafen entgegen.

5. Kostenmäßig hatte sich dieses Ergebnis in den strafbehördlich schon auferlegten Beiträgen niederzuschlagen; Kosten des Berufungsverfahrens hingegen waren nicht vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner Beschlagwortung: Eigenmacht des Fahrers als Milderungsgrund bei Verstößen gemäß § 28 Abs.1a AZG

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