Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280329/5/Ga/Ha

Linz, 23.09.1997

VwSen-280329/5/Ga/Ha Linz, am 23. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des A gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 12. Dezember 1996, Ge96-12-1996, betreffend die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung des Arbeitszeit-gesetzes (AZG), zu Recht erkannt: Die Berufung wird abgewiesen. Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4. VStG: § 24; § 51 Abs.1 und § 51c.

Entscheidungsgründe:

1. Nach Anzeige und Strafantrag (2.000 S) durch das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk in Wels (AI) wurde gegen Albert Aigner als nach außen vertretungsbefugtes Organ der A., Sitz in der Gemeinde H H, mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 8. Februar 1996 das Verwaltungsstrafverfahren wegen Verdachtes der Übertretung des AZG eingeleitet. Der Tatvorwurf dieser ersten Verfolgungshandlung lautete:

"Sie haben es ... zu verantworten, daß der im Güterbeförderungsbetrieb der Gesellschaft beschäftigte Arbeitnehmer Christian Rudolf W, geb. am , als Lenker des Kraftfahrzeuges, das der Güterbeförderung dient und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, nach Beendigung der Tagesarbeitszeit am 13.4.1995 um 02.00 Uhr lediglich eine Ruhezeit bis 07.35 Uhr desselben Tages, somit lediglich 5 Stunden 35 Minuten gewährt bekam, obwohl innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden eine tägliche Ruhezeit von mindestens 11 zusammenhängenden Stunden zu gewähren ist, ...".

Damit habe er Art. 8 Abs.1 der Verordnung des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (EG-VO 3820/85) iVm § 28 Abs.1a Z2 AZG verletzt.

2.1. Der solcherart Beschuldigte beeinspruchte die Strafverfügung und rechtfertigte sich mit dem Vorbringen, daß er den involvierten Lenker nicht beauftragt habe, die Einsatzzeit zu überschreiten; der Lenker hätte private Gründe gehabt und sei daher schon nach einer Pause von fünf Stunden 35 Minuten wieder weitergefahren. Daraufhin wurde im ordentlichen Ermittlungsverfahren der - im übrigen vom dt. Bundesamt für Güterverkehr, Außenstelle Bayern, wegen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Tagesruhezeit mit Geldbuße in der Höhe von 600 DM belegte - Lenker Christian W von der belangten Behörde förmlich als Zeuge vernommen. Seine wesentliche Aussage bestand in der Erklärung: "Ich habe eigenmächtig die vorgeschriebene Ruhezeit nicht eingehalten, um zeitgerecht wieder in Österreich zu sein und meinen Führerschein bei der BH. R abzuholen. Diesbezüglich lege ich heute auch diesen Führerschein vor, aus dem ersichtlich ist, daß er am 11.4.1995 als Duplikat ausgestellt wurde. Jedenfalls hatte ich keinerlei Anweisungen seitens der Fa. A, die Ruhezeit nicht einzuhalten, um so wieder früher in Österreich zu sein." 2.2. Die schließliche Einstellung des Strafverfahrens begründend hielt die belangte Behörde fest, es hätten keine Anhaltspunkte festgestellt werden können, wonach der Fahrtauftrag so disponiert worden sei, daß dem Lenker Winklhamer durch Nichteinhalten der Ruhezeit die Möglichkeit zur Abholung des Führerscheines geboten werden sollte; weil daher der Lenker die gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit jedenfalls eigenmächtig nicht eingehalten habe, um rechtzeitig das beantragte Führerscheinduplikat bei der Bezirkshauptmannschaft R beheben zu können, mangele es im Ergebnis an einem schuldhaft-fahrlässigen Verhalten des Beschuldigten, sodaß ihm die angelastete Übertretung nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, weshalb die Einstellung zu verfügen gewesen sei.

3. Über die dagegen erhobene Berufung des A hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Die Sache des Berufungsverfahrens ist dem Spruch des Einstellungsbescheides zwar nicht unmittelbar zu entnehmen, weil darin das eingeleitet gewesene Verwaltungsstrafverfahren konkret nicht bezeichnet ist. Aber immerhin erschließbar aus dem Zusammenhalt mit dem übrigen Bescheidinhalt ist Sache im Sinne des § 66 Abs.4 AVG (§ 24 VStG) der nicht weiter zu verfolgen gewesene, in der zit Strafverfügung formulierte Tatvorwurf, wonach die Beschuldigtenpartei verantwortlich sei, daß der bezeichnete Lenker die tägliche Ruhezeit nicht im normierten Mindestausmaß "gewährt bekam" (oben 1.).

3.2. Die belangte Behörde hat das Ergebnis ihres Ermittlungsverfahrens, sich dabei maßgebend auf die Zeugenaussage des Lenkers stützend, dahin beurteilt, daß zwar die objektive Tatseite erfüllt, dem Beschuldigten jedoch kein Verschulden anzulasten und daher eine Strafe nicht auszusprechen sei. Dem hält die berufungsführende Amtspartei entgegen, daß sehr wohl Verschulden vorliege, weil es iS der Judikatur zu § 5 Abs.1 VStG darauf angekommen wäre, der - unstrittigen - Eigenmacht des Lenkers durch ein entsprechendes, im Detail darzustellendes Kontrollsystem entgegenzuwirken und weil im übrigen alle Maßnahmen zu treffen gewesen wären, die erforderlich sind, die Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen sicherzustellen; daß dergleichen der Beschuldigte in seinem Betrieb vorgekehrt hätte, habe er schon nicht behauptet und sei ihm daher die Glaubhaftmachung seiner Schuldlosigkeit nicht gelungen, weshalb die Einstellung gerade nicht hätte verfügt werden dürfen.

3.3. Diese auf die subjektive Tatseite abzielenden Ausführungen des AI gehen jedoch ins Leere, weil im Berufungsfall schon die objektive Tatseite nicht verwirklicht worden ist. Die hier für den Übertretungsvorwurf maßgebliche Rechtsvorschrift (§ 28 Abs.1a Z2 AZG) stellt tatbestandlich wesentlich darauf ab, daß der Arbeitgeber (bzw für eine juristische Gesellschaft deren nach § 9 Abs.1 VStG verantwortliches Organ) die tägliche Ruhezeit NICHT GEWÄHRT.

3.3.1. Das Merkmal des "NICHTGEWÄHRENS" ist (ua) auch dem Straftatbestand gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG grundgelegt. Der Vorwurf einer Übertretung nach diesem Tatbestand lag dem h Erkenntnis vom 30. Juli 1997, VwSen-280290, zugrunde. In den Entscheidungsgründen zu diesem Erkenntnis führte der unabhängige Verwaltungssenat zur Interpretation des Straftatbestandes aus:

"Mit der Novelle BGBl.Nr. 446/1994 (in Kraft seit 1. Juli 1994) wurde das AZG ua der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr (im folgenden kurz: VO-EWG) angepaßt. Erklärte Absicht des Arbeitszeitgesetzgebers (vgl. 1672 BlgNR XVIII GP) war, "dabei auch arbeitsrechtliche und verwaltungsstrafrechtliche Begleitmaßnahmen" zu schaffen. Resultat dieser Novelle ist daher auch eine gänzliche Neufassung der Strafbestimmungen im AZG. Der bis dahin geltende Blankettstraftatbestand des § 28 Abs.1 AZG ("Arbeitgeber, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sind .... zu bestrafen") verwies nur generell auf die materiellen Gebote/Verbote des Gesetzes als Tatbestandsmerkmale, die dann im konkreten Übertretungsfall für den Tatvorwurf erst aufgespürt werden mußten. In Abkehr von diesem System ist nun seit der zit Novelle die Rechtsverwirklichung kasuistisch durch eine Vielzahl inhaltlich-konkreter Einzelstraftatbestände geregelt, die im Wege spezieller Verweisung das entsprechende Gebot/Verbot direkt in das Tatbild einbeziehen und dazu jeweils selbst angeben, worin das verpönte und zu bestrafende Verhalten des Arbeitgebers besteht. Damit aber hat der Arbeitszeitgesetzgeber zugunsten eines Zugewinns an Rechtssicherheit vom pauschalen Einheitsmerkmal der "Zuwiderhandlung" im alten § 28 Abs.1 AZG Abschied genommen. In den Materialien zur Regierungsvorlage der Novelle (1596 BlgNR XVIII. GP) sind die jeweils maßgeblichen verba legalia der katalogisierten Einzelstraftatbestände des neuen § 28 AZG nicht näher erläutert. (......) Wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Übertretung gemäß Z6 leg.cit. ist das 'Nichtgewähren'. Der Vorwurf einer solchen Übertretung muß einen Sachverhalt anlasten, der sich als nichtgewährendes Verhalten des Arbeitgebers darstellt. Der Sinngehalt des Handlungsverbums 'gewähren' wird unzweifelhaft schon durch das Wort selbst offengelegt und meint (jedenfalls nach übereinstimmender Auskunft in den gängigen Wörterbüchern) ein zielgerichtetes Bewilligen, Zugestehen, Stattgeben, Erlauben. Das verneinende Gegenteil 'nicht gewähren' meint 'versagen' und drückt aus dem Blickwinkel des Tatbestandes, gleichfalls zielgerichtet, ein Verhalten des Arbeitgebers aus, das in einem Nichtbewilligen, Nichtzugestehen, Nichtstattgeben, Nichterlauben der vom Fahrer einzuhaltenden Lenkpausen besteht. Dieses Verhalten kann in einer direkten Anordnung des Arbeitgebers an den Lenker, bei der Durchführung eines Fahrtauftrages keine Lenkpausen einzulegen, bestehen. Auch indirektes Verhalten des Arbeitgebers verwirklicht das Nichtgewähren, etwa die zielgerichtete Gestaltung von Destinationen, Beförderungsvolumen, Fahrzeiten und Fahrtstrecken innerhalb solcher Vorgaben in einer Weise, daß die Befolgung durch den Lenker ihm das Einlegen vorgeschriebener Lenkpausen nicht erlaubt. Nur ein in diesen Ausprägungen auf das Versagen von Lenkpausen gerichtetes Verhalten ist im Sinne des Straftatbestandes gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG idF Novelle BGBl.Nr. 446/1994 als Verwaltungsübertretung strafbar. Herauszustreichen ist, daß die ausdrückliche Wortwahl des Arbeitszeitgesetzgebers ('nicht gewähren') ein Vorsatzdelikt indiziert, dessen schuldseitige Verwirklichung wenigstens indirekten Vorsatz verlangt. Daß vom Straftatbestand hier nicht zugleich auch der Eintritt des Schadens (nämlich: daß der Lenker als kausale Folge der Nichtgewährung die Lenkpausen tatsächlich nicht eingelegt hatte) miterfaßt ist, steht für sich allein der Annahme eines Vorsatzdeliktes nicht entgegen. Wollte man aber, gegen den Wortsinn, den Straftatbestand gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG extensiv dahin deuten, daß die Übertretung auch fahrlässig begangen werden könne, so würde dies in Wahrheit den Strafkatalog um ein neues Delikt erweitern. Diesem Ergebnis stünde allerdings die dann im Zweifel anzulegende Maxime zur verfassungskonformen Interpretation entgegen. Ein zur Verjährungsunterbrechung tauglicher Tatvorwurf iSd § 28 Abs.1a Z6 AZG muß daher dem Arbeitgeber einen Sachverhalt anlasten, der zur Erfüllung des wesentlichen Tatbestandsmerkmals 'nicht gewähren' unmißverständlich geeignet ist." 3.3.2. Die im zitierten h Erkenntnis vom 30. Juli 1997 entwickelte Rechtsauffassung legt der unabhängige Verwaltungssenat auch dem vorliegenden Übertretungsfall eines Verdachts des Nichtgewährens der täglichen Ruhezeit nach § 28 Abs.1a Z2 AZG zugrunde, weil es auch im Lichte dieses Straftatbestandes auf dasselbe Merkmal ('nicht gewähren') mit demselben Sinngehalt ankommt. Danach hat das aus dem Strafakt ersichtliche, im übrigen mängelfreie und auch vom AI nicht als ergänzungsbedürftig gerügte Ermittlungsverfahren der belangten Behörde keinen Sachverhalt zu Tage gebracht, der in einem Nichtgewähren der täglichen Ruhezeit für den involvierten Lenker am 13. April 1995 bestanden hätte. Dies ergibt sich in zulässiger Schlußfolgerung aus der Zeugenaussage, wonach der Lenker sich unmißverständlich dazu bekannt hatte, daß die Nichteinhaltung der Ruhezeit an diesem Tag allein auf seine Kappe gehe; hätte er nicht unbedingt noch an diesem Tag sein Führerscheinduplikat bei der Bezirkshauptmannschaft R. abholen wollen, hätte er die ihm aufgetragen gewesene Tour an diesem Tag auch unter Einhaltung der vorschriftsmäßigen Ruhezeit beenden können. Davon geht im übrigen auch das AI selber aus, indem es - in Kenntnis des Ermittlungsergebnisses - im Schlußabsatz der Berufungsbegründung anführt, "daß auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeit und der vom Lenker zurückzulegenden Fahrtstrecke von M nach R es möglich gewesen wäre, das Führerscheinduplikat innerhalb der Arbeitszeit der Behörde abzuholen". Unstrittig aber hatte der Lenker das Führerscheinduplikat eben noch am Tattag, das ist Gründonnerstag, 13. April 1995, noch innerhalb der "Arbeitszeit" der Behörde abgeholt. Hatte demgemäß der Lenker die an diesem Tag (13. April 1995) von ihm einzuhaltende Ruhezeit aus eigenem Entschluß vorzeitig abgebrochen, um möglichst früh, jedenfalls noch zu den Amtsstunden, bei der Bezirkshauptmannschaft einzutreffen, obwohl, wie das A selbst meint, dies in Wahrheit gar nicht notwendig gewesen wäre, weil er auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhezeit noch innerhalb der "Arbeitszeit" der Bezirkshauptmannschaft in R am Gründonnerstag) eingetroffen wäre, kann aus allen diesen Gründen dieser Lebenssachverhalt nicht als Erfüllung des objektiven Tatbestandes im Sinne des § 28 Abs.1a Z2 AZG beurteilt werden. (Daß der Lenker bei seiner Zeugenaussage vom Karfreitag, 14. April 1995, gesprochen hatte, steht diesem Ergebnis nicht entgegen und ist bei verständiger Würdigung des ganzen Akteninhaltes schlüssig mit einem - schlicht übersehenen - Verwechslungsirrtum erklärbar).

4. Im Ergebnis erfolgte die Einstellung des zugrunde gelegenen Strafverfahrens zu Recht und war die dagegen erhobene Berufung als unbegründet abzuweisen.

5. In diesem Berufungsverfahren war weder eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen noch eine Kostenentscheidung zu treffen.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an die Parteien dieses Verfahrens:

Beilagen (Akt; Erkenntnis u. Mehrausfertigung) Mag. Gallnbrunner

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