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VwSen-280336/36/KON/FB

Linz, 18.12.1997

VwSen-280336/36/KON/FB Linz, am 18. Dezember 1997

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer (Vorsitz: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Konrath, Beisitz: Dr. Grof) über die Berufung des Herrn J G, H, O, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. G D und Dr. M S, F, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. Oktober 1996, GZ: 502-32/Sta/79/96h, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 2. Dezember 1997 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z1 2. Fall und Z3 VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuldspruch:

"Der Beschuldigte, Herr J G, geboren am 29.3.1958, wohnhaft: O, H, hat es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der V GmbH. mit dem Sitz in L, H, und somit als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten, daß - wie anläßlich einer Überprüfung des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde - die o.a. Ges.m.b.H. nicht dafür sorgte, daß der Arbeitsmediziner Dr. K in der Arbeitsstätte der o.a. Gesellschaft in L, H, in der Zeit von Februar 1996 bis 31.5.1996, seine gesetzlichen Aufgaben, nämlich der Verpflichtung,

1) Aufzeichnungen über die geleistete Einsatzzeit und die nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz durchgeführten Tätigkeiten, insbesondere auch über die durchgeführten Besichtigungen und Untersuchungen sowie deren Ergebnisse, zu führen, nachgekommen ist, indem der Arbeitsmediziner keinerlei Aufzeichnungen über die geleistete Einsatzzeit und die nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz durchgeführten Tätigkeiten geführt hat;

2) die Arbeitnehmer und die Belegschaftsorgane auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes, der auf die Arbeitsbedingungen bezogenen Gesundheitsförderung und der menschengerechten Arbeitsgestaltung zu beraten, nachgekommen ist, und der Arbeitsmediziner keine Besichtigung der Arbeitsplätze im Betrieb durchführte.

Der Beschuldigte hat hiedurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

§ 130 Abs. 1 Z. 27 i.V.m.

ad 1) § 84 Abs. 1

ad 2) § 81 Abs. 1 Arbeitnehmerschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 i.d.g.F.;"

Über den Beschuldigten wurden wegen dieser Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs. 1 Einleitungssatz ASchG in Anwendung des § 22 VStG folgende Geldstrafen verhängt:

ad 1) und 2) je S 15.000,--

gesamt S 30.000,--

Hinsichtlich ihres Schuldspruches führt die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, daß der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Arbeitgeberin "V" GmbH dafür verantwortlich sei, daß der Arbeitsmediziner seine gesetzlichen Aufgaben nicht erfüllt habe. Der Beschuldigte sei anscheinend der Ansicht gewesen, seinen gesetzlichen Verpflichtungen mit der Bestellung eines Arbeitsmediziners nachgekommen zu sein, ohne weiter zu kontrollieren, ob der bestellte Arbeitsmediziner auch seine gesetzlichen Verpflichtungen erfülle. Es sei deshalb die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung als erfüllt anzusehen.

In bezug auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite führt die belangte Behörde aus, daß der Beschuldigte mit seinen Rechtfertigungen die ihm gemäß § 5 Abs.1 VStG obliegende Glaubhaftmachung, daß ihn an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, nicht erbracht habe.

In seiner gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wendet der Beschuldigte gegen seine Bestrafung zunächst die Bestellung verantwortlicher Beauftragter ein.

Was die Sache selbst betrifft, bestreitet der Beschuldigte im weiteren mit näherer Begründung, daß der Arbeitsmediziner seinen in § 81 Abs.1 und 84 Abs.1 ASchG normierten Verpflichtungen nicht nachgekommen sei.

In bezug auf sich selbst bringt der Beschuldigte vor, daß, selbst wenn man zum Ergebnis gelange, daß der Arbeitsmediziner Dr. K Aufzeichnungen nicht rechtzeitig geführt habe, zu überprüfen sei, inwieweit ihn als handelsrechtlichen Geschäftsführer, der noch dazu für die einzelnen Bereiche verantwortliche Beauftragte bestellt habe, ein Überwachungsverschulden treffe. Wenngleich der Arbeitgeber die Verantwortung auf eine Präventivfachkraft nicht überbinden könne, habe er doch als Arbeitgeber zunächst grundsätzlich davon ausgehen können, daß ein als Präventivfachkraft mittels Werkvertrag verpflichteter Arbeitsmediziner seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkomme. Soweit auch das Arbeitsinspektorat natürlich nicht tägliche oder wöchentliche Kontrollen in allen Betrieben vornehmen könne, werde bestenfalls eine Verpflichtung zur periodischen Kontrolle anzunehmen sein. Wolle man den Sorgfaltsmaßstab nicht überspannen, scheine wohl eine Kontrolle der Aufzeichnungen im halbjährlichen Rhythmus ausreichend. Der beanstandete Zeitraum betrage gerade vier Monate, sodaß selbst bei einer Kontrolle zu Jahresbeginn und zu Jahresende noch nicht aufgefallen wäre, daß der Arbeitsmediziner noch keine Aufzeichnungen angefertigt habe. Es sei hier bei der rechtlichen Wertung von einer gewissen Lebensnähe auszugehen, zumal der Geschäftsführer auch noch andere Aufgaben zu erfüllen habe und darüber hinaus für die einzelnen Geschäftsbereiche verantwortliche Beauftragte ohnedies bestellt gewesen wären.

Selbst wenn man immer noch ein Verschulden annehme, wäre dieses als geringfügig anzusehen, wobei aus der Übertretung der formalen Vorschrift des § 84 Abs.1 ASchG keinerlei Folgen entstanden seien. Es seien daher auch für den Beschuldigten jedenfalls die Bestimmungen des § 21 Abs.1 VStG anwendbar, sodaß die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe hätte absehen müssen.

Die verhängte Strafe von insgesamt 40.000 S sei jedenfalls vollkommen unangemessen.

Nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, welche insbesondere zur Klärung der im Hinblick auf die nachstehenden Entscheidungsgründe nicht mehr relevanten Frage der Rechtswirksamkeit der Bestellungen der vom Beschuldigten nominierten verantwortlichen Beauftragten und der Erörterung, inwieweit es der Beschuldigte in der Hand gehabt hätte, den Arbeitsmediziner zu verhalten, seinen Verpflichtungen gemäß § 81 Abs.1 und § 84 Abs.1 ASchG nachzukommen, diente, hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 130 Abs.1 Z27 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtung zur Bestellung oder zur Beiziehung eines Arbeitsmediziners verletzt oder nicht dafür sorgt, daß dieser seine gesetzlichen Aufgaben erfüllt.

Gemäß § 79 Abs.1 ASchG haben Arbeitgeber Arbeitsmediziner zu bestellen. Diese Verpflichtung kann erfüllt werden:

1. durch Beschäftigung von geeigneten Ärzten im Rahmen eines Arbeitsverhält- nisses (betriebseigene Arbeitsmediziner) oder

2. durch Inanspruchnahme externer Arbeitsmediziner oder

3. durch Inanspruchnahme eines bewilligten arbeitsmedizinischen Zentrums.

Gemäß § 79 Abs.2 leg.cit. dürfen als Arbeitsmediziner nur Personen bestellt werden, die zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes iSd Ärztegesetzes 1984, BGBl.Nr. 373, berechtigt sind und eine vom Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz anerkannte arbeitsmedizinische Ausbildung absolviert haben.

Gemäß § 79 Abs.3 leg.cit. bleiben die Bestimmungen des Ärztegesetzes unberührt.

Die arbeitsmedizinische Betreuung gemäß § 79 Abs.1 leg.cit. kann nach Wahl der Arbeitgeber durch Beschäftigung eines Arbeitsmediziners im Rahmen eines Dienstverhältnisses oder durch Heranziehung externer Arbeitsmediziner oder durch Inanspruchnahme eines arbeitsmedizinischen Zentrums erfolgen. Die Heranziehung externer Personen wird vor allem bei Arbeitsstätten mit geringem Beschäftigtenstand häufig die zweckmäßigste Lösung darstellen, kann aber auch für größere Arbeitsstätten bzw Unternehmen - entsprechend der bisher bereits von manchen Unternehmen gehandhabten Praxis - in Betracht kommen.

Insgesamt kann daher als feststehend erachtet werden, daß den Gesetzgeber sachlich-betriebswirtschaftliche Gründe bewogen haben, den Arbeitgebern bei der Bestellung von Arbeitsmedizinern die Alternativen gemäß Z2 und 3 des § 79 Abs.1 ASchG einzuräumen.

Im gegenständlichen Fall liegt die Bestellung eines Arbeitsmediziners gemäß § 79 Abs.1 Z2 ASchG vor, indem von der "V" GmbH Herrn Dr. M K, L, B, per Werkvertrag vom 26.4.1993 die Aufgaben des betriebsärztlichen Dienstes nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz und dem Nachtschicht-Schwerarbeitsgesetz aufgetragen wurden. Aufzuzeigen ist, daß bei der Bestellung eines Arbeitsmediziners gemäß Z2 § 79 Abs.1 ASchG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Besteller und dem Arbeitsmediziner nicht entsteht; dies ist nur bei der Vorgangsweise gemäß Z1 der Fall. Dies vor allem deshalb, weil durch den dabei abgeschlossenen Werkvertrag (richtiger wohl: freier Dienstvertrag) der verpflichtete Arbeitsmediziner nicht in persönliche Abhängigkeit und Weisungsunterworfenheit gegenüber dem Besteller gebracht wird. Aufzuzeigen ist weiters, daß der bestellte Betriebsarzt Dr. K laut vorerwähntem und im Akt erliegenden Werkvertrag verpflichtet ist, die betriebsärztliche Betreuung jeweils montags zwischen 11.30 Uhr und 14.30 Uhr wahrzunehmen. Bei dieser relativ geringen zeitlichen Beanspruchung kann auch nicht von einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Betriebsarztes zur "V" GmbH gesprochen werden, weil er dabei durchaus in der Lage gewesen wäre, seine Arbeitskraft anderweitig für Erwerbszwecke einzusetzen und sohin nicht als unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie der persönlich abhängige Arbeitnehmer tätig anzusehen ist (siehe hiezu VwGH vom 2.9.1993, 92/09/0322). Aufgrund dieser Umstände trifft auf den bestellten Betriebsarzt Dr. K zum einen der Arbeitnehmerbegriff iSd § 2 Abs.1 ASchG nicht zu, zum anderen war der Beschuldigte im Tatzeitraum eben auch nicht Arbeitgeber des Betriebsarztes.

Auch erweist sich die Ausdehnung des Straftatbestandes gemäß § 130 Z27 letzter Halbsatz ASchG auf Fälle, denen eine Arbeitsmedizinerbestellung gemäß § 79 Abs.1 Z2 oder 3 leg.cit. zugrundeliegt, insofern als dem aus dem Gleichheitssatz des Art.7 Abs.1 B-VG resultierenden Gebot sachlicher Differenzierung widersprechend, weil "Arbeitgeber" von betriebsexternen Arbeitsmedizinern gegenüber solchen von betriebseigenen, nicht annähernd die gleiche Möglichkeit haben, dafür zu sorgen, daß die bestellten Arbeitsmediziner ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen.

Der dem Beschuldigten angelasteten Verwaltungsübertretung steht sohin eine in bezug auf Art.7 Abs.1 B-VG verfassungskonforme Auslegung der Bestimmungen des § 79 Abs.1 ASchG entgegen.

In Erwägung hätte gezogen werden können, was den Beschuldigten betrifft, eine Verletzung der Bestimmungen des § 79 Abs.1, was den nominierten Betriebsarzt betrifft, allenfalls eine Verletzung der Bestimmungen des § 22a Ärztegesetz.

Unabhängig von den hiermit dargelegten meritorischen Gründen wäre das angefochtene Straferkenntnis aber auch aus dem formellen Grund der unzureichenden Tatumschreibung iSd § 44a Z1 VStG zu beheben gewesen.

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Demnach ist es geboten, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Dies bedeutet, daß im Bescheidspruch die Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich ist. Es reicht sohin nicht aus, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern die Tat ist entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt.

Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, daß es nicht ausreicht, im Tatvorwurf gegen den Beschuldigten die verba legalia des § 130 Z27 letzter Halbsatz "nicht dafür sorgte" anzuführen; vielmehr ist im Spruch des Straferkenntnisses auch darzulegen, worin diese mangelnde Obsorge besteht bzw welche Unterlassungen ihr zugrundeliegen. Der Beschuldigte wurde dadurch in seinen Verteidigungsrechten insofern beeinträchtigt, weil er bei der so erfolgten Tatumschreibung nicht in die Lage versetzt wurde, in bezug auf den Vorwurf begangener Unterlassungen Beweise anzubieten, die diesen Vorwurf zu widerlegen geeignet gewesen wären.

Wenngleich in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses die Unterlassung mangelnder Kontrollen des Arbeitsmediziners angeführt ist, war dessen ungeachtet eine Spruchsanierung anhand dieser Begründung nicht mehr möglich, weil das Straferkennntnis laut im Akt erliegenden Auslandsrückschein dem Beschuldigten erst am 29.1.1997 zugestellt und sohin erst nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist (Tatzeitraum Februar 1996 bis 31.5.1996) erlassen worden ist.

Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses ist der Beschuldigte von der Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge befreit.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 26.07.2002, Zl.: 98/02/0061-11

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