Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280347/2/Ga/La

Linz, 04.04.1997

VwSen-280347/2/Ga/La               Linz, am 4. April 1997 DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des G A in N gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 26. Februar 1997, Zl. Ge96-142-1995/Tr, nach Strafverfügung wegen Übertretung der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; der angefochtene Bescheid wird - ohne gleichzeitige Einstellung des Verfahrens - aufgehoben.

Rechtsgrundlage: Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG: § 66 Abs.4. Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG: § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs1.

Entscheidungsgründe:

1. Dem unabhängigen Verwaltungssenat liegt folgender Sachverhalt zur rechtlichen Beurteilung vor:

Veranlaßt durch eine Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk verhängte die belangte Behörde über den nunmehrigen Berufungswerber mit Strafverfügung vom 1. Juni 1995 zwei Geldstrafen in der Höhe von je 2.000 S, weil, wie am 20. März 1995 im Zuge einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden sei, zwei Arbeit nehmern des Arbeitgebers A KEG, Sitz in N, in der dort befindlichen Betriebsstätte "keine versperrbaren Kästen zur Aufbewahrung ihrer Bekleidung zur Verfügung gestellt" worden seien, wofür der Bestrafte als persönlich haftender Gesellschafter und somit zur Vertretung des Arbeitgebers nach außen Berufener verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei; durch die festgestellte Zuwiderhandlung sei in beiden Fällen § 86 Abs.1 iVm § 100 AAV iVm § 27 Abs.4 und § 130 Abs.1 Z15 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) verletzt worden. Gegen diese Strafverfügung erhob der nunmehrige Berufungswerber einen mit Gründen versehenen Einspruch. Gemäß dem darüber am 19. Juni 1995 aufgenommenen Protokoll führte er ua aus: "Da die Arbeitnehmerinnen M und L bei ihrer Tätigkeit keine besondere Arbeitsbekleidung tragen müssen, habe ich es bislang auch nicht für unbedingt erforderlich erachtet, daß Kästen aufgestellt werden sollten." Der Einspruchswerber beantragte, von einer Strafe abzusehen und allenfalls eine Ermahnung zu erteilen. Im allgemeinen Teil des Protokolls ist auch festgehalten, daßásich der Einspruch gegen die Strafhöhe richte. Ausgehend offenbar davon, hat die belangte Behörde die Rechtskraft des Schuldspruchs der Strafverfügung vom 1. Juni 1995 angenommen und mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 26. Februar 1997 daher nur über die Höhe der verhängten Strafen mit der Maßgabe entschieden, daß dem Einspruch keine Folge gegeben und der Strafausspruch der Strafverfügung bestätigt werde. Gegen diese Abweisung des Einspruchs richtet sich die vorliegende (wiederum als "Einspruch" bezeichnete) Berufung. Zu ihrer Begründung wird ausgeführt, daß die Kästen im September 1995 angeschafft worden seien, daß sie "teuer genug" gewesen seien, viel Platz verstellen und von den Angestellten nicht genützt würden.

2. Gemäß § 49 Abs.2 VStG ist, wenn ein Einspruch gegen eine Strafverfügung rechtzeitig eingebracht wird, von der Strafbehörde das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt dann als Rechtfertigung iSd § 40 VStG. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden, als in der Strafverfügung.

3. Vorliegend hat die belangte Behörde verkannt, daß   á§ 49 Abs.2 VStG hinsichtlich der alternativen Rechtswirkun gen eines Einspruchs nicht auf die äußere Bezeichnung des Rechtsmittels und auch nicht allein auf die Einspruchs erklärung abstellt. Maßgeblich ist vielmehr, was der Einspruchswerber inhaltlich ("im" Einspruch) vorbringt. Dies im Zweifel jedenfalls dann, wenn ein mit Gründen versehener Einspruch erhoben wurde. Käme es in solchen Fällen nämlich nicht inhaltlich auf die Einspruchsgründe an, wäre der Bestrafte vor einer unbilligen Selbstbeschneidung seines Rechtsschutzes als Folge einer womöglich vorschnellen oder irgendwie sonst unbedachten äußeren Einspruchserklärung nicht geschützt. Inhaltlich aber hat der Einspruchswerber sich keineswegs nur und ausdrücklich gegen die Höhe der wider ihn verhängten Strafen zur Wehr gesetzt. Vielmehr bekämpfte er den Schuld spruch als solchen. Das Vorbringen nämlich, daß die involvierten Arbeitnehmerinnen bei ihrer Tätigkeit keine besondere Arbeitskleidung tragen müßten und er es aus diesem Grund daher auch nicht für unbedingt erforderlich gehalten habe, daß Kästen aufgestellt werden, zielt immerhin erkennbar gegen die Annahme der Tatbestandsmäßigkeit der ihm angelasteten Zuwiderhandlung. Schon dieser Einwand bewirkt, daß von einem ausdrücklich (nur) gegen die Strafhöhe gerichteten Einspruch nicht mehr die Rede sein konnte, zumal auch aus keinem anderen Begründungsinhalt die Ausdrücklichkeit einer solchen Einschränkung zweifelsfrei zu entnehmen ist. Diese Beurteilung vermag die bloß im allgemeinen Teil des Einspruchsprotokolls aufscheinende äußere Erklärung des Einspruchs ("gegen die Strafhöhe") für sich allein nicht umzukehren.

4. Erhob aber der Bestrafte einen inhaltlich (auch) den Schuldspruch der Strafverfügung vom 1. Juni 1995 erfassenden Einspruch, ist die bezeichnete Strafverfügung zur Gänze außer Kraft getreten und konnte - entgegen der Annahme der belangten Behörde - der Schuldspruch insofern nicht in (Teil-)Rechtskraft erwachsen.

5. Aus allen diesen Gründen erweist sich die Erlassung des vorliegend angefochtenen Bescheides als rechtswidrig, weil mit ihm ein in Wahrheit längst schon weggefallen gewesener Strafausspruch - unter Außerachtlassung der Tat- und Schuldfrage - bestätigt wurde. Dadurch widerfuhr dem Berufungswerber nicht nur eine Verkürzung seiner Rechtschutzmöglichkeiten, sondern auch eine Verletzung in seinem Anspruch auf ein ordentliches Ermittlungsverfahren. Der Bescheid war ersatzlos aufzuheben.

6. Nicht hingegen war die Verfahrenseinstellung zu verfügen. Nach den Umständen dieses Falles liegt die Entscheidung über Einleitung, Fortführung und Abschluß des ordentlichen Verfahrens (weiterhin) bei der belangten Behörde. In diesem Zusammenhang wird zur Klarstellung für das fortgesetzte Verfahren aber bemerkt:

6.1. Entgegen der im Spruchteil gemäß § 44a Z2 VStG der - weggefallenen - Strafverfügung als verletzt angegebenen Rechtsvorschriften könnte vorliegend die Gebotsnorm des § 86 Abs.1 AAV nur gemäß § 108 Abs.2 ASchG als weitergeltend herangezogen werden. Verfehlt war die Anführung des § 100 AAV (wurde mit zahlreichen anderen Bestimmungen der AAV mit Wirkung 1. Jänner 1995 durch das ASchG, BGBl.Nr. 450/1994, aufgehoben). Und verfehlt war auch die Anführung des (zufolge der Überleitung des § 86 Abs.1 AAV bis auf weiteres in Fällen wie hier nicht anwendbaren) § 27 Abs.4 ASchG. Als Strafbestimmung schließlich wäre vorliegend nicht § 130 Abs.1 Z15 ASchG, sondern § 130 Abs.5 Z1 leg.cit. maßgeblich.

6.2. Die belangte Behörde wird für den Fortgang des Verfahrens jedoch vor allem zu prüfen haben, ob in diesem Fall überhaupt eine zur Unterbrechung der Verjährung taugliche Verfolgungshandlung gesetzt worden ist. Dies vor dem Hintergrund, daß der Schuldspruch der Strafverfügung vom 1. Juni 1995 nur pauschal von Kästen zur Aufbewahrung "ihrer Bekleidung" spricht, hingegen die Gebotsnorm des § 86 Abs.1 AAV von dem wesentlichen Tatbestandsmerkmal ausgeht, daß es sich - für die Auslösung der Verpflichtung im Einzelfall - entweder um Straßenkleidung oder Arbeitskleidung oder Schutzkleidung handeln muß. Es hat aber der Berufungswerber schon in seinem Einspruch vom 19. Juni 1995 mit Blickrichtung auf die objektive Tatseite bestreitend vorgebracht, daß die involvierten Arbeitnehmerinnen keine besondere Arbeitsbekleidung zu tragen hätten. Im Zusammenhang gesehen wird daraus deutlich, daß ein iSd § 44a Z1 VStG hinreichend konkreter Tatvorwurf diesfalls anzugeben hätte, welche - nach den betrieblichen Gegebenheiten je unterschiedliche - Kleidungsart die Pflicht des Arbeitgebers, Kästen zur Aufbewahrung und zur Sicherung (eben nur) dieser Kleidung zur Verfügung zu stellen, auslöst. Dies gilt sinngemäß auch für die Verfolgungs handlung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichts hof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

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