Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280373/4/Le/Ha

Linz, 28.10.1997

VwSen-280373/4/Le/Ha Linz, am 28. Oktober 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Herrn S.K., L, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 19.6.1997, Ge96-109-1996-Fr/Gut, wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG), BGBl.Nr.461/1969 idF BGBl.Nr.446/1994 iVm der Verordnung des Rates (EWG) Nr. 3820/85, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß bei der Tageslenkzeit die Angabe "13 Stunden und 10 Minuten" ersetzt wird durch die Wendung "12 Stunden und 10 Minuten". Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben; die verhängte Geldstrafe wird auf 1.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf 8 Stunden herabgesetzt.

Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 100 S. Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 19, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 19.6.1997, Ge96-109-1996-Fr/Gut, wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 14 Abs.2 AZG iVm Art. 6 Abs.1 der Verordnung des Rates (EWG) Nr. 3820/85 gemäß § 28 Abs.1a Z3 und 4 des AZG eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden) verhängt, weil er es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der "S.K. Gesellschaft m.b.H. und Co Kommanditgesellschaft" im Sinne der Bestimmungen des § 9 VStG 1991 zu verantworten habe, daß, wie im Zuge einer Verkehrskontrolle durch Organe des Landesgendarmeriekommandos für V, Verkehrsabteilung, am 18.9.1996 um 9.27 Uhr auf der A beim Rastplatz N durch Überprüfung des für die "S.K. Gesellschaft m.b.H. und Co Kommanditgesellschaft" zugelassenen Lastkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen P festgestellt wurde, die Tageslenkzeit des in seinem Betrieb beschäftigten Kraftfahrers Johann R, geb. am 17.9.1996 13 Stunden und 10 Minuten betragen habe.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß der im Spruch bezeichnete Tatbestand im Zuge einer Verkehrskontrolle durch Organe des Landesgendarmeriekommandos für V festgestellt worden sei und nach dem Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und den vorliegenden Fakten und Beweismitteln in objektiver Hinsicht als erwiesen anzusehen sei.

Sodann wurde nach einer Wiedergabe der maßgeblichen Rechtslage die schriftliche Rechtfertigung des Beschuldigten sowie die Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk wiedergegeben. Die Erstbehörde kam daraufhin zum Ergebnis, daß dem Berufungswerber die angelasteten Übertretungen auch subjektiv vorzuwerfen seien, da er im durchgeführten Ermittlungsverfahren keinen Beweis erbracht habe, daß er für die Einhaltung der Vorschriften des AZG ein Kontrollsystem im Sinne der Ausführungen des Arbeitsinspektorates und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Betrieb eingerichtet bzw. im Zusammenhang mit der gegenständlichen Verwaltungsübertretung angewendet habe. Deshalb müsse dem Berufungswerber das Verschulden an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung im vollen Umfang angelastet werden und sei auch die subjektive Tatseite als erwiesen anzusehen.

Sodann wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung. In dieser führte der Berufungswerber aus, daß sein Kontrollsystem in bezug auf Arbeitsbedingungen und Entlohnung so gestaltet sei, daß für den Arbeitnehmer (Fahrer) kein Anreiz zur Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften gegeben sei. Als Beweis legte der Berufungswerber die Betriebsvereinbarung vom Juni 1995 bei, aus welcher sich seiner Ansicht nach ergeben würde, daß er mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen bzw. Lenkzeiten erwarten könnte.

Für den Fall, daß die Behörde trotzdem der Meinung sei, in seinem Kontrollsystem würden Mängel bestehen, bat der Bw die Behörde, ihm diese zur Kenntnis zu bringen, damit er sein bestehendes System dahingehend ändern könne, bzw. bat er, seine Bestrafung in Form einer Ermahnung zu belassen.

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat die Berufung und den zugrunde-liegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Die Berufung wurde der weiteren Verfahrenspartei, dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk, zur Kenntnis gebracht und hat diese mit Stellungnahme vom 30.7.1997 beantragt, der Berufung keine Folge zu leisten. Zur Bitte des Bw, ihm die in seinem Kontrollsystem bestehenden Mängel aufzuzeigen, wurde ausgeführt, daß nach Ansicht des Arbeitsinspektorates kein wirksames Kontrollsystem bestehe, und daher auch keine Details zur Mängelbehebung abgegeben werden könnten.

Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ein für die spruchgemäße Entscheidung ausreichend ermittelter Sachverhalt festzustellen war, der zudem vom Bw auch hinsichtlich der objektiven Sachverhaltsfeststellungen nicht bestritten worden war, konnte die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhand-lung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG unterbleiben.

3.2. Es wurde folgender Sachverhalt festgestellt:

Der Bw ist Geschäftsführer der "S.K. Gesellschaft m.b.H. & Co Kommanditgesellschaft" und als solcher gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ. Die Tageslenkzeit des im Betrieb des Berufungswerbers beschäftigten Kraftfahrers Johann R hat am 17.9.1996 12 Stunden und 10 Minuten betragen. Diese Zeit geht hervor aus der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos V vom 24.9.1996. Bereits in der Anzeige vom 8.10.1996 hatte das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk möglicherweise aufgrund eines Tippfehlers eine Zeit von 13 Stunden und 10 Minuten angegeben, welche im gegenständlichen Strafverfahren ungeprüft übernommen wurde. Sie war daher im vorliegenden Verfahren richtigzustellen.

Aufgrund der im Juni 1995 abgeschlossenen Betriebsvereinbarung verpflichten sich die Fahrer, die Fahrzeit nicht zu überschreiten ("keine Fahrzeitübertretun-gen"). Diese Betriebsvereinbarung wurde auch von Herrn Johann R unterschrieben. Die Kontrolle dieser Anordnung erfolgt bei den Chauffeuren wö-chentlich durch Kontrolle der Tachoscheiben, durchgeführt vom Personalein-satzplaner Franz W.

Der Sachverhalt ergibt sich aus den Unterlagen der Erstbehörde und wurde dieser auch nicht bestritten.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat dazu erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

4.2. Gemäß § 14 Abs.2 AZG darf die gesamte tägliche Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten acht Stunden nicht überschreiten. Durch Kollektivvertrag kann zugelassen werden, daß die Lenkzeit bis zu neun Stunden, zweimal wöchentlich jedoch bis zu zehn Stunden ausgedehnt wird.

Nach Art. 6 Abs.1 der Verordnung des Rates (EWG) Nr. 3820/85 darf die Tageslenkzeit zwischen zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen Ruhezeit neun Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf zehn Stunden verlängert werden.

Gemäß § 28 Abs.1a Z3 und 4 des AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die Lenker über die gemäß § 14 Abs.2 AZG zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen bzw. über die gemäß Art. 6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen. Es ist unbestritten, daß der Fahrzeuglenker Johann R am 17.9.1996 diese höchstzulässige Tageslenkzeit überschritten hat, indem er am 17.9.1996 seinen LKW 12 Stunden und 10 Minuten gelenkt hat. Damit ist der angelastete Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht.

4.3. Zur subjektiven Tatseite: Da es sich bei der Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs.1 VStG handelt, hatte der Bw glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften hat der Arbeitgeber ein entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es z.B. gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, daß sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Arbeitnehmer trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden System ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (vgl. VwGH vom 30.9.1991, 91/19/0136).

Laut ständiger Judikatur des VwGH ist für ein wirksames Kontrollsystem erforderlich, daß ständige, klare und ernsthafte Anweisungen an die Arbeitnehmer betreffend die gesetzlichen Verpflichtungen (hier: Einhaltung der täglich zulässigen Lenkzeit) ergehen, daß Übertretungsanreize ausgeschaltet sowie laufend Kontrollen durchgeführt werden.

In der vorgelegten Betriebsvereinbarung vom Juni 1995 ist zwar enthalten, daß die Fahrzeit nicht übertreten werden darf, doch geht daraus die tägliche zulässige Lenkzeit nicht hervor, sodaß dies keine, für den Entlastungsbeweis des Bw erforderliche, klare und ernsthafte Anweisung darstellt. Weiters hat der Bw nicht dargelegt, inwieweit seine Arbeitnehmer immer wieder belehrt und instruiert werden.

Die bloße Behauptung des Bw, daß seiner Meinung nach die Entlohnungsmethode keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften biete, stellt noch keinen Beweis dafür dar, insbesonders deshalb nicht, weil sie vom Bw auch nicht näher erläutert und bewiesen wurde.

Hinsichtlich des Kontrollsystems zur Überwachung der Einhaltung der Arbeitsanweisungen hat der Bw lediglich in seiner Stellungnahme vom 2.12.1996 vorgebracht, daß die Kontrolle der Anordnungen bei den Chauffeuren "über die Tachoscheibe" vom Personaleinsatzplaner - Tischlermeister Wurm Franz - erfolge.

Dieser Hinweis ist nicht geeignet, wirksames Kontrollsystem im Sinne der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen. Demnach ist es nicht ausreichend, die Arbeitnehmer lediglich stichprobenartig zu kontrollieren, sondern muß vielmehr eine wirksame Kontrolle durch ein wirksames Kontrollsystem dargelegt werden. Abgesehen davon, daß der Bw mit keinem Wort darlegte, daß der "Tischlermeister Franz W" über die nötige Ausbildung im Hinblick auf die Arbeitszeitvorschriften von Kraftwagenlenkern verfügt, hat er auch nicht dargelegt, allenfalls welche Sanktionen die Arbeitnehmer zu erwarten haben, wenn sie die Arbeitszeitvorschriften nicht einhalten. Der Bw hat weiters nicht dargelegt, wie er seinerseits den Personaleinsatzplaner Franz W kontrolliert.

Damit aber ist es dem Bw nicht gelungen, das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems nachzuweisen, weshalb im Sinne der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt etwa VwGH 97/02/0182 vom 5.9.1997) vom Fehlen eines solchen auszugehen war.

4.4. Nach § 28 Abs.1a AZG sind Arbeitgeber mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen. Der Bw hat trotz Ersuchens keine Angaben über seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse gemacht. Die Bemessung der Geldstrafe erfolgte daher aufgrund der angekündigten Schätzung der persönlichen Situation. Die Behörde ging bei der Strafbemessung von einer mehr als dreißigprozentigen Überschreitung der höchstzulässigen Tageslenkzeit aus. Da sich im Berufungsverfahren herausgestellt hat, daß diese Lenkzeitangabe aufgrund eines Schreibfehlers in der Anzeige des Arbeitsinspektorates zu hoch ausgefallen ist und in Wirklichkeit lediglich die eingehaltene Lenkzeit (nur) 12 Stunden und 10 Minuten betragen hat, war die verhängte Strafe herabzusetzen. Zusätzlich wirkte sich als strafmildernd die bisherige absolute Unbescholtenheit des Bw aus. Die Geldstrafe war sohin auf die gesetzlich vorgesehene Mindeststrafe herabzusetzen.

Die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes des § 20 VStG kam aufgrund des weitgehend fehlenden Kontrollsystems ebensowenig zur Anwendung wie die Bestimmung des § 21 VStG. Das Verschulden konnte somit im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht als geringfügig angesehen werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an:

Beilage Dr. Leitgeb

Beschlagwortung: Absolute Unbescholtenheit; Kontrollsystem

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum