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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280375/15/Kl/Ka

Linz, 09.07.1998

VwSen-280375/15/Kl/Ka Linz, am 9. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Schieferer, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des Franz W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 22. Juli 1997, Ge-1416/96, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der BauV bzw dem ASchG nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 1.7.1998 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis vollinhaltlich mit der Maßgabe bestätigt, daß in der verletzten Rechtsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG anstelle des "§ 130 Abs.1 Z15 ASchG" der "§ 130 Abs.5 Z1 ASchG" zu zitieren ist und die Strafnorm gemäß § 44a Z3 VStG "§ 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG" zu lauten hat.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat einen Kostenbeitrag in der Höhe von 20 % der verhängten Strafe, ds 3.000 S zu bezahlen. Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG. zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 22.7.1997, Ge-1416/1996, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 15.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 87 Abs.3 und 155 Abs.1 BauV sowie §§ 20 Abs.1, 118 Abs.3 und 130 Abs.1 Z15 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen bestimmtes Organ der Firma W Dachdeckerei Gesellschaft mbH. in, verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten hat, daß zwei Arbeitnehmer oa. Firma am 4.12.1996 auf der Baustelle oa. Firma in Arbeiten auf dem Dach oa. Baustelle durchführten. Gegenständliches Dach weist eine Neigung von ca. 30 Grad auf. Die Traufenhöhe beträgt ca. 6 m. Die oben angeführten Arbeiten wurden durchgeführt, ohne daß Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gegen den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten vorhanden gewesen wären, obwohl dies eine Übertretung der Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) und des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) darstellt. 2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher das Straferkenntnis zur Gänze angefochten wurde. Begründend wurde ausgeführt, daß in den Firmenautos Sicherheitsgeschirre und -gurte vorhanden gewesen seien und daher geeignete Schutzeinrichtungen jedenfalls zur Verfügung gestellt worden seien. Angesichts der großen Anzahl von Baustellen sei es aber dem Bw nicht möglich, sämtliche Baustellen zur gleichen Zeit zu kontrollieren. Aus diesem Grunde werden auf allen Baustellen Checklisten ausgehängt und wurden diese Checklisten auch von sämtlichen Arbeitern unterfertigt. Mit der Kontrolltätigkeit auf der ggst. Baustelle sei der Bauleiter Karl P beauftragt worden und habe dieser auch täglich auf der Baustelle kontrolliert. Dessen zeugenschaftliche Einvernahme wurde beantragt. Ein Verschulden war daher nicht gegeben und werde die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt. 3. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und gleichzeitig auf zehn rechtskräftig verhängte Verwaltungsstrafen nach dem Arbeitnehmerschutzgesetz seit dem Jahr 1992 hingewiesen. Das zuständige Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk wurde am Verfahren beteiligt und es hat in einer Stellungnahme dargelegt, daß die dem Arbeitsinspektorat im Dezember 1996 übermittelte Kopie einer Checkliste keine Unterschriften der auf der Baustelle tätigen Personen aufweist. Der namhaft gemachte Bauleiter Karl P sei dem Arbeitsinspektorat nicht als verantwortlicher Beauftragter gemeldet worden. Im übrigen wurde darauf hingewiesen, daß ein wirksames Kontrollsystem nicht vorhanden gewesen sei und es dem Bw nicht gelungen sei, das Funktionieren eines solchen Systems glaubhaft zu machen. Insbesondere wurden auch nicht Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden, die einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften verhindern sollen, dargelegt. Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war eine Kammer des O.ö. Verwaltungssenates zur Entscheidung zuständig.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt sowie durch die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1.7.1998, zu welcher der Bw und sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter des zuständigen Arbeitsinspektorates geladen und erschienen sind. Ein Vertreter der belangten Behörde ist trotz Ladung nicht erschienen. Weiters wurden die geladenen Zeugen Bauleiter Karl P sowie Arbeitsinspektor Dipl.-Ing. Heinrich M zeugenschaftlich einvernommen.

4.1. Im Grunde des Beweisverfahrens ist erwiesen, daß am 4.12.1996 anläßlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk bei der Baustelle, Arbeitnehmer des Beschuldigten mit der Neueindeckung des Daches mit einer Neigung von ca. 30 Grad und einer Traufenhöhe von ca. 6 m beschäftigt waren, ohne daß die Arbeitnehmer durch Sicherheitsgurte oder Sicherheitsgeschirre gesichert und ohne daß Schutzblenden oder Dachfanggerüste vorhanden waren. Auch waren bei der Baustelle im Kranwagen nur ein Sicherheitsgeschirr und zwei Sicherheitsgurte und zur Errichtung von selbstgemachten Schutzblenden verwendbare 5 Zangen vorhanden. Es wurden von den Arbeitnehmern keinerlei Schutzeinrichtungen verwendet. Eine vorgelegte Checkliste für die ggst. Baustelle sieht 20 lfm Schutzblenden als Eigenbau sowie als persönliche Schutzeinrichtungen das Angurten beim Kamin vor. Diese Checkliste wurde vom Vorarbeiter Johann R bestimmt. Der zuständige Bauleiter Karl P hat für die ggst. Baustelle eine Checkliste nicht erstellt und die Baustelle am Tag nach der Errichtung (die Errichtung erfolgte am 3.12.1996) nicht mehr kontrolliert. Die persönlichen Schutzausrüstungsgegenstände werden den Arbeitnehmern grundsätzlich im Firmenauto zur Verfügung gestellt. Weitere Schutzeinrichtungen werden nach Checkliste im Firmenwagen mitgenommen und dann von den Arbeitnehmern nach Fortschritt der Baustelle in Verwendung genommen. Eine Kontrolle der Baustellen erfolgt grundsätzlich täglich durch den Baustellenleiter; die konkrete Baustelle wurde aber wegen der großen Entfernung vom Firmensitz vom Bauleiter nicht mehr kontrolliert. Weitere Kontrollen finden dann nämlich jeweils von dem am nächsten befindlichen Bauleiter oder auch vom Firmenchef, dem Beschuldigten, in der Regel statt. 4.2. Diese Feststellungen gründen sich sowohl auf die anläßlich der Kontrolle aufgenommenen Fotos als auch auf die Aussagen der Zeugen Arbeitsinspektor Dipl.-Ing. M und Bauleiter Karl P. Beide Zeugen machten einen glaubhaften Eindruck. An der Glaubwürdigkeit war nicht zu zweifeln. 5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen: 5.1. Gemäß § 155 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr.340/1994, welche gemäß §§ 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl.Nr.450/1994, als Verordnung nach diesem Bundesgesetz weiter gilt, hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß die Vorschriften des I., II. und III. Hauptstückes dieser Verordnung sowie den aufgrund dieser Bestimmungen von der Behörde vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen sowie den erteilten Aufträgen sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung der Baustelle entsprochen wird.

Gemäß § 87 Abs.3 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber(in) den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. 5.2. Durch den im Beweisverfahren erwiesenen Sachverhalt ist daher der vorgeworfene Tatbestand der Verwaltungsübertretung objektiv erfüllt, indem während der Dacheindeckungsarbeiten Schutzeinrichtungen nicht verwendet wurden. Dem Vorbringen des Bw, daß Verschulden nicht vorliegt, kann nicht Rechnung getragen werden und es konnten seine Ausführungen eine Entlastung nicht bewirken. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, das bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen ist, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die ggstl. Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei nach der zitierten Bestimmung Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen ist. Wenn sich der Bw darauf stützt, daß generell Sicherheitsgeschirre jedem Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt werden, so kann diese Behauptung ihn nicht entlasten, zumal das Zurverfügungstellen von Sicherheitseinrichtungen nicht ausreicht, sondern der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen hat, daß diese bei der Baustelleneinrichtung wie auch beim weiteren Betrieb der Baustelle verwendet werden. Gleiches gilt auch für die angeführte Checkliste. Dazu ist jedoch auch anzumerken, daß nach den Aussagen des sachverständigen Zeugen Dipl.-Ing. M die mitgebrachten Zangen für eine geeignete Absturzsicherung nicht ausreichen würden. Auch die Verwendung von Dachlatten für Schutzblenden würden für Arbeiten am Dach nicht ausreichen. Wenn sich der Bw weiter darauf stützt, daß er den Bauleiter Karl P als Verantwortlichen für die Baustelle bzw für Kontrolltätigkeiten berufen hat, so kann nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der dem Beschuldigten obliegende Entlastungsnachweis nicht allein schon durch den Nachweis erbracht werden, daß die ihn treffende Verpflichtung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden ist, sondern es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, daß auch für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist. Es kann daher die Namhaftmachung einer Person und die Berufung auf ihre Tauglichkeit den Bw noch nicht entlasten. Wie aber das Beweisverfahren gezeigt hat, wurde die Baustelle vom Bauleiter nur am ersten Tag, nicht aber am Tag der Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat, auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften kontrolliert und es wurde auch weder eine Kontrolle des Bauleiters noch eine Kontrolle der Baustelle durch den Beschuldigten selbst behauptet und auch nicht unter Beweis gestellt. Kurzfristige stichprobenartige Kontrollen hingegen genügen nicht den Anforderungen eines wirksamen Kontrollsystems, von dem mit gutem Grund erwartet werden kann, daß es die tatsächliche Einhaltung der Vorschriften sicherstellt. Auch die bloße Erteilung von Weisungen (wie z.B. die Erstellung der Checkliste) reicht nicht aus, sondern es muß eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisungen erfolgen. Im konkreten Fall stand es aber den Arbeitnehmern frei, welche Schutzeinrichtungen sie tatsächlich verwenden. Ein wirksames Kontrollsystem durch Einsatz von Kontrollorganen und Überwachung dieser Kontrollorgane wurde jedoch vom Bw nicht nachgewiesen. Auch wurde vom Bw der Nachweis nicht erbracht, daß er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Auch fehlen konkrete Behauptungen über Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden, die so ausgestaltet sind, daß sie keinen Anreiz zur Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen bieten. Es ist daher dem Bw der Nachweis eines wirksamen Kontrollsystems nicht gelungen. Es hat daher der Bw auch schuldhaft gehandelt. 5.3. Hinsichtlich der verhängten Strafe hat bereits die belangte Behörde auf sämtliche objektiven und subjektiven Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.1 und 2 VStG Bedacht genommen. Zum Unrechtsgehalt der Tat ist insbesondere darauf hinzuweisen, daß durch die Schutzeinrichtungen das Leben und die Gesundheit der Arbeitnehmer geschützt werden soll und Arbeitnehmerschutzbestimmungen weder der Disposition der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer unterliegen. Hinsichtlich der Strafbemessungsgründe gemäß § 19 Abs.2 VStG hat die belangte Behörde bereits auf einschlägige Verwaltungsvorstrafen als Erschwerungsgrund Bedacht genommen. Milderungsgründe kamen nicht hervor. Auch hat die belangte Behörde auf die vom Beschuldigten angegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse Bedacht genommen. Weitere Strafbemessungsgründe sind auch im Berufungsverfahren nicht hervorgekommen und wurden vom Bw nicht vorgebracht. Weil die verhängte Geldstrafe im untersten Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens liegt und an der konkreten Baustelle mehrere Arbeitnehmer gefährdet wurden, ist eine Herabsetzung der Geldstrafe nicht gerechtfertigt. Insbesondere war auch zu berücksichtigen, daß die verhängte Geldstrafe erforderlich ist, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Es war daher auch das verhängte Strafausmaß zu bestätigen. 6. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat der O.ö. Verwaltungssenat in der Sache selbst zu entscheiden und eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen. Im Sinne der obzitierten Bestimmungen war daher der Spruch zu korrigieren.

7. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, waren daher als Verfahrenskostenbeitrag 20 % der verhängten Geldstrafe gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG aufzuerlegen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig. Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten. Dr. Schieferer Beschlagwortung: Checkliste, Bauleiter, Auswahl der Einrichtungen durch Arbeitnehmer, Dispositionsfreiheit

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