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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280393/10/Kl/Rd

Linz, 16.08.1999

VwSen-280393/10/Kl/Rd Linz, am 16. August 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung der V, vertreten durch RAe, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 9.9.1997, Ge96-60-1997-Gat, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 9.9.1997, Ge96-60-1997-Gat, wurde über die Bw eine Geldstrafe von zweimal 25.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von zweimal 14 Tagen verhängt, weil sie es als gemäß § 9 VStG 1991 verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Geschäftsführerin der "S GesmbH" (Güterbeförderungsgewerbe im Standort) zu vertreten hat, wie anläßlich einer Kontrolle durch die Bundesgendarmerie Leopoldschlag, am 15.2.1997 um ca. 16.35 Uhr bei der Grenzkontrollstelle Wullowitz, 4262 Leopoldschlag, festgestellt wurde, daß der Lenker J, geb. am 16.05.1962 (LKW mit dem pol. Kennzeichen),

a) über die gesetzlich zulässige Lenkzeit hinaus eingesetzt wurde (Lenkzeit am 13.2.1997: 11 Stunden und 12 Minuten - Lenkzeit am 14.2.1997: 20 Stunden und 56 Minuten), und

b) die gesetzlich festgelegte ununterbrochene tägliche Ruhezeit nicht einhalten konnte (vom 13.2. auf den 14.2.1997 betrug die tägliche Ruhezeit nur 6 Stunden und 58 Minuten).

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

a) § 14a Abs.1 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl.Nr. 461/1969 idgF iVm dem Kollektivvertrag, und Art.6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates, iSd § 28 Abs.1a Z3 bzw Z4 des AZG, und

b) § 15a Abs.1 und 2 des Arbeitszeitgesetzes, BGBl.Nr. 461/1969 idgF iVm dem Kollektivvertrag, und Art.8 Abs.1 und 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates, iSd § 28 Abs.1a Z2 des AZG.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis seinem ganzen Inhalt nach, insbesondere wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und der Höhe der verhängten Strafe angefochten.

Begründend wurde ausgeführt, daß ein Verschulden der Bw nicht vorliege, weil dem Lenker eine Belehrung über das AZG erteilt und eine Fahrerinformation ausgehändigt wurde und seitens der Unternehmensführung keinerlei Anweisung an den Lenker bestand, die Fahrten durch Überschreiten des AZG zu erledigen. Auch bestand kein Termindruck. Vielmehr werden die Fahrten so eingeteilt, daß für die Fahrer keinerlei Veranlassung besteht, die Bestimmungen des AZG nicht einzuhalten. Bei Nichteinhaltung kommt es zu einer Verwarnung und in weiterer Folge auch zur Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen. Weiters wird hinsichtlich der Aussage des Fahrers darauf hingewiesen, daß er sich ansonsten auch selbst belasten würde und dabei nicht wahrheitsgemäß antworten könne. Die Behörde habe die Kontrollmaßnahmen nicht ausreichend ermittelt. Schließlich wurde noch die Strafbemessung bekämpft.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat das zuständige Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk am Verfahren beteiligt und das Parteiengehör gewahrt.

Weil jeweils eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zur Entscheidung berufen.

4. Weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG entfallen.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 28 Abs.1a Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.Nr. 446/1994, (kurz AZG), sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die

1) die tägliche Ruhezeit gemäß § 15a nicht gewähren;

2) die tägliche Ruhezeit gemäß Art.8 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren;

3) Lenker über die gemäß § 14 Abs.2 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

4) Lenker über die gemäß Art.6 Abs.1 Unterabs. der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen;

5) Lenkpausen gemäß § 15 Abs.1 bis 4 nicht gewähren;

6) Lenkpausen gemäß Art.7 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren,

sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 28 Abs.1 Z4 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die die tägliche Ruhezeit gemäß § 12 Abs.1 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 300 S bis 6.000 S zu bestrafen.

Aus den vorzitierten Bestimmungen ist ersichtlich, daß nur Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte für die Einhaltung der Ruhezeit, Lenkzeit, Lenkpausen usw durch die Lenker verantwortlich sind und für die Nichteinhaltung zu bestrafen sind.

Weder dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses noch der Aufforderung zur Rechtfertigung als erste Verfolgungshandlung noch einem weiteren Verfahrensschritt ist zu entnehmen, daß die im Spruch angeführte S GesmbH Arbeitergeber des im Spruch angeführten Lenkers ist. Auch ist aus dem Tatvorwurf nicht ersichtlich, daß das im Spruch angeführte Kraftfahrzeug der gewerblichen Güterbeförderung durch die S GesmbH diente. Weil aber nur Arbeitgeber nach dem AZG zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung herangezogen werden, handelt es sich dabei um ein wesentliches Tatbestandselement, das innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist dem Bw vorzuwerfen ist. Es ist daher schon aus diesem Grunde Verfolgungsverjährung eingetreten und war das Straferkenntnis aufgrund des Fehlens eines wesentlichen Tatbestandelementes im Spruch aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen. Im Gegensatz dazu ist aber darauf hinzuweisen, daß die rechtliche Beurteilung der Verantwortlichkeit der Bw als handelsrechtliche Geschäftsführerin der S GesmbH, welche Eigenschaft ebenfalls dem Schuldspruch nach der Judikatur des VwGH zu entnehmen sein muß, nicht der Verfolgungsverjährung unterliegt. Auch diesbezüglich haftet aber dem Schuldspruch ein Mangel an.

Darüber hinaus führen aber auch noch andere Erwägungen zu der Aufhebung des Straferkenntnisses.

5.2. Gemäß § 13 Abs.1 Arbeitszeitgesetz, BGBl.Nr. 461/1969 idF BGBl.I.Nr. 8/1997 (kurz: AZG), gelten für die Beschäftigung von Lenkern von Kraftfahrzeugen die Bestimmungen der Abschnitte 2 und 3 mit den in den §§ 14 bis 17 genannten Abweichungen. Wiederholt eine Bestimmung dieses Abschnittes Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABl EG Nr. L 370 vom 31.12.1985, S1, oder ist eine Angleichung durch Kollektivvertrag erfolgt, ist die jeweilige Bestimmung im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht anzuwenden.

Gemäß Art.2 Abs.1 Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 gilt diese Verordnung für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr. Diese Verordnung gilt gemäß Art.4 Z1 dieser Verordnung (EWG) nicht für Beförderungen mit Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5 t nicht übersteigt.

Ob daher zur Beurteilung der Lenk-/Ruhezeiten die nationalen Vorschriften der §§ 14 bis 17 AZG oder das Gemeinschaftsrecht der Art.6 bis 8 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 heranzuziehen sind, richtet sich nach der wesentlichen Voraussetzung der Güterbeförderung im nationalen bzw internationalen Straßenverkehr und nach dem höchstzulässigen Gesamtgewicht der Fahrzeuge unter bzw über 3,5 t.

Entsprechend sieht daher das AZG im § 28 Abs.1a jeweils nach anzuwendendem nationalen oder Gemeinschaftsrecht getrennte Straftatbestände vor (zB Z3 für die Lenkzeit im nationalen Verkehr bzw Z4 für die Lenkzeit im internationalen Straßenverkehr; hinsichtlich der Lenkpausen Z5 für nationalen Verkehr und Z6 für den internationalen Straßenverkehr usw).

5.3. Nach der ständigen Judikatur des VwGH ist die als erwiesen angenommene Tat gemäß § 44a Z1 VStG so konkretisiert zu umschreiben, daß alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale angeführt sind, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S.969ff).

Diesen Konkretisierungsanforderungen entspricht das angefochtene Straferkenntnis nicht. Wie schon aus der im Spruch angeführten verletzten Rechtsvorschrift ersichtlich ist, war es der belangten Behörde nicht möglich, den von ihr vorgeworfenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung zuzuordnen. Wie ihren zitierten Rechtsvorschriften nämlich zu entnehmen ist, hat sie die Tat jeweils zwei Verwaltungsübertretungen alternativ zugeordnet, nämlich einerseits dem Tatbestand des § 14 Abs.2 AZG iVm § 28 Abs.1a Z3 AZG und andererseits der für den internationalen Straßenverkehr geltenden Rechtsvorschrift des Art.6 Abs.1 Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z4 AZG. Gleichermaßen ist die belangte Behörde auch bei einem weiteren Straftatbestand vorgegangen. Darüber hinaus betrifft § 28 Abs.1a Z2 AZG nur die Nichteinhaltung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen. Schon daraus ist ersichtlich, daß die gewerbliche Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr ein wesentliches Tatbestandselement bildet, das zur Subsumtion unter eine konkrete Verwaltungsvorschrift erforderlich ist. Aus sämtlichen Verfahrensschritten der Behörde ist aber nicht ersichtlich, welchen Sachverhalt (nationalen oder internationalen Straßenverkehr) sie ihrer Entscheidung zugrundegelegt.

Dieses Tatbestandsmerkmal wurde weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung als erste Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist noch in weiteren Verfahrensschritten noch im angefochtenen Straferkenntnis angeführt. Weil nach der Judikatur des VwGH dem Beschuldigten ein Rechtsanspruch darauf zukommt, daß die richtige verletzte Verwaltungsvorschrift eindeutig angegeben wird, eine eindeutige Sachverhaltsumschreibung aber nicht erfolgt ist, mußte mangels einer ausreichenden Tatkonkretisierung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist das Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt werden.

Daß aber zumindest teilweise mit grenzüberschreitendem Verkehr gelenkt wurde, ist sowohl aus der alternativen Anwendung der EWG-Verordnung durch die belangte Behörde erschließbar, als auch aus der Anzeige des Meldungslegers vom 16.2.1997 ersichtlich, worin der internationale Verkehr mit "ja" angekreuzt wurde. Entgegen der Anzeige des Gendarmeriepostens Leopoldschlag, die von der Nichteinhaltung der entsprechenden Bestimmungen der EG-VO ausgeht, läßt die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk vom 21.7.1997 die entsprechende Zuordnung gemäß § 28 Abs.1a Z2 oder Z3 sowie Z5 oder Z6 offen. Ebenso läßt sie eine Gewichtsangabe über das verwendete Fahrzeug offen.

5.4. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, daß hinsichtlich der täglichen Ruhezeit gemäß § 15a AZG für das Lenken von Kraftfahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5 t übersteigt, abweichende Regelungen getroffen wurden. Schließlich gilt gemäß Art.4 Z1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 diese Verordnung nicht für Beförderungen mit Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger 3,5 t nicht übersteigt. Es ist daher auch unter Zugrundelegung dieser Bestimmungen erforderlich, in den Spruch eine Konkretisierung dahingehend aufzunehmen, ob es sich um eine gewerbsmäßige Güterbeförderung mit Fahrzeugen über oder unter 3,5 t höchstzulässiges Gesamtgewicht handelt. Auch dieses wesentliche Tatbestandsmerkmal wurde weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung noch im angefochtenen Straferkenntnis noch in einem sonstigen Verfahrensschritt der Bw vorgeworfen und zur Kenntnis gebracht. Es ist daher auch diesbezüglich Verfolgungsverjährung eingetreten. Dabei ist bei einem zulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t weder die EG-VO 3820/85 noch § 15a AZG anwendbar, sondern die allgemeine Regelung des § 12 Abs.1 AZG, dessen Nichteinhaltung eine Übertretung nach § 28 Abs.1 Z4 AZG - mit einer wesentlich geringeren Strafdrohung - bildet. Eine vergleichbare Judikatur des VwGH besteht zum KFG 1967.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen gemäß § 66 VStG sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Konrath

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