Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280405/26/KON/Pr

Linz, 01.03.1999

VwSen-280405/26/KON/Pr Linz, am 1. März 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn F. H. vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H. L., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. wegen Übertretung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z1, 1. Fall VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuldspruch:

"Sie sind persönlich haftender Gesellschafter der J. H. und Söhne OHG. und somit gem. § 9 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch dieses Unternehmen verantwortlich. Sie haben es daher zu verantworten, daß der durch dieses Unternehmen beschäftigte Lenker M. Ch. P. entgegen den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes bzw. der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 beschäftigt wurde, da die Tageslenkzeit am im Zeitraum (Einsatzzeit) von 04.00 Uhr bis 19.45 Uhr insgesamt 10 Stunden 0und 30 Minuten betrug. Sie haben somit den Lenker M. Ch. am zu einer Tageslenkzeit von 10 Stunden und 30 Minuten eingesetzt, obwohl die Tageslenkzeit 9 Stunden und zweimal pro Woche 10 Stunden nicht überschreiten darf; Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 28 Abs. 1a Z. 4 Arbeitszeitgesetz - AZG iVm Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85." Hiezu führt die belangte Behörde im wesentlichen begründend aus, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates Vöcklabruck vom, sowie durch das durchgeführte Beweisverfahren als erwiesen anzusehen sei. Demnach stehe fest, daß die J. H. & Söhne OHG den im Unternehmen beschäftigten Lenker Ch. P. M. entgegen den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes (im folgenden AZG) bzw. der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 beschäftigt habe, als dieser am im Zeitraum (Einsatzzeit) von 04.00 Uhr bis 19.45 Uhr zu einer Lenkzeit von insgesamt 10 Stunden und 30 Minuten herangezogen worden sei, obwohl die Tageslenkzeit 9 Stunden und zweimal pro Woche 10 Stunden nicht überschreiten dürfe. Die festgestellte Verwaltungsübertretung sei dem Beschuldigten als persönlich haftender Gesellschafter der J. H. & Söhne OHG strafrechtlich zuzurechnen. Unter Zitierung der Bestimmungen des § 5 Abs.1 VStG hält die belangte Behörde fest, daß es dem Beschuldigten nicht gelungen sei, glaubhaft darzulegen, daß ihn an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn vom Beschuldigten auf das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems bezüglich der Einhaltung der Bestimmungen des AZG hätte verwiesen werden können. Dies sei nicht der Fall, da vielmehr aus seinen Aussagen hinsichtlich des Bestehens und Funktionierens eines wirksamen Kontrollsystems mit Recht zu zweifeln sei. Auch stünde seine Behauptung, ein entsprechendes Kontrollsystem habe bestanden, im Widerspruch zur Zeugenaussage des Disponenten J. R., welcher zur Praxis der Lenker, bereits am Freitag abend oder spätestens am Samstag in der Früh zu Hause einlangen zu wollen, hinsichtlich der Frage, was der Beschuldigte gegen diese Praxis der Lenker mache, angegeben habe, daß es derzeit dagegen keine wirksame Praxis gebe. Wenn es im Unternehmen des Beschuldigten schon diese "Praxis", die mit Überschreitungen der Lenker-, Einsatz- und Ruhezeiten einhergehe, gebe, so müßte doch seitens des Beschuldigten dieser Entwicklung gegengesteuert werden, was aber konkrete Maßnahmen zur Hintanhaltung dieser Praxis voraussetze. Solche Maßnahmen seien aber seitens des Beschuldigten nicht gesetzt worden. Die gegenständliche Überschreitung der Tageslenkzeit am sei dem Beschuldigten daher als dem zur Vertretung nach außen berufenen Organ verwaltungsstrafrechtlich zuzurechnen.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben, in welcher er mit näherer Begründung Unverschulden im Sinne des § 5 Abs.1 VStG gegen die Bestrafung einwendet. Insbesondere bringt er darin vor, daß ein normwidriges und damit strafbares Verhalten ihm im konkreten Fall nur dann vorgeworfen werden könne, wenn hervorgekommen wäre, daß die dem Lenker Ch. P. M. am 12.6.1996 aufgetragene Tour nur unter Überschreitung der gesetzlich zulässigen Lenkzeit üblich gewesen wäre. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Zur Tauglichkeit des von der Rechtsprechung geforderten Kontrollsystems sei noch auszuführen, daß ein solches System immer imperfekt bleiben müsse, solange der Unternehmer vom Gesetzgeber keine geeigneten Mittel in die Hand bekomme, um seine Anordnungen auch durchzusetzen. Da den arbeitsrechtlichen Bestimmungen allfällige Lenkzeitüberschreitungen nicht mit einer Kürzung der Bezüge - ein Mittel, daß für den Überschreiter spürbar und damit dazu geeignet wäre, ihn zur Einhaltung der Anordnung anzuhalten - um mit einer Entlassung auch erst dann, wenn sich der Lenker den Anordnungen beharrlich widersetze, geahndet werden könnte, seien dem Dienstgeber bei der Durchsetzung seiner Anordnung die Hände gebunden. Es könne ihm daher im konkreten Fall daraus, daß das bei seiner Firma eingerichtete Kontrollsystem Überschreitungen von Lenkzeiten sowie die Nichteinhaltung von Lenkpausen und Ruhezeiten nicht zur Gänze ausschließen könne, kein verwaltungsstrafrechtlicher Vorwurf gemacht werden.

Der Berufungswerber stellte den Antrag auf Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat.

In Entsprechung dieses Antrages hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentlich mündliche Verhandlung für den 28.10.1998 unter Ladung der Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens anberaumt und an diesem Tage durchgeführt.

Hat der Beschuldigte zunächst nur das Vorliegen der subjektiven Tatseite im Sinne des § 5 Abs.1 VStG bestritten, wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung insoferne auch der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungs-übertretung bestritten, als er die Tauglichkeit der einen Bestandteil des Verfahrensaktes bildenden Kopien der Tachoschaublätter als Beweismittel mit näherer Begründung bestritt. So wurde bei der mündlichen Verhandlung vom Beschuldigtenvertreter vorgebracht, daß aus der Schaublattkopie nicht ersichtlich sei, von wann bis wann das Schaublatt in das Kontrollgerät eingelegt worden wäre und dieser Umstand deshalb verfahrenswesentlich sei, weil nur aus dem Schaublatt entnommen werden könne, ob Lenkzeiten tatsächlich überschritten worden seien. Auch habe der Lenker M. dem Beschuldigten gegenüber angegeben, daß ihm bei der Kontrolle die Schaublätteroriginale abgenommen worden seien.

Aufgrund dieses Vorbringens in der mündlichen Verhandlung seitens des Beschuldigten, wurde zur Frage, inwieweit die einen Bestandteil des Verfahrensaktes bildende Tachografenschaublattkopie als Beweismittel für die vorgeworfene Lenkzeitüberschreitung herangezogen werden könne, im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens die gutächtliche Stellungnahme der Abteilung Maschinenbau und Elektrotechnik des Amtes der Oö. Landesregierung, eingeholt.

Die genannte Fachabteilung äußerte sich in ihrer gutächtlichen Stellungnahme vom 29.12.1998, BauME-010191/570-1998/Lad/Lee, dahingehend, daß die ihr vorgelegte Tachographenschaublattkopie einer Auswertung nicht mehr zugänglich sei. Dies liege einerseits an der zu geringen Kontraststärke der Kopie, da Teile der Aufzeichnungen nicht mehr ersichtlich und somit nicht mehr auswertbar seien.

Die gutächtliche Stellungnahme des Amtssachverständigen wurde den Parteien des Berufungsverfahrens zur Kenntnis gebracht. Die Amtspartei Arbeitsinspektorat für den 18. Aufsichtsbezirk hat in ihrer hiezu ergangenen Stellungnahme vom 18.1.1999 der oben angeführten Aussage des Sachverständigen zugestimmt. Gleichzeit wird vom AI jedoch darauf hingewiesen, daß die Auswertung anhand der Originalschaublätter bei der Anhaltung vorgenommen worden sei. Die Originalschaublätter seien dem Lenker nach abgeschlossener Amtshandlung an Ort und Stelle zurückgegeben worden.

Die Kopien der Schaublätter beim gegenständlichen Strafantrag dienten lediglich zur Information und seien nicht geeignet, um daran Auswertungen vorzunehmen.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Es ist zunächst aufzuzeigen, daß, wie sich anhand der Aktenlage ergibt, der belangten Behörde als Beweismittel für die angelastete Verwaltungsübertretung das Original des Tachographenschaublattes nicht zur Verfügung stand. Die der Anzeige des Arbeits-inspektorates für den 19. Aufsichtsbezirk beigeschlossene Tachographen-schaublattkopie ist aber unstrittig einer Auswertung nicht zugänglich gewesen. Mangels eines geeigneten Beweisstückes, wie dies eben das Original des Tachographenschaublattes gewesen wäre, war es dem unabhängigen Verwaltungs-senat als Berufungsinstanz nicht möglich, das Beweisverfahren der belangten Behörde einer nachprüfenden Kontrolle zu unterziehen. Mangels des zur Verfügung stehenden Tachographenschaublattoriginals vermag auch der unabhängige Ver-waltungssenat als Berufungsinstanz die ihm obliegende Beweisführung für die Richtigkeit des Tatvorwurfes, was dessen objektive Tatseite betrifft, zu führen. Eine zeugenschaftliche Einvernahme des verfahrensgegenständlichen Lenkers zur Frage, ob ihm bei der Amtshandlung die Originale der Tachographenschaublätter zurückgegeben worden wären oder nicht, konnte unterbleiben, da eine solche Vernehmung nichts zum Beweis für die Richtigkeit des Tatvorwurfes beiträgt. Selbst wenn die Originale der Tachographenschaublätter dem Lenker zurückgegeben worden wären, hätte in weiterer Folge allenfalls dem Beschuldigten eine Verletzung der Bestimmungen der Aufbewahrungspflicht gemäß Art. 14 Abs.2 der Verordnung (EWG Nr. 3821/85) im Straßenverkehr bzw. der Bestimmungen des § 28 Abs.1b Z2 AZG angelastet, nicht hingegen die Verletzung der Bestimmungen des § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm Art. 6 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 angelastet werden können. Dies deshalb, weil ohne taugliches Beweismittel, wie das Tachographen-schaublattoriginal, es eben nicht möglich ist, den Tatvorwurf der Lenkzeit-überschreitung unter Beweis zu stellen.

Aus den dargelegten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses ist der Beschuldigte von der Entrichtung sämtlicher Verfahrenskostenbeiträge befreit.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2500 S zu entrichten.

Dr. K o n r a t h

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