Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280407/25/SCHI/Km

Linz, 11.09.1998

VwSen-280407/25/SCHI/Km Linz, am 11. September 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des E S, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G S und Dr. A W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrat - Bezirksverwaltungsamt) der Landeshauptstadt Linz vom 24.10.1997, GZ: 101-6/3-330050832, wegen Übertretungen nach dem KJBG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 7. September 1998, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis vom 24.10.1997, GZ 101-6/3-330050832, aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren zu Punkt 2 (Übertretung § 11 Abs.1 KJBG) und zu Punkt 3 (Übertretung § 15 Abs.1 KJBG) e i n g e s t e l l t wird; hinsichtlich Punkt 1 wird folgender Bescheid erlassen:

Der Beschuldigte Ernst Sucherbauer hat es als Gewerbeinhaber der Einzelfirma "S E", L, (Firmensitz und Tatort, an dem er gehandelt hat oder hätte handeln sollen), zu verantworten, daß in seinem Gewerbebetrieb das Kind S F, im Rahmen einer als "Schnupperlehre" bezeichneten Erprobung folgendermaßen entgegen dem Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz, BGBl.Nr. 599/1987 (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 79/1997) - teilweise - beschäftigt war: Am Freitag, den 12.4.1996 von 08.00 Uhr bis 14.30 Uhr (abzüglich Mittagspause), und an den Samstagen 13.4., 20.4., 18.5. und 25.5.1996 verrichtete sie Tätigkeiten wie Zusammenkehren, Einkaufen, Müll entsorgen, Kaffee servieren. Der Beschuldigte hat dadurch § 5 iVm § 30 KJBG verletzt, weshalb ihm unter Anwendung des § 21 Abs.1 VStG eine E r m a h n u n g erteilt wird.

Der Berufungswerber hat keinerlei Kostenbeiträge zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 21, 45 Abs.1 Z. 1 und 2, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: §§ 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters (Magistrates) der Landeshauptstadt Linz vom 24.10.1997 wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als der im vorliegenden Fall haftbare Gewerbeinhaber der Einzelfirma "S E", L, (= Firmensitz und Tatort), zu verantworten, daß diese als Dienstgeber ebendort das Kind S F, im Rahmen einer "Schnupperlehre" wie folgt entgegen den Bestimmungen des KJBG beschäftigt habe: 1. Am 12., 13., 20., und 27.4. sowie am 4., 18. und 25.5.1996 entgegen dem Kinderarbeitsverbot, indem Fisch Arbeiten wie, Zusammenkehren, Reinigen von Bad und Küche, Reinigen von Lockenwicklern, Einkaufen, Müll entsorgen, Kunden aus dem Mantel helfen, Kaffee zubereiten, etc., verrichten mußte; 2. am 12.4.1996 mit 10 Stunden über die nach dem KJBG höchstzulässige Tagesarbeitszeit von 8 Stunden hinaus; 3. am 12.4.1996 bei Nichtgewährung einer mindestens halbstündigen Ruhepause nach einer Arbeitszeit von mehr als viereinhalb Stunden (die durchgehende Arbeitszeit habe 10 Stunden betragen). Der Berufungswerber habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: Zu 1.: § 5 KJBG, zu 2.: § 11 Abs.1 KJBG; zu 3.: § 15 Abs.1 KJBG jeweils iVm § 30 KJBG. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn folgende Strafen verhängt: Gemäß § 30 KJBG zu 1.: 5.000 S (5 Tage EFS); zu 2. und 3. je 3.000 S (je 3 Tage EFS). Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet, einen Kostenbeitrag zum Strafverfahren erster Instanz in der Höhe von 1.100 S zu leisten.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 18.11.1997 rechtzeitig Berufung erhoben und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß Sabrina Fisch zu keinem Zeitpunkt Arbeiten verrichtet habe und dies auch nie vom Berufungswerber verlangt worden wäre. Er beantrage daher die Einvernahme der Zeugen A B, D M, T S und S M. Zur geltend gemachten Lohnforderung, die mittlerweile beglichen worden sei, führt der Bw an, daß dies außergerichtlich geschehen wäre und nur kostenökonomische Überlegungen für den Abschluß des Vergleiches maßgeblichen waren. Diese außergerichtliche Einigung betreffend das arbeitsgerichtliche Verfahren sei daher völlig unpräjudiziell für die gegenständliche Sach- und Rechtslage.

3.1. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil in den einzelnen Fällen keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

3.2. Gemäß § 15 Abs.6 iVm § 11 Abs.1 ArbIG 1993 sowie § 51e Abs.2 VStG wurde die Berufung mit h. Schreiben vom 4. Mai 1998 dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in Linz zur Kenntnis gebracht; dieses gab mit Schreiben vom 15.5.1998 eine Stellungnahme ab.

3.3. Da im gegenständlichen Fall eine Schnupperlehre behauptet wurde, wurde von der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Oberösterreich eine Stellungnahme eingeholt; diese gab mit Schreiben vom 14.5.1998 und unter Anschluß eines Merkblattes zur Schnupperlehre eine kurze Stellungnahme ab. Schließlich teilte die Mutter der S F, Frau I H, aufgrund einer entsprechenden Anfrage des Oö. Verwaltungssenates mit, daß S F im Zeitraum April/Mai 1996 das Polytechnikum in L besucht habe und die Schnupperlehre nicht im Einvernehmen mit der Schulleitung stattgefunden habe, sondern nur im Zuge der Suche nach einer Lehrstelle. Dieses Ergebnis der vorgängigen Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung mitgeteilt bzw. übermittelt.

4. Aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung und des vorgelegten Verwaltungsstrafaktes sowie in Verbindung mit den vorgängigen Ermittlungen ist von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt auszugehen:

4.1. Im Zuge der Suche einer Lehrstelle für das Kind S F, (welche somit zum Tatzeitraum etwa 14 Jahre und 9 bzw. 10 Monate alt war), wurde vom Bw mit der Mutter Frau I H vereinbart, daß S F im Zeitraum April/Mai 1996 im Geschäft des Bw "schnuppern" sollte. Zu diesem Zeitpunkt besuchte S F das Polytechnikum in L, bzw. nach ihrer Übersiedlung nach Wartberg/Aist, jenes in Pregarten. Die solcherart als "Schnupperlehre" bezeichnete Beschäftigung erfolgte allerdings nicht im Einvernehmen mit der (jeweiligen) Schulleitung. 4.2. Entsprechend den undatierten Aufzeichnungen der S F (und schließlich dem Spruch des Straferkenntnisses zufolge) habe diese "Arbeiten" wie zB. Zusammenkehren, Reinigen von Bad und Küche, Reinigen von Lockenwicklern, Einkaufen, Müll entsorgen, Kunden aus dem Mantel helfen, Kaffee zubereiten, usw. ausgeführt, und zwar am Freitag, dem 12.4.1996 in der Zeit von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr, sohin 10 Stunden; und an den folgenden Samstagen 13. April 1996, 20. April 1996, 27. April 1996, 4. Mai 1996, 18. Mai 1996 und 25. Mai 1996 jeweils von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr, sohin jeweils 5 Stunden.

4.3. Dazu ist zunächst zu bemerken, daß die Zeugin F selbst in ihren Aufzeichnungen nicht von einer Reinigung von Lockenwicklern und von Kaffee zubereiten spricht, sondern nur von "Lockenwicklern gereicht" und "Kaffee gebracht". Die im Spruch unrichtig bezeichneten Tätigkeiten gehen offenbar auf ein Mißverständnis der Arbeiterkammer zurück, die die diesbezüglichen Aufzeichnungen der Zeugin F in ihrer Anzeige an den Magistrat Linz vom 18.9.1996 falsch übernommen hat. Weiters ist festzuhalten, daß die Zeugin S F in der Verhandlung angegeben hat, daß der Vorwurf, sie hätte Bad und Küche gereinigt so nicht stimmt; vielmehr handelte es sich um bloßes vereinzeltes Auswaschen von Gegenständen. Schließlich ist festzustellen, daß sich in der Verhandlung herausgestellt hat, daß auch die vorgeworfenen "Arbeitszeiten" zum Teil unrichtig sind. So hat selbst die Zeugin F auf Vorhalt des Bw zugestanden, daß sie am Freitag, 12.4.1996 jedenfalls eine Mittagspause hatte und am Samstag, 27.4.1996 wegen eines Moped-Unfalles (Knieverletzung) nur von 8.00 bis 8.45 Uhr anwesend gewesen und dann wegen ihrer Schmerzen heimgeschickt worden wäre. In diesem Zusammenhang gestand sie auch ein, die undatierte Aufzeichnung ihrer Arbeitszeiten und Arbeiten erst wesentlich später - aufgrund von Kalendernotizen - verfaßt zu haben, weshalb sich durchaus Fehler ergeben haben können. Umso mehr war daher von den Aufzeichnungen, die die Zeugin Anneliese Brucker im Auftrag des Bw betreffend Schnupperlehrlinge (hier: S F) gemacht hat und aus denen sich ergibt, daß F am Freitag, 12.4.1996 bereits um 14.30 Uhr den Betrieb des Bw verließ und am Samstag, 4.5.1996 nicht erschienen ist, auszugehen.

4.4. Übereinstimmend (nämlich aufgrund der Angaben des Bw selbst sowie aller Zeugen) ergibt sich somit, daß die Zeugin S F anläßlich ihrer (solcherart übriggebliebenen) Anwesenheiten im Betrieb des Bw überwiegend bei der Arbeit zugesehen, aber auch - wenn auch ausschließlich über eigenen Antrieb - einige leichte Hilfstätigkeiten, wie z.B. Zusammenkehren, Mithelfen beim Einkaufen, Müll entsorgen, Gegenstände auswaschen, Lockenwickler reichen, Kunden aus dem Mantel helfen, Kaffee servieren, verrichtet hat. 5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 2 Abs.1 KJBG sind unter Kindern im Sinne dieses Bundesgesetzes Minderjährige zu verstehen, die 1. die allgemeine Schulpflicht noch nicht beendet haben; 2. der allgemeinen Schulpflicht nicht unterliegen oder von ihr befreit sind, bis zum 1. Juli des Kalenderjahres, indem sie das 15. Lebensjahr vollenden.

Gemäß § 4 Abs.1 KJBG gilt als Kinderarbeit im Sinne dieses Bundesgesetzes die Beschäftigung von Kindern mit Arbeiten jeder Art. Zufolge Abs.2 dieses Paragraphen gilt als Kinderarbeit nicht die Beschäftigung von Kindern, die ausschließlich zu Zwecken des Unterrichtes oder der Erziehung erfolgt, und die Beschäftigung eigener Kinder mit leichten Leistungen von geringer Dauer im Haushalt. Zufolge § 5 KJBG dürfen Kinder, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, zu Arbeiten irgendwelcher Art nicht herangezogen werden. Gemäß § 11 Abs.1 KJBG darf die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen 8 Stunden, ihre Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird. Gemäß § 15 Abs.1 KJBG muß dem Jugendlichen nach einer Dauer der Arbeitszeit von mehr als 4 1/2 Stunden eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde gewährt werden. Beträgt die Arbeitszeit der Jugendlichen an einem Tag nicht mehr als fünf Stunden, kann die Ruhepause entfallen (Abs.2). Gemäß § 30 KJBG ist, wer diesem Bundesgesetz oder einer aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 1.000 S bis 15.000 S, im Wiederholungsfall von 3.000 S bis 30.000 S, oder mit Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Beide Strafen können auch nebeneinander verhängt werden. Die Verjährungsfrist (§ 31 Abs.2 VStG) beträgt sechs Monate.

5.2. Zur Tatbestandsmäßigkeit vom Punkt 1 des Straferkenntnisses ist folgendes festzuhalten: Die Tätigkeit "Kunden aus dem Mantel helfen" dürfte zwar - sofern sie nicht vom Garderobenpersonal bei Massenveranstaltungen (Theater, Konzert) durchgeführt wird - mehr zum guten Ton gehören; da sie aber vorliegend im Gewerbebetrieb und gegenüber Kunden durchgeführt wurde, gerade noch als "verbotene" Kinderarbeit zu qualifizieren sein. Wie weiters oben in Punkt 4.3. festgestellt worden ist, können die falsch vorgeworfenen Arbeiten (Reinigen von Bad und Küche, Reinigen von Lockenwicklern) auch vom Oö. Verwaltungssenat im Rahmen seiner Richtigstellungspflicht wegen Ablaufes der Verfolgungsverjährungsfrist nicht mehr saniert werden, weil sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.10.1996 als auch die dieser Aufforderung angeschlossene Anzeige der Arbeiterkammer vom 18.9.1996 die falschen Bezeichnungen enthielten. Wie sich aus dem Akt ergibt, sind die Aufzeichnungen der S F erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich über Aufforderung des Magistrates Linz vom 21.1.1997 mit Schreiben der AK vom 31.1.1997 dem Magistrat Linz vorgelegt worden (und konnten somit weder der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7.10.1996 noch dem Rechtshilfeersuchen vom 22.11.1996 angeschlossen gewesen sein), weshalb insoweit keine taugliche Verfolgungshandlung vorlag. Diese Arbeiten mußten daher vom Spruch ausgenommen werden. Was Kaffee zubereiten bzw. Kaffee servieren betrifft, so konnte diese Umformulierung vom Oö. Verwaltungssenat deshalb vorgenommen werden, weil nach dem Sprachgebrauch beide Tätigkeiten eher als Einheit verstanden werden und deshalb, bzw. auch im Hinblick auf beispielhafte Aufzählung im Spruch als von der Verfolgungshandlung mitumfaßt angesehen werden konnte.

5.3. Aufgrund der oben in Punkt 4. getroffenen Feststellungen waren die Tatvorwürfe zu Punkt 2 (Beschäftigung am 12.4.1996 über 8 Stunden) und zu Punkt 3 (Nichtgewährung der halbstündigen Ruhepause) gemäß § 45 Abs. 1 Z.1 und 2 VStG einzustellen, weil der Bw diese Taten nicht begangen hat, bzw. diese Taten keine Verwaltungsübertretungen bilden. Denn zum einen hat die Zeugin S F angegeben, daß sie jedenfalls eine Mittagspause hatte und der Bw - zeugenschaftlich bestätigt durch A B - glaubwürdig darlegen konnte, daß S F an diesem Tag bereits um 14.30 Uhr den Betrieb des Bw verlassen hatte; zum anderen sprechen § 11 und § 15 KJBG nur von "Jugendlichen", weshalb diese Übertretungen in Ansehung eines Kindes schon ex lege nicht pönalisiert sind, da das generelle Kinderarbeitsverbot des § 5 KJBG insofern vorgeht.

5.4. Sohin verbleiben nur noch die übrigen Tage (wobei auch der 27.4. herauszunehmen war, weil nicht angenommen werden kann, daß S F in der Zeit von 08.00 - 08.45 Uhr aufgrund ihrer Schmerzen irgendwelche Tätigkeiten durchgeführt haben konnte) zu den verminderten "Arbeitszeiten", wobei darauf zu verweisen ist, daß nach dem KJBG bzw. der hiezu ergangenen Judikatur es zur Strafbarkeit genügt, daß das Kind überhaupt Tätigkeiten ausübt, wenn auch gänzlich auf freiwilliger Basis, bzw. über eigenem Antrieb. Denn der Bw hätte sie tatsächlich aktiv hindern müssen, irgendetwas zu tun, auch wenn dies die vorliegende "atypische Schnupperlehre", die wohl eher eine Erprobung darstellen sollte, ihres Sinnes beraubt. Hier ist gleich noch darauf zu verweisen, daß eine Schnupperlehre iS des Gesetzes (Schulunterrichtsgesetz iVm § 4 Schulveranstaltungsverordnung) nicht vorlag, weil sie nicht im Einvernehmen mit der Schule erfolgte - u.a. wäre der Bw als "Lehrberechtigter" verpflichtet gewesen, sich hierüber zu vergewissern; außerdem hätte sie nur max. drei Tage dauern dürfen usw. Auch ein Rechtsirrtum - der gar nicht eingewendet wurde - ist auszuschließen wegen der den Bw treffenden Erkundigungspflicht.

6. Zum Verschulden:

6.1. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Da zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann. Zu dieser Umkehr der Beweislast kommt es allerdings nur dann, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht, wobei in dieser Hinsicht die Beweislast die Behörde trifft. Wie aber bereits in dieser Begründung ausgeführt wurde, hat der Berufungswerber den objektiven Tatbestand der (restlichen) Verwaltungsübertretung erfüllt. Es ist daher Sache des Berufungswerbers, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschriften ohne sein Verschulden unmöglich war. Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. VwGH v. 2. April 1990, Zl. 90/19/0078). Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn der Verstoß ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurde. Ein derartiges Vorbringen - von Tatsachen oder von Beweismitteln -, das geeignet gewesen wäre, sein mangelndes Verschulden glaubhaft zu machen, hat der Bw aber nicht erstattet, bzw. reicht sein Hinweis - wie bereits oben angeführt - daß das Kind nicht arbeiten müsse, aber dürfe, nicht aus, weil eben § 5 KJBG entgegensteht und somit ein Kind tatsächlich nicht arbeiten darf (Ausnahmefälle des § 5a Abs. 1 waren nicht gegeben - kein Familienmitglied bzw. Verwandtschaft, keine Haushaltsarbeiten, sondern Tätigkeiten im Gewerbebetrieb; ebenso nicht die die Ausnahmen des Abs. 3, weil keine Schnupperlehre vorlag und der Schulbesuch zumindest am Freitag, 12.4.1996 behindert war).

Es war daher jedenfalls von fahrlässigem Verhalten auszugehen.

7. Zur Straffrage:

7.1. Nach dieser Vorschrift kann von einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden bzw die Schuld des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt vgl Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14). Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs.1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

7.2. Nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates waren die letztlich verbliebenen Tätigkeiten zu den entsprechend verminderten "Arbeitszeiten" derart minimal (insbesondere z.B.: "Kunden aus dem Mantel helfen"), daß sowohl der Handlungsunwert als auch der Gesinnungsunwert in Anbetracht des sonstigen Verhaltens des Bw (absolute Unbescholtenheit) und in Ansehung des Alters des Kindes S. Fisch zur Tatzeit (fast 15 Jahre!), beinahe mit Null anzusetzen ist, weshalb nur ein geringfügiges Verschulden vorliegt. Auch hatte die Tat des Bw - wenn überhaupt - so nur unbedeutendste Folgen, weil das Schutzziel und der Schutzzweck des KJBG, das ja nicht auf Grenzfälle abstellen kann, sondern sich als generelle Norm mit einer schematischen Kategorisierung (hier: Kind - Jugendlicher) begnügen muß, in keiner Weise beeinträchtigt oder unterlaufen wurde, zumal S F bereits kurz darauf das 15. Lebensjahr vollendete (18.7.1996) sowie ihre Schulpflicht beendete und eine tatsächliche Lehre begann. 8. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw kein Kostenbeitrag zu dem Berufungsverfahren vorzuschreiben; ebenso entfällt der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Schieferer Beschlagwortung: Kinderarbeitsverbot geht anderen Normen des KJBG vor

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