Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280417/6/Kl/Rd

Linz, 20.09.1999

VwSen-280417/6/Kl/Rd Linz, am 20. September 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des Dipl.Ing. Manfred S, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 17.12.1997, GZ 502-32/Kn/We/36/97d, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Bauarbeiterschutzverordnung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 20.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf drei Tage herabgesetzt wird. Im übrigen wird das Straferkenntnis vollinhaltlich bestätigt.

II. Der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 2.000 S; für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 17.12.1997, GZ 502-32/Kn/We/36/97d, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 25.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.3 BauV iVm §§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ASchG verhängt, weil er es als Vorstandsmitglied der FB AG, Linz, welche Partnerfirma der Arge D, (GesbR) und Betreiberin der Baustelle "S", ist und somit als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu vertreten hat, daß am 17.2.1997 auf der gegenständlichen Baustelle die 3 Arbeitnehmer Christian P, Mustave O und Josef V auf der Dachfläche zur M im Rahmen der Umdeckung des gesamten Daches mit Transportarbeiten beschäftigt waren, ohne daß Schutzeinrichtungen angebracht gewesen wären (Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste), wobei die Dachneigung 40° und die Traufenhöhe ca. 14m betrugen, obwohl § 87 Abs.3 BAV vorschreibt, daß bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein müssen, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und darin im wesentlichen dargelegt, daß als Geschäftsführer der Arge D Herr Gerhard G dem Magistrat der Stadt Wien bekanntgegeben wurde und gegen diesen auch ein Strafverfahren eingeleitet wurde. Es sei daher nicht zulässig, daß gleichzeitig ein Strafverfahren gegen den Geschäftsführer der Arge und gegen den Geschäftsführer eines Arge-Mitgliedes geführt werde. Darüber hinaus sei die Zweigniederlassung Wien der Fa. FB für die Baustelle verantwortlich. Vertreter der Zweigniederlassung Wien ist Gerd Karl S als Geschäftsstellenleiter. Diese Zweigniederlassung war auch Mitglied der Arge D. Weiters werde der Auffassung, daß eine Arge nicht Dienstgebereigenschaft zukomme, die Bestimmung des § 9 Abs.1 VStG entgegengehalten. Der Bw sei mit der Anzeige nicht in ausreichender Weise konfrontiert worden. Die eingesetzten Arbeitnehmer hätten genaue Anweisungen gehabt und es seien Schutzgitter und Sicherungsseile vorhanden gewesen. Die Arbeitnehmer seien angewiesen worden, die Sicherheitsvorkehrungen zu beachten. Ein Handeln gegen die Anweisungen könne nicht zu Lasten des Bw gehen. Schließlich wurde die Höhe der Strafe bekämpft und Unbescholtenheit des Bw geltend gemacht. Auch sei kein Schaden eingetreten.

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt vorgelegt und in einer Stellungnahme darauf hingewiesen, daß laut Firmenbuchauszug als zur Vertretung nach außen Berufener der Bw ausgewiesen ist. Zur Vertretung der Arge werde auf das Erkenntnis des VwGH vom 19.1.1995, 93/18/0230, hingewiesen. Das gegen das weitere Vorstandsmitglieder der AG verhängte Straferkenntnis sei bereits in Rechtskraft erwachsen.

Der Oö. Verwaltungssenat hat das zuständige Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten am Verfahren beteiligt.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war eine Kammer des Oö. Verwaltungssenates zuständig.

Von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil nur unrichtige rechtliche Beurteilung und Strafbemessung geltend gemacht wurde und eine Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt wurde (§ 51e Abs.3 VStG).

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 87 Abs.3 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00m geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Geeignete Schutzeinrichtungen sind Dachschutzblenden und Dachfanggerüste.

Das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.3 darf nur entfallen bei geringfügigen Arbeiten und Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein (§ 87 Abs.5 BauV).

4.2. Aufgrund des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens, insbesondere aber aufgrund der Anzeige des Arbeitsinspektorates und des angeschlossenen Fotos über die Baustelle ist erwiesen, daß zum Tatzeitpunkt an der gegenständlichen Baustelle Arbeiten auf dem Dach durchgeführt wurden, ohne daß Sicherheitseinrichtungen vorhanden waren. Dies wurde im Strafverfahren vom Bw auch nicht bestritten. Wenn hingegen in der Berufung mangelnde Konfrontation mit der Anzeige geltend gemacht wurde, so ist dem Bw entgegenzuhalten, daß er mit der Aufforderung zur Rechtfertigung im Verfahren erster Instanz Gelegenheit gehabt hätte, sich ausreichend zu äußern und auch Akteneinsicht zu nehmen. Von diesem Recht hat er nicht Gebrauch gemacht. Mit der Erhebung der Berufung ist aber nach ständiger Judikatur des VwGH allenfalls fehlendes Parteiengehör geheilt. Die Behauptung in der Berufung, daß ein Schutzgitter sowie Sicherungsseile vorhanden waren, wurde weder durch ein konkretes Vorbringen untermauert noch wurden dazu Beweismittel benannt und beantragt. Bei bloß allgemein gehaltenen Behauptungen hingegen ist die Behörde nicht verpflichtet, Beweise zu erheben, also Erkundungsbeweise aufzunehmen. Der Behauptung sind die der Anzeige angeschlossenen Fotos entgegenzuhalten, aus denen einwandfrei Arbeiten am Dach ersichtlich sind, wobei an den dargestellten Stellen keinerlei Schutzvorkehrungen aufscheinen. Es ist daher der objektive Tatbestand erfüllt.

4.3. Zum Berufungsvorbringen betreffend die Verantwortlichkeit des Bw hat bereits die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses richtige Rechtsausführungen getroffen.

Gemäß § 9 Abs.1 VStG (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung) ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. In seinem Erkenntnis vom 19.1.1995, 93/18/0230, vertritt der VwGH - ebenso auch der OGH - die Auffassung, daß Arbeitsgemeinschaften Gesellschaften bürgerlichen Rechts sind, denen die Rechtspersönlichkeit fehlt. Mangels Rechtsfähigkeit kann eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht Dienstgeber sein. Diese Eigenschaft kommt vielmehr den einzelnen Gesellschaftern der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu. Arbeitgeber der für die Arbeitsgemeinschaft tätigen Arbeitnehmer sind alle Mitglieder dieser Gemeinschaft. Sie (bzw ihre zur Vertretung nach außen Berufenen iSd § 9 Abs.1 VStG) sind in erster Linie Adressaten der Strafbestimmungen des ASchG und demnach auch zur Einhaltung der aufgrund des § 24 ASchG erlassenen AAV verpflichtet (Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 812 E10b mwN). Nach dem der Berufung angeschlossenen Arbeitsgemeinschaftsvertrag ist die FB AG mit der kaufmännischen Geschäftsführung, die Dachdeckerei Gerhard G mit der technischen Geschäftsführung betraut, wobei beide Unternehmen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft sind. Im Firmenbuch sind für die FB AG mit dem Sitz in Linz zwei Vorstandsmitglieder, wovon eines der Bw ist, eingetragen und sind auch verschiedene Zweigniederlassungen, ua in Wien, ersichtlich. Für letztere wurde aber keine gesonderte Vertretungsregelung getroffen. Es ist daher der Bw als nach außen vertretungsbefugtes Organ, nämlich Vorstandsmitglied, der FB AG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

Weil aber die Gerhard G Dachdeckerei Gesellschafterin der Arge D ist, ist auch eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des genannten Unternehmers gegeben (vgl. das obzit. VwGH-Erkenntnis).

Im Hinblick auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG hat aber die belangte Behörde schon richtig im angefochtenen Erkenntnis ausgeführt, daß eine rechtswirksame Bestellung bzw Mitteilung an das Arbeitsinspektorat aus der Zeit vor der Tatbegehung nicht vorliegt. Die dem Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten vorgelegten Bestellungsurkunden des Hrn. Klaus K und Ing. Gerd S sind deshalb rechtsunwirksam, weil für beide Arbeitnehmer derselbe sachliche Zuständigkeitsbereich angeführt wurde und hinsichtlich des räumlichen Zuständigkeitsbereiches eine Überlappung dahingehend vorliegt, daß im einen Fall neben einer konkreten Baustelle in Wien "diverse Kleinbaustellen für Dachdecker- /Spenglerarbeiten in Wien" angeführt sind, im anderen Fall als räumlicher Zuständigkeitsbereich die "Niederlassung Wien" angegeben ist. Nach der ständigen Judikatur des VwGH aber ist aus dem § 9 Abs.3 und 4 VStG zu schließen, daß der räumliche oder sachliche Bereich des Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter mit dessen Zustimmung bestellt wird, klar abzugrenzen ist. Erfolgt eine solche klare Abgrenzung nicht, so liegt keine wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor (vgl. Hauer-Leukauf, S.822 E8). Es ist daher die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Bw gegeben.

4.4. Zum Verschulden führt der Bw aus, daß er den Arbeitnehmern genaue Anweisungen gegeben hätte und diese entgegen den Anweisungen gehandelt hätten, obwohl alle Sicherheitseinrichtungen vorhanden und anwendbar waren. Diesem Vorbringen ist die Judikatur des VwGH entgegenzuhalten, wonach die bloße Erteilung von Weisungen nicht genügt. Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte, wobei das Kontrollsystem darzulegen ist. Kurzfristige stichprobenartige Kontrollen dagegen genügen nicht. Darüber hinaus hat der Verantwortliche alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften sicherzustellen. Dieses wirksame Kontrollsystem hat der Verantwortliche initiativ darzulegen und Beweismittel anzubieten. Entsprechende Ausführungen enthält die Berufung nicht. Es ist daher dem Bw ein Entlastungsnachweis nicht gelungen, weshalb vom Verschulden des Bw gemäß § 5 Abs.1 VStG auszugehen ist.

4.5. Zur Strafhöhe aber führt der Bw zu Recht aus, daß die belangte Behörde die Unbescholtenheit des Bw nicht berücksichtigt hat. Die belangte Behörde wertet zu Recht den Unrechtsgehalt der Tat hoch im Hinblick darauf, daß drei Arbeitnehmer gefährdet waren und die Gefährdung durch die konkreten Umstände der Baustelle groß war. Im Hinblick auf die subjektiven Strafbemessungsgründe stützt sie sich auf die geschätzten persönlichen Verhältnisse, welche auch in der Berufung nicht bestritten wurden. Allerdings geht die Behörde davon aus, daß strafmildernde oder -erschwerende Umstände nicht vorliegen. Allfällige zu berücksichtigende Verwaltungsvorstrafen liegen im vorgelegten Verwaltungsstrafakt nicht auf. Es ist daher von der Unbescholtenheit des Bw auszugehen. Weil dieser Umstand bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt wurde, war die verhängte Geldstrafe entsprechend herabzusetzen. Dem Einwand des Arbeitsinspektorates, daß die Unbescholtenheit bereits im Strafantrag berücksichtigt worden sei, kann nicht gefolgt werden, zumal zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung allfällige Vorstrafen - insbesondere nicht einschlägige Vorstrafen - nicht bekannt sind, sondern erst im Zuge eines ordentlichen Verfahrens ermittelt werden. Allerdings bildet auch der Umstand, daß kein Schaden eingetreten ist, keinen Milderungsgrund, zumal die mit der Tat verbundene Schädigung oder Gefährdung der schutzwürdigen Interessen und der Eintritt nachteiliger Folgen der Tat bereits gemäß § 19 Abs.1 VStG im Zuge der objektiven Strafbemessung, also beim Unrechtsgehalt der Tat, zu berücksichtigen sind. Die nunmehr festgesetzte Strafe ist im übrigen auch erforderlich, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Auch generalpräventive Aspekte erfordern die verhängte Geldstrafe. Sie ist im übrigen den persönlichen Verhältnissen des Bw angepaßt und kann im Hinblick auf die Höchststrafe von 100.000 S nicht als überhöht angesehen werden. Entsprechend war gemäß § 16 VStG die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen.

5. Weil der Berufung auch nur teilweise Erfolg zukam, sind keine Verfahrenskosten für das Berufungsverfahren zu entrichten (§ 65 VStG). Entsprechend der nunmehr verhängten Geldstrafe war aber der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz auf 10 % der verhängten Strafe, ds 2.000 S, herabzusetzen (§ 64 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Konrath

Beschlagwortung:

GesbR, Arbeitgeber, Verantwortlichkeit, Kontrollsystem.

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