Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280424/24/Le/Km

Linz, 09.07.1998

VwSen-280424/24/Le/Km Linz, am 9. Juli 1998 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Ing. A K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. S S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.1.1998, Ge96-106-1996/Ew/Poe, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Spruchabschnitte 2. und 3. des angefochtenen Straferkenntnisses richtet, Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird in diesem Umfang aufgehoben und das Verwaltungsstraf- verfahren diesbezüglich eingestellt. Hinsichtlich des 1. Spruchabschnittes wird die Berufung als unbegründet abge- wiesen.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 200,-- S. Der Berufungswerber hat einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Höhe von 400,-- S zu leisten.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 28.1.1998 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des 1. § 33 Abs.1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (im folgenden kurz: AAV) eine Geldstrafe in Höhe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden), 2. § 17 Abs.2 iVm § 124 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (im folgenden kurz: ASchG) eine Geldstrafe in Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden) und 3. § 65 Abs.1 AAV eine Geldstrafe in Höhe von 7.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 84 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin F-Verpackungen Gesellschaft m.b.H., mit dem Sitz in N zu vertreten, daß am 29.2.1996 im Betrieb in N, wie von Organen des Arbeitsinspektorates Linz anläßlich einer Kontrolle festgestellt wurde, 1. bei der F-Druckmaschine bei der seitlichen Verkleidung keine Abdeckung vorhanden war, 2. für das Heben von Papierrollen bei der F-Druckmaschine ein Synthetik-Gurt als Anschlagmittel verwendet wurde, wobei dieser Hebegurt bereits Risse und somit keinen ordnungsgemäßen Zustand mehr aufwies und 3. im "Papierrollenlager" größere Mengen brennbarer Flüssigkeiten der Gefahrenklasse A I mit einer Gesamtmenge von mindestens 600 l gelagert wurden, ohne daß dieser Raum hiefür genehmigt und ausgestattet war.

In der Begründung dazu wurde auf die Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 21.3.1996 verwiesen und sodann die Rechtfertigung des Beschuldigten wiedergegeben. Hierauf hat die Erstbehörde die Rechtslage dargelegt und ihre Erwägungen begründet. Hinsichtlich des Verschuldens nahm die Erstbehörde Fahrlässigkeit im Sinne des § 5 Abs.1 VStG an. Schließlich wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 24.2.1998, mit der im wesentlichen beantragt wurde, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafe herabzusetzen oder von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

In der Begründung bekämpfte der Berufungswerber die Beweiswürdigung der Erstbehörde, weil diese einfach die Behauptungen des Arbeitsinspektorates für wahr gehalten habe. Die Behörde habe nicht einmal ansatzweise begründet, aufgrund welcher Erwägungen seiner Sachverhaltsdarstellung nicht gefolgt worden ist. Der Berufungswerber rügte in diesem Zusammenhang die unterlassene Beweisaufnahme. Zum 1. Tatvorwurf wies der Berufungswerber darauf hin, daß schon aus den Feststellungen der Erstbehörde ersichtlich sei, daß die seitliche Verkleidung jedenfalls vorhanden gewesen wäre und sich aus § 33 Abs.1 AAV keineswegs ergebe, daß Speichenräder verkleidet und verdeckt sein müßten. Vielmehr reiche es aus, wenn diese entweder verkleidet oder verdeckt sind. Hinsichtlich des 2. Tatvorwurfes wies der Berufungswerber auf den Widerspruch zwischen Spruch und Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hin: Während die Erstbehörde im Spruch ausführe, es seien Risse vorhanden gewesen, spreche sie in der Begründung wiederum von bloßen Ausfransungen. Daß ein "Riß" nicht gleichzusetzen sei mit einer "Ausfransung" ergebe sich bereits aus dem Wortlaut. Auch aus den Fotos sei ein Riß nicht ersichtlich gewesen. Zur angeblichen Lagerung von brennbaren Flüssigkeiten führte der Berufungswerber aus, daß die Erstbehörde nicht einmal festgestellt habe, welche Flüssigkeiten konkret gelagert gewesen sein sollten. Der Berufungswerber wies weiters darauf hin, daß in der Nacht zum 29.2.1996 in das Betriebsgebäude ein Einbruchsdiebstahl verübt worden sei, weshalb er am Morgen bzw. Vormittag dieses Tages den zuständigen Gendarmeriebeamten bei den Sachverhaltsermittlungen behilflich sein mußte. Es wäre ihm daher am Vormittag nicht möglich gewesen, seinen Betrieb im üblichen Umfang zu überwachen. Nur dadurch hätte es geschehen können, daß möglicherweise nicht alle Arbeitnehmerschutzvorschriften am gegenständlichen Vormittag eingehalten wurden. Sollte dennoch ein Verschulden seinerseits angenommen werden, so wäre dies mit Rücksicht auf die geschilderten Umstände jedenfalls geringfügig und wäre diesfalls von der Bestimmung des § 21 Abs.1 VStG Gebrauch zu machen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der unabhängige Verwaltungssenat am 27. Mai 1998 und am 7. Juli 1998 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Dabei wurden sowohl der Berufungswerber als auch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk beigezogen; die Erstbehörde hat sich für beide Verhandlungstage entschuldigt. Zusätzlich wurden die Arbeitsinspektoren Ing. S P und Ing. P D sowie der Arbeitnehmer des Berufungswerbers, Herr H A, als Zeugen gehört. Weiters wurde Einsicht genommen in die vom Arbeitsinspektorat am 29.2.1996 an Ort und Stelle aufgenommenen Lichtbilder, in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid der gegenständlichen Betriebsanlage vom 1.6.1995 und in den Lageplan zur Betriebsanlagengenehmigung. 3.2. Daraus ergibt sich im wesentlichen folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt: Am 29.2.1996 wurde vom Arbeitsinspektorat Linz durch die Arbeitsinspektoren Ing. S P und Ing. P D eine Überprüfung der Betriebsanlage der F-Verpackungen GesmbH in Neuhofen durchgeführt. Aufgrund der festgestellten Mängel wurde Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Linz erstattet, die schließlich im gegenständlichen Straferkenntnis mündete. Zum ersten Tatvorwurf: Es steht aus den Aussagen der Zeugen A, Ing. P und Ing. D fest, daß die seitliche Abdeckung an der Druckmaschine nicht angebracht war und damit der Zugriff zum Speichenrad möglich war. Fest steht weiters, daß trotz des Fehlens dieser Abdeckung die Maschine in Betrieb war. Dafür spricht einerseits die Aussage des Zeugen Ing. D, der angegeben hat, daß bei laufender Maschine Tests mit dem Dräger-Röhrchen durchgeführt wurden, andererseits auch die Aussage des Zeugen A, daß er die Abdeckung "in der Eile der Arbeit" nicht sofort wieder angebracht hat. Schließlich hat die Zeugin Ing. P anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 27.5.1998 dezidiert angegeben, daß die Maschine in Betrieb war. Aus der eigenen Aussage des Berufungswerbers ist ersichtlich, daß das Speichenrad ca. 15 cm von der Abdeckung entfernt war (die Maschine wurde zwischenzeitlich nach Angaben des Berufungswerbers geändert). Das bei der Amtshandlung aufgenommene Lichtbild, in das anläßlich der mündlichen Verhandlung Einsicht genommen wurde, zeigt die unverkleidete Öffnung und das knapp dahinterliegende Speichenrad. Der Umstand, daß auf dem Foto das Speichenrad klar erkennbar und nicht verschwommen ist, kann nicht zwingend bedeuten, daß die Maschine nicht in Betrieb war, weil einerseits die Belichtungszeit der verwendeten Kamera (es handelte sich um eine vollautomatische Kamera, bei der die Belichtungszeit nicht eingestellt werden konnte) nicht bekannt ist und andererseits aus einem allfälligen momentanen Stillstand des Rades nicht geschlossen werden könnte, daß diese überhaupt nicht in Betrieb war. Dagegen sprechen die oben angeführten Zeugenaussagen.

3.3. Zum zweiten Tatvorwurf:

An die Beschaffenheit des Gurtes konnte sich die Zeugin Ing. P nicht mehr erinnern. Der Zeuge Ing. D beschrieb den Gurt dergestalt, daß im unteren Bereich Ausfransungen und im oberen Bereich zwei Risse waren; dazu verwies er auf das angefertigte Foto, das den Gurt in seiner gesamten Länge zeigte. Anläßlich der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat zeigte er die Ausfransungen, die im unteren Bereich des Gurtes dort sichtbar waren, wo das Papierrollenlager eingehängt wurde und weiters die beiden Stellen, die von ihm als Risse bezeichnet wurden, im oberen Bereich des Gurtes (nahe den Schlaufen): Diese Stellen sind als weiße Flecken am Foto erkennbar. Der Zeuge Allram gab dagegen an, die Gurte selbst immer wieder zu kontrollieren, weil seine Gesundheit ja auch von der Beschaffenheit dieser Gurte abhänge. Sobald seiner Ansicht nach ein Gurt schadhaft sei, teile er dies dem Meister mit und der Gurt werde anstandslos ausgetauscht. Der Berufungswerber verwies auf die Sicherheitsreserven der Gurte und darauf, daß Ausfransungen noch keinen Riß im Gurt bedeuten. Daß die auf dem Lichtbild ersichtbaren weißen Flecken im oberen Bereich des Gurtes Risse wären, stellte er entschieden in Abrede. Auf dem angefertigten Lichtbild sind zwar Ausfransungen in dem Bereich des Gurtes erkennbar, in dem die Papierrollenlager aufliegen, doch sind die vom Arbeitsinspektor Ing. Demberger angegebenen Risse nicht mit der erforderlichen Klarheit erkennbar. Detailfotos von diesen angeblichen Rißstellen wurden nicht angefertigt, weshalb das Vorhandensein von Rissen letztlich nicht eindeutig bewiesen werden kann.

3.4. Zum dritten Tatvorwurf: Der Berufungswerber gab an, daß an diesem Tage ein Sechs-Farben-Druck (für Papierschlangen) durchgeführt wurde, bei dem mit sehr billigen Farben gearbeitet wurde, die mit viel Spiritus zu verdünnen waren. Aufgrund der Beschaffenheit dieser Farbe konnten die Farben nicht mit der betriebseigenen Mischanlage gemischt werden, sondern geschah dies im Bereich der Maschine. Der Zeuge A bestätigte diese Angabe und führte weiters aus, daß üblicherweise die Farben im Farbenlagerraum und der Spiritus im Spirituslagerraum wären. Für diesen Auftrag hätten sie jedoch Farben und Spiritus in das Papierrollenlager gestellt, weil man hier sehr viel Spiritus und Farbe brauchte und alles sehr schnell gehen mußte. Anhand des Lageplanes, welcher Bestandteil der Betriebsanlagengenehmigung ist, erklärte der Berufungswerber, daß die Farben und der Spiritus in jenem Bereich des Papierrollenlagers abgestellt waren, welcher durch die geöffnete Türe unmittelbar im Nahebereich der F-Druckmaschine war. Spiritus war in einem 200 l-Faß, welches auf einem Transportwagen lag; daneben standen mehrere Kanister mit Farben, und zwar waren auf dem einen Foto sechs Kanister und auf dem zweiten ebenfalls sechs Kanister zu sehen. Ob die auf dem zweiten Foto sichtbaren zwei 200 l Spannringfässer ebenfalls voll waren, konnte nicht mehr eruiert werden.

Es ist daher im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf davon auszugehen, daß lediglich ein 200 l-Faß gefüllt war und ca. 12 Kanister Farbe mit einem Fassungsvermögen von jeweils ca. 25 l in diesem Bereich standen. Die im angefochtenen Bescheid angegebene Gesamtmenge von "mindestens 600 l" ist sohin rechnerisch unrichtig.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Die unabhängigen Verwaltungssenate entscheiden gemäß § 51c VStG über Berufungen durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen, wenn aber im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines ihrer Mitglieder. Da im vorliegenden Verfahren der Berufungswerber mit Geldstrafen in Höhe von nicht mehr als 10.000 S bestraft wurde, war zur Durchführung des Verfahrens das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied berufen.

4.2. Zum ersten Tatvorwurf: § 33 Abs.1 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, welche gemäß § 109 Abs.2 ASchG als Bundesgesetz weiter gilt, bestimmt, daß ... Speichen-, Schnecken- und Schwungräder ... verkleidet oder verdeckt sein müssen. Aus dem an Ort und Stelle angefertigten Lichtbild von dieser Maschine ist ersichtlich, daß die Maschine seitlich verkleidet ist, jedoch eine Öffnung im Ausmaß von ca. 20 x 30 cm vorhanden ist, um die Antriebswelle schmieren zu können. An dieser Stelle ist - um ein unbeabsichtigtes Hineingreifen in das Speichenrad, welches dem Vortrieb des Papieres dient und das etwa 15 cm hinter der Abdeckung liegt, zu verhindern - üblicherweise eine Abdeckung angebracht war. Im gegenständlichen Fall wurde diese Abdeckung von dem an der Maschine beschäftigten Arbeitnehmer H A entfernt, weil er einen Schlüssel, der ihm in die Maschine gefallen war, herausholen wollte. Nachdem er diesen Schlüssel geholt hatte, hat er es "in der Eile der Arbeit" verabsäumt, diese Abdeckung wieder anzubringen, sodaß die Maschine ohne dieser Abdeckung in Betrieb genommen wurde. Dies hat zur Folge, daß der Anordnung des § 33 Abs.1 AAV nicht ausreichend gefolgt wurde, sodaß die angelastete Verwaltungsübertretung erfüllt ist. Dem Berufungseinwand, daß § 33 Abs.1 AAV lediglich eine Verkleidung oder Verdeckung vorschreibe, wird entgegengehalten, daß das Speichenrad in diesem Bereich weder verkleidet noch verdeckt war. Durch die Verkleidung im Bereich rund um das Speichenrad entstand vielmehr eine weitere Gefahr, nämlich die vom Arbeitsinspektor beschriebene Scher- und Quetschstelle. 4.3. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite ist anzumerken, daß der Berufungswerber nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sein mangelndes Verschulden nur dadurch hätte beweisen können, daß er die Einrichtung eines wirksamen und ausreichenden Maßnahmen- und Kontrollsystems glaubhaft gemacht hätte. Auch im Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern ist ein Arbeitgeber nur dann entschuldigt, wenn er geeignete Maßnahmen einschließlich eines wirksamen Kontrollsystems ergriffen hat, um die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zu gewährleisten (VwGH vom 13.10.1993, 93/02/0181). Der Umstand, daß ein Meister im Betrieb anwesend ist, ist noch keine wirksame Kontrolle (VwGH vom 27.1.1995, 94/02/0381). Das Fehlen eines geeigneten Kontrollsystems zeigt sich gerade in dem Umstand, daß der Berufungswerber die von ihm selbst als möglich eingestandene Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen damit begründet hat, daß er selbst den Gendarmeriebeamten bei den Ermittlungen zur Klärung des Einbruches zur Verfügung stehen mußte. Es wäre seine Aufgabe gewesen, dafür Sorge zu tragen, daß auch im Falle seiner Abwesenheit die Arbeitnehmerschutzbestimmungen voll eingehalten werden. Damit aber hat der Berufungswerber diese ihm angelastete Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zu vertreten.

4.4. Die Überprüfung der Strafbemessung ergab, daß diese entsprechend den Grundsätzen des § 19 VStG vorgenommen wurde. Da die Strafe ohnedies im untersten Bereich des Strafrahmens angesetzt wurde, war die Strafbemessung zu bestätigen. Weil keine Milderungsgründe vorlagen, konnte § 20 VStG nicht angewendet werden. Da auch das Verschulden des Berufungswerbers nicht geringfügig ist (er hatte immerhin für den Fall seiner Abwesenheit kein ausreichendes Maßnahmen- und Kontrollsystem zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften eingerichtet) konnte § 21 VStG nicht angewendet werden.

4.5. Zum zweiten Tatvorwurf: Der Arbeitsinspektor Ing. D hat anläßlich der Kontrolle am 29.2.1996 den Eindruck gewonnen, daß der zum Heben der Papierrollen verwendete Tragegurt bereits Risse aufgewiesen habe. Er hat daraufhin von diesem Gurt ein Foto angefertigt.

Der Berufungswerber hat das Vorhandensein von Rissen in diesem Gurt ausdrücklich bestritten. Der als Zeuge vernommene Arbeitnehmer Helmut Allram hat ebenfalls das Vorliegen von Rissen in diesem Gurt verneint. Dabei hat dieser Zeuge überaus glaubwürdig dargetan, daß er mit diesen Gurten ständig arbeitet, er diese somit laufend visuell kontrolliert und daß er im Falle des Auftretens eines Risses diesen Gurt sofort tauschen würde. Wenn ein Gurt rissig wäre, könnte er beim Anheben der Papierrollen reißen und die Rolle würde ihn verletzen. Der Zeuge versicherte, daß er keinerlei Schwierigkeiten hätte, einen Gurt zu wechseln; ein neuer Gurt wäre sofort da. Auch der Berufungswerber hat glaubhaft versichert, daß er einen beschädigten Gurt sofort austauschen würde.

Somit stehen die Aussagen des anzeigenden Arbeitsinspektors einerseits und die Aussagen des unter Wahrheitspflicht vernommenen Zeugen H A und des Berufungswerbers andererseits in Widerspruch. Infolge Fehlens eines objektiven Beweises (aus dem angefertigten Lichtbild sind lediglich Ausfransungen, jedoch kein Riß ersichtlich) kommt der unabhängige Verwaltungssenat im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Ergebnis, daß das Vorliegen eines Risses im gegenständlichen Gurt nicht mit der für eine Bestrafung erforderlichen Sicherheit erwiesen ist, weshalb dieser Tatvorwurf zumindest im Zweifel aufzuheben war.

4.6. Zum dritten Tatvorwurf: In diesem Spruchabschnitt wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe im "Papierrollenlager" größere Mengen brennbarer Flüssigkeiten der Gefahrenklasse A I "gelagert". Anläßlich der mündlichen Verhandlung brachte der Berufungswerber vor, jene Farben und Lösungsmittel in diesem Raum im unmittelbaren Nahebereich zur Druckmaschine bereitgehalten zu haben, die für die Arbeit während einer Schicht benötigt wurden. Der Zeuge A bestätigte, daß an diesem Tag Papier zur Herstellung von Papierschlangen bedruckt wurde und daß aufgrund der dazu benötigten großen Menge an Farben und Spiritus diese Chemikalien ausnahmsweise in diesem Bereich bereitgestellt waren. Dieser Zeuge gab die Menge der hiefür benötigten Chemikalien mit 20 bis 40 kg Farbe und 300 bis 350 l Spiritus pro Schicht an, was mit der Aussage des Berufungswerbers anläßlich der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 1998, wo er den Tagesbedarf (= zwei Schichten) mit 850 kg druckfertiger Farbe angegeben hatte, etwa übereinstimmt. Ein Vergleich dieser Mengen, an deren Richtigkeit vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht gezweifelt wird, mit dem Tatvorwurf, wonach "ein 200 l-Faß" (welches laut Foto und Zeugenaussagen ein Spiritusfaß war) und "ca. 12 Kanister mit einem Fassungsvermögen von jeweils ca. 25 l" (welche laut Fotos und Zeugenaussagen Farbkanister waren) "gelagert" worden wären, ergibt, daß die vorgefundene Chemikalienmenge tatsächlich für den Bedarf einer Arbeitsschicht etwa erforderlich war. Daraus folgt, daß diese Chemikalien tatsächlich nicht "gelagert" worden sein dürften, sondern "bereitgehalten" wurden.

Die Bestimmungen des V. Abschnittes der AAV über "Lagerungen" definieren diesen Begriff nicht, sodaß - im Hinblick auf die Kontinuität der Rechtsordnung - diesbezüglich auf die Definition in der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (im folgenden kurz: VbF), BGBl. 240/1991 zurückzugreifen ist: Nach § 2 Abs.2 Z2 VbF liegt eine Lagerung ... dann nicht vor, wenn brennbare Flüssigkeiten 2. für den Fortgang der Arbeit in der hiefür erforderlichen Menge bereitgehalten werden. Ein Vergleich der im angefochtenen Straferkenntnis beschriebenen Menge an brennbaren Flüssigkeiten mit dem Schichtbedarf der Druckmaschine bei diesem Druckverfahren ergibt, daß an diesem Tag offensichtlich wirklich die für den Fortgang der Arbeit benötigte Menge bereitgehalten wurde, weshalb der Tatvorwurf der "Lagerung" unzutreffend ist.

Wenngleich den fachlichen Bedenken des Arbeitsinspektorates betreffend das Abfüllen, Umfüllen und Bereithalten dieser Chemikalien im Bereich von Holzpaletten und Papierrollen durchaus zuzustimmen ist, kann der Tatvorwurf, der auf das "Lagern" bezogen ist, nicht aufrechterhalten werden. Eine Änderung des Tatvorwurfes außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG ist dem unabhängigen Verwaltungssenat verwehrt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG für das Verfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe zu bemessen. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die Spruchabschnitte 2. und 3. aufgehoben wurden, entfallen die dazu verhängten Strafen und damit auch die Verfahrenskostenbeiträge. Durch die gegenständliche Berufungsentscheidung wurde jedoch Spruchabschnitt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses sowie die dazu ausgesprochene Strafe in Höhe von 2.000 S bestätigt. Das hat zur Folge, daß für diesen Strafbetrag sowohl ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % für das erstinstanzliche Verfahren als auch ein Kostenbeitrag in Höhe von 20 % für das Berufungsverfahren vorzuschreiben waren.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. L e i t g e b Beschlagwortung: Lagern und Bereithalten von brennbaren Flüssigkeiten

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