Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280444/11/Kl/Rd

Linz, 23.03.2000

VwSen-280444/11/Kl/Rd Linz, am 23. März 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 10.2.1999, Ge96-34-1998, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Bauarbeiterschutzverordnung nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 15.3.2000 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass das eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 erste Alternative VStG eingestellt wird.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG sowie § 48 Abs.2 und Abs.7 BauV iVm §§ 118 Abs.3 und 130 Abs.5 Z1 ASchG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 10.2.1999, Ge96-34-1998, wurde von der Fortführung des über Strafantrag des AI Linz vom 17.8.1998 wegen Verdachts der Übertretung des § 48 Abs.2 und Abs.7 der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) gegen Herrn Ing. Emmerich R eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG abgesehen und die Einstellung des Strafverfahrens verfügt. Begründend wurde darin ausgeführt, dass zur Errichtung des Sickerschachtes die Schachtringe ohne Arbeitsraum und ohne Betreten der Baugrube bis auf eine Tiefe von ca. 2,5 m versetzt wurden. Ab dieser Tiefe wurde die Baugrube mit einem Neigungswinkel von 60 Grad abgeböscht. Das Aushubmaterial bestand aus festem standsicherem Lehm. Aufgrund der örtlich vorgefundenen Gegebenheiten war nicht damit zu rechnen, dass sich der Zusammenhalt des Bodens verschlechtern kann. Das Eindringen von Wassermassen durch die vorbeiführende schadhafte Ortswasserleitung und die dadurch ausgelöste Bewegung der Baugrubenböschung hingegen war nicht vorhersehbar und konnte daher dem Beschuldigten nicht angelastet werden.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung durch das AI für den 9. Aufsichtsbezirk wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass die Ausführungen der Behörde im Widerspruch zu den Ausführungen des Beschuldigten stehen, welcher den Aushub einer ca. 5 m tiefen Baugrube in trichterförmiger Form behauptete. Schon in der Stellungnahme des AI vom 30.10.1998 wurde festgehalten, dass nur der obere Bereich der ca. 2,5 m tiefen Baugrube abgeböscht war, der untere Teil jedoch fast senkrecht vorgefunden wurde, sodass die 2,5 m tiefe Baugrube keinesfalls entsprechend der BauV abgeböscht war. Am 13. und 14.8.1998 herrschten starke Regenfälle, die den Lehmboden stark aufweichten und so Teile der nicht entsprechend abgeböschten Baugrube zum Einsturz brachten. Es wurde daher der Antrag gestellt, die in der Strafanzeige beantragte Strafe zu verhängen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Dem Beschuldigten wurde im Berufungsverfahren Parteiengehör eingeräumt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat für den 15.3.2000 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Ladung sämtlicher Parteien anberaumt und an diesem Tag in Anwesenheit der Parteienvertreter durchgeführt. Weiters wurde der vom Beschuldigten beigestellte Zeuge Johann K einvernommen.

4. Aufgrund der erörterten Aktenlage und des Beweisergebnisses der öffentlichen mündlichen Verhandlung steht folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt fest:

Am 14.8.1998 wurde auf der Baustelle Dr. S in B, zum Zweck der Errichtung eines Sickerschachtes für Oberflächenwässer eine 5 m tiefe Baugrube ausgehoben, wobei die untere Hälfte nahezu senkrecht ausgehoben wurde, die obere Hälfte dieser Baugrube aber in einem Böschungswinkel von etwa 60 Grad. In die Baugrube wurden die einen Meter breiten Schachtringe eingesetzt, ohne dass ein Betreten der Baugrube erforderlich war, und sodann der Zwischenraum zwischen Schacht und senkrechtem Aushub mit Erdmaterial wieder aufgeschüttet, sodass eine Baugrube von nunmehr 2,5 m Tiefe übrig blieb. An der Vorderseite des Sickerschachtes in Richtung Wohnhaus wurde dann eine ebenso 2,5 m tiefe Verbindungskünette mit einer Böschung zwischen 50 und 60 Grad ausgeführt. Im Anschlussbereich der Verbindungskünette zum Sickerschacht sollte in dem Sickerschacht in der Tiefe von 2,5 m ein Loch gebohrt werden, um hier ein Verbindungsrohr in Richtung Wohnhaus einzusetzen, wobei das Rohr an der Sohle der Verbindungskünette zum Haus geführt werden sollte. Zum Zweck der Anbohrung des Sickerschachtes ist ein Betreten der Baugrube im Bereich des Sickerschachtes zur Verbindungskünette erforderlich. Das übrige Betreten der Baugrube war hingegen nicht erforderlich, weshalb auch an der Rückansicht des Sickerschachtes schon Aufschüttungen von 1 bis 1,5 m erfolgt sind. Dieser Zustand ist auch auf dem im Akt befindlichen Foto ersichtlich. Die Bodenqualität war fester Lehmboden, wobei lediglich durch Regenfälle am Vortag 5 bis 10 cm Oberflächenschicht nass war. Der übrige Lehm war völlig trocken. Die Baustelle (Aushub) wurde am 14.8.1998 begonnen und an diesem Tage fertiggestellt. Weil der Lehm trocken und fest war, war auch das Einstürzen des Böschungsrandes nicht vorhersehbar. Die Schadhaftigkeit der an der Baustelle vorbeiführenden Ortswasserleitung (Wasserrohrbruch) wurde erst nach dem Vorfallszeitpunkt bekannt.

Die Feststellungen stützen sich auf die Aussagen des Beschuldigten bzw seines Vertreters wie auch auf die glaubwürdigen und widerspruchslosen Aussagen des einvernommenen Zeugen, welcher auch anhand der von ihm im erstinstanzlichen Verfahren angefertigten Skizze und anhand des vorgehaltenen Fotos die Situation einwandfrei erörtern und darlegen konnte. Schließlich stand der Zeuge unter Wahrheitspflicht und war durch die Böschungsrutschung selbst verunfallt. Es gab daher an seiner Glaubwürdigkeit keine Zweifel.

Das Berufungsvorbringen und die Ausführungen des AI in der mündlichen Verhandlung, nämlich insbesondere die Ausführung der 2,5 m tiefen Baugrube zunächst in senkrechtem Aushub und erst zum Böschungsrand hin mit einer 60 Grad Neigung, wurden vom Zeugen nicht bestätigt. Vielmehr erklärte der Zeuge, dass die Böschung nicht im gesamten Bereich - also rund um den Sickerschacht - zunächst senkrecht und erst zum Böschungsrand hin mit einer Neigung ausgeführt wurde, sondern im gesamten Bereich mit 60 Grad abgeböscht wurde. Die Verbindungskünette wurde im Anschluss an die Sickerschachtgrube vom Bagger ausgehoben und es war daher im Schnittbereich zwischen Baugrube und Verbindungskünette dann im Schnittwinkel ein Teil dieser Böschung "abgeräumt" worden. Damit ist das auf dem Foto ersichtliche kleine senkrechte Stück zu erklären. Der Zeuge schloss aber eine senkrechte Ausführung im gesamten Bereich der Sickerschachtgrube auf 2,5 m Tiefe - wie es vom AI behauptet wurde - aus. Die Ausführungen des Zeugen erscheinen logisch nachvollziehbar und auch der Lebenserfahrung entsprechend. Für die Vermutung, dass nur zum oberen Böschungsrand hin eine entsprechend geneigte Böschung ausgeführt worden ist, dies aber aufgrund der bereits erfolgten Aufschüttungen an der Rückseite des Sickerschachtes sowie aufgrund der Hangrutschung - wie auf der Vorderansicht des Fotos ersichtlich - aber nicht mehr sichtbar ist, ergeben sich keine feststellbaren Beweise. Allerdings kann auch diese Vermutung nicht ganz von der Hand gewiesen werden, weil auch die vom berufenden Arbeitsinspektorat geschilderte Böschungsausführung und anschließende Böschungsrutschung denkbar wäre.

Auch zum Abstand zwischen Sickerschachtrand und Böschungsrand, welcher vom AI mit 1,5 m geschätzt wurde, vom Zeugen aber mit 2 bis 2,5 m angegeben wurde, steht Aussage gegen Aussage.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat dazu erwogen:

Gemäß § 48 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) ist beim Ausheben von Gruben, Gräben oder Künetten von mehr als 1,25 m Tiefe unter Berücksichtigung der örtlichen Standfestigkeit des Bodens, der Wasserverhältnisse, der Auflasten sowie auftretender Erschütterungen eine der folgenden Maßnahmen durchzuführen, sodass Arbeitnehmer durch abrutschendes oder herabfallendes Material nicht gefährdet werden können:

1) die Wände von Gruben, Gräben oder Künetten sind entsprechend § 50 abzuböschen.

Gemäß § 50 Abs.1 Z2 BauV ist bei Baugruben, Gräben oder Künetten die Böschungsneigung nach den bodenmechanischen Eigenschaften unter Berücksichtung der Einflüsse, die auf die Böschung wirken, festzulegen. Der Böschungswinkel darf im Regelfall bei steifen oder halbfesten bindigen Böden, wie Lehm, Mergel, fester Ton, höchstens 60 Grad betragen.

Gemäß § 50 Abs.2 BauV müssen, sofern damit zu rechnen ist, dass sich der Zusammenhalt des Bodens durch Austrocknen, Eindringen von Wasser, Frost oder durch Bildung von Rutschflächen verschlechtern kann, flachere Böschungen hergestellt oder die Böschungsflächen gegen diese Einflüsse geschützt werden.

Im Grunde des festgestellten Sachverhaltes ist von lehmigem Boden auszugehen, sodass eine Böschungsneigung bis höchstens 60 Grad nach der BauV erlaubt ist. Weil durch die vorausgegangenen Regenfälle lediglich die Bodenoberfläche nass war, der übrige Boden aber trocken und fest war, war mit Eindringen von Wasser und einer diesbezüglichen Rutschung nicht zu rechnen. Der tatsächlich stattgefundene Wasserrohrbruch der Ortswasserleitung war hingegen zum Vorfallszeitpunkt nicht bekannt, nicht vorhersehbar und daher auch in Bezug auf den Aushub der Baugrube nicht einkalkulierbar. Der § 50 Abs.2 BauV kam daher nicht zur Anwendung.

Im Grunde des durchgeführten Beweisverfahrens steht aber eine rechtswidrige Ausführung der Baugrube nicht fest. Es kann mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit nicht davon ausgegangen werden, dass die gegenständliche Baugrube entgegen § 50 Ab.1 Z2 BauV ausgeführt wurde. Entsprechende Vermutungen sind aber im Verwaltungsstrafverfahren nicht zulässig, sondern es ist der strafbare Tatbestand von der Behörde zu beweisen. Es war daher im Zweifel mangels der erforderlichen Beweise von der Unschuld des Beschuldigten auszugehen.

Spruchgemäß war daher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu bestätigen, wobei aber im Hinblick auf die Beweislage die Rechtsgrundlage zu berichtigen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Böschungsneigung, Wasserrohrbruch nicht vorhersehbar, keine Beweise

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