Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280449/31/Le/La

Linz, 15.10.1999

VwSen-280449/31/Le/La Linz, am 15. Oktober 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Peter Ernst K, S, L, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Josef K, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 3.3.1999, GZ 502-32/Kn/We/246/98b, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes iVm der Bauarbeiterschutzver-

ordnung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch des Straferkenntnisses statt der Zahlenangabe "15,5 m" die Angabe "zumindest 12 m" eingefügt wird, die Wendung "Stahlmontagearbeiten (er sollte Steherprofile an die Regalrahmen des Hochregals montieren)" entfällt und statt dessen die Wendung "Bauarbeiten verrichtete, indem er ein vergessenes Werkzeug von dieser Querstrebe holte" eingefügt wird.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben; die verhängte Geldstrafe wird auf 10.000 S (entspricht  726,73 Euro) , die Ersatzfreiheitsstrafe wird auf zwei Tage herabgesetzt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 1.000 S (entspricht  72,67 Euro).

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 19, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 3.3.1999 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 7 Abs. 1 - 4 und des § 30 Bauarbeiterschutzverordnung (im Folgenden kurz: BauV) in Anwendung des § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (im Folgenden kurz: ASchG) eine Geldstrafe in Höhe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als Inhaber der Einzelfirma K Peter Ernst und somit als Arbeitgeber zu verantworten, dass am 30.9.1998 auf der von ihm betriebenen Baustelle "Hochregallager auf dem Betriebsgelände der B Wassertechnik AG, Dr. W S S, 5310 M" einer seiner Arbeitnehmer, nämlich Herr P B, bei einer Absturzhöhe von 15,5 m auf einer Querstrebe des Regalrahmens mit Stahlmontagearbeiten (er sollte Steherprofile an die Regalrahmen des Hochregals montieren) beschäftigt war, ohne dass Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorhanden waren. Der Arbeitnehmer war auch nicht gemäß § 7 Abs.4 BAV angeseilt und es waren auch keine Seile auf der Baustelle vorhanden.

In der Begründung dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der dargestellte Sachverhalt auf Grund der Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 18. Aufsichtsbezirk vom 16.11.1998 als erwiesen anzusehen sei, zumal der Beschuldigte ohne Angabe von Gründen zur niederschriftlichen Einvernahme nicht erschienen war.

Nach einer ausführlichen Darstellung der Rechtslage und der Darlegung der subjektiven Tatbestandsmäßigkeit erläuterte die Erstbehörde die Gründe der Strafbemessung. Strafmildernde Umstände lagen nicht vor, straferschwerend wurde eine Vormerkung wegen Übertretung des ASchG gewertet.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 25.3.1999, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass dem Beschuldigten die Verfahrensergebnisse nicht gehörig zur Kenntnis gebracht worden seien. Der Beschuldigte habe die Vorladung im erstinstanzlichen Verfahren nicht erhalten, da er sich im Ausland aufgehalten hätte.

Der Bescheid sei aber auch auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung gesetzwidrig, da auf der gegenständlichen Baustelle selbstverständlich - wie üblich - die Anschnallgurte vorhanden gewesen wären. Selbstverständlich wären diese Anschnallgurte bei der Arbeit von den Dienstnehmern des Beschuldigten auch verwendet worden. Hiezu gäbe es auch eine von den Dienstnehmern - insbesondere auch von P B - unterschriebene Anweisung, dass diese zu verwenden seien.

Es möge durchaus stimmen, dass Herr Br am Gerüst war, doch hätte er dort nicht Montagearbeiten geleistet, sondern wäre nur hinaufgeklettert, um ein vergessenes Werkzeug zu holen. Da er nur hinauf- und hinunterkletterte, hätte er sich, wenn er beim Klettern angeschnallt gewesen wäre, nicht bewegen können. Der Vorhalt sei daher unrichtig.

Seile wären auf dieser Baustelle technisch nicht verwendbar gewesen (was mit der Konstruktion der Regale erklärt wird). Ein Anhängen mit Seilen sei hier technisch unmöglich. Mit den Gurten würden sich die Dienstnehmer selbstverständlich am Regalrahmen anhängen und seien dadurch gesichert. Beim Hinaufsteigen und Hinunterklettern sei es jedoch unmöglich, sich anzuschnallen. Auch eine Seilsicherung bei derartigen Regalen müsse zuerst einmal angebracht werden, wozu vorerst einmal ungesichert hinaufgeklettert werden müsse.

Da somit die technisch sinnvollen und möglichen Absicherungsmaßnahmen mit den Gurten ohnehin vorhanden gewesen wären und von den Arbeitnehmern bei der tatsächlichen Arbeit verwendet würden, habe der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht zu vertreten.

Herr P B habe zum inkriminierten Zeitpunkt überhaupt keine Montagearbeiten durchgeführt, sondern habe nur ein liegen gebliebenes Werkzeug geholt.

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung des Sachverhaltes hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und diese am 6.7.1999 sowie am 8.10.1999 tatsächlich durchgeführt. Dabei wurden der anzeigende Arbeitsinspektor Dipl.Ing. Josef B, der Arbeitnehmer P B sowie der Partieführer Wilhelm P als Zeugen einvernommen; ebenso waren das Arbeitsinspektorat, der Berufungswerber mit seinem Rechtsanwalt sowie Vertreter der belangten Behörde anwesend.

3.2. Als Ergebnis des Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Am 30.9.1998 kontrollierte der Arbeitsinspektor Dipl.Ing. Josef B die gegenständliche Baustelle und fand einen Arbeitnehmer des Berufungswerbers, nämlich Herrn P B, ohne jegliche Sicherungsmaßnahme auf dem Hochregallager vor. Dieses Hochregallager wurde teilweise in einer Grube errichtet. Bei der Feststellung der Absturzhöhe verließ sich der Arbeitsinspektor auf die Angaben des Partieführers Wilhelm P (ebenfalls ein Arbeitnehmer des Berufungswerbers), der ihm auf Befragen diese Höhe mit 15,5 m angegeben hätte.

Bei der mündlichen Verhandlung am 8.10.1999 gab der Arbeitnehmer B an, dass die Steher ca. 15 m hoch gewesen wären. Die oberste Traverse, auf der er gestanden war, wäre jedoch 2 bis 3 m unterhalb des obersten Punktes der Steher gewesen.

Der überprüfende Arbeitsinspektor hatte den Eindruck, dass der Arbeitnehmer B Steherprofile montierte und daher mit der Ausführung des Montageauftrages beschäftigt war.

Der Berufungswerber verantwortete sich bei der mündlichen Berufungsverhandlung damit, dass der Arbeitnehmer nicht mit Montagearbeiten beschäftigt war, sondern nur hinaufgeklettert war, um ein vergessenes Werkzeug zu holen. Diese Aussage wurde vom Arbeitnehmer B sowie vom Partieführer P bestätigt, wobei der Zeuge B angab, dass es sich bei diesem Werkzeug um ein "Nivelliergerät" gehandelt habe, das zum Einrichten des Gerüstes - was an diesem Tag Arbeitsziel gewesen war - benötigt wurde.

Entgegen der schriftlichen Berufung steht außer Streit, dass an diesem Tage Sicherheitsgurte bzw andere Sicherheitseinrichtungen nicht auf der Baustelle vorhanden waren. Die Zeugen B und P gaben übereinstimmend an, dass die Sicherheitseinrichtungen, die normaler Weise immer im Auto wären, an diesem Tage deshalb herausgenommen worden waren, um das Material für das "Vergießen" der Standbeine des Hochregallagers transportieren zu können. Der Zeuge P erklärte, dass er unmittelbar nach der Beanstandung durch den Arbeitsinspektor sofort nach Linz in die Firma gefahren sei, um diese Sicherheitseinrichtungen zu holen. Als er zurück kam, wäre der Arbeitsinspektor jedoch nicht mehr anwesend gewesen.

Nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen P und B war am Tattag nicht mehr beabsichtigt gewesen, auf dem Hochregallager zu arbeiten; die Arbeiten dazu wären vielmehr abgeschlossen gewesen. Es wäre nur mehr beabsichtigt gewesen, mit den Gewindestangen der Standbeine des Hochregallagers dieses waagrecht einzurichten und sodann die Gewindestangen mit Beton zu vergießen, damit sie nicht mehr verändert werden können. Zwei Arbeitnehmer, unter ihnen der Zeuge B, waren in der Baugrube beschäftigt, um das Regenwasser daraus auszupumpen. Herr B stellte dabei fest, dass er das Nivelliergerät (das er als "Laser-Kastl" bezeichnete), am Vortag auf dem Regal oben vergessen hatte. Dieses Gerät brauchte er jedoch für das Einrichten des Regallagers, worauf er kurzerhand ungesichert auf das Regal kletterte, um dieses Gerät zu holen. Just in diesem Augenblick kam der Arbeitsinspektor vorbei und sah Herrn B ungesichert auf dem Hochregallager.

Der Berufungswerber gab an (und wurde bei dieser Aussage auch vom Zeugen B unterstützt), dass während dieses (erstmaligen) Hinaufsteigens auf das Hochregal eine Sicherung nicht möglich sei. Erst dann könnten oben Sicherheitseinrichtungen montiert werden, die eine Sicherung der Arbeitnehmer während der weiteren Arbeiten ermöglichen. Ebenfalls sei eine Sicherung beim (letztmaligen) Hinabklettern nicht möglich.

Dieser Aussage widersprachen der Arbeitsinspektor Dipl.Ing. B, der Vertreter des Arbeitsinspektorates anlässlich der mündlichen Verhandlung am 8.10.1999 sowie der Partieführer Wilhelm P: Demnach kann man sich auch beim Hinaufsteigen sichern, und zwar mit dem Fünf-Punkte-Gurt, einem ca. 1,7 m langen Seil sowie einem Falldämpfer. Damit könne man sich bei den bereits montierten Streben anhängen; allerdings müsse man sich immer umhängen, was Zeit koste.

Zum Weisungs- und Kontrollsystem befragt gaben sowohl der Berufungswerber als auch die Zeugen B und P an, dass die Arbeitnehmer zu Beginn ihrer Tätigkeit über die Arbeitssicherheitsbestimmungen unterrichtet und darin geschult werden; weiters dann, wenn sich Sicherheitsbestimmungen oder die Sicherungstechnik geändert haben. Schriftliche Nachweise über die Durchführung der Sicherheitsbelehrungen gibt es im Unternehmen des Berufungswerbers - entgegen den Ausführungen in der schriftlichen Berufung - nicht.

Zum Kontrollsystem befragt gaben der Berufungswerber sowie Herr P an, dass Herr K gelegentlich auf den Baustellen vorbeikomme, wobei die Häufigkeit seiner Besuche von der Entfernung der Baustelle vom Firmensitz in Linz abhängt. Dabei schaue Herr K auch auf die Einhaltung der Arbeitssicherheitsbestimmungen. Er hätte seinen Arbeitnehmern angedroht, ihnen 1.000 S vom Lohn abzuziehen, wenn er einen ohne Sicherheitsgurte auf dem Hochregallager erwische. Tatsächlich hat der Berufungswerber dem Arbeitnehmer B für dessen ungesicherten Aufenthalt auf dem Hochregallager, welcher Anlass für das gegenständliche Strafverfahren war, nicht 1.000 S vom Lohn abgezogen.

Herr P hatte die (mündliche) Anweisung des Herrn K, Arbeitnehmer nicht ungesichert auf das Hochregal zu lassen. Herr P gab an, nicht gewusst zu haben, dass Herr B auf das Regal klettert. Es wäre an diesem Tage nicht vorgesehen gewesen.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. Es ist unbestritten, dass sich der Arbeitnehmer P B zur Tatzeit während der Arbeitszeit ungesichert auf der obersten Traverse des Hochregallagers am Tatort in einer Höhe von etwa 12 m (laut Aussage B) oder 15 m (laut Anzeige des Arbeitsinspektors) aufgehalten hat, ohne dabei einen Sicherheitsgurt oder eine andere Sicherungseinrichtung zu tragen, und dass zu dieser Zeit auch keine Sicherheitsgurte oder andere Sicherheitseinrichtungen der Firma K auf der Baustelle waren.

Es ist weiters unbestritten, dass bei einem Hochregallager mit einer Höhe von etwa 15 m eine Absturzgefahr iSd § 7 Abs.2 BauV besteht.

Die BauV bestimmt für derartige Bauarbeiten folgendes:

§ 7 Abs.1 leg.cit. ordnet an, dass bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen sind.

Nach § 7 Abs.4 leg.cit. kann die Anbringung von Absturzsicherungen (§ 8) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) entfallen, wenn der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit ist. In diesen Fällen müssen die Arbeitnehmer entsprechend § 30 sicher angeseilt sein. (Hervorhebung durch den UVS).

§ 30 leg.cit. ordnet unter der Überschrift "Schutz gegen Absturz" an, dass, sofern bei Arbeiten an absturzgefährlichen Stellen durch technische Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz nicht erreicht wird, den Arbeitnehmern Sicherheitsgeschirre oder Sicherheitsgürtel einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer und Höhensicherungsgeräte zur Verfügung zu stellen sind. Sicherheitsseile dürfen nur in Verbindung mit Sicherheitsgeschirren oder -gürteln verwendet werden (§ 30 Abs.1 BauV).

§ 30 Abs.2 leg.cit. legt fest, dass an Stellen, an denen Schutzausrüstungen gemäß Abs.1 verwendet werden, möglichst lotrecht oberhalb dieser Stellen geeignete Befestigungsvorrichtungen oder -möglichkeiten vorhanden sein müssen, die den bei einem Absturz auftretenden Belastungen standhalten müssen. Sicherheitsseile (Fangseile) müssen so befestigt werden, dass eine Schlaffseilbildung möglichst vermieden wird. Sicherheitsgürtel dürfen nur als Haltegurt oder als Sicherung gegen Abrutschen verwendet werden, in allen anderen Fällen sind Sicherheitsgeschirre mit Einrichtungen zur Verminderung des Fangstoßes oder in Verbindung mit Höhensicherungsgeräten zu verwenden.

Abs.3 leg.cit. ordnet an, dass zum Ein- und Absteigen, insbesondere in die in § 120 Abs.1 genannten Behälter, Schächte oder Gruben sowie zur Bergung aus diesen, bei Arbeiten, die am Seil hängend ausgeführt werden, und zum Abseilen von höheren zu

tiefer gelegenen Standplätzen oder umgekehrt, Sicherheitsgeschirre verwendet werden müssen, soweit nicht Befahr- oder Bergeeinrichtungen, wie Arbeitssitze, zum Einsatz kommen.

Daraus geht hervor, dass nach der Rechtslage der BauV bei allen Arbeiten an einem Hochregallager, an dem Absturzgefahr besteht, also bei einer Absturzhöhe von mehr als 2 m, den Arbeitnehmern entsprechende Sicherheitsgeschirre oder Sicherheits-gürtel mit allen dazu erforderlichen Zusatzeinrichtungen zur Verfügung zu stellen sind. Solche Sicherheitseinrichtungen waren jedoch zur Tatzeit weder auf der Baustelle noch hat sie der Arbeitnehmer P B getragen, obwohl er an einer absturzgefährlichen Stelle gearbeitet hatte und daher hätte gesichert sein müssen.

4.3.1. Der Berufungswerber vermeint, dass diese Bestimmungen im vorliegenden Fall deshalb nicht anzuwenden seien, weil Herr B nicht gearbeitet, sondern lediglich ein vergessenes Werkzeug geholt hätte.

Hier ist ihm jedoch § 1 der BauV entgegenzuhalten:

Gemäß Abs.1 leg.cit. gilt diese Verordnung für die Beschäftigung von Arbeitnehmern bei der Ausführung von Bauarbeiten aller Art.

Nach der Legaldefinition des Begriffes "Bauarbeiten" in Abs.2 leg.cit. sind darunter Arbeiten zur Herstellung ... einschließlich der hiefür erforderlichen Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten zu verstehen.

Es ist daher für die Anwendung der genannten Bestimmungen der BauV unerheblich, ob Herr B mit der Montage von Profilen beschäftigt war oder lediglich ein vergessenes Werkzeug holte. Beides ist unter den Begriff der "Bauarbeiten" iSd Legaldefinition des § 1 Abs.2 BauV zu subsumieren, weil auch das Holen eines vergessenen Werkzeuges bzw. Nivelliergerätes in Erfüllung des Arbeitsauftrages zur Herstellung des Arbeitserfolges geschah.

4.3.2. Der Berufungswerber vertritt weiters die Ansicht, dass eine Sicherung beim (erstmaligen) Hinaufklettern auf das Hochregallager nicht möglich sei:

Dieser Ansicht widersprachen sowohl die Vertreter des Arbeitsinspektorates als auch der Partieführer des Berufungswerbers, Herr Wilhelm P. Dieser gab bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung an, dass man sich auch beim Hinaufsteigen sichern kann (mit dem Fünf-Punkte-Gurt, dem ca. 1,7 m langen Seil und einem Falldämpfer); man verliere aber Zeit, weil man sich immer wieder umhängen müsse. Diese Aussagen des Zeugen sowie der beteiligten Arbeitsinspektoren klingen durchaus glaubwürdig und entsprechen auch der geltenden Rechtslage iSd oben zitierten Bestimmungen der BauV.

Es ist daher davon auszugehen, dass das Sichern des Arbeitnehmers beim Aufsteigen auf ein Hochregallager technisch möglich ist.

4.4. Aus den oben angeführten Beweisergebnissen ist zu folgern, dass der Arbeitnehmer P B zur Tatzeit ungesichert auf dem Hochregallager war, obwohl nach der geltenden BauV eine Sicherung vorgeschrieben war und diese auch technisch möglich gewesen wäre und weiters, dass auf der Baustelle überhaupt keine Sicherheitseinrichtungen für die Arbeitnehmer vorhanden waren. Damit aber ist der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt.

Zur Prüfung der Frage, ob den Berufungswerber auch ein Verschulden an dieser Verwaltungsübertretung trifft, ist als Prüfungsmaßstab die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes über die Einrichtung eines Weisungs- und Kontrollsystems heranzuziehen:

Der Berufungswerber gab an, dass seine Arbeitnehmer (hauptsächlich Schlosser) angelernt werden, weil es keine eigene Berufsausbildung für Hochregalbauer gibt. Die Arbeitnehmer werden bei Beginn ihrer Tätigkeit über die Sicherheitseinrichtungen und deren Verwendung eingeschult. Weitere Informationen und Schulungsmaßnahmen gibt es nur bei Änderungen der Rechtslage bzw. bei technischen Neuerungen.

Der Berufungswerber gab auch an, vor Beginn einer (jeden) Baustelle eine Vorbesprechung durchzuführen und eine Risikoanalyse zu erstellen, doch konnte er eine Beiziehung der Arbeitnehmer oder eine Anweisung an die Arbeitnehmer, dass Sicherheitseinrichtungen bei derartigen Arbeiten jederzeit getragen werden müssen, nicht vorweisen, da er sich diese nicht schriftlich bestätigen lasse.

Es ist daher nicht erwiesen, dass der Berufungswerber tatsächlich seine Arbeitnehmer in regelmäßigen Abständen über die Arbeitssicherheitsbestimmungen informiert und an die Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen immer wieder erinnert.

Zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeitssicherheitsbestimmungen gab Herr K an, dass er lediglich sporadisch kontrolliere, weil er nicht auf allen Baustellen gleichzeitig sein könne. Vor Ort wäre der Partieführer für die Einhaltung der Arbeitssicherheitsbestimmungen zuständig. Er gab an, den Arbeitnehmern angedroht zu haben, ihnen 1.000 S vom Lohn abzuziehen, wenn er feststelle, dass einer ohne Sicherung auf dem Regallager arbeite. Er räumte aber auch gleichzeitig ein, noch nie einem Arbeitnehmer 1.000 S vom Lohn abgezogen zu haben, auch nicht Herrn B für den verfahrensgegenständlichen Vorfall.

Diese Vorgangsweise der Anweisung und Kontrolle entspricht nicht den Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes über die Einrichtung eines Weisungs- und Kontrollsystems:

Die Anweisungen an die Arbeitnehmer werden nicht regelmäßig wiederholt, wodurch die Gefahr besteht, dass durch "Betriebsblindheit" oder Routine Nachlässigkeiten einreißen, die dann letztlich immer wieder die Ursache für schwere Arbeitsunfälle sind. Weiters genügt es zur Kontrolle der Einhaltung dieser Bestimmungen nicht, nur stichprobenweise Kontrollen durchzuführen (zu dieser Problematik darf auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden: VwGH vom 8.7.1991, 91/19/0095; 93/02/0160 vom 20.12.1996; 97/02/0182 vom 5.9.1997 ua).

Dadurch, dass der Berufungswerber die Einrichtung eines wirksamen Weisungs- und Kontrollsystems nicht glaubhaft gemacht hat, hat er es iSd § 5 Abs.1 VStG unterlassen glaubhaft zu machen, dass ihn kein Verschulden an der angelasteten Verwaltungsübertretung trifft.

Damit ist Verschulden zumindest in Form der Fahrlässigkeit anzunehmen.

4.5. Bei der Strafbemessung ist von den Grundsätzen des § 19 VStG auszugehen. Das Arbeitsinspektorat hatte in der Anzeige vom 16.11.1998 eine Strafhöhe von 20.000 S beantragt, welchem Antrag sich die Erstbehörde angeschlossen hat.

Unter Berücksichtigung der Strafbemessungsgründe des § 19 VStG gelangte der unabhängige Verwaltungssenat jedoch zur Ansicht, dass auch mit einer Strafe in Höhe der Hälfte der verhängten Strafe das Auslangen gefunden werden kann, um den Berufungswerber künftig von weiteren derartigen Verwaltungsübertretungen abzuhalten. Als strafmindernd wirkte sich insbesonders die persönliche Situation des Berufungswerbers aus, der - laut eigenen Angaben anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 6.7.1999 - für zwei erwachsene, jedoch behinderte und nicht selbsterhaltungsfähige Kinder Sorgepflichten hat.

Überdies war die von der Erstbehörde als straferschwerend berücksichtigte einschlägige Vorstrafe durch mittlerweile eingetretene Tilgung (§ 55 Abs.1 VStG) nicht mehr zu berücksichtigen, weshalb dem Berufungswerber auch die absolute Unbescholtenheit als Milderungsgrund zugute kam.

4.6. Die geringfügige Korrektur des Spruches der Erstbehörde erfolgte, um den Ergebnissen des Beweisverfahrens Rechnung zu tragen:

Der anzeigende Arbeitsinspektor hatte auf der Baustelle die Höhe, in der der Arbeitnehmer B gearbeitet hatte, nicht gemessen, sondern diese Angabe vom Partieführer P übernommen; Herr B hatte vor dem unabhängigen Verwaltungssenat angegeben, in einer Höhe von etwa 12 m gewesen zu sein, als ihn der Arbeitsinspektor gesehen hatte.

Es ist jedoch nicht von entscheidender Bedeutung, um welche Höhe es sich exakt gehandelt hatte, da jedenfalls bei beiden Höhen eine Sicherungspflicht bestand.

Für die Sicherungspflicht bzw. die Rechtsfolgen der unterlassenen Sicherung war es an sich unbeachtlich, ob Herr B Steherprofile montierte oder sich "nur" ein vergessenes Werkzeug holte. Beides ist unter den Begriff "Bauarbeiten" iSd § 1 Abs.2 BauV zu subsumieren, weil das Einsammeln von herumliegendem Werkzeug jedenfalls als Abschlussarbeit im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist. Die erkennende Kammer folgte allerdings zur Art der Tätigkeit den glaubhaften Zeugenaussagen, weshalb auch eine Klarstellung im Spruch vorzunehmen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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