Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280463/14/Kl/Rd

Linz, 28.09.2000

VwSen-280463/14/Kl/Rd Linz, am 28. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 8. Kammer (Vorsitzender: Dr. Konrath, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Langeder) über die Berufung des Ing. W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14.5.1999, Ge96-2591-1998, Faktum 1, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der BauV nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 20.9.2000 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 30.000 S (entspricht 2.180,19 €), die Ersatzfreiheitsstrafe auf 100 Stunden herabgesetzt wird. Im Übrigen wird das Straferkenntnis (Faktum 1) mit der Maßgabe bestätigt, dass die verletzte Verwaltungsvorschrift zu lauten hat: "§§ 130 Abs.5 Z1 und 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 iVm §§ 87 Abs.2 und 161 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994 idF BGBl. II Nr. 121/1998".

II. Der Verfahrenskostenbeitrag vor der Behörde erster Instanz ermäßigt sich auf 3.000 S (entspricht 218,02 €); für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Verfahrenskostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 14.5.1999, Ge96-2591-1998, wurde über den Bw zu Faktum 1 eine Geldstrafe von 50.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 300 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 iVm § 61 Abs.3 und § 87 Abs.2 BauV verhängt, weil er es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit gemäß § 9 VStG strafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der "Ing. W GesmbH", welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der "Ing. W GesmbH & Co KG" ist, zu verantworten hat, dass bei einer Kontrolle der Baustelle F am 16.7.1998 durch das AI für den 18. Aufsichtsbezirk Folgendes festgestellt wurde:

1) Die Arbeitnehmer L, N und B waren mit Dacharbeiten beschäftigt (Aufbringen der Rauhschalung eines Pultdaches), wobei sie völlig ungesichert waren.

* Die Traufenhöhe betrug nordseitig von 5,7 bis 4,3 m verlaufend.

* Die Dachneigung betrug 15 Grad.

* Die Absturzhöhe im Giebelbereich betrug ca. 7,5 m.

Am gesamten Objekt waren weder Absturzsicherungen gemäß § 8 BauV, Abgrenzungen gemäß § 9 BauV, noch Schutzeinrichtungen gemäß § 10 BauV angebracht, auch trugen die Dienstnehmer keine Sicherheitsgeschirre und waren nicht angeseilt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und in dieser auf die Stellungnahme vom 8.9.1998 verwiesen. Hinsichtlich des Erste-Hilfe-Kastens wurde ausgeführt, dass auf der Baustelle ein Önorm-gemäßer Kasten vorhanden war ebenso wie im Firmenbus. Es wurde daher die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Das zuständige Arbeitsinspektorat wurde am Berufungsverfahren beteiligt.

Es wurde Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.9.2000, zu welcher neben den Verfahrensparteien, die geladenen Zeugen Ing. W, AI für den 18. Aufsichtsbezirk, und L, Vorarbeiter, geladen und einvernommen wurden.

Weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war nach der geltenden Geschäftsverteilung die 8. Kammer zur Entscheidung zuständig.

4. Es steht daher folgender wesentlicher Sachverhalt fest:

Aufgrund einer Baustellenkontrolle des zuständigen AI am 16.7.1998 bei der Baustelle F, wurde wahrgenommen, dass die drei namentlich genannten Arbeitnehmer mit Dacharbeiten, nämlich mit dem Aufbringen der Rauhschalung eines Pultdaches, beschäftigt waren. Die Traufenhöhe betrug nordseitig von 5,7 m bis 4,3 m verlaufend, die Dachneigung 15 Grad und die Absturzhöhe im Giebelbereich ca. 7,5 m. Es waren am gesamten Objekt keine Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht. Die Dienstnehmer trugen auch keine Sicherheitsgeschirre und waren nicht angeseilt. Technische Absturzsicherungen waren auf der Baustelle nicht vorhanden. Im Innenbereich des Objektes waren Sicherheitsgeschirre vorhanden.

Dies ergibt sich eindeutig aus den Aussagen der einvernommenen Zeugen sowie auch aus den im Akt befindlichen Fotos. Die Aussagen waren glaubwürdig und widerspruchsfrei. Auch konnte der einvernommene Vorarbeiter darlegen, dass es sich dabei um eine seiner ersten Baustellen, die er als Vorarbeiter zu betreuen hatte, handelte. Es wurde auch von ihm glaubwürdig dargelegt, dass er die Gefahr nicht so hoch einschätzte, weil die Dachneigung nur etwa 15 Grad betrug.

Entgegen den Ausführungen des Bw war aber den Zeugenaussagen einhellig zu entnehmen, dass Baustellenkontrollen durch den Bw nicht durchgeführt wurden. Insbesondere gab der einvernommene Vorarbeiter an, dass der Bw nur gelegentlich die Baustelle kontrolliere bzw bei vom Firmensitz entfernten Baustellen eine Kontrolle nicht stattfindet. Am Tattag vor der Kontrolle war der Bw nicht zu einer Kontrolle auf der Baustelle. Regelmäßige Kontrollen durch den Bw finden nicht statt, sondern diese sind nur gelegentlich. Wenn der Vorarbeiter nicht weiter weiß oder etwas Besonderes brauche, dann kommt der Bw zur Baustelle.

Aufgrund des vorgelegten Verwaltungsvorstrafenauszuges ist ersichtlich, dass gegen den Bw mehrere rechtskräftige Vorstrafen vorliegen, darunter auch eine einschlägige Vormerkung. Zu den persönlichen Verhältnissen führte der Bw in der mündlichen Verhandlung glaubwürdig aus, dass er sorgepflichtig für seine Ehegattin und zwei Kinder sei, über ein monatliches Bruttoeinkommen von 25.000 S verfüge und Besitzer eines Einfamilienhauses sei.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 87 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl.Nr. 340/1994, müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20 Grad und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein. Dies sind gemäß § 8 BauV geeignete Absturzsicherungen wie Abdeckungen oder Geländer, gemäß § 9 BauV Abgrenzungen oder gemäß § 10 BauV Schutzeinrichtungen wie Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden.

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die BauV nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz und es ist gemäß § 161 BauV eine Übertretung nach dieser Verordnung nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG zu bestrafen.

5.2. Aufgrund des erwiesenen Sachverhaltes steht eindeutig fest, dass zum Kontrollzeitpunkt 3 Arbeitnehmer mit Dacharbeiten beschäftigt waren, wobei keinerlei technische Sicherheitseinrichtungen wie Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen (Dachfanggerüste oder -schutzblenden) vorhanden waren. Weil aber die Absturzhöhe mehr als 3 m und die Dachneigung bis 20 Grad betrug, wären solche Schutzeinrichtungen erforderlich gewesen. Es wurde daher der objektive Tatbestand einwandfrei erfüllt.

Auch in subjektiver Hinsicht hat der Bw die Tat zu verantworten.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Auch die gegenständlich vorgeworfene Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, welches schon bei Fahrlässigkeit schuldhaft begangen wird, wobei Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmung ohne weiteres anzunehmen ist. Die Glaubhaftmachung eines mangelnden Verschuldens ist aus nachfolgenden Erwägungen dem Bw nicht gelungen. Im Sinn der Bestimmungen des ASchG sowie der ständigen Judikatur des VwGH hat nämlich der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Bw nicht nachgekommen. Wenn hingegen der Bw ausführt, dass aufgrund der Vielzahl der Baustellen er nicht an jeder Baustelle anwesend sein könne, so hat der VwGH in ständiger Judikatur ausgesprochen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es muss ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Ob der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit ist, hängt im Einzelfall davon ab, ob er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Bw nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsnachweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass er die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person überträgt, sondern es bedarf vielmehr des weiteren Nachweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist. Im gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass eine Entlastung des Bw nicht durch das Verantwortlichmachen eines Vorarbeiters stattfinden kann, sondern dass er vielmehr diesen Vorarbeiter ständig auf die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren hat. Dies hat regelmäßig zu erfolgen und nicht nur stichprobenartig und gelegentlich. Insbesondere aus dem Anlass, dass der Vorarbeiter erst wenige Baustellen zur selbständigen Aufsicht innehatte, wäre ein Grund vorhanden gewesen, eine verstärkte Kontrolle des Vorarbeiters zu Beginn dieser Aufgabenerfüllung durchzuführen. Hingegen reicht die Erteilung von Weisungen nicht aus. Vielmehr hat der Bw eine wirksame Kontrolle durchzuführen, ob die erteilten Weisungen auch tatsächlich eingehalten werden. Es hat aber der Bw weder initiativ vorgebracht, welche konkreten Maßnahmen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen bzw deren Einhaltung garantieren sollen noch Maßnahmen, die den Arbeitnehmern einen Anreiz zum Zuwiderhandeln nehmen sollen. Auch hat das Beweisverfahren gezeigt, dass eine effektive Kontrolle nicht durchgeführt wurde. Es ist daher dem Bw ein Entlastungsnachweis nicht gelungen, weshalb von schuldhaftem, zumindest fahrlässigem Verhalten des Bw auszugehen war.

5.3. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis hinsichtlich der Strafbemessungsgründe auf einschlägige Vorstrafen hingewiesen. Eine einschlägige Verwaltungsvorstrafe wurde durch den Verwaltungsvorstrafenauszug bestätigt. Es war daher eine empfindliche Geldstrafe insbesondere aus spezialpräventiven Gründen erforderlich. Die Höhe der Geldstrafe richtet sich auch noch nach dem Unrechtsgehalt der Tat, insbesondere nach der Gefährdung. In Anbetracht dessen, dass drei Arbeitnehmer konkret am Dach beschäftigt waren und daher ihre Gesundheit und ihr Leben gefährdet war, war eine höhere Geldstrafe gerechtfertigt. Allerdings mussten die vom Bw angegebenen persönlichen Verhältnisse berücksichtigt werden, nämlich Sorgepflicht für Gattin und zwei Kinder sowie ein doch bescheidenes Einkommen von monatlich brutto 25.000 S. Diese persönlichen Verhältnisse sowie der Umstand, dass nachteilige Folgen nicht eingetreten sind, rechtfertigen die spruchgemäße Herabsetzung der Strafe. Die nunmehr festgesetzte Strafe ist aber erforderlich, um den Bw von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten. Auch aus generalpräventiven Gründen war die verhängte Geldstrafe erforderlich.

6. Im Grunde der rechtlichen Ausführungen (Punkt 5) war eine Berichtigung der zitierten Übertretungsnorm gemäß § 44a Z2 VStG erforderlich.

7. Weil die Berufung im Hinblick auf das Strafausmaß Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag vor dem Oö. Verwaltungssenat nicht zu leisten. Im Hinblick auf die Strafherabsetzung war auch der Verfahrenskostenbeitrag im Verfahren erster Instanz entsprechend herabzusetzen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht  181,68 €) zu entrichten.

Dr. Konrath

Beschlagwortung:

keine technischen Sicherungen vorhanden, Kontrollsystem