Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280466/35/Gu/Pr

Linz, 09.11.1999

VwSen-280466/35/Gu/Pr Linz, am 9. November 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 2. Kammer (Vorsitzender: Dr. Ewald Langeder, Berichter: Dr. Hans Guschlbauer, Beisitzer: Dr. Hermann Bleier) über die Berufung des Ing. E. P., vertreten durch Rechtsanwalt DDr. H. M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 5.5.1999, Ge96-22-1997/Ew, wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes nach der am 19.10.1999 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass in der Wortfolge des Spruches "regelmäßig nicht bestimmungsgemäß verwendet, dh die Schutzeinrichtungen umgangen wurden, indem zumindest am 30.1.1997" die Worte "regelmäßig" und "zumindest" zu entfallen haben.

Der Rechtsmittelwerber hat als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 4.000,00 Schilling (entspricht  290,69 Euro) zu bezahlen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG, § 35 Abs.1 Z4 ASchG, § 130 Abs.1 Z16 leg.cit.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt, es als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der Fleischwaren GesmbH (persönlich haftende Gesellschafterin der Arbeitgeberin der Fleischwaren GesmbH & Co.KG), beide mit dem Sitz in E., vertreten zu müssen, dass in der Betriebsstätte der o.a. Gesellschaft in E., die Arbeitnehmer R. K. und G. K. mit Reinigungs- bzw. Abschlussarbeiten an der Formmaschine, Type Koppens VM 600 MS beschäftigt wurden, wobei entgegen den Bestimmungen des § 35 Abs.1 Z4 ASchG die Schutz- und Sicherheitsvorrichtungen regelmäßig nicht bestimmungsgemäß verwendet, dh die Schutzeinrichtungen umgangen wurden, indem zumindest am 30.1.1997 der Arbeitnehmer R. K. bei der beabsichtigten händischen Zuführung der von den Transportschnecken nicht erfassten Hühnerfleischreste zu den Transportschnecken zum Erreichen des Einfülltrichters der Formmaschine nicht den dafür vorgesehenen herausklappbaren Stufenaufgang - hiebei wäre durch eine Abschaltvorrichtung der Presskolben und die Förderschnecke außer Betrieb gesetzt worden - verwendete, sondern die Formmaschine unter Zuhilfenahme des seitlich an der Maschine angebrachten Behälteraufzuges bestieg und in den Einfülltrichter fasste, wodurch der Arbeitnehmer R. K. beim plötzlichen und unerwarteten Wiederingangsetzen der Formmasschine vom Presskolben bzw. der Förderschnecke erfasst und an der Hand schwer verletzt worden ist.

Wegen Verletzung des § 35 Abs.1 Z4 iVm § 130 Abs.1 Z16 ASchG wurde ihm deswegen gemäß § 130 Abs.1 ASchG eine Geldstrafe von 20.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag von 2.000 S auferlegt.

In seiner dagegen vom rechtsfreundlichen Vertreter erhobenen Berufung weist der Rechtsmittelwerber den Vorwurf zurück, dass die Schutz- und Sicherheitsvorrichtungen regelmäßig nicht bestimmungsgemäß verwendet worden seien und verweist auf die dem Spruch inhärente Einschränkung auf 30.1.1997.

Er bekämpft die subjektive Tatseite und erklärt in diesem Zusammenhang, dass zwar keine formelle Delegation der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung vorgelegen sei. Zum Unfallszeitpunkt sei aber nicht nur ein technischer Betriebsleiter sondern auch ein Produktionsleiter mit der Durchführung der Produktion beauftragt und für diese verantwortlich gewesen. Er selbst habe eindringlichst und mehrmals wöchentlich, oft auch mehrmals täglich, den Produktionsvorgang kontrolliert und zwar schon aus Gründen der Qualitätssicherung, aber auch zur Kontrolle der im technischen Bereich beschäftigten Mitarbeiter im Hinblick auf die Einhaltung von arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen und er habe auch die Einhaltung der Weisungen kontrolliert. Er habe sich auf das von ihm angeordnete und organisierte Netz der laufend überwachten Aufsichtsorgane verlassen. Nicht zuletzt sei auch der verletzte K. ein gelernter Elektrotechniker gewesen. Dem Beschuldigten habe nicht auffallen müssen und sei auch nicht aufgefallen - selbst wenn dies mit Wissen des Betriebsleiters geschehen sein sollte -, dass die Reinigung der Maschine nicht unter Verwendung der Leiter erfolgte.

Selbst wenn dies mit Wissen des technischen Betriebsleiters erfolgt sein sollte, sei zu berücksichtigen, dass die Maschine ausgeschaltet war, wenn der Techniker diese betreten hat. Der Techniker habe daher lediglich an der ausgeschalteten Maschine gearbeitet und dies sei genau jener Zustand, der erreicht werde, wenn der Techniker die Maschine über die Leiter besteige. Auch in diesem Zustand bewirke das Benützen der Leiter lediglich das Ausschalten der Maschine. Das Einschalten der Maschine erfolge nur dann, wenn der auf der Maschine stehende Techniker die Hände hebe und sage: "Es geht". Dieser Vorgang schließe aus, dass die Maschine eingeschaltet werde, bevor der Techniker eine diesbezügliche Weisung erteile. Diese, wenn auch ohne sein Wissen, am 30.1.1997 durchgeführte Vorgangsweise hätte den Unfall ebenso wenig verhindert, als wenn der Techniker die Maschine über die Leiter betreten hätte. In beiden Fällen sei die Maschine ausgeschaltet gewesen und hätte der Techniker ohne Gefährdung an der Maschine hantieren können. Es mangle sohin an der Kausalität des Vorwurfes. Eine Fehlsteuerung, also ein Wiedereinschalten der Maschine aufgrund eines technischen Gebrechens, sei auch dann nicht auszuschließen, wenn der Techniker die Maschine über die Leiter bestiegen hätte.

Deshalb sei weder die Kausalität, noch der objektive Tatbestand, noch ein Verschulden seinerseits erwiesen.

Aus diesen Gründen beantragt der Rechtsmittelwerber die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens in eventu die Herabsetzung der Strafe unter Berücksichtigung, dass er ausgehend von einem monatlichen Nettoeinkommen von 25.000 S bisher unbescholten sei.

Aufgrund der Berufung wurde am 19.10.1999 in Gegenwart des Rechtsmittelwerbers und seines Vertreters, sowie der Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

In deren Rahmen wurde der Beschuldigte vernommen und ihm Gelegenheit zur Rechtfertigung geboten. Ferner wurde der Auszug aus dem Firmenbuch (ON 3 des Aktes) sowie die Mitteilung des BG Enns vom 2.7.1999, betreffend eine negative Auskunft über eine etwaige Gerichtsanhängigkeit der Sache, zur Erörterung gestellt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden die Zeugen R., R., K. und K. vernommen.

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens ist der im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses beschriebene Lebenssachverhalt nach Maßgabe des vorstehenden Spruches (die Handreichung des R. K. mit Abtrennung von Fingerteilen fand im Hinblick auf den zu beachtenden Sprachzusammenhang, was diese Verletzung anlangt, jedenfalls nur einmal und zwar am 30.1.1997 statt) als in objektiver Weise verwirklicht anzusehen. Das Beweisverfahren hat ergeben, dass die Verwertung der Fleischreste durch händische Nachgabe unter Umgehung der Sicherheitseinrichtung (an der Maschine montierte Leiter, bei deren Ausklappen die Stromversorgung für den Presskolben unterbrochen worden wäre) langjährige Übung war und dies mit Wissen des Produktionsleiters, eines Stellvertreters und des Betriebsleiters geschah. Aus der Umgehung der Sicherheitsvorschriften zog das Unternehmen laufende wirtschaftliche Vorteile, indem Restfleisch noch verwertet und geformt wurde und hiefür Arbeitszeit der Dienstnehmer sohin Lohnkosten in wiederkehrender Weise eingespart wurde.

An der Verwirklichung der objektiven Tatseite bestehen keinerlei Zweifel.

Für die Erfüllung des Tatbestandes genügt das bloße Zuwiderhandeln gegen § 35 Abs.1 Z4 ASchG, wonach Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die Schutz- und Sicherheitsvorrichtungen bestimmungsgemäß zu verwenden sind. Des Eintritts eines Erfolges eines Zuwiderhandels bedarf es nicht.

Gemäß § 130 Abs.1 Z16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 2.000 S bis 100.000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 4.000 S bis 200.000 S zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber die Verpflichtung betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes oder eingetragene Erwerbsgesellschaften sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die Fleischwaren GesmbH. und Co.KG ist eine solche Personengesellschaft des Handelsrechtes, bei der allerdings die juristische Person "Fleischwaren GesmbH." persönlich haftende Gesellschafterin ist. Der Beschuldigte war handelsrechtlicher Geschäftsführer, der persönlich haftenden Gesellschafterin und somit zur Vertretung nach außen berufen. Andere Verantwortungsbestimmungen kennt das ASchG nicht und die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten ist nicht erfolgt.

Wenngleich sich der Betriebsleiter R. bei der Vernehmung in der mündlichen Verhandlung loyal vor seinen Chef, den Beschuldigten, gestellt hat und alle Schuld auf sich nehmen und damit die Kette der Verantwortung bei ihm enden lassen wollte, so konnte der Beschuldigte (unabhängig davon, ob man ihm nun Glauben schenkte, dass er trotz häufiger Gänge durch den Betrieb und dem seinerzeitigen Blickkontakt von seinem Büro zu der verfahrensgegenständlichen Maschine nicht wahrgenommen haben will, dass bei Produktionsschluss zur Verwertung der Fleischrestmenge nicht die systemkonforme Leiter verwendet sondern auf die inkriminierte Weise verfahren worden ist) jedenfalls nicht darlegen, welches wirksame Kontrollnetz er gegen die missbräuchliche Verwendung der Maschine installiert gehabt hatte, dessen Funktion nach menschlichem Ermessen eine Umgehung der Sicherheitseinrichtung ausschloss. Dass die gefahrvollen Arbeiten jahrelang durchgeführt werden konnten, ist ein Indiz dafür, dass es am Kontrollnetz erhebliche Defizite gab, welche der Beschuldigte aufgrund der ihm obliegenden Pflichten zu verantworten hat.

Nachdem auch keine sonstigen schuldbefreienden Umstände zu Tage getreten sind, war auch die subjektive Tatseite als erfüllt anzusehen und aus diesem Grunde der Schuldspruch zu bestätigen.

Was die Strafbemessung anlangt, so war zu bedenken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Unrechtsgehalt der Tat aber auch das Maß des Verschuldens wogen beträchtlich. Bereits die erste Instanz hat die Unbescholtenheit als mildernd gewertet und auch keine straferschwerenden Umstände in Anschlag gebracht.

Bezüglich des Monatseinkommens nimmt der UVS Maß an den eigenen Angaben des Rechtsmittelwerbers. Aus dem Firmenbuchauszug ist ersichtlich, dass er im Unternehmen als Kommanditist eine Vermögenseinlage von über 2 Millionen Schilling besitzt.

Auch wenn man die Sorgepflicht für ein Kind berücksichtigt, so konnte in der Zusammenschau der Umstände der ersten Instanz kein Ermessensmissbrauch vorgeworfen werden, wenn sie den Strafrahmen nur mit rund einem Fünftel ausgeschöpft und hiebei das relativ niedrig bezifferte Monatseinkommen des Beschuldigten ohnedies zu seinen Gunsten besonders berücksichtigt hat.

Der wahre Unrechtsgehalt spiegelt sich in der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe wieder, deren Rahmen gemäß § 16 Abs.2 VStG bis zu zwei Wochen beträgt.

Angesichts der besonderen Gewichte des Unrechtsgehaltes und der Schuld war daher die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe von einer Woche als angemessen zu betrachten.

Die aufgenommenen Beweise reichten zur Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes hin. Weiterer Beweisaufnahmen bedurfte es mangels Ergebnisrelevanz daher nicht.

Da die Berufung keinen Erfolg hatte, trifft den Rechtsmittelwerber gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG die gesetzliche Pflicht, einen Beitrag von 20 % der bestätigten Geldstrafe zu den Kosten des Berufungsverfahrens leisten zu müssen.

Aus all diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht  181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. L a n g e d e r

Beschlagwortung: Beweiswürdigung, subjektive Tatseite - ASchG, Kontrollnetz

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