Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280471/5/Ga/Fb

Linz, 10.09.1999

VwSen-280471/5/Ga/Fb Linz, am 10. September 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Grof, dem Berichter Mag. Gallnbrunner und dem Beisitzer Dr. Schön über die Berufung des Ing. A A, vertreten durch Dr. H L, Rechtsanwalt in P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 21. Juni 1999, Ge96-52-1998-Fr/Gut, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

A. Die Berufung wird abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird mit folgenden Maßgaben bestätigt:

- die Einleitung des Schuldspruchs hat zu lauten: "Sie haben es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ in Ihrer Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der H gemäß § 9 Abs.1 VStG zu verantworten, daß ....";

- als verletzte Rechtsvorschriften sind anzugeben: "§ 7 Abs.1 iVm Abs.4 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV iVm § 130 Abs.5 Z1 sowie § 118 Abs.3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG";

- als Strafverhängungsnorm ist anzugeben: "§ 130 Abs.5 Einleitung ASchG".

B. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat 4.000 S zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 64 f VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit dem bezeichneten Straferkenntnis vom 21. Juni 1999 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe es

"als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der H im Sinne der Bestimmungen des § 9 VStG 1991 zu verantworten, dass, wie im Zuge einer Kontrolle der von Obgenannter betriebenen Baustelle in B, T Straße (Neubau M) -B am 16.6.1998 durch Organe des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten festgestellt wurde, die bei der H beschäftigten Arbeitnehmer H S und P W Fertigteilversetzarbeiten auf der Decke auf Höhe des 1. Obergeschoßes - zwischen der Stiege 3 und 4 in ca. 8,5 m bzw. 14,5 m Höhe durchgeführt haben, obwohl beide Arbeitnehmer weder angeseilt waren, noch andere geeignete Schutzmaßnahmen gegen Absturz getroffen waren."

Dadurch habe er "§ 7 Abs.1 der Verordnung über Vorschriften zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, Bauneben- und Bauhilfsarbeiten, BGBl.Nr. 340/1994 i.d.g.F" verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei über ihn "gemäß § 31 Abs.2 lit.p Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 i.d.g.F." eine Geldstrafe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: sechs Tage) kostenpflichtig zu verhängen gewesen.

Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene, Aufhebung und Einstellung beantragende Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat, nach Einsicht in den zu Ge96-52-1998 vorgelegten Strafakt, erwogen:

Wie schon im Verfahren vor der Anklagebehörde bestritt der Beschuldigte auch mit seiner Berufung nicht den dem Schuldspruch zugrunde gelegten Sachverhalt. Als somit erwiesen ist festzustellen, daß die beiden namentlich genannten Arbeitnehmer am Feststellungstag (= Tattag) die Versetzarbeiten auf dem tatörtlich beschriebenen Arbeitsplatz bei jedenfalls mehr als 2,00 m Absturzhöhe durchgeführt haben und dabei jedoch, obwohl dort - wegen der Unverhältnismäßigkeit des hiefür erforderlichen Aufwandes - keinerlei technische Schutzmaßnahmen durchgeführt waren, nicht angeseilt waren, weder mittels Sicherheitsgeschirren noch mittels Sicherheitsgürteln. Die Arbeiten wurden trotz gegebener Absturzgefahr ungesichert - und somit schutzvorschriftswidrig - durchgeführt.

Diesen hier maßgebenden Sachverhalt wertete das nach Lage der Baustelle zuständige Arbeitsinspektorat in seiner Anzeige vom 13. Juli 1998 - zutreffend - als eine Übertretung des § 7 Abs.1 iVm Abs.4 der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, BGBl. Nr. 340/1994, und führte näherhin aus: Gemäß dieser Bestimmung müßten bei Absturzgefahr die Arbeitnehmer sicher angeseilt sein; die Anbringung von technischen Schutzmaßnahmen hätte (gemäß Abs.4 leg.cit.) vorliegend entfallen können, weil der hiefür erforderliche Aufwand unverhältnismäßig hoch gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit gewesen sei.

Die belangte Behörde hingegen führte - offensichtlich aus Versehen - als iS des § 44a Z2 VStG verletzte Rechtsvorschriften die durch die Neukodifikation des hier belangvollen Arbeitnehmerschutzrechtes mit 31. Dezember 1994 außer Kraft getretene, bezughabende alte Gesetzes- und Verordnungsrechtslage an und griff auch hinsichtlich der Strafverhängungsnorm auf die alte Rechtslage zurück.

Auf die Rechtmäßigkeit, dh in Ansehung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale ausreichende Bestimmtheit des spruchgemäßen Tatvorwurfs schlug der Fehlgriff der belangten Behörde jedoch nicht durch. Zwar wurde die 'Absturzgefahr' als Tatmerkmal im angefochtenen Schuldspruch nicht ausdrücklich vorgeworfen (auch nicht in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18. August 1998 als erste Verfolgungshandlung). Die Anlastung enthielt aber immerhin die Höhenangabe "8,5 m bzw 14,5 m", die für den verständigen Leser als 'Absturzhöhe' (vom beschriebenen Arbeitsplatz) - noch - erkennbar sein mußte. Im Ergebnis erwies sich der Schuldspruch tatseitig auch hinsichtlich des Merkmals 'Absturzgefahr' als hinreichend konkretisiert, wird dieses Merkmal doch gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV (ua auch) dann erfüllt, wenn am Arbeitsplatz eine Absturzhöhe von mehr als 2,00 m gegeben ist.

Ausgehend davon, und weil der Berufungswerber selbst zu keiner Zeit sich im Unklaren über den als schutzvorschriftswidrig angelasteten Lebenssachverhalt gewesen ist (und auch in der Berufung Zweifel diesbezüglich nicht vorgetragen hat), war aus diesen Gründen der angefochtene Schuldspruch einer formalen Richtigstellung im Spruchabschnitt gemäß § 44a Z2 VStG zugänglich, ohne daß dadurch die Tat als solche (unzulässigerweise) geändert wurde. Mit den daher zu verfügen gewesenen Maßgaben war die Annahme der objektiven Tatbestandsmäßigkeit im Berufungsfall zu bestätigen.

Nach der Aktenlage unstrittig ist die Stellung des Berufungswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der hier als Arbeitgeber involvierten Gesellschaft. Auch diesbezüglich war daher der Schuldspruch richtigzustellen, ließ doch die von der belangten Behörde hinsichtlich der Verantwortlichkeit gewählte Formulierung (siehe oben) offen, aus welchem konkreten Rechtsgrund sie den Berufungswerber für die Schutzvorschriftsverletzung hat einstehen lassen.

Vom ausdrücklichen Bekenntnis zu seiner Stellung als handelsrechtlicher Geschäftsführer jedoch abgesehen, wendete der Berufungswerber ein, er sei für die Pflichtverletzung dennoch nicht haftbar, weil ein bestimmter Bauleiter iSd § 9 Abs.2 VStG verantwortlich für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auf der sprucherfaßten Baustelle gewesen sei. Mit diesem Einwand verkennt der Berufungswerber, soweit er damit in Richtung des verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 4 VStG argumentiert, die Rechtslage, setzt doch die ausnahmsweise Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Haftung des für die juristische Person nach außen zur Vertretung berufenen Organs (§ 9 Abs.1 VStG) voraus, daß jedenfalls vor der Tat die, bestimmte Mindesterfordernisse erfüllende Bestellung (hier) des Bauleiters zum verantwortlichen Beauftragten und dessen ausdrückliche Zustimmung hiezu stattgefunden haben. Für die Wirksamkeit der Bestellung im Berufungsfall wäre zudem das Einlangen eines Nachweises über die Bestellung/ Zustimmung beim zuständigen Arbeitsinspektorat erforderlich gewesen (vgl § 23 Abs.1 ArbIG). Weder aber die Bestellung noch die Zustimmung wurde vorliegend nachgewiesen, sodaß mit der belangten Behörde von der aufrecht gebliebenen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers als handelsrechtlicher Geschäftsführer auszugehen war.

Gegen die Annahme der belangten Behörde seiner hier im Grunde des § 5 Abs.1 VStG verwirklichten Fahrlässigkeitsschuld erhob der Berufungswerber im wesentlichen - wie schon im strafbehördlichen Verfahren, so insbesondere in seiner Stellungnahme vom 27. Jänner 1999 - den Einwand, daß er selbst regelmäßig Stichproben auf allen Baustellen hinsichtlich der Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen vornehme, daß in seinem Auftrag vom Montageleiter Sicherheitsunterweisungen der Arbeiter abgehalten würden und darüber für die involvierte Baustelle sogenannte Sicherheitsprotokolle vorlägen.

Abgesehen davon, daß die so bezeichneten "Sicherheitsprotokolle" von ihm nicht vorgelegt wurden (sondern nur Bestätigungen über Sicherheitsunterweisungen), ist der Entlastungseinwand des Berufungswerbers schon behauptungsmäßig nicht geeignet, Zweifel an der hier von Gesetzes wegen, jedoch widerlegbar, zu vermuten gewesenen Schuldseite zu wecken. Die belangte Behörde hat zu Recht einen nach den Umständen dieses Falles unzureichenden Kontrollmechanismus angenommen und darin jenen Sorgfaltsmangel gesehen, der bewirkt habe, daß der Berufungswerber aus seiner Haftung nicht entlassen werden konnte. Sie durfte sich dabei auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stützen, reichen danach doch bloß stichprobenartige Überprüfungen der Baustellen für das geforderte Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems zur Hintanhaltung von Verstößen gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht aus; dies selbst dann, wenn es sich bei den Arbeitnehmern um langjährige, zuverlässige Mitarbeiter handelt, wobei auch die Erteilung von Weisungen (hier: "Sicherheitsunterweisungen"), die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, nicht ausreicht (vgl VwGH 20.12.1996, 93/02/0306, uva). Im Hinblick aber auf das Fehlen eines "wirksamen Kontrollsystems" (welches der Berufungswerber - wiederum gemäß Vorgabe der hiezu ständigen Judikatur - initiativ und in seinen Einzelheiten darzulegen gehabt hätte) konnte die belangte Behörde daher in rechtmäßiger Weise die Verschuldensvermutung zugrunde legen.

Ergab sich aber nach den Umständen des Falles für die Strafbehörde, ebenso wie auf Berufungsebene für den Oö. Verwaltungssenat, kein Anhaltspunkt, Schuldzweifel zu hegen, so bestand - entgegen der Ansicht des Berufungswerbers - schuldseitig auch keine Ermittlungspflicht; der vom Berufungswerber gerügte Verfahrensmangel liegt diesbezüglich nicht vor (vgl VfGH 20.6.1994, B 1908/93 ua).

Was die Strafbemessung anlangt, so hat der Berufungswerber die Höhe der über ihn verhängten Strafe unbekämpft gelassen. Die belangte Behörde ist mit nachvollziehbarer, an den Kriterien des § 19 VStG orientierter Begründung dem Strafantrag des Arbeitsinspektorates gefolgt. Dieses begründete das beantragte Strafausmaß mit der im Berufungsfall zufolge der Mißachtung der verletzten Schutzvorschrift bewirkten erheblichen Gefährdung für Leben und Gesundheit der beiden Arbeitnehmer. Darin ist eine Überschreitung des der Strafvollzugsbehörde eingeräumten Ermessensspielraumes nicht zu erblicken, sodaß auch der Strafausspruch zu bestätigen war. Die gleichzeitig zu verfügen gewesene Richtigstellung der Strafverhängungsnorm war dadurch nicht gehindert.

Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Berufungswerber die Kosten des Berufungsverfahrens in der gesetzlich bestimmten Höhe (20 % der verhängten und bestätigten Geldstrafe) aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. G r o f

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