Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280482/8/Kl/Rd

Linz, 05.09.2000

VwSen-280482/8/Kl/Rd Linz, am 5. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des R, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 19.8.1999, GZ 101-6/3-330092067, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitszeitgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 19.8.1999, GZ 101-6/3-330092067, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 9.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von neun Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß Art.8 Abs.1 und 6 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z2 AZG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R Speditions GmbH, (= Firmensitz und Tatort, wo der Beschuldigte gehandelt hat oder hätte handeln sollen), zu verantworten hat, dass diese als Arbeitgeber den Lenker S (Arbeitnehmer) wie folgt entgegen den Bestimmungen des AZG, BGBl.Nr. 461/1969 idgF und der Verordnung EG-VO 3820/85 des Rates vom 20.12.1985 idgF, beschäftigt hat.

"Im Rahmen der Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr mit Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht über 3,5t wurde wie folgt entgegen EG-VO 3820/85 dem oa Lenker die tägliche Ruhezeit nicht gewährt.

Unterschreitung der täglichen Mindestruhezeit von 9 Stunden:

am 15.12.1998, ab 3.45 Uhr wurde in den folgenden 24 Stunden keine Ruhezeit von mindestens 9 zusammenhängenden Stunden eingelegt, denn das Arbeitsende erfolgte um 22.10 Uhr und somit ergibt sich eine Ruhezeit von 5 Stunden und 35 Minuten.

am 16.12.1998, ab 6.15 Uhr wurde im 24 Stundenzeitraum zwar eine Ruhezeit von 10 Stunden und 10 Minuten eingehalten, da das Arbeitsende am 16.12.1998 um 20.05 Uhr war, jedoch wurde diese Ruhezeit durch den Arbeitsbeginn am 17.12.1998 um 3.25 Uhr auf 7 Stunden und 20 Minuten verkürzt.

am 17.12.1998, ab 3.25 Uhr wurde in den folgenden 24 Stunden keine Ruhezeit von 9 zusammenhängenden Stunden erreicht, denn das Arbeitsende erfolgte um 23.10 Uhr und somit ergibt sich eine Ruhezeit von 4 Stunden und 15 Minuten."

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und diese damit begründet, dass der Spruch des Straferkenntnisses nicht ausreichend konkretisiert sei. Neben der Bezeichnung des Arbeitnehmers und der Tatzeitpunkte habe der Spruch all jene Tatbestandselemente zu umfassen, die die Nichteinhaltung der Ruhezeiten auch iSd Art. 8 Abs.1 Unterabs.2 EG-VO 3820/85 ausmachen. Insbesondere müsste aus dem Spruch hervorgehen, ob dem Arbeitnehmer am konkreten Tattag eine Ruhezeit von 11 Stunden oder eine Ruhezeit von 9 Stunden zugestanden wäre und warum eine zulässige Teilung der Ruhezeit nicht vorgenommen wurde. Die Pflicht des Unternehmers ergibt sich im Übrigen nicht aus der EG-VO 3820/85, sondern aus § 28 Abs.1a Z2 AZG, weswegen diese Bestimmung als Übertretungsnorm zu zitieren sei. Im Übrigen sei weder der Bw noch der KFZ-Lenker einvernommen worden und wurde gegen das Prinzip zur amtswegigen Wahrheitserforschung verstoßen. Auch die Strafzumessung sei nicht nachvollziehbar begründet worden. Es wurde daher die Aufhebung des Straferkenntnisses bzw eine Milderung der Strafe beantragt.

3. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt Einsicht genommen. Weiters wurde das zuständige AI für den 9. Aufsichtsbezirk am Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat beteiligt. In einer Stellungnahme hat Letzteres dargelegt, dass ein wirksames Kontrollsystem nicht glaubhaft gemacht wurde und daher die Bestätigung des Straferkenntnisses beantragt. Es wurde Parteiengehör gewahrt.

4. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 15a Abs.1 Arbeitszeitgesetz (AZG) ist abweichend von § 12 Abs.1 und 2 Lenkern von Kraftfahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht, einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger, 3,5t übersteigt, innerhalb jedes Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens 11 Stunden zu gewähren.

Gemäß Abs.2 kann durch Kollektivvertrag zugelassen werden, dass die tägliche Ruhezeit dreimal wöchentlich auf mindestens 9 zusammenhängende Stunden verkürzt wird.

Wiederholt eine Bestimmung dieses Abschnittes Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates über die Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr, ABL. EG-Nr. L370 vom 31.12.1985, S.1, oder ist eine Angleichung durch Kollektivvertrag erfolgt, ist die jeweilige Bestimmung im Geltungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht anzuwenden (§ 13 Abs.2 AZG). Dies bedeutet, dass die Verordnung (EWG) vorgeht.

Gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die die tägliche Ruhezeit gemäß Art.8 Abs.1, 2, 6 oder 7 oder Art.9 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 nicht gewähren, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 1.000 S bis 25.000 S zu bestrafen.

5.2. Sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 6.7.1999 als erster Verfolgungshandlung als auch im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Bw vorgeworfen, den Arbeitnehmer S als Lenker "im Rahmen der Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr mit Fahrzeugen mit einem Gesamtgewicht über 3,5t die tägliche Ruhezeit nicht gewährt" zu haben, wobei die Zeiten dann näher ausgeführt wurden.

Diese Tatumschreibung entspricht den Konkretisierungsanforderungen gemäß § 44a Z1 VStG in Anbetracht der ständigen Judikatur des VwGH nicht. Insbesondere bedarf es der Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift erforderlich sind (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S.969 ff). Dies bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falles zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwendigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt.

Um eine Zuordnung der im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gemäß Art.8 Abs.1 und 6 EG-VO 3820/85 iVm § 28 Abs.1a Z2 AZG vornehmen zu können, ist es daher erforderlich, dass aus dem Spruch hervorgeht, welches Kraftfahrzeug gegenständlich gelenkt wurde, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug zur gewerblichen Güterbeförderung diente und dass das zulässige Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger des gegenständlichen Kraftfahrzeuges 3,5t übersteigt. Aus dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist aber weder ersichtlich, mit welchem Fahrzeug der Lenker gefahren ist, noch dass dieses Fahrzeug der gewerblichen Güterbeförderung diente und es fehlen dem Tatvorwurf auch jene Umstände, die auf einen grenzüberschreitenden Güterverkehr (internat. Straßenverkehr) durch Angabe der Fahrtstrecke erschließen lassen. So geht insbesondere aus dem gesamten Akt nicht hervor, dass die zurückgelegten Wegstrecken grenzüberschreitend, also zumindest auch teilweise außerhalb des Bundesgebietes Österreich stattgefunden haben. Selbst aus den Schaublättern ist ein Überschreiten der Grenzen nicht ersichtlich, zumal als Ausgangs- und Endpunkt jeweils Freistadt angegeben ist. Wie aber bereits ausgeführt wurde, ist die Anführung des bloßen Gesetzeswortlautes unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes nicht ausreichend.

Es war daher schon aus diesem Grunde das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

5.3. Darüber hinaus wird aber darauf hingewiesen, dass zufolge der Betretung des Lenkers am Grenzübergang Wullowitz Grund zur Annahme besteht, dass eine Güterbeförderung von Freistadt grenzüberschreitend nach Tschechien durchgeführt worden ist. Zu dieser grenzüberschreitenden Güterbeförderung nach Tschechien wird jedoch angemerkt, dass die Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 diesfalls nicht zur Anwendung gelangt.

Gemäß Art.2 Abs.1 dieser Verordnung ist nämlich festgelegt, dass diese Verordnung für innergemeinschaftliche Beförderungen im Straßenverkehr iS von Art.1 Nr.1 gilt. Gemäß Art.2 Abs.2 der Verordnung gilt das europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internat. Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) anstelle der vorliegenden Vorschriften für Beförderungen im grenzüberschreitenden Straßenverkehr

- von und/oder nach Drittländern, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, oder im Durchgang durch diese Länder auf der gesamten Fahrstrecke, wenn die Beförderungen mit Fahrzeugen durchgeführt werden, die in einem Mitgliedsstaat oder in einem dieser Drittländer zugelassen sind;

- von und/oder nach einem Drittland, das nicht Vertragspartei des Übereinkommens ist, mit Fahrzeugen, die in einem solchen Drittland zugelassen sind, auf allen Fahrtstrecken innerhalb der Gemeinschaft. Dies wird auch in der Präambel zur Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 näher erläutert. Es ist daher auch aus diesem Grunde eine Bestrafung nach Art. 8 EG-VO Nr. 3820/85 iVm dem AZG nicht zu Recht erfolgt.

5.4. Weil die Berufung Erfolg hatte, war auf die weiteren Berufungsgründe nicht näher einzugehen.

Bei diesem Ergebnis entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Internationaler Straßenverkehr, wesentliches Tatbestandselement, Konkretisierung, Tschechien, keine Anwendung der EG-VO 3820/85