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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280487/17/Kl/Rd

Linz, 21.11.2000

VwSen-280487/17/Kl/Rd Linz, am 21. November 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Arbeitsinspektorates für den 12. Aufsichtsbezirk, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 13.10.1999, GZ: 502-32/Sta/100/98k, wegen Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen S wegen einer Verwaltungsübertretung nach der AAV (Faktum 1) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 15.11.2000 zu Recht erkannt:

Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid (Faktum 1) bestätigt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 1 Abs.2, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Strafantrag des AI für den 12. Aufsichtsbezirk, vom 8.6.1998 wurde eine Bestrafung gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 106 Abs.3 Z2 ASchG im Ausmaß von 15.000 S zu Faktum 1 beantragt, weil anlässlich einer Kontrolle am 8.4.1998 in der Filiale H der S GesmbH (Firmensitz S) festgestellt wurde, dass in dieser Filiale ein innenliegendes Büro eingerichtet wurde und dieser Arbeitsraum keinerlei ins Freie führende Lichteintrittsfläche und keine direkte Sichtverbindung ins Freie gemäß § 8 AAV aufwies. Die Zugangstür, die vom Verkaufsraum ins Büro führt, ist mit einer Profilitverglasung mit den ungefähren Maßen 160 x 60 cm versehen. Gleichzeitig wurde eine schriftliche Mitteilung der S GesmbH an das AI 12 über die Bestellung der Frau H zur verantwortlichen Beauftragten samt schriftlicher Urkunde vom 1.9.1997 vorgelegt.

2. Nach Durchführung eines umfangreichen Ermittlungsverfahrens hat der Bürgermeister der Stadt Linz mit Bescheid vom 13.10.1999, GZ 502-32/Sta/100/98k, in Faktum 1 die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen einer Übertretung gemäß § 8 Abs.1 AAV iVm § 130 Abs.5 Z1 und § 106 Abs.3 Z2 ASchG verfügt. In der Begründung wurde ausgeführt, dass die Bestellung der H zur verantwortlichen Beauftragten nicht rechtswirksam geworden ist, weil die dem AI übermittelte Bestellungsurkunde neben der Beauftragten vom Prokuristen der S GesmbH unterfertigt wurde, ein Prokurist aber nach §§ 48ff HBG zwar eine umfangreiche Vertretungsmacht besitzt, ihm aber eine Organstellung nicht zukommt, weshalb er nicht zu den zur Vertretung nach außen berufenen Personen iSd § 9 Abs.1 VStG zählt. Nur nach außen vertretungsberufene Organe können verantwortliche Beauftragte bestellen. Zur Übertretung nach § 8 Abs.1 AAV wurde festgestellt, dass am 8.4.1998 in der gegenständlichen Filiale ein innenliegender Arbeitsraum (Büro) eingerichtet war, welcher keinerlei direkt ins Freie führende Lichteintrittsfläche und somit auch keine direkte Sichtverbindung ins Freie besaß. In die Zugangstür, die vom Verkaufsraum ins Büro führt, ist eine Profilitverglasung mit den ungefähren Maßen von 160 x 60 cm angebracht, sodass der Tatbestand in objektiver Hinsicht erfüllt anzusehen ist. Nach der glaubwürdigen Aussage des Verkaufsleiters S habe es aber eine Vereinbarung mit dem AI gegeben, wonach der AAV durch den Einbau einer Glasscheibe in die Tür entsprochen werden könne. Es liegt daher beim Beschuldigten subjektiv kein Verschulden vor.

3. Dagegen wurde fristgerecht durch das anzeigende AI Berufung eingebracht und darin beantragt, den Einstellungsbescheid aufzuheben und dem Strafantrag des AI auch hinsichtlich der beantragten Strafhöhe stattzugeben. Die belangte Behörde hat der Zeugenaussage des AI, dass er sich nicht mehr an einen Betriebsbesuch und eine Vereinbarung erinnern könne, nicht einen entsprechenden Gehalt beigemessen und weiters nicht berücksichtigt, dass für die Verwendung dieses Raumes als Arbeitsraum eine Ausnahmegenehmigung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde notwendig gewesen wäre. Eine telefonische Zusage eines AI reiche nicht zur Erfüllung des gesetzmäßigen Zustandes aus.

4. Der Magistrat der Stadt Linz hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat den Beschuldigten in Wahrung des Parteiengehörs am Verfahren beteiligt.

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch die Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.11.2000, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und durch ihre Vertreter teilgenommen haben. Weiters wurde der Verkaufsleiter S als Zeuge geladen und einvernommen. Die Zeugin H hat sich für den Verhandlungstermin entschuldigt.

Aufgrund der öffentlichen mündlichen Verhandlung, insbesondere aufgrund der Aussagen der Parteien sowie der Aussage des Zeugen S, welcher einen glaubwürdigen Eindruck machte und dessen Aussagen auch zum übrigen Aktenvorgang nicht im Widerspruch stehen, steht als erwiesen fest:

Der Beschuldigte ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der S GesmbH. Als Prokurist wurde ua Herr G bestellt. Dieser hat für das Unternehmen vier verantwortliche Beauftragte für den Arbeitnehmerschutz bestellt, wobei es sich um die jeweiligen Verkaufsleiter handelte. Diesen unterstanden Bezirksleiterinnen mit den jeweiligen ihnen zugeordneten Filialen. Die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten wurde durch den Prokuristen ausgesprochen und die Urkunde auch von ihm unterschrieben und die Mitteilung an das AI von ihm getätigt. Die verantwortlichen Beauftragten hatten Handlungsvollmacht und entsprechende Anordnungsbefugnis zur Umsetzung der Arbeitnehmerschutzvorschriften. Dies gilt auch für die Verkaufsleiterin H. Diese wurde ab 1.9.1997 zur verantwortlichen Beauftragten ernannt. Ihre Aufgabe nahm vorher der Verkaufsleiter und Zeuge S wahr. Dieser legte glaubhaft dar und konnte auch durch einen Aktenvermerk der BH Liezen vom 15.12.1995 belegen, dass der gegenständliche Raum als Aufenthaltsraum für die Pausen für das Filialpersonal gewidmet war, gleichzeitig aber mit einem Schreibtisch für die tägliche Kassenabrechnung abends, also nach Geschäftsschluss, vorgesehen war. Aus dieser Verwendung ergab sich für die Bezirkshauptmannschaft keine Genehmigungspflicht nach der GewO. Anlässlich einer Kontrolle durch das AI bereits im November 1996 wurde die mangelnde direkt ins Freie führende Lichteintrittsfläche bzw die mangelnde Sichtverbindung ins Freie aufgegriffen und die Mängelbeseitigung auch schriftlich aufgetragen. Weil im Einvernehmen mit dem AI das Beseitigen des Schreibtisches aus diesem Raume verworfen wurde und anstelle dessen als gleichwertige Maßnahme eine Herstellung einer Plexiglasscheibe in der Eingangstür vereinbart wurde, wurde diese auch tatsächlich ausgeführt und eine schriftliche Meldung an das AI über die Erfüllung der Mängelbehebung am 20.2.1997 gemacht. Bei einer Kontrolle am 8.4.1998 durch das AI wurde dies nicht als Mängelbeseitigung anerkannt, weil durch diese Plexiglasscheibe lediglich ein undeutlicher Blick auf den Verkaufsraum und nicht ins Freie gewährt ist und daher keine direkte Sichtverbindung ins Freie gegeben ist. Daraufhin wurde dem Vorschlag des AI nachgekommen, den Tisch in den Lagerraum herauszustellen, welcher über eine Oberlichte und eine direkte Sichtverbindung ins Freie verfügt. Der einvernommene Zeuge führte in glaubwürdiger Weise aus, dass er sich auf die Einigung mit dem AI verlassen habe und damit darauf vertraut habe, dass durch den Einbau der Plexiglasscheibe den gesetzlichen Anforderungen entsprochen werde. Auch wurde diese Vorgangsweise für weitere Filialen in gleicher Machart gewählt und vom AI nicht beanstandet. Allerdings verwies der Zeuge auf die nunmehr geänderte rechtliche Grundlage.

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

5.1. Zur Verantwortlichkeit:

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt, gemäß § 9 Abs.2 VStG einen verantwortlichen Beauftragten für einen bestimmten räumlich oder sachlich abgegrenzten Bereich des Unternehmens zu bestellen.

Zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer GesmbH ist der handelsrechtliche Geschäftsführer. Dieser ist daher strafrechtlich verantwortlich. Als zur Vertretung nach außen berufenes Organ ist daher nur der handelsrechtliche Geschäftsführer gemäß § 9 Abs.2 VStG berechtigt, einen verantwortlichen Beauftragten zu bestellen, an den die strafrechtliche Verantwortung sodann übertragen wird. Es ist daher die belangte Behörde mit den Ausführungen im Recht, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten durch einen Prokuristen nicht rechtswirksam geworden ist, weil ein Prokurist nicht zur Vertretung nach außen berufenes Organ ist und daher nicht zur Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 VStG berechtigt ist (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 814, E27b mN). Von den Parteien wurde außer Acht gelassen, dass es rechtlich unerheblich ist, wer die Mitteilung gemäß § 23 ArbIG an das zuständige AI macht, sondern dass es vielmehr für die Delegation der strafrechtlichen Verantwortung relevant ist, wer die Bestellung vorgenommen hat. Aus dem Verhandlungsergebnis, insbesondere der Zeugeneinvernahme ist aber klar ersichtlich, dass die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten, also die eigentliche Willensbildung vom Prokuristen ausging und eine Bestellung durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer als vertretungsbefugtes Organ nicht stattgefunden hat. Indizien dafür unterbreitet aber bereits die Bestellungsurkunde, wonach beim Arbeitgeber der Prokurist ("PPA G") unterschrieben war.

5.2. In der Sache selbst ist auszuführen, dass zum Tatzeitpunkt die allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) gemäß § 106 Abs.3 Z2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG als Bundesgesetz galt. Gemäß § 8 Abs.1 AAV müssen Arbeitsräume ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein 1/10 der Fußbodenfläche des Raumes betragen muss; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens 1/20 der Fußbodenfläche des Raumes muss vorhanden sein.

In dem angefochtenen Einstellungsbescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der objektive Tatbestand dieser Verwaltungsübertretung erfüllt ist.

Gemäß § 1 Abs.1 VStG kann eine Tat als Verwaltungsübertretung nur bestraft werden, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

Gemäß § 1 Abs.2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Nach der ständigen Judikatur der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts sowie auch nach der Literatur und Lehre steht einhellig fest, dass das Günstigkeitsprinzip nach § 1 Abs.2 VStG grundsätzlich für Strafart und -maß Anwendung findet, dass aber - vom Gesetzgeber zwar nicht ausdrücklich vorgesehen - analog Gleiches gelten solle, wenn zum Zeitpunkt der Fällung des Bescheides erster Instanz eine Strafe überhaupt weggefallen ist, sofern nicht der Unrechtsgehalt der Tat in einem anderen Straftatbestand unter Strafe gestellt wird (vgl. Ringhofer, Verwaltungsverfahren, Band II, Manz, S. 41 und S. 45 E19 mit Judikaturnachweisen).

Diese Rechtslage ist auch im gegenständlichen Fall anzuwenden. Bereits der einvernommene Zeuge hat auf die geänderte Rechtslage hingewiesen. Seit 1.1.1999 - also noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - ist die Arbeitsstättenverordnung - AStV, BGBl. II Nr. 368/1998, in Kraft getreten, wobei gemäß § 25 Abs.2 AStV Räume, die ausschließlich zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr als Arbeitsräume genutzt werden, abweichend von der Regelung über eine Lichteintrittsfläche als Arbeitsräume verwendet werden dürfen. Weiters ist im § 25 Abs.7 AStV geregelt, dass das Erfordernis der Lichtverbindung zum Freien für den oben genannten Fall nicht anzuwenden ist. Weil gegenständlich eindeutig feststeht, dass der Aufenthaltsraum nur nach Geschäftsschluss täglich zur Kassenabrechnung, also nach 18.00 Uhr als Arbeitsraum bzw Büroraum verwendet wird, ist gemäß § 25 Abs.2 Z2 und § 25 Abs.7 AStV weder eine direkt ins Freie führende Lichteintrittsfläche noch eine direkte Sichtverbindung zum Freien erforderlich. Es ist daher kein strafbarer Tatbestand mehr gegeben. Es war daher die belangte Behörde zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens im Grunde der §§ 1 Abs.2 und 45 Abs.1 Z1 VStG berechtigt und verpflichtet.

Es war daher der angefochtene Einstellungsbescheid zu bestätigen und die Berufung abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Änderung der Rechtslage, keine Verwaltungsübertretung; Prokurist ist kein vertretungsbefugtes Organ; keine wirksame Bestellung.

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