Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280490/40/Le/La

Linz, 16.01.2001

VwSen-280490/40/Le/La Linz, am 16. Jänner 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des C K, S Straße 199, L, vertreten durch Rechtsanwälte M, R, S & Partner OEG, H 1/K 2, 4020 Linz, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15.10.1999, GZ 502-32/Kn/We/215/981, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 27.1.2000 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungs-strafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15.10.1999 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (im Folgenden kurz: ASchG) iVm § 7 Abs.1 - 3 Bauarbeiterschutzverordnung eine Geldstrafe in Höhe von 35.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der K Gesellschaft mbH, welche wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der K GesmbH & Co KG ist, zu verantworten, dass auf einer (näher bezeichneten) Baustelle in L drei Arbeitnehmer dieser Gesellschaft an einer (näher beschriebenen) absturzgefährdeten Stelle gearbeitet hätten, ohne dass bei einer Absturzhöhe von ca. 8 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht gewesen wären, sodass in der Folge ein Arbeitnehmer, nämlich Herr A K, mitsamt der Markise ca. 8 m auf den betonierten Hofplatz abgestürzt wäre.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 8.11.1999, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, dass gegen den Beschuldigten beim Bezirksgericht Linz zu 18 U 106/99g-1 ein gerichtliches Strafverfahren anhängig sei, weshalb nach dem Grundsatz ne bis in idem ein Verwaltungsstrafverfahren unzulässig sei.

Darüber hinaus gehe der Tatvorwurf ins Leere, weil die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften laufend mit Belehrungen und Unterweisungen sichergestellt werde und laufend auch die Arbeitsstellen auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften kontrolliert würden.

Sodann wurden noch Mängel des Verfahrens behauptet.

3. Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 27.1.2000 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung anberaumt, an der der Rechtsvertreter des Berufungswerbers sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk teilnahmen; die Vertreterin der Erstbehörde hatte sich entschuldigt.

Bei dieser Verhandlung, die gleichzeitig mit der Berufungsverhandlung gegen den Bruder des Berufungswerbers und weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführers A K durchgeführt wurde, gab der Berufungswerber bekannt, dass er vom Bezirksgericht Linz wegen dieses Deliktes bereits verurteilt worden wäre.

Das Bezirksgericht Linz hat mit Urteil vom 8.11.1999, 18 U 106/99g, Herrn C K für schuldig erkannt, er habe in Linz als der für die Produktion und Montage der Fa. K Verantwortliche dadurch, dass er am 13.10.1998 bei der Demontage einer Markise im dritten Stock des Hauses W Straße 226 die Anbringung bzw. Verwendung von Schutzeinrichtungen nicht angeordnet hatte und die Montagearbeiter A K, J O und A K auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften auf Arbeitsstellen nicht kontrolliert bzw. für keine Kontrolle gesorgt hätte, den ungesichert auf einer Leiter stehenden und arbeitenden Monteur A K, welcher ca. 8 m in die Tiefe stürzte, in Form einer offenen Oberkieferfraktur, einer Fraktur der linken Speiche und Elle am linken Unterarm, einer Fraktur der linken Dammbeinschaufel, einer Fraktur des linken Oberschenkels, einer Rissquetschwunde am rechten Unterschenkel sowie eines Polytraumas fahrlässig in Form mehrfacher schwerer Verletzungen am Körper verletzt.

Er habe hierdurch das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen nach dem § 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB iVm § 2 StGB begangen. Er wurde hiefür zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen a 530 S, sohin zu einer Gesamtgeldstrafe von 37.100 S (Ersatzfreiheitsstrafe von 35 Tagen) verurteilt.

Der Berufungswerber gab bei der Verhandlung bekannt, gegen dieses Urteil Berufung erhoben zu haben, weshalb es noch nicht rechtskräftig sei.

Daraufhin fasste der Unabhängige Verwaltungssenat den Beschluss, das Berufungsverfahren bis zur Entscheidung des Berufungsgerichtes auszusetzen.

Das Landesgericht Linz als Berufungsbehörde hat mit Urteil vom 12.7.2000 dieser Berufung Folge gegeben, das angefochtene Urteil als nichtig aufgehoben und die Strafsache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Das nunmehr neuerlich zuständige Erstgericht hat bis dato keine Entscheidung getroffen.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Gegenstand des gerichtlichen Strafverfahrens ist somit der Vorwurf, dass Herr C K als für die Belange der Arbeitssicherheit Verantwortlicher die Anbringung bzw. Verwendung von Schutzeinrichtungen nicht angeordnet habe und die drei Montagearbeiter A K, J O und A K nicht auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften auf Arbeitsstellen kontrolliert bzw. für keine Kontrolle gesorgt hätte. Der darauf folgende Absturz und die damit verbundene schwere Verletzung des A K wurden als erschwerend angenommen.

4.3. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens war nach dem hier angefochtenen Straferkenntnis der Erstbehörde der Tatvorwurf, dass es der Beschuldigte als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als für die Einhaltung der Arbeitssicherheit Verantwortlicher zu vertreten hätte, dass bei einer Absturzhöhe von ca. 8 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen nicht angebracht waren.

4.4. Die Strafbestimmung des § 130 ASchG kennt keine Subsidiarität des Verwaltungsstrafverfahrens gegenüber einem allfälligen gerichtlichen Strafverfahren, sodass iSd §§ 22 und 30 VStG eine Bestrafung sowohl durch die Verwaltungsbehörde als auch durch das Gericht möglich zu sein scheint. Es liegt aber dennoch ein Fall einer Scheinkonkurrenz vor, der im Licht der neueren Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (siehe etwa G 51/97, G 26/98 vom 7.10.1998, VfSlg 15293) im Hinblick auf Art. 4 7. ZP EMRK zu beurteilen ist.

Bei Anwendung dieses Prüfungsmaßstabes ergibt sich, dass im vorliegenden Fall der unter 4.2. dargestellte gerichtliche Verfahrensgegenstand mit dem unter 4.3. dargestellten verwaltungsbehördlichen Gegenstand in den wesentlichen Sachverhalts- und Tatbestandselementen übereinstimmt. Das dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vom 15.10.1999 angelastete Delikt gemäß § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 ASchG entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes des § 88 Abs.4 erster Fall StGB, das dem Berufungswerber vom Gericht angelastet wurde, vollständig und erschöpfend.

Dies aber hat zur Folge, dass iSd Art. 4 7. ZP EMRK die Bestrafung des Berufungswerbers nach § 88 Abs.4 erster Fall StGB im gegenständlichen Fall eine Bestrafung des Berufungswerbers nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG ausschließt.

Eine Bestrafung iSd § 130 Abs.5 Z1 ASchG würde aber auch dann ausscheiden, wenn das Gericht (im zweiten Rechtsgang) zu einem Freispruch kommen sollte (was aufgrund der Fallkonstellation aber unwahrscheinlich ist), weil dann der Berufungswerber die angelastete Tat nicht begangen hätte. Für eine zum Gerichtsurteil gegensätzliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde bliebe daher kein rechtlicher Raum mehr.

4.5. Da diese Bindung an die Entscheidung des Gerichtes in jedem Fall, also sowohl bei einer Verurteilung als auch bei einem Freispruch eintritt, war die Aussetzung des Berufungsverfahrens zu beenden und spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, dass der Berufungswerber weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. W e i ß

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