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VwSen-280542/8/Ga/Ka

Linz, 26.06.2002

 

VwSen-280542/8/Ga/Ka Linz, am 26. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Dipl.-Ing. RF, vertreten durch Dr. GH Rechtsanwälte in Wels, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 30. Mai 2000, Zl. MA 2-Pol-5007-2000, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Hinsichtlich der Schuld wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung hingegen stattgegeben; die verhängte Geldstrafe wird auf 500 €, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 26 Stunden, der auferlegte Kostenbeitrag auf 50 € herabgesetzt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 64 f VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 30. Mai 2000 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe es als persönlich haftender Gesellschafter und somit als iSd § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma Bauunternehmung RG, Sitz in W, zu verantworten, dass durch diese Firma (gemeint: als Arbeitgeber) auf der Baustelle Fernheizkraftwerk 2000, Wels, im Zuge der Errichtung des Betriebsgebäudes (Werkstätten) und der Neuanlage (E-Gebäude) ca. von 27. Juli bis 6. September 1999, zumindest jedenfalls an diesen beiden Tagen, lotrechte Bewehrungsstäbe (Steckeisen) für Stahlbetonwände mit einem Abstand von 15 bis 20 cm ohne Abbiegungen (bügelförmige Ausbildungen) ausgeführt worden seien, obwohl keine arbeitstechnischen Gründe für den Verzicht auf eine Abbiegung vorhanden gewesen seien.

Dadurch habe er § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm § 6 Abs.4 BauV verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß "§ 130 Abs.5 Z1 ASchG" eine Geldstrafe von 10.000 S kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 34 Stunden festgesetzt.

Begründend verwies die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht auf die am 29. Februar 2000 erstattete Anzeige des AI Wels und auf das darüber unter Einbindung des Berufungswerbers und der Amtspartei geführte Ermittlungsverfahren, wonach ua auch aufgrund der vom AI vorgelegten Baustellenfotos der in der Anzeige beschriebene Sachverhalt als erwiesen anzusehen sei. Nach Wiedergabe der als verletzt angeführten Rechtsvorschriften sah die belangte Behörde in der Rechtsbeurteilung die Tatbestandsmäßigkeit in objektiver und subjektiver Hinsicht als verwirklicht an, zu letzterem, weil den Berufungswerber die Haftung nach § 9 VStG treffe und er nicht gemäß § 5 Abs.1 VStG habe glaubhaft machen können, dass ihn an der Übertretung kein Verschulden treffe.

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde unter Zugrundelegung der Kriterien des § 19 VStG aus:

"Hinsichtlich der Schädigung bzw Gefährdung der durch das ASchG geschützten Interessen ist zu berücksichtigen, dass Stürze in lotrechte Steckeisen erfahrungsgemäß mit schwersten Verletzungen, wenn nicht sogar tödlich enden. Strafmildernd ist die Unbescholtenheit zu werten, straferschwerend hingegen die vorsätzliche Begehung: Bereits am 7.7.1999 war die Firma Bauunternehmung RG mit unverzüglicher Erfüllungsfrist zur bügelförmigen Ausbildung der Bewehrungsstäbe aufgefordert worden. Diese bestätigte die Mängelbehebung und Wiederherstellung des gesetzlichen Zustandes am 16.7.1999, obwohl diese bei der Nachkontrolle am 27.7.1999 sowie bei der Überprüfung am 6.9.1999 noch immer nicht durchgeführt war. Die verhängte Strafe (bei einem Strafrahmen bis ATS 100.000,-- noch im untersten Bereich) erscheint auch unter Berücksichtigung der amtsbekannten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse als angemessen."

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, Aufhebung und - hilfsweise - Strafreduzierung beantragende Berufung, über die der Oö. Verwaltungssenat nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafakt der belangten Behörde erwogen hat:

Sowohl tatseitig als auch schuldseitig ließ sich der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus dem Strafakt, dem Berufungsvorbringen und der hiezu erstatteten Gegenäußerung der belangten Behörde sowie den Stellungnahmen des AI und des Berufungswerbers zur Gegenäußerung klären; der dem angefochtenen Schuldspruch zugrunde gelegte Sachverhalt und die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Bw waren als erwiesen festzustellen.

Soweit der Berufungswerber die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten ins Treffen führt, gewinnt er damit für eine Delegierung seiner Haftung nichts, hat er doch selbst angegeben, die (angebliche) Bestellung des Ing. JN zum verantwortlichen Beauftragten nicht dem AI gemeldet zu haben. Im Übrigen erweist sich die der Replik des Berufungswerbers vom 29. Oktober 2001 angeschlossene "Vollmacht" als Nachweis des für eine Beauftragung im Sinne des § 9 Abs.2 und Abs.4 VStG unerlässlichen Bestellungsaktes schon deshalb als von vornherein ungeeignet, weil das Bestellungsschreiben nicht auch vom Berufungswerber (als Arbeitgeber) unterfertigt wurde.

Dass, objektiv tatseitig, entsprechend dem spruchgemäßen Vorwurf zur Tatzeit Bewehrungsstäbe nicht im Sinne des § 6 Abs.4 BauV bügelförmig ausgebildet waren, gibt der Berufungswerber selbst zu, indem er sich die fehlende Ausbildung oder Abdeckung aus einer "Momentaufnahme" erklärt.

Abgesehen davon, dass die im Zuge eines Kontrollgangs des AI-Organs wahrgenommenen Faktizitäten sich regelmäßig, so auch hier, aus "Momentaufnahmen" ergeben, vermag der Berufungswerber mit dem weiteren Einwand, es sei die fehlende Ausbildung der lotrechten Bewehrungsstäbe "arbeitstechnisch bedingt" gewesen, weil entweder unmittelbar an den Bewehrungsstäben gearbeitet worden sei oder diese Sicherungsmaßnahmen und Abdeckung zur Vorbereitung der nächsten Arbeitsschritte entfernt worden seien, die objektive Tatannahme nicht mit Zweifel zu versehen. Er verkennt, dass § 6 Abs.4 BauV für das ausnahmsweise Absehen von der bügelförmigen Ausbildung der oberen Enden von lotrechten Bewehrungsstäben enge Grenzen zieht. Der Maßstab ist dabei aus dem vom Verordnungsgeber beispielhaft angeführten technischen Ausnahmegrund - der Eisenabstand ist so eng, dass sich daraus, dh aus zwingenden Platzmangel, die technische Unmöglichkeit von Endbügeln (Haken) ergibt - zu gewinnen. Die beiden vom Berufungswerber behaupteten Gründe beschreiben allenfalls Umstände des Ablaufes von Arbeitsschritten, arbeitstechnische Gründe im Sinne des Ausnahmetatbestandes sind darin nicht zu erblicken (abgesehen davon, dass gerade die mit dem behaupteten "unmittelbaren" Arbeiten an Bewehrungsstäben verbundenen Gefahren durch das strenge Schutzgebot des § 6 Abs.4 BauV hintangehalten werden sollen).

Entgegen der Auffassung des Berufungswerbers liegt eine von ihm als Verfahrensmangel gerügte "ungenaue Lokalisierung" der hier in Rede stehenden gebotswidrig verwendeten Bewehrungsstäbe nicht vor. Er selbst erwähnt in der Berufungsschrift (Seite 6 oben), dass "die in Frage kommenden Steckeisen aus einer 4 Meter hohen Mauer herausragten und weiters, dass während des Beobachtungszeitraums ab dem fraglichen Gelände keine Arbeiten durchgeführt" worden seien. Weder also gelang es dem Berufungswerber, mit der von ihm behaupteten "ungenauen Lokalisierung" einen Tatbildfehler noch einen solchen der Tatort-Annahme darzutun noch zu begründen, dass er in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt oder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen sei.

Was hingegen die subjektive Tatseite anbelangt, so ist dem Berufungswerber darin nicht zu folgen, wenn er der belangten Behörde vorwirft, sie habe - im Ergebnis - zu Unrecht ein ungenügendes Kontrollsystem und daher seine Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs.1 VStG, dass ihn nämlich an der Verletzung der Schutzvorschrift kein Verschulden treffe, als nicht gelungen angenommen.

Im Zusammenhang mit dem angesprochenen Kontrollsystem verweist der Berufungswerber zunächst darauf, dass bei Baustellen von einem derartigen Ausmaß vom Berufungswerber doch nicht verlangt werden könne, dass er sämtliche Bauleiter, Poliere, Unterpoliere und Mitarbeiter befrage, ob eine derartige Ausbildung bzw Abdeckung bezüglich der Bewehrungsstäbe erfolgt sei, weiters darauf, dass nach der Hierarchie im Unternehmen unter der Geschäftsführung verantwortliche Bauleiter für die jeweiligen Bauvorhaben eingeteilt würden, wobei diese von den in der Hierarchie noch eine Stufe darunter stehenden Polieren unterstützt würden, und schließlich darauf, dass er sich selbst informiere und vergewissere, ob seine Dienstanweisungen von den jeweiligen Kontrollinstanzen auch tatsächlich befolgt worden seien und er sich dabei nicht auf stichprobenartige und unregelmäßige Kontrollen beschränkt habe. Vielmehr hätten die Verantwortlichen in regelmäßigen Sitzungen Berichte über die durchgeführten Kontrollmaßnahmen ablegen müssen und es habe der Berufungswerber darüber hinaus regelmäßig und unangemeldet die Baustellen besucht und die Arbeitnehmerschutzbestimmungen kontrolliert.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass für vergleichbare Konstellationen die einschlägige Judikatur die bloße Dartuung der Einrichtung eines Kontrollsystems, dessen wesentliche Merkmale in der hierarchischen Gliederung der Verantwortungsträger und der Kontrolle jedes in diese Hierarchie Eingebundenen durch den jeweils Übergeordneten bestehen, zur Glaubhaftmachung mangelnden Verschuldens des Arbeitgebers als nicht ausreichend erachtet hat. Damit habe der Arbeitgeber nämlich nur das Existieren eines Kontrollsystems in generell-abstrakter Form glaubhaft gemacht, nicht hingegen, wie die belangte Behörde zutreffend erkannte, auf der Grundlage entsprechenden Tatsachenvorbringens dargelegt, wie dieses Kontrollsystem konkret, insbesondere auf der sprucherfassten Baustelle, funktionieren sollte (vgl. VwGH 25.5.1992, 92/18/0045). Hiezu wäre es vielmehr erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen (vgl. VwGH 30.9.1998, 98/02/0148-8, VwGH 24.8.2001, 2001/02/0148, 0149, je mit Vorjudikatur) der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh sicher zu stellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Gerade solche Maßnahmen, die er selbst ergreift bzw die die ihm Nachgeordneten zu ergreifen gehabt hätten, zeigte der Berufungswerber (schon im Verfahren vor der belangten Behörde und auch) in der Berufungsschrift, aber auch in seiner Replik vom 29. Oktober 2001 nicht auf.

War aber aus diesem Grund das Berufungsvorbringen nicht geeignet, ein funktionierendes, die Ergreifung bestimmter Maßnahmen durch den Berufungswerber selbst miteinbeziehendes Kontrollsystem bezogen auf die konkrete Baustelle darzulegen, war der Oö. Verwaltungssenat auch nicht gehalten, die zum Beweis für dieses - zu seiner Entlastung untaugliche - Vorbringen namhaft gemachten Zeugen zu vernehmen (vgl. wiederum VwGH 30.9.1998, 98/02/0148).

Aus allen diesen Gründen war die Berufung in der Schuld abzuweisen.

Was hingegen die Strafbemessung betrifft, ist der Berufungswerber im Ergebnis im Recht, wenn er sich gegen die - als Erschwerungsgrund gewertete - vorsätzliche Tatbegehung wendet. Im Berufungsfall war unter dem Aspekt der schuldseitigen Vorwerfbarkeit des Verstoßes ja kein auf die Verletzung der Schutzvorschrift direkt gerichtetes oder die Verletzung in Kauf nehmendes, unmittelbares Verhalten des Berufungswerbers zu beurteilen, sondern der Grad der Sorgfaltsverletzung in der Einrichtung und Handhabung eines hinreichenden Kontrollsystems in der von ihm vertretenen Bauunternehmung. Zum Beweis dafür, dass der Berufungswerber dieses - von ihm, wie oben aufgezeigt, ungenügend ausgeführte - Kontrollsystem mit Bezug auf die konkrete Baustelle nicht bloß (allenfalls grob) fahrlässig, sondern bereits (wenigstens bedingt) vorsätzlich ungenügend ausgestaltet oder angewendet hat, reicht die von der belangten Behörde angeführte Begründung jedoch nicht hin.

Die verhängte Geldstrafe war daher, weil der Erschwerungsgrund somit weggefallen, der berücksichtigte Milderungsgrund jedoch mit der Wirkung aufrecht ist, dass infolge der (absoluten) Unbescholtenheit hier der spezialpräventive Strafzweck in den Hintergrund zu treten hatte, zu mindern und wie im Spruch neu festzusetzen. Einer noch stärkeren Herabsetzung stand der in diesem Fall als bereits beträchtlich zu wertende Unrechtsgehalt der Schutzpflichtverletzung entgegen.

Bei diesem Verfahrensergebnis war der strafbehördliche Kostenbeitrag von Gesetzes wegen entsprechend zu kürzen; ein Beitrag zu den Kosten des Tribunal-verfahrens war nicht aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner