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VwSen-280563/2/Ga/Ka

Linz, 11.06.2002

 

VwSen-280563/2/Ga/Ka Linz, am 11. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Herrn Ing. MF, vertreten durch Rechtsanwälte P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/I. vom 18. Jänner 2001, Zl. Ge96-50-2000, wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

Die Berufung wird abgewiesen; das angefochtene Straferkenntnis wird bestätigt.

Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat 87,20 € zu leisten.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 18. Jänner 2001 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der F Bauunternehmung, Gesellschaft m.b.H. für eine Übertretung des § 130 Abs.5 iVm § 118 Abs.3 ASchG iVm § 6 Abs.4 BauV einzustehen.

Näherhin wurde ihm angelastet (§ 44a Z1 VStG):

"Sie haben es somit für die F, Bauunternehmung, Gesellschaft m.b.H. & Co. mit Standort R, zu verantworten, dass am 21.6.2000 auf der Baustelle: Umbau Spar-Markt des FL in E, an einer neu errichteten Stützmauer von ca. 30 m Länge Stahlstäbe im Durchmesser von 8 mm als Bewehrung eingebaut wurden. Diese Stahlstäbe wurden senkrecht eingebaut und waren nicht bügelförmig ausgebildet, nicht an den oberen Enden umgebogen und nicht abgedeckt, wodurch es geschehen konnte, dass der Arbeitnehmer MK, welcher mit Grabungsarbeiten an einer Böschung beschäftigt war und dabei aus ungeklärter Ursache abrutschte, von einem Bewehrungsstab am linken Bein durchbohrt wurde."

Dadurch sei die Bestimmung verletzt worden, wonach lotrechte Bewehrungsstäbe an ihrem oberen Ende bügelförmig, zB mit Haken, ausgebildet sein müssen; ist aus arbeitstechnischen Gründen, wie bei Säulen mit engem Eisenabstand, diese bügelförmige Ausbildung nicht möglich, so seien geeignete Maßnahmen, wie Abdecken oder Umbiegen dieser Bewehrungsstäbe, zu treffen; bei einer am 27. Juni 2000 durch einen Arbeitsinspektor durchgeführten Unfallerhebung sei festgestellt worden, dass die Arbeiten an der Mauer weitergeführt worden seien, ohne zwischenzeitig dafür gesorgt zu haben, dass die Bewehrungsstäbe abgesichert oder entsprechend umgebogen worden seien.

Über den Berufungswerber wurde gemäß § 130 Abs.5 ASchG eine Geldstrafe von 436,04 Euro kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.

Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass die Übertretung als solche nicht in Abrede gestellt werde. Schuldseitig sei die Übertretung dem Berufungswerber anzulasten gewesen, weil er trotz umfänglicher Ausführungen über das im Bauunternehmen eingerichtete Kontrollsystem nicht dargelegt habe, wie dieses Kontrollsystem konkret funktioniere, dh in welcher Weise der Berufungswerber als Verantwortlicher seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen im Einzelnen nachgekommen sei und wieso er dessen ungeachtet die in Rede stehende Übertretung nicht habe verhindern können.

Hinsichtlich der Strafe hätten die zu schätzen gewesenen Verhältnisse des Berufungswerbers zugrunde gelegt werden müssen und unter Bedachtnahme auf den bis 100.000 S (jetzt: 7.260 €) reichenden Strafrahmen seien die Verletzungs-folgen der Übertretung erschwerend, mildernd jedoch kein Umstand zu werten gewesen.

Seine Berufung begründend verweist der Beschuldigte auf das im involvierten, von ihm geleiteten Bauunternehmen eingerichtete Kontrollsystem, auf dessen Organisation mit der Einbindung von einzelnen Spartenleitern sowie des Sicherheitsbeauftragten, der Bauleiter, der Vorarbeiter und schließlich der Mitarbeiter in eine durchgängige Weisungskette. So würden die anlässlich der laufenden Kontrollen durch den Sicherheitsbeauftragten bzw die Sparten- und Bauleiter wahrgenommenen Missachtungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften durch Arbeitnehmer sofort durch entsprechende Weisung an die Arbeitnehmer abgestellt. In jedem Fall würde auch ein Protokoll angefertigt, das jeweils jener Arbeitnehmer, der die Verfehlung begangen habe, auch unterfertigen müsse. Um schließlich den Informationsfluss zwischen den einzelnen Aufsichtsorganen zu gewährleisten, fänden darüber hinaus wöchentliche Besprechungen ("Jour fixe") statt, anlässlich derer die laufenden Baustellen sowie etwaige Protokolle, die von den Aufsichtsorganen erstellt worden seien, durchbesprochen würden. Stelle darüber hinaus der Berufungswerber selbst fest, dass Arbeitnehmer ihre Schutzpflicht oder Aufsichtsorgane ihr Wahrnehmungs- und Weisungspflicht gegenüber Schutzvorschriften verletzenden Arbeitnehmern nicht wahrnehmen, so würde er selbst sofort Weisung zur Abstellung dieser Vorkommnisse erteilen. Zum gegenständlichen Vorfall sei es außerdem deshalb gekommen, weil der zuständige Bauleiter falsche Bewehrungsstäbe, nämlich senkrechte statt bügelförmige, bestellt hätte. Mit einem derartigen Bestellungsfehler habe er jedoch, weil jener Bauleiter schon bei zahllosen Baustellen für die richtige Bestellung der Bewehrungsstäbe gesorgt hätte, nicht rechnen müssen und würde es sich im Hinblick auf die Zuverlässigkeit jenes Bauleiters um ein einmaliges Versehen handeln.

Mit diesem Vorbringen beantragte der Berufungswerber Aufhebung und - erschließbar - Einstellung sowie die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zwecks Vernehmung von Parteien und dreier Zeugen.

Weil jedoch die objektive Tatbestandsmäßigkeit auch in der Berufung gänzlich unbekämpft blieb, somit als erwiesen festzustellen war einerseits, weil hinsichtlich der - allein strittigen - Schuldseite andererseits es dem Berufungswerber schon behauptungsmäßig nicht gelungen ist, die Zurechnung der Übertretung in seine Verantwortung mit Zweifel zu versehen, war der Oö. Verwaltungssenat auch nicht gehalten, die von ihm (nicht auch von den weiteren Verfahrensparteien) beantragte öffentliche Verhandlung durchzuführen.

In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Strittig im Berufungsfall ist weder die objektive Tatbestandsmäßigkeit noch die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers aus dem Grunde seiner Geschäftsführerstellung im Sinne des § 9 Abs.1 VStG. Strittig ist allein, ob der Berufungswerber für die Schutzpflichtverletzung aus dem Blickwinkel des § 5 Abs.1 VStG auch persönlich schuldhaft einzustehen hat.

Hiezu bringt der Berufungswerber, auf den Punkt gebracht, vor, durch die umfängliche und konkrete Darstellung eines hierarchisch organisierten Kontrollsystems glaubhaft gemacht zu haben, dass ihn an der ihm vorgeworfenen Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe. Durch dieses System mit ihm an der Weisungsspitze und den ihm untergeordneten Spartenleitern und Sicherheitsbeauftragten sowie den den Spartenleitern wiederum untergeordneten Bauleitern und den den Bauleitern untergeordneten Vorarbeitern und den am Schluss der Weisungskette stehenden Mitarbeitern sei sichergestellt gewesen, dass der Arbeitsplatz des verletzten Arbeitnehmers also von insgesamt fünf Personen, nämlich von ihm selbst sowie von vier weiteren Personen kontrolliert worden sei. So habe er selbst die Baustelle bis zum gegenständlichen Vorfall zwei Mal persönlich inspiziert, der Spartenleiter HF habe die Baustelle aufgrund seiner Anweisung wöchentlich und der Bauleiter Martin Windhager sogar täglich inspiziert. Darüber hinaus sei die Baustelle aufgrund seiner Anweisung durch den Sicherheitsbeauftragten Dipl.-Ing. W kontrolliert worden.

Alle diese Aufsichtsorgane seien zuverlässig und adäquat ausgebildet und es fänden auch laufende Weiterschulungen zur Vermeidung derartiger Unfälle statt. So habe der Vorarbeiter AH, der auf seine Anweisung die Baustelle gleichfalls täglich kontrolliere, beginnend mit 28. März 1996 bis zum 29. Juni 2000 an insgesamt 16 Schulungen teilgenommen, was aus den vorgelegten Anwesenheitslisten ersichtlich gemacht sei. Gerade anlässlich der Schulung am 23. Mai 2000, also kurz vor dem in Rede stehenden Unfall, sei der Vorarbeiter AH noch einmal auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmung gemäß BauV und ASchG hingewiesen worden.

Und schließlich handle es sich bei der von ihm geleiteten Bauunternehmung um ein ISO-zertifiziertes Unternehmen mit genauen Stellenbeschreibungen für die einzelnen Aufsichtsorgane. So seien im Zertifizierungsverfahren die Stellenbeschreibungen des zuständigen Spartenleiters und jene des zuständigen Bauleiters vorgelegt worden und würden diese Stellenbeschreibungen die Bauüberwachung bzw die Einhaltung sicherheits- und arbeitstechnischer Richtlinien beinhalten.

Mit all diesen Vorbringen hat der Berufungswerber jedoch, wie schon von der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ausführlich und unter Heranziehung einschlägiger Judikatur dargetan wurde, nicht hinreichend konkret dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen auf eben der in Rede stehenden Baustelle hätte funktionieren sollen.

In Fällen hierarchisch aufgebauter Kontrollsysteme genügt es - zumindest nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - nicht, die Organisation eines solchen Kontrollsystems im Einzelnen, die Erteilung von Weisungen im Grundsätzlichen und bezogen auf bestimmte Baustellen, und die fallweise oder regelmäßige Durchführung von Schulungen und anderen Anleitungen betreffend Arbeitnehmerschutzmaßnahmen und -pflichten der Mitarbeiter auf Baustellen darzustellen. Vielmehr wäre es erforderlich gewesen (vgl. VwGH 30.9.1998, 98/02/0148-8, mit Vorjudikatur) aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen schließlich der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, dh sicher zu stellen, dass die auf der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werden.

Gerade solche Maßnahmen, die er selbst ergreift bzw die die ihm Nachgeordneten zu ergreifen gehabt hätten, zeigte der Berufungswerber (schon im Verfahren vor der belangten Behörde und auch) in der Berufungsschrift nicht auf.

War aber aus diesem Grund das Berufungsvorbringen nicht geeignet, ein funktionierendes, die Ergreifung bestimmter Maßnahmen durch den Berufungswerber selbst miteinbeziehendes Kontrollsystem bezogen auf die konkrete Baustelle darzulegen, war der Oö. Verwaltungssenat auch nicht gehalten, die zum Beweis für dieses - zu seiner Entlastung untaugliche - Vorbringen namhaft gemachten Zeugen zu vernehmen (vgl. wiederum VwGH 30.9.1998, 98/02/0148).

An diesem Ergebnis, wonach ein im Sinne des § 5 Abs.1 VStG schuldbefreiendes Kontrollsystem schon nicht behauptet wurde, vermögen die Hinweise des Berufungswerber auf die am 23. Mai 2000 unter Teilnahme des Polier H stattgefundene "Baustellenunterweisung" (die eben nur als Schulung zu werten war), auf die Stellenbeschreibungen im Rahmen der ISO-Zertifizierung, weiters auf das einmalige Versehen durch die Bestellung falscher Bewehrungsstäbe für die involvierte Baustelle und schließlich auf einen angeblichen Schreibfehler (hinsichtlich des Datums der Nachkontrolle der Baustelle durch das Arbeitsinspektorat am 27.6. 2000) keinen Einfluss zu nehmen.

Aus allen diesen Gründen war, weil im Übrigen die Strafbemessung von den Parteien nicht bekämpft wurde und auch sonst eine ermessensmissbräuchliche Handhabung der Kriterien für die Strafbemessung nicht hervorgekommen ist, wie im Spruch zu entscheiden.

Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber der Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der gesetzlichen Höhe (20 % der verhängten und bestätigten Geldstrafe) aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner