Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280585/11/Kon/Ke

Linz, 09.12.2002

VwSen-280585/11/Kon/Ke Linz, am 9. Dezember 2002

DVR.0690392i

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn L., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H. KEG und Mag. B., M., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 11.9.2001, Zl. Ge96-13-2001-GRM und Ge96-13-1-2001-GRM, wegen Übertretung des § 34 Abs.2 Z3 AM-VO iVm § 130 Abs.1 Z16 ASchG nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 30.10.2002, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 45 Abs.1 Z1 zweiter Fall VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit eingangs zitiertem Straferkenntnis wurde der Berufungswerber L. der Verwaltungsübertretung gemäß § 34 Abs.2 lit.e AM-VO iVm § 130 Abs.1 Z16 ASchG für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 130 Abs.1 Einleitungssatz ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von 5.000 Schilling (Euro 363,36), im Falle deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag verhängt.

Der Schuldspruch enthält nachstehenden Tatvorwurf:

"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma L. & S. GmbH. mit Sitz in M., und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1991 idgF.) und Arbeitgeber folgende Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verantworten:

Laut Unfallbericht der Gendarmerie Neuhofen/Krems vom 8. Jänner 2001, GZ P-1626/00-Hö, waren N. und Y., Arbeitnehmer der Firma L. & S.r GmbH (vormals OHG.), Spenglerei, B., am 19.12.2000 mit Arbeiten (Anbringen der Kamineinfassung) auf dem Dach des Einfamilienhauses in Neuhofen/Krems, beschäftigt.

Y. stellte entgegen der Anweisung seines Partieführers, N., eine Leiter auf die östlich des Hauses gelegene Flachdachgarage. Die Leiter wurde an die Dachrinne angelehnt, aber nicht befestigt, wobei zu bemerken ist, dass einige Zentimeter Neuschnee auf der Garagendecke lagen. Als Y. auf der Leiter stand, rutschte diese weg, und er stürzte ca. von 7 - 9 Metern auf den gepflasterten Zugangsweg des Hauses ab.

Es wurde somit vom Y. die Anlegeleiter verwendet bzw. betreten, um auf das Dach zu gelangen, obwohl diese Leiter nicht gegen das Wegrutschen und Umfallen gesichert war.

Gemäß § 34 Abs. 2 lit. e Arbeitsmittelverordnung (AM-VO), BGBl.Nr. 164/2000, sind Leitern derart aufzustellen, dass sie gegen Wegrutschen und Umfallen gesichter sind.

Verwaltungsübertretung(en) nach

§ 34 Abs. 2 lit. e AM-VO in Verbindung mit § 130 Abs. 1 Ziffer 16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 in der Fassung BGBl.Nr. 70/1999."

Hiezu führt die belangte Behörde hinsichtlich ihres Schuldspruches begründend im Wesentlichen aus, dass der Berufungswerber auf kein wirksames Kontrollsystem betreffend die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verweisen könne. Er habe sohin die ihm obliegende Glaubhaftmachung dafür, dass ihn an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung kein Verschulden treffe, nicht zu erbringen vermocht. So habe er nicht dargetan, dass er Maßnahmen gesetzt habe, die mit gutem Grund die Einhaltungen der Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes hätten erwarten lassen.

Sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite lägen erwiesenermaßen vor.

In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen und auch zulässigen Berufung wird vom Bw die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nicht bestritten. Gegen das angelastete Verschulden im Sinne der subjektiven Tatseite jedoch vorgebracht, dass es ihm als handelsrechtlichen Geschäftsführer unmöglich sei, sich auf jeder Baustelle rund um die Uhr aufzuhalten und dort insbesondere auch für die Einhaltung aller möglichen Verwaltungsnormen zu sorgen. Solche Arbeiten und Aufgaben seien auch delegiert. Schon deshalb könne ihm ein persönlicher Schuldvorwurf nicht gemacht werden, dass sich ein Arbeitsunfall auf einer Baustelle ereignet habe.

Im konkreten Fall habe sich auf der Baustelle auch ein Vorgesetzter des verunfallten Arbeitnehmers Y., ein sogenannter "Partieführer" befunden. Diese Partieführer hätten dafür Sorge zu tragen, dass die entsprechenden Arbeitnehmerschutzvorschriften eingehalten würden. Aus dem Straferkenntnis gehe eindeutig hervor, dass der hier angeführte und anwesende Partieführer N. den Verletzten Y. aufgefordert habe, nicht die Leiter zu nehmen, sondern durch das Haus und die Dachluke zu gehen. Diese Aufforderung/Weisung habe ja einen Grund gehabt, nämlich den, weil eben eine Leiter entsprechend zu befestigen sei und die Standfestigkeit auf Grund der Schneeauflage nicht gewährleistet gewesen wäre.

Dessen sei sich auch der Arbeitnehmer Y. voll bewusst gewesen, bzw. hätte ihm bewusst sein müssen und habe er sich ganz bewusst gegen die Anweisung seines Vorgesetzten entschieden. Er habe die Leiter angelehnt und sei hinaufgestiegen. Dies sei ohne Wissen des Partieführers erfolgt, der dann natürlich auch keine Möglichkeit gehabt habe, das Hinaufsteigen zu verhindern bzw. noch dafür zu sorgen, dass die Leiter entsprechend gesichert werde. Er sei ja davon ausgegangen, dass dies ohnehin nicht gemacht würde, weil er vorher die anders lautende Anweisung gegeben habe. Noch weniger Verhinderungsmöglichkeit habe der Berufungswerber selbst.

Weiters sei festzustellen, dass sämtliche Arbeitnehmer, insbesondere auch Y., umfassende Rechtsbelehrungen bekommen hätten, eingewiesen und belehrt worden sind darüber, dass hier gesetzliche und arbeitsrechtliche Sicherheitsvorschriften bestünden, die entsprechend einzuhalten seien. Konkret sei dies bei Y. am 5.9.2000 erfolgt. Diese Belehrung sei auch vom Genannten unterfertigt worden.

Ferner seien Sicherheitsvertrauenspersonen im Unternehmen des Bw angestellt.

Schließlich sei auch noch darauf hinzuweisen, dass eben durch die vorhin dargestellten Umstände ein hinreichendes Kontroll- und Sicherheitssystem im Betrieb des Bw geschaffen worden sei, damit - soweit dies eben möglich sei - Arbeitnehmer in ihrer Gesundheit im Zuge der Arbeitsausübung geschützt würden. Derjenige, der sich unmittelbar vor Ort befände, sohin der Partieführer, habe letztendlich dafür auch zu sorgen, dass diese Regeln in die Tat umgesetzt würden.

Gegen einen vorsätzlich Handelnden, nämlich wider jegliche Belehrung und jegliche Weisung, sei wohl "kein Kraut gewachsen". Dieser Vorfall hätte nicht verhindert werden können und liege sohin auch nicht in einem Bereich des Beschuldigten, der von ihm zu verantworten sei. Jedes Kontroll-, Überwachungs- und Sicherheitssystem scheitere dann, wenn sich jemand vorsätzlich gegen Weisungen verhalte, hier hülfen auch keine Stichproben durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer.

Die Feststellungen und Schlussfolgerungen der belangten Behörde, dass nämlich der Beschuldigte kein hinreichendes Kontrollsystem errichtet habe, sei unrichtig; ebenso unverständlich sei die Schlussfolgerung - angesichts des Sachverhaltes - das Verschulden, dass es zu dem Arbeitsunfall gekommen sei, nicht im Bereich des Y. gelegen sei. Es sei dies ein erwachsener Mann, der eine Eigenverantwortung für sein Tun zu übernehmen und für seine Fehler einzustehen habe. Wenn er mit seiner Gesundheit sorglos umgehe, sei dies seine Entscheidung, hiefür den Bw in die Verantwortung zu ziehen entbehre jeglicher Grundlage.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Die Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde ergab, dass gegen den Bw ein gerichtliches Strafverfahren wegen des Verdachtes der fahrlässigen Körperverletzung zur Zl. 15BAZ31/01t beim Bezirksgericht Neuhofen/Krems anhängig war.

Unabhängig der von ihm anberaumten und durchgeführten Berufungsverhandlung am 30.10. dJ hat der unabhängige Verwaltungssenat in den Strafakt des Bezirksgerichtes Einsicht genommen. Diese Einsichtnahme ergab, dass die Staatsanwaltschaft Steyr bzw. der Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Neuhofen/Krems die gegen den Berufungswerber L. eingebrachte Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung am 16. Jänner 2001 gemäß § 90 StPO zurückgelegt hat. In diesem Zusammenhang ist aufzuzeigen, dass im gegenständlichen Berufungsfall das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art.4 des 7. Zusatzprotokolls zur MRK beachtlich ist. Diese Bestimmung verbietet bei Idealkonkurrenzen nicht nur die mehrfache Bestrafung sondern auch die mehrfache Strafverfolgung. Sie gilt auch für das österreichische Verwaltungsstrafrecht in der durch die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes klargestellten Weise, dass dann, wenn jemand, der wegen einer strafbaren Handlung bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde, in einem Strafverfahren des selben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf.

In der Folge hat der VfGH (vgl. Erkenntnis VfSlg. 15.293/1998) die Wirkung des Art.4 des 7. Zusatzprotokolls EMRK für die (scheinkonkurrierende) Konstellation des § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 88 Abs.1 StGB klargestellt. Danach erschöpft das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB in aller Regel den Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes des § 130 Abs.5 Z1 ASchG vollständig. Gleiches gilt daher auch für das gegenständliche Delikt nach § 130 Abs.1 Z16 ASchG.

Im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat, insbesondere dessen Berufungsverhandlung am 30.10. dJ, sind keine weiteren wesentlichen Gesichtpunkte des Verwaltungsstraftatbestandes hervorgekommen, die nicht schon durch das gerichtliche Strafverfahren beim BG Neuhofen/Krems abgedeckt worden wären.

Das gegen den Bw anhängig gewesene strafgerichtliche Verfahren, das auf den selben Arbeitnehmer wie im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren Bezug nimmt, wurde wie schon oben festgehalten, eingestellt.

Der Weiterführung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens steht somit das Verbot der neuerlichen Strafverfolgung entgegen, weshalb dessen spruchgemäße Einstellung zu verfügen war. Andere Einstellungsgründe waren dabei nicht mehr zu prüfen (VwGH 20.5.1994, 93/02/0110).

Auf Grund dieses Verfahrensergebnisses entfällt für den Bw die Verpflichtung zur Entrichtung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge (§ 66 Abs.1 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Konrath

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