Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280602/17/Kon/Pr

Linz, 30.04.2002

VwSen-280602/17/Kon/Pr Linz, am 30. April 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des E. L., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. F.X. B., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 15.11.2001, Zl. GZ 0-2-5/1-9932133m, wegen Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11. April 2002, zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
  2. Der Bw hat 20 % der jeweils über ihn verhängten Geldstrafen, ds insgesamt 290,69 Euro, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu zahlen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

zu II.: § 64 Abs.1 und 2 VStG.

Entscheidungsgründe:

Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber E. L. (im Folgenden: Bw) unter Faktum 1) und 2) der Verwaltungsübertretungen gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 idgF iVm § 87 Abs.3 und 5 iVm § 88 Abs.1 bis 5 BauV, BGBl.Nr. 340/1994 idgF für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG Geldstrafen in der Höhe von je 10.000 S, falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von je 10 Stunden verhängt.

Ferner wurde der Bestrafte gemäß § 64 VStG verpflichtet, 2.000 S als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Der Beschuldigte, Herr E. L., geboren am, wohnhaft: L., hat als gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. M. GesmbH, L. zu vertreten, dass auf der von der K. M. GesmbH betriebenen Baustelle 'L., A. Nr. 21', am 19.7.1999, wie anlässlich einer Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk festgestellt wurde, zwei Arbeitnehmer der oa GesmbH, nämlich

  1. Herr J. K. und
  2. Herr Ch. St.

auf einem ca. 40° steilen Dach bei einer Traufenhöhe von ca. 7 m mit der Montage einer Kamineinfassung beschäftigt waren, ohne dass geeignete Schutzeinrichtungen wie Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste vorhanden gewesen wären oder die beiden Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt gewesen wären."

Hiezu führt die belangte Behörde mit vorangehender Sachverhaltsdarstellung begründend im Wesentlichen aus, dass aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens feststehe, dass der Bw in seiner Eigenschaft als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. M. GesmbH in Linz die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen zu vertreten habe.

Bei den gegenständlichen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften handle es sich auch um schwerwiegende Übertretungen, da aufgrund der Absturzhöhe von ca. 7 m im Falle eines Absturzes von Arbeitnehmern eine nahe Gefahr für die körperliche Integrität derselben in Form schwerer bis schwerster körperlicher Verletzungen bestanden habe. Die Anzeige des zuständigen Arbeitsinspektorates sei daher im gegenständlichen Fall zu Recht gemäß § 9 Abs.3 ArbIG ohne vorausgehende befristete Aufforderung zur Herstellung eines den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustandes an die Arbeitgeber erfolgt.

Im Übrigen sei dem Bw auch der Nachweis, dass eine generelle Akzeptanz des zur Verwendung gelangten Gerüstes in der vorliegenden Ausstattung bereits anlässlich einer früheren Kontrolle der Baustelle seitens des Arbeitsinspektors Ing. P. stattgefunden hätte, nicht gelungen. Das bei der damaligen (zeitlich vor dem 19.7.1999 gelegenen) Nachschau vorgefundene Gerüst habe sich in einem anderen (kompletten) Ausbauzustand (am 19.7.1999 waren nach den vorliegenden Zeugenaussagen Gerüstteile bereits abgebaut) befunden und hätten die Arbeiten jedenfalls in einem anderen Dachbereich als im Bereich der Kamineinfassung stattgefunden, in welchem sehr wohl nach übereinstimmenden Angaben der Zeugen vom (damaligen) Vorhandensein von Dachschutzblenden als geeignete Schutzeinrichtungen auszugehen gewesen sei.

Dass seitens der K. M. GesmbH von der auf der gegenständlichen Baustelle tätigen Malerfirma übernommene und eigeninitiativ über die Traufenhöhe hinaus aufgestockte Fassadengerüst, dessen oberste Lage mit mehreren Wehren ausgestattet gewesen sei, vermöge die Qualifikation als für Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m geeigneten Schutzeinrichtung, nicht zu erfüllen. Die in den §§ 87 und 88 BauV vorgeschriebenen Schutzeinrichtungen seien im Speziellen für Arbeiten auf Dächern zugeschnitten und vermögen ein "normales", wenn auch erhöhtes Fassadengerüst (ein solches ist für das Aufbauen von einem von einer Dachfläche abrutschenden Arbeitnehmer nicht vorgesehen und weise auch nicht die hiefür erforderlichen Sicherheitselemente auf, da ein "Durchrutschen des in unkontrollierter Abwärtsbewegung befindlichen Körpers zwischen den vorhandenen Wehren möglich sei) diesen Anforderungen nicht zu entsprechen. Dachschutzblenden wären an der gegenständlichen Arbeitsstelle nicht vorhanden gewesen und wäre die oberste Gerüstetage mangels Vorhandensein einer mindestens 1 m hohen tragfähigen Schutzwand nicht als Dachfanggerüst iSd §§ 88 Abs.3, 4 und 5 BauV ausgerüstet gewesen.

Der objektive Tatbestand der gegenständlichen Verwaltungsübertretung sei daher als erfüllt anzusehen.

Hinsichtlich der Schuld sei auszuführen, dass der Bw die ihm gemäß § 5 Abs.1 VStG obliegende Glaubhaftmachung dafür, dass ihn an den angelasteten Übertretungen kein Verschulden treffe, mit seinen Rechtfertigungen nicht gelungen sei.

Die Erteilung entsprechender Anweisungen betreffend die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften bzw. die Verwendung von Schutzausrüstungen sei jedenfalls durch ein taugliches und verlässliches Kontrollsystem sicherzustellen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die angeführten Maßnahmen von einer intensiven Kontrolle und Beaufsichtigung der Arbeitnehmer begleitet worden wären. Von einer solchen Kontrolle bzw. Beaufsichtigung könne aber auch bei täglichen Baustellenkontrollen noch nicht gesprochen werden. Entlastet werde der Bw auch nicht durch den Umstand, dass es sich bei den durchzuführenden Arbeiten an der Kamineinfassung um solche handelte, welche von den Arbeitnehmern im Zuge des regulären Baustellengeschehens übersehen worden seien und deren nachträgliche Durchführung nur kurze Zeit in Anspruch genommen habe. Dies deshalb, weil gerade auch für solche Fälle, in denen Arbeitnehmer eigenmächtig, wenn auch für kurze Zeit die Sicherheitsvorschriften nicht einhalten, ein entsprechendes Kontrollsystem Platz zu greifen habe (vgl. VwGH 23.9.94, 94/02/0258 und 31.3.2000, 96/02/0052).

Die gegenständlichen Verwaltungsübertretungen seien daher auch hinsichtlich ihrer subjektiven Tatbestandsmäßigkeit als erwiesen anzusehen.

Hinsichtlich des von ihr festgesetzten Strafausmaßes führt die belangte Behörde unter Hinweis auf die Bestimmungen des § 19 VStG aus, dass, was den Unrechtsgehalt der Tat betreffe, im gegenständlichen Fall zu berücksichtigen sei, dass durch die Handlungsweise des Bw eine nahe und massive Gefährdung der körperlichen Integrität der beiden Arbeitnehmer herbeigeführt worden sei, da bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° (im gegenständlichen Fall habe die Neigung ca. 35° - 40° betragen) eine überdurchschnittliche Gefahr des Ausrutschens und Abstürzens in sich bergen würden, wobei bei einer Absturzhöhe von ca. 7 m - wie im gegenständlichen Fall - erfahrungsgemäß schwere bis schwerste Körperverletzungen die Folge seien.

In Bezug auf das für die Strafbemessung maßgebende Ausmaß des Verschuldens sei davon auszugehen, dass der Bw die Tat bewusst fahrlässig begangen habe. Bewusst fahrlässig handelt derjenige, der zwar daran denke, dass sein Verhalten ein tatbildmäßiges Unrecht hätte bilden können, dieses jedoch nicht herbeiführen wolle, wenngleich er es für möglich halte. Für die Annahme eines zumindest bedingten Vorsatzes ergäben sich hingegen aus dem festgestellten Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

Als strafmildernd sei die bisherige Unbescholtenheit des Bw sowie die aus der verwandtschaftlichen Beziehung sämtlicher drei Beschuldigten, Ehegattin R. und Sohn Ing. R. L., als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. M. GesmbH, resultierende finanzielle Gesamtbelastung (bei der jeder der Beschuldigten durch die Bestrafung des anderen zumindest wirtschaftlich in Mitleidenschaft gezogen und der Familienbetrieb durch die Gesamtsumme sämtlicher Geldstrafen belastet werde) zu werten gewesen. Straferschwerende Umstände seien nicht zu verzeichnen gewesen.

Bei der Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw sei aufgrund einer realistischen Schätzung von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 20.000 auszugehen gewesen. Der Bw sei mit Schreiben vom 13.9.1999 aufgefordert worden, die oben angeführten Verhältnisse bekannt zu geben ansonsten von einem monatlichen Nettoeinkommen von 20.000 S und dem Nichtvorliegen von Sorgepflichten ausgegangen würde. Der Bw habe sich hiezu innerhalb der ihm eingeräumten Frist nicht geäußert. Sollten daher bei der Einschätzung zum Nachteil des Bw Umstände unberücksichtigt geblieben sein, so habe er dies seiner unterbliebenen Mitwirkung zuzuschreiben.

Bei entsprechender Berücksichtigung sämtlicher Strafbemessungsgründe gemäß § 19 VStG erschienen daher die verhängten Strafen dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Taten des Bw angemessen.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgebracht:

Wie schon aus der Stellungnahme vom 29.5.2000 und auch aus den Niederschriften der Zeugen K. und St. hervorgehe, wäre auf der gegenständlichen Baustelle grundsätzlich der gesamte Arbeitsbereich mit Dachfanggerüsten gesichert gewesen, sodass den Erfordernissen des § 87 Abs.3 BauV ohnehin entsprochen worden sei.

Außerdem habe es sich bei den gegenständlichen Arbeiten um ganz geringfügige iSd § 87 Abs.5 Z1 BauV gehandelt, welche nur wenige Stunden in Anspruch genommen hätten. Die in § 87 Abs.3 BauV geforderten Dachschutzblenden bzw. Dachfanggerüste wären daher gar nicht notwendig gewesen, weil bei geringfügigen Arbeiten iSd § 87 Abs.5 leg.cit. solche entfallen könnten. Das Arbeitsinspektorat hätte daher aufgrund der Bestimmungen des § 9 Abs.1 und Abs.2 ArbIG zunächst noch gar keine Strafanzeige erstatten dürfen.

Es handle sich auch um keine schwerwiegende Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, weil selbst, wenn ein Mitarbeiter ausgerutscht und vom Dach gefallen wäre, er auf der obersten Etage des Fassadengerüstes angebrachten Wehren nicht abgestürzt wäre. Es hätte daher nur einer formlosen schriftlichen Weisung des Arbeitsinspektorates an die Geschäftsleitung der K. M. GesmbH bedurft, innerhalb angemessener Frist den den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen (§ 9 Abs.1 ArbIG).

Im Weiteren fehle es am Verschulden, da ein bauliches Kontrollsystem zur Gewährleistung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften vorliege.

Dieses Kontrollsystem wird in der Berufung wie folgt dargestellt:

"Zwischen den drei Beschuldigten, die Geschäftsführer der K. M. Gesellschaft mbH sind, ist hinsichtlich der Kontrolle der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften vereinbart, dass die Kontrolle ausschließlich von dem Beschuldigten Ing. R. L. und dem Vorarbeiter A. K. durchgeführt wird. Aufgrund dieser Vereinbarung zwischen den drei Beschuldigten scheidet eine Bestrafung der Beschuldigten E. L. und R. L. ohnehin von vornherein aus, nachdem diese darauf vertrauen durften, dass die Kontroll- und Überwachungstätigkeit von dem Beschuldigten Ing. R. L. und dem Vorarbeiter A. K. sorgfältig durchgeführt wird.

Die Kontrolle und Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften wurde durch den Beschuldigten Ing. R. L. und Herrn A. K. so durchgeführt, dass die Baustellen zumindest täglich hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften kontrolliert wurden. Meistens wurde sogar mehrmals täglich kontrolliert, wobei die Dauer eines Kontrollbesuches durchschnittlich eine Stunde betragen hat. Dazu ist zu bemerken, dass Herr A. K. sogar als Sicherheitsvertrauensperson im Betrieb der Firma K. M. Gesellschaft mbH eingesetzt wurde und so der Kontrolle der Arbeitnehmerschutzvorschriften besonderes Augenmerk geschenkt wurde.

Von den beiden Kontroll- und Überwachungsorganen, Ing. R. L. und A. K., hatten sämtliche Mitarbeiter der Firma K. M. Gesellschaft mbH die strenge Dienstanweisung, bei Arbeiten auf Dächern ständig Dachschutzblenden und Dachfanggerüste zu verwenden bzw. sich in jenen Fällen, in denen diese Geräte nicht erforderlich waren, mit Sicherheitsgeschirr anzuseilen.

Für den Fall der Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften existierte in der Firma K. M. Gesellschaft mbH ein strenges Sanktionssystem. Im Einzelnen ist und war auch damals bei der Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften zunächst eine Sanktion in Form der Erteilung einer Weisung, die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, vorgesehen. Bei Nichteinhaltung einer Weisung wurde ein schriftlicher Verweis erteilt. Bei einem Verstoß gegen diesen schriftlichen Verweis oder bei wiederholter Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften wird mit Kündigung bzw. Entlassung vorgegangen.

Diese Sanktionen werden bzw. wurden in der Vergangenheit bei Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften auch angewendet. So wurde einzelnen Mitarbeitern der Firma K. M. Gesellschaft mbH schon angedroht, dass bei Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften die Entlassung ausgesprochen werde. Es wurde auch schon ein Mitarbeiter, nämlich Herr F. M., wegen Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes entlassen.

Bei Betrachtung des eben skizzierten Kontrollsystems, ist den drei Beschuldigten jedenfalls zu attestieren, dass sie unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitnehmerschutz mit gutem Grund erwarten konnten. Das Kontrollsystem ist jedenfalls grundsätzlich tauglich und die kurzfristigen Arbeiten der beiden Mitarbeiter K. und St. hätten auch die strengsten Kontrollmaßnahmen nicht verhindert und liegen somit außerhalb des typischen Fehlerbereiches (vgl. VwGH 30.10.1991, 91/09/0055).

Das in der Firma K. M. Gesellschaft mbH installierte Kontrollsystem hat bislang auch konkret funktioniert.

Würde man tägliche Kontrollen von zumindest einer Stunde sowie ständige Weisungen und Instruktionen an Mitarbeiter, die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, im Zusammenhang mit der Etablierung konkreter arbeitsrechtlicher Maßnahmen für den Verstoßfall (Verweis, schriftlicher Verweis, Kündigung bzw. Entlassung), nicht ausreichen lassen, um insgesamt zur Annahme eines geeigneten Kontrollsystems zu gelangen, so wäre es für einen Kleinbetrieb wie im gegenständlichen Fall völlig unmöglich, auch nur einigermaßen gewinnbringend im Wirtschaftsleben tätig zu sein. Es müsste dann nämlich mindestens ein Geschäftsführer ständig auf den Baustellen anwesend sein und die Mitarbeiter während der gesamten Arbeitszeit im Hinblick auf die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften kontrollieren. Dies wäre bereits dann völlig unmöglich, wenn eine Baustelle aus zwei oder mehreren Objekten besteht wie im gegenständlichen Fall.

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass ein allfälliger Verstoß der Mitarbeiter K. und St. gegen die Bestimmungen der Bauarbeitnehmerschutzverordnung ein Einzelfall ist, der außerhalb des typischen Fehlerbereiches gelegen ist. Bei gegenteiliger Betrachtungsweise würden die Forderungen an die Geschäftsleitung einer Kleinfirma im Hinblick auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften völlig überspannt. Im Übrigen liegt es im Wesen eines jeden Kontrollsystems, dass in Einzelfällen allenfalls geringfügige Fehlleistungen auftreten. Würde jedoch jede noch so kleine und völlig unvorhersehbare Übertretungen der Bauarbeitnehmerschutzverordnung zu einer Bestrafung führen, wäre überdies dem Anwendungsbereich des § 5 VStG (Entlastungsbeweis) jeglicher Anwendungsbereich entzogen.

Daher ist aufgrund des Vorliegens eines ausreichenden Kontrollsystems der Schuldentlastungsbeweis des § 5 Abs.1 VStG als gelungen zu betrachten, weshalb eine Strafbarkeit zu entfallen hat.

In diesem Zusammenhang ist weiters entscheidend, dass das Gerüst einige Zeit vor dem Tatzeitpunkt vom Arbeitsinspektor P. inspiziert und als ausreichend qualifiziert wurde. Dies hat der Zeuge K. anlässlich seiner Einvernahme vom 29.03.2000 eindeutig angegeben. Auch aus diesem Grund trifft die Beschuldigten an einem allfälligen Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften kein Verschulden."

In Bezug auf die Strafhöhe bringt der Bw vor, dass die belangte Behörde § 21 Abs.1 VStG anzuwenden gehabt hätte.

Die belangte Behörde habe mehrere Verwaltungsübertretungen angenommen, obwohl im Spruch der bekämpften Straferkenntnisse nur ein einziger Tatvorwurf erhoben worden sei, nämlich das Nicht-Anbringen von geeigneten Schutzvorrichtungen bzw. das Anseilen mit Sicherheitsgeschirr. Es sei dann aber offenbar eine Bestrafung sowohl gemäß § 87 Abs.3 BauV als auch gemäß § 87 Abs.5 leg.cit. erfolgt.

Die belangte Behörde hätte jedoch ausreichende Feststellungen dazu zu treffen gehabt, ob sie entweder von einer Übertretung des § 87 Abs.3 BauV oder - bei Vorliegen geringfügiger Arbeiten - von einer Übertretung des § 87 Abs.5 BauV ausgehe. Diesbezüglich liege auch ein Verstoß gegen das Konkretisierungs- und Individualisierungsgebot vor.

Hinsichtlich der am Dach tätigen Arbeitnehmer sei jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von 10.000 S verhängt worden. Die Bestrafung könne jedoch nicht davon abhängen, wie viele Arbeiter am Dach tätig gewesen seien, nachdem § 130 Abs.5 Z1 ASchG einen Strafrahmen von 2.000 S bis 100.000 S festlege.

Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass § 21 Abs.1 VStG im gegenständlichen Fall nicht anwendbar wäre, seien die von der belangten Behörde verhängten Geldstrafen zu hoch bemessen. Da die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe und niemand durch die allfällige Nichteinhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften geschädigt worden sei, sei eine Geldstrafe in der Höhe von 20.000 S pro Beschuldigten keinesfalls tat- und schuldangemessen. Gerade wenn man - wie dies die erstinstanzliche Behörde offenbar getan haben will - die finanzielle Gesamtbelastung der drei Beschuldigten berücksichtige, hätte mit einer wesentlich geringeren Strafe das Auslangen gefunden werden können. Dies gelte umso mehr, als ein Verstoß gegen § 87 Abs.3 BauV ohnehin nicht in Betracht komme, sondern - wenn überhaupt - nur ein Verstoß gegen § 67 Abs.5 BauV. Darüber hinaus sei es unrealistisch, von einem monatlichen Nettoeinkommen von 20.000 S pro Beschuldigten auszugehen. Die Beschuldigten verfügten keineswegs über ein Nettoeinkommen in dieser Höhe und hätten überdies Sorgepflichten.

Nach Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde und durchgeführter Berufungsverhandlung am 11.4. d.J hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Vorwegnehmend ist festzuhalten, dass dem Vorbringen des Bw, das Arbeitsinspektorat hätte im gegenständlichen Fall nicht mit Anzeige gemäß § 9 Abs.3 ArbIG vorgehen dürfen, nicht gefolgt werden kann. Dies allein schon im Hinblick auf die Folgen der angelasteten Übertretung, die in einer massiven Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer besteht, wenn sie durch fehlende technische Vorrichtungen oder persönliche Schutzausrüstung ungesichert auf einem ca. 35° steilen Dach und einer Absturzhöhe von über 6 m Arbeiten verrichten.

Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, wenn sie übereinstimmend mit der Rechtsansicht des Arbeitsinspektorates die gegenständliche Verwaltungsübertretung als schwerwiegend iSd § 9 Abs.3 ArbIG qualifizierte. Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren wurde sohin durch die Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 29. Juli 1999 in rechtmäßiger Weise initiiert.

Die objektive Tatseite der gegenständlichen Verwaltungsübertretung, wie sie sich im Tatvorwurf des Schuldspruches darstellt, ist auch aufgrund des Ergebnisses der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 11.4. d.J. als erwiesen zu erachten. Dies insbesondere durch die in dieser Verhandlung getätigten Aussagen des Zeugen Dipl.-Ing. A. H. (anzeigender Arbeitsinspektor) wie weiters der zeugenschaftlich einvernommenen Arbeitnehmer J. K. und Ch. St. Letztlich wurde auch in den Schlussausführungen des Beschuldigtenvertreters, wenngleich unter Bestreiten des Verschuldens eingestanden, dass die Arbeitsstelle am Tattag kurzfristig durch keine technischen Sicherheitseinrichtungen wie Dachblenden oder Dachfanggerüste abgesichert war und die inkriminierten Arbeitnehmer auch nicht mit Sicherheitsgeschirren angeseilt waren.

Was den in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwand unrichtiger Tatortangabe betrifft, weil die inkriminierten Arbeitnehmer am Dach des Hauses A. Nr. 23 und nicht wie im Tatvorwurf angegeben "am Dach des Hauses A. Nr. 21" tätig waren, ist der Bw zunächst darauf hinzuweisen, dass bei juristischen Personen der Tatort von Unterlassungsdelikten wie dem gegenständlichen immer der Sitz der Unternehmensleitung ist. Dieser Tatort ist im Tatvorwurf angegeben. So gesehen könnte es sich bei dem erwähnten Einwand nur um den Vorwurf mangelnder Tatindividualisierung handeln, der jedoch als unzutreffend zu erachten ist, wobei die unter Umständen tatsächlich falsche Hausnummernangabe aufgrund des unstrittigen Gesamtsachverhaltes iSd "falsa demonstrativ non nocet" rechtlich unerheblich ist. So ist der Berufungswerber aufgrund der namentlichen Anführung der Arbeitnehmer im Tatvorwurf, durch die Angabe der Tatzeit, wie weiters des Umstandes, dass die Dacharbeiten auf dem aus den Häusern A. Nr. 19 bis 23 bestehenden Gebäudekomplex erfolgten, weder der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt noch, wie das gesamte Verfahren selbst zeigt, in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt gewesen.

In Bezug auf das Verschulden iSd subjektiven Tatseite wird der Bw darauf hingewiesen, dass er auch im Berufungsverfahren nicht glaubhaft darzulegen vermochte, dass ihn an der Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft. So vermochte er weder in der Berufung noch in der Berufungsverhandlung darzulegen, dass zum Tatzeitpunkt ein wirksames Kontrollsystem bestand, das geeignet gewesen wäre, Verletzungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften mit hoher Wahrscheinlichkeit hintanzuhalten. In diesem Zusammenhang wird der Bw darauf hingewiesen, dass nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die Erteilung von Weisungen, die Arbeitnehmerschutzvorschriften einzuhalten, ohne ausreichende Begleitkontrolle durch den verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen nicht ausreicht, dessen Verschulden zu verneinen.

Gleichzeitig hat der Verwaltungsgerichtshof dazu ausgesprochen, dass stichprobenweise Kontrollen unzureichend sind. Baustellenkontrollen im Ausmaß von 2 bis 3 mal in der Woche und in der Dauer von ca. einer Stunde aber auch tägliche Baustellenkontrollen in dieser Dauer reichen noch nicht aus, um von einem lückenlosen Kontrollsystem sprechen zu können.

Wenn seitens des Bw vorgebracht wird, dass die beiden Arbeitnehmer weisungswidrig gehandelt hätten und die von ihnen ungesichert vorgenommenen Arbeiten nur kurze Zeit gedauert hätten, ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 23.9.1994, 94/02/0258 und 31.3.2000, 96/02/0052-7) entgegenzuhalten, in welchen zum Ausdruck gebracht wird, dass auch für solche Fälle, in denen Arbeitnehmer eigenmächtig, wenn auch nur für kurze Zeit, die Sicherheitsvorschriften nicht einhalten, ein entsprechendes Kontrollsystem vorzusehen ist.

Im Weiteren hat die Berufungsverhandlung durch die zeugenschaftliche Einvernahme des Arbeitsinspektors Ing. P. ergeben, dass es nicht zutrifft, wie vom Bw zur Schuldentlastung behauptet, dass seitens des genannten Arbeitsinspektors die vorhandenen Schutzeinrichtungen für ausreichend befunden worden seien. Zum einen wurde diese Behauptung vom genannten Zeugen glaubwürdig verneint, zum anderen steht nach durchgeführter Berufungsverhandlung auch fest, dass am Tattag die inkriminierten Arbeitnehmer Dacharbeiten ohne jegliche Schutzvorrichtung technischer wie persönlicher Art durchgeführt haben.

Aufgrund der angeführten Umstände ist auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite als gegeben zu erachten und der Schuldspruch der belangten Behörde zu Recht ergangen.

Zur Strafhöhe:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass jede innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens erfolgte Strafzumessung eine Ermessensentscheidung der Strafbehörde darstellt, die sie unter Bedachtnahme auf die Strafzumessungskriterien des § 19 VStG vorzunehmen hat. Eine fehlerhafte nicht iSd Gesetzes gelegene Ermessensausübung bei der Strafzumessung kann der Strafbehörde dann nicht angelastet werden, wenn sie dabei nachvollziehbar sowohl auf die objektiven wie auch die subjektiven Strafzumessungskriterien Bedacht nimmt. Zu Recht hat die belangte Behörde Strafen pro Arbeitnehmer verhängt, weil die Verhängung einer Gesamtstrafe nur in den Fällen zu erfolgen hat, in denen die BauV die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung nicht anordnet. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn durch technische Schutzmaßnahmen ein ausreichender Schutz erreicht wird. Ist dies aber nicht der Fall, muss zusätzlich persönliche Sicherheitsausrüstung wie Sicherheitsgeschirre oder Sicherheitsgürtel einschließlich der dazugehörigen Ausrüstungen, wie Sicherheitsseile (Fangseile), Karabinerhaken, Falldämpfer, Seilkürzer und Höhensicherungsgerät zur Verfügung stehen (§ 30 Abs.1 BauV). Wird das Anbringen von technischen Sicherheitseinrichtungen wie Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden überhaupt unterlassen, weil die durchzuführenden Arbeiten (ohnehin) nicht länger als einen Tag dauern, ist die Verwendung persönlicher Schutzausrüstung wie entsprechender Sicherheitsgeschirre (umso mehr) geboten. Fehlt es aber auch an dieser, hat die Strafbehörde für jeden weder durch technische Schutzeinrichtungen noch durch persönliche Schutzausrüstung gesicherten Arbeitnehmer eine Strafe zu verhängen. Die Verhängung einer Gesamtstrafe in sinngemäßer Anwendung der Rechtsfigur des fortgesetzten Deliktes kommt diesfalls nicht in Betracht. Das Vorbringen in der Berufung, es wäre eine Gesamtstrafe zu verhängen gewesen, ist sohin unbegründet und kann dies auch nicht daraus abgeleitet werden, dass das Gesetz eine Mindeststrafe vorsieht.

Da die belangte Behörde ihren begründenden Ausführungen nach, auf die, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird, die im Gesetz (§ 19 VStG) normierten Strafzumessungskriterien ausreichend beachtet hat, einschließlich des Umstandes, dass Strafen über drei verwaltungsstrafrechtlich verantwortliche Personen, die in einem persönlichen Naheverhältnis zueinander stehen (Familienbetrieb) zu verhängen sind, war eine fehlerhafte Ermessensausübung bei der Strafzumessung nicht zu verzeichnen.

Aus diesem Grunde war auch der Strafausspruch der belangten Behörde zu bestätigen, sodass der vorliegenden Berufung insgesamt der Erfolg zu versagen und das angefochtene Straferkenntnis aus seinen zutreffenden Gründen zu bestätigen war.

II. Der Ausspruch über die Kosten des Berufungsverfahrens ist in der zitierten Gesetzesstelle begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. K o n r a t h

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