Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-600007/4/Gf/Km

Linz, 01.10.1997

VwSen-600007/4/Gf/Km Linz, am 1. Oktober 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 7. Kammer unter dem Vorsitz von Mag. Gallnbrunner, den Berichter Dr. Grof und den Beisitzer Dr. Konrath über die Berufung des J K, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. August 1997, VerkR-392776/2-1997/Si, wegen Abweisung eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 21. August 1997, Zl. VerkR-392776/2-1997/Si, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über seine Vorstellung gegen den Mandatsbescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 2. Jänner 1997, Zl. VerkR21-8-1997/BR, mit dem dem Rechtsmittelwerber die Lenkerberechtigung für die Dauer von zwölf Monaten entzogen wurde, als unbegründet abgewiesen.

1.2. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 26. August 1997 im Wege der Ersatzzustellung gemäß § 16 des Zustellgesetzes, BGBl.Nr. 200/1982, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 357/1990 (im folgenden: ZustG), zugestellt. Da sich der Empfänger zu diesem Zeitpunkt auf einer zweiwöchigen Urlaubsreise befand und sich sohin nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhielt, war die Ersatzzustellung zunächst unwirksam (vgl. § 16 Abs. 5 erster Halbsatz ZustG); sie wurde jedoch gemäß § 16 Abs. 5 zweiter Halbsatz ZustG mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, d.i. der 2. September 1997, wirksam. Damit erweist sich aber auch die am 15. September 1997 im Wege der Telekopie bei der belangten Behörde eingebrachte Berufung als rechtzeitig.

2.1. Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Erstbehörde über die Vorstellung des Rechtsmittelwerbers hin rechtzeitig das ordentliche Ermittlungsverfahren eingeleitet habe. Dieses sei sodann bis zum rechtskräftigen Abschluß des dem Führerscheinentzug zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens sowie eines in diesem Zusammenhang gleichzeitig anhängigen Gerichtsverfahrens ordnungsgemäß ausgesetzt worden, um diese Vorfragen von den hiefür zuständigen Organen entscheiden zu lassen. Daher liege kein ausschließliches Verschulden der Erstbehörde vor, weshalb der Antrag auf Übergang der Entscheidungsfrist abzuweisen gewesen sei.

2.2. Dagegen bringt der Berufungswerber im wesentlichen vor, daß er wegen des Verdachtes der Körperverletzung vom zuständigen Gericht freigesprochen und auch das Verwaltungsstrafverfahren bereits am 31. Juli 1997 abgeschlossen worden sei, wobei die mit letzterem verhängte Strafe keinen länger als sechs Monate dauernden Zeitraum für den Entzug der Lenkerberechtigung rechtfertigen würde. Im übrigen hätte die Erstbehörde diese Vorfrage auch eigenständig beurteilen können und müssen.

Aus diesen Gründen wird - erschließbar - die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Landeshauptmannes von Oberösterreich zu Zl. VerkR-392776 sowie der BH Braunau zu Zl. VerkR21-8-1997; da sich bereits aus diesen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und sich die vorliegende Berufung lediglich gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, konnte im übrigen gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 123 Abs. 1 des Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr. 267/1967, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I/103/1997 (im folgenden: KFG), haben dann, wenn der Landeshauptmann in erster Instanz entscheidet, über dagegen eingebrachte Berufungen die unabhängigen Verwaltungssenate zu entscheiden.

Nach der inzwischen ständigen - wenngleich ho. nicht geteilten - Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein im Devolutionsweg ergangener Bescheid des Landeshauptmannes als eine erstinstanzliche Entscheidung anzusehen (vgl. VwGH v. 25. Juni 1991, 91/11/0064; v. 30. Juni 1992, 92/11/0157; ); daher kann gegen einen in einer (beliebigen) Angelegenheit des KFG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes, mit dem ein Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht abgewiesen wurde, nach der vorzitierten Bestimmung eine Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat erhoben werden (vgl. VwGH v. 25. Jänner 1994, 93/11/0136; v. 31. Mai 1994, 94/11/0119; v. 21. Oktober 1994, 94/11/0256; v. 21. März 1995, 94/11/0255; v. 14. November 1995, 95/11/0222).

Der Oö. Verwaltungssenat ist daher zuständig, über die vorliegende Berufung zu entscheiden.

4.2. Der Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist allerdings durch die Entscheidung der Unterbehörde sachlich eingegrenzt (vgl. die umfangreichen Nachweise bei R. Walter - H. Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 6. Auflage, Wien 1995, RN 538). Vorliegendenfalls ist sohin lediglich die Frage zu entscheiden, ob die Abweisung des Devolutionsantrages rechtmäßig war. Sollte diese zu Unrecht erfolgt sein, wird auf diesem Weg hingegen keine Zuständigkeit dafür, darüber hinaus auch noch jene Sachentscheidung zu treffen, die die Erstbehörde bislang rechtswidrigerweise verweigert hat, begründet (in diesem Sinne wohl auch VwGH v. 21. März 1995, 95/11/0072).

4.3.1. Gemäß § 73 Abs. 2 AVG geht die Zuständigkeit zur Entscheidung auf einen entsprechenden schriftlichen Antrag hin auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, wenn die Behörde über einen Antrag nicht spätestens innerhalb von sechs Monaten nach dessen Einlangen entscheidet; ein derartiger Antrag ist jedoch abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer mit seinem bei der belangten Behörde am nächsten Tag eingelangten Schriftsatz vom 22. Jänner 1997 gegen den Mandatsbescheid des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 2. Jänner 1997, Zl. VerkR21-8-1997/BR, mit dem ihm die Lenkerberechtigung vorübergehend für die Dauer von 12 Monaten entzogen wurde, Vorstellung erhoben und - nachdem über diese in der Folge nicht entschieden wurde - mit Schriftsatz vom selben Tag am 25. Juli 1997 einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht beim Landeshauptmann für Oberösterreich eingebracht.

Da die formalen Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 AVG sohin erfüllt sind, bleibt zu prüfen, ob die Abweisung dieses Devolutionsantrages seitens der belangten Behörde zu Recht darauf gestützt werden konnte, daß die Verzögerung der Entscheidung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Erstbehörde zurückzuführen ist.

4.3.2. Das Zutreffen dieser Voraussetzung hat der Landeshauptmann von Oberösterreich im vorliegenden Fall (ausschließlich) damit begründet, daß das Verfahren der Erstbehörde aus den Gründen des § 38 AVG zu unterbrechen gewesen sei.

Nach § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach eigener Anschauung zu beurteilen; sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Da sich der Entzug der Lenkerberechtigung auf die - auf einer Übertretung einerseits des § 99 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (Verweigerung des Atemalkoholtestes) und andererseits des § 83 StGB (vorsätzliche Körperverletzung) basierende - mangelnde Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers i.S.d. § 66 Abs. 2 lit. e KFG stützt, bildete sohin - nur - der Umstand, ob gegenständlich tatsächlich eine Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO oder des § 83 StGB vorlag, jene Vorfrage i.S.d. § 38 AVG.

4.3.2.1. Hinsichtlich der Verweigerung des Atemalkoholtestes hat das Gendarmeriepostenkommando Grein am 28. November 1996 zu Zl. 1134/96/Har eine Anzeige an die BH Perg erstattet, die das diesbezügliche Strafverfahren mit Schreiben vom 23. Dezember 1996, VerkR21-312-1996, (vgl. auch das Schreiben der BH Perg vom 29. Jänner 1997, VerkR20-1-1997) gemäß § 29a VStG an die BH Braunau als Wohnsitzbehörde übertragen hat. Die solcherart begründete Zuständigkeit war nach der hiezu ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes endgültig, sodaß der am 26. Mai 1997 von der BH Braunau im Wege eines Aktenvermerkes vorgenommenen Rückübertragung auf die BH Perg (siehe S 169 und S 191 des erstbehördlichen Aktes) rechtlich keine Bedeutung zukam (vgl. z.B. statt vieler VwSlg 13298 A/1990).

Davon ausgehend kann aber keine Rede davon sein, daß die Erstbehörde im gegenständlichen Fall diesbezüglich das ihr nach § 38 zweiter Satz AVG eingeräumte Ermessen gesetzmäßig ausgeübt hat, nämlich jedenfalls zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Klärung der Vorfrage durch die BH Perg befugt war, war sie es doch letztlich selbst, die (wenngleich allenfalls im Wege einer anderen Abteilung, wobei auf der Hand liegt, daß diese Entscheidung bei entsprechendem Wissen um die Zuständigkeit jedenfalls nicht die gleiche Zeitdauer hätte in Anspruch nehmen dürfen wie bei der BH Perg, wo die Verzögerungen in erster Linie auf Zustellprobleme infolge Nichtvorliegens eines dortigen ordentlichen Wohnsitzes des Rechtsmittelwerbers zurückzuführen waren; vgl. dazu das Schreiben des GP Altheim vom 13. Februar 1997, Zl. GZP-14/97-Rei) das Vorliegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO als Hauptfrage zu beurteilen hatte.

4.3.2.2. Hinsichtlich der vorsätzlichen Körperverletzung hat das Gendarmeriepostenkommando Grein zwar am 18. September 1996 zu Zlen. 918 u. 919/96 und am 25. November 1996 zu Zl. 1094/96 jeweils eine Anzeige an den Bezirksanwalt beim BG Grein bzw. an die Staatsanwaltschaft Linz erstattet, sodaß im Falle des Zutreffens dieser Anschuldigungen die Voraussetzung für den Führerscheinentzugsgrund des § 66 Abs. 2 lit. c KFG (wiederholte Begehung einer strafbaren Handlung gemäß § 83 StGB) an sicht erfüllt und damit insoweit die Aussetzung des Verfahrens nach § 38 AVG allenfalls inhaltlich berechtigt gewesen wäre.

4.3.2.3. Doch selbst dann hätte die Aussetzung in formeller Hinsicht zwingend im Wege eines (anfechtbaren) verfahrensrechtlichen Bescheides erfolgen müssen (vgl. schon VwSlg 579 A/1948 sowie die weiteren Nachweise bei R. Walter - H. Mayer, a.a.O., RN 305). Ein solcher wude jedoch tatsächlich nicht erlassen (ganz abgesehen davon, daß der Berufungswerber hinsichtlich der zweiten Tatanlastung ohnehin bereits mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 5. März 1997, Zlen. 28-EVr-2485 u. 28-EHv-169/96, rechtskräftig freigesprochen wurde und damit - mangels "Wiederholung"smöglichkeit - zu diesem Zeitpunkt auch der Entzugsgrund des § 66 Abs. 2 lit. c KFG weggefallen war).

4.3.2.4. Die von der Erstbehörde als Begründung für ihre Säumnis herangezogene Aussetzung des Verfahrens erweist sich demnach sowohl aus materiellen, vornehmlich aber auch aus formellen Gründen nicht als tragfähig, sodaß die Verzögerung der Entscheidung i.S.d. § 73 Abs. 2 AVG im Ergebnis ausschließlich auf ein Verschulden dieser Behörde zurückzuführen war.

4.4. Davon ausgehend hätte aber die belangte Behörde den Antrag des Rechtsmittelwerbers auf Übergang der Entscheidungspflicht nicht als unbegründet abweisen dürfen, sondern vielmehr in der Sache selbst zu entscheiden gehabt, d.h. über die eingebrachte Vorstellung inhaltlich absprechen müssen.

4.5. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

4.6. Aus verfahrensökonomischen Gründen sieht sich der Oö. Verwaltungssenat veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß der erst nach Einbringung des Devolutionsantrages von der Erstbehörde verfaßte Bescheid vom 9. September 1997, Zl. VerkR21-8-1997/BR, - sollte dieser durch Zustellung bereits rechtlich existent geworden sein - infolge sachlicher Unzuständigkeit rechtswidrig ist (vgl. z.B. statt vieler VwSlg 7441 A /1968 sowie die Nachweise bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Wien 1996, 710 ff).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr in Höhe von 2.500 S zu entrichten.

Mag. G a l l n b r u n n e r

Beschlagwortung: Vorstrafe; Devolutionsantrag; erstinstanzl. Entscheidung

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