Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280616/2/Li/Ke

Linz, 26.06.2002

VwSen-280616/2/Li/Ke Linz, am 26. Juni 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt, Beisitzer: Dr. Konrath, Berichter: Dr. Linkesch) über die Berufung des O. in G., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K. in G., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 20.3.2002, Zl. Ge96-84-2001-GRM, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 i.d.g.F., zu Recht erkannt:

Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG i.d.g.F. i.V.m. § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG i.d.g.F.

Entscheidungsgründe:

Nach Lage des vorgelegten Verfahrensaktes erließ die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als Strafbehörde erster Instanz auf Grund der Anzeige vom 30.10.2001 des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten in Wien, und nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren ein mit 20.3.2002 datiertes und an die "Firma O. Ges.m.b.H. & Co., z.H. des Rechtsanwaltes Dr. K.", adressiertes Straferkenntnis, dessen Spruch - ohne als solcher überschrieben zu sein - wie folgt lautet:

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "O. Ges.m.b.H.", persönlich haftende Gesellschafterin der Fa. O. Ges.m.b.H. & Co., mit Sitz in G. und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1991 idgF.) und Arbeitgeber zu verantworten, dass - festgestellt anlässlich einer am 20. Sept. 2001 von einem Organ des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten durchgeführten Erhebung - folgende Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen begangen wurden:

Bei der am 20. September 2001 durchgeführten Besichtigung der Baustelle in W., auf der die Arbeitnehmer S., D., L. und R. der Firma O. GmbH & Co, Bauarbeiten durchgeführt haben, wurde folgender Mangel festgestellt:

Die genannten Arbeitnehmer waren mit der Herstellung der Decke im Bereich der Stiege 1 beschäftigt. Obwohl Absturzgefahr von ca. 10,0 m auf die H. Straße bestand, waren keine technischen Schutzvorrichtungen angebracht.

Verwaltungsübertretung(en) nach § 130 Abs.5 Ziff.1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 idgF. i.V.m. § 7 Abs.1 i.V.m. Abs.2 Z.4 der Bauarbeiterschutzverordnung, BauV, BGBl.Nr. 340/1994, wonach bei Absturzgefahr, Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV), anzubringen sind.

Absturzgefahr liegt bei Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe vor.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von 4360,37 Euro (S 60.000,-)

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Tage

Freiheitsstrafe von -----

gemäß § 130 Abs.5 Ziffer 1 ASchG, BGBl.Nr. 450/1994 idgF.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

436,03 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 4796,40 Euro (65.999,90,- Schilling). Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Vor einer inhaltlichen Prüfung der Berufung gegen das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 20.3.2002, Zl. Ge96-84-2001-GRM, hat der unabhängige Verwaltungssenat (von Amts wegen) zu prüfen, ob das Straferkenntnis alle für das Vorliegen eines Bescheides erforderlichen Merkmale aufweist und somit als Bescheid zu qualifizieren ist, denn eine Berufung ist nur zulässig, wenn ein Bescheid vorliegt. Bedenken formeller Natur gegen das angefochtene Straferkenntnis hegt auch der Vertreter des Bw, wenn er im Berufungsschriftsatz vom 2.4.2002 unter Punkt 2.4. bemerkt, dass das angefochtene Straferkenntnis an die Firma O. GmbH & Co., z.H. des Rechtsanwaltes Dr. K. adressiert ist und in diesem der handelsrechtliche Geschäftsführer der O. GmbH, persönlich haftende Gesellschafterin der O. GmbH & Co. mit Sitz in G., Herr O., nicht persönlich genannt sei.

Notwendiges Inhaltserfordernis eines jeden Bescheides ist die mit der Personsumschreibung getroffene Wahl des Normadressaten (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 3. Auflage, S. 572; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 7. Auflage, RZ 411/1; sowie die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, E 31f zu § 59 AVG, wiedergegebene Judikatur des VwGH). Dabei ist grundsätzlich im Spruch der Bescheidadressat derart zu nennen, dass der Name der Person angegeben wird, an die sich der Bescheid richtet (vgl. VwGH-Erkenntnis 90/16/0015 vom 20.6.1990). Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde ein Straferkenntnis in Verwaltungsstrafverfahren erlassen will, ist einer Deutung nur in Fällen zugänglich, in welchen der gesamte Bescheidinhalt die von der Behörde gewählte Personsumschreibung des Beschuldigten als ein - den wahren behördlichen Willen verfälschendes - Vergreifen im Ausdruck erkennen lässt (vgl. dazu das VwGH-Erkenntnis 91/15/0085 eines verstärkten Senates vom 25.5.1992).

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt beginnend mit dem zitierten Erkenntnis des verstärkten Senates nunmehr die Rechtsansicht, dass die unrichtige Anführung eines (prozessual) nicht rechtsfähigen Organes eines Rechtsträgers anstelle des Organträgers selbst als Adressat eines Bescheides jedenfalls dann dem "richtigen Bescheidverständnis" nicht im Wege steht, wenn in einem konkreten Fall unter Berücksichtigung der objektiven Rechtslage und der Begründung des Bescheides bei der Betrachtung anders als bei Außerachtlassung dieser Elemente schon für die Betroffenen nicht mehr zweifelhaft sein kann, dass die Verwaltungsbehörde eine bescheidmäßige Erledigung gegenüber dem Rechtsträger selbst treffen wollte und getroffen hat. In einem solchen Fall kann nicht von einem (unzulässigen) "Umdeuten", sondern nur von einem (zulässigen und gebotenen) "Deuten" des bloß fehlerhaft bezeichneten Bescheidadressaten gesprochen werden, als dessen Ergebnis der vom Organ repräsentierte Rechtsträger als Bescheidadressat anzusehen ist. Weiters stehen Fehlzitate und Schreibfehler bezüglich des bezeichneten Bescheidadressaten - auch bei Unrichtigkeit im Vornamen oder Namen von Bescheidadressaten - dem richtigen Bescheidverständnis selbst dann nicht im Wege, wenn noch kein Berichtigungsbescheid von der Behörde erlassen wurde. Schließlich bilden Spruch und Begründung eine Einheit, weshalb bei Zweifel über den Inhalt des Spruches zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat andererseits wiederholt ausgesprochen, dass einer "Firma" als dem Namen, unter dem ein Kaufmann seine Geschäfte betreibt, und mit dem er fertigt, Rechtspersönlichkeit nicht zukommt (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 440, angeführte Judikatur). Ebenso wurde ausgesprochen, dass der an eine "Firma" gerichtete Bescheid keinen normativen Gehalt entfalten kann, weil er an eine "Nichtperson" ergeht (vgl. Walter-Mayer, a.a.O., RZ 443). Ob diese Judikatur im Lichte der im bereits zitierten Erkenntnis 91/15/0085 vom 25.5.1992 angestellten Überlegungen in Fällen aufrecht erhalten werden kann, in denen einem in seiner Identität überhaupt nicht zweifelhaften Bescheidadressaten die Bezeichnung "Firma" vorangestellt wurde, braucht hier nicht untersucht zu werden. Festzuhalten ist an der ursprünglichen Judikatur nämlich in solchen Fällen, in denen in der behördlichen Erledigung die namentliche Bezeichnung des von dieser Erledigung betroffenen Rechtssubjektes zur Gänze fehlt und sich diese Bezeichnung auch aus einer Zusammenschau von Bescheidadressierung, Spruch, Gründen und Zustellverfügung nicht ergibt. Vergleiche dazu das VwGH-Erkenntnis 92/07/0040 vom 19.5.1994, das diese Auffassung unter Beachtung der Judikaturänderung bei bloßem Zweifel über den Bescheidadressaten vertrat; hier liegt jedoch das gänzliche Fehlen des Bescheidadressaten vor. Darin, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses auf den handelsrechtlichen Geschäftsführer der Firma "O. Ges.m.b.H" abstellt ohne dessen Namen zu nennen, ist keine ausreichende Individualisierung des Beschuldigten zu erblicken.

Auch eine Berichtigung scheidet hier aus, denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Behörde eine unrichtige Namensbezeichnung gemäß § 62 Abs.4 AVG i.V.m. § 24 VStG nur berichtigen, wenn die Identität der Person feststeht, d.h. die Parteibezeichnung bloß fehlerhaft ist, nicht aber wenn diese wie hier fehlt. Die im Adressfeld angeführte Firma ist lediglich der Name eines Kaufmannes, wobei aber ein Name keine Rechte und Pflichten haben kann (vgl. VwGH-Erkenntnis 90/16/0015 vom 20.6.1990).

Dies ist auch unter Berücksichtigung von § 17 Abs.2 HGB i.d.F. BGBl. I Nr. 158/1998 so zu sehen, wonach die Bestimmung, dass ein Kaufmann in Verfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden seine Firma als Parteibezeichnung führen und mit seiner Firma als Partei bezeichnet werden kann, in Strafverfahren nicht gilt.

Auch wenn der Bescheidwille der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land - der unabhängige Verwaltungssenat erachtet dies nicht für ausgeschlossen - dahin gegangen sein sollte, über Herrn O. wegen einer von ihm begangenen Verwaltungsübertretung bescheidförmig zu entscheiden, würde das an der fehlenden Namensbezeichnung nichts ändern, denn O. wird weder in der Adresse noch im Spruch des Straferkenntnisses namentlich erwähnt. Eine Bescheidberichtigung kommt daher nicht in Betracht. Auch die Zustellung an den im Adressfeld angeführten Rechtsanwalt vermag keine zusätzliche Klarheit zu verschaffen, denn es kommt in diesem Bescheidkopf weder zum Ausdruck, dass der genannte Anwalt Herrn O. vertritt, noch dass an ihn als dessen Vertreter zugestellt werden sollte.

Zudem ist als wesentliches Argument schließlich festzuhalten, dass es hier - anders als bei dem richtungsweisenden Judikat 91/15/0085 vom 25.5.1992 - um ein Verwaltungsstrafverfahren (und nicht um ein antragsbedürftiges Administrativverfahren) geht, bei dem eine dem Namen nach bestimmte Person wegen einer Verwaltungsübertretung bestraft werden soll. Die fehlende Bezeichnung des Bescheidadressaten darf nicht zu Lasten des Beschuldigten gehen, der sich diesfalls lediglich aus dem Strafakt ergeben würde. Die bloße Bestimmbarkeit des Bescheidadressaten aus dem Akteninhalt würde letztlich mangels Bestimmtheit des Verpflichteten auch eine Zwangsvollstreckung der verhängten Geldstrafe verhindern, zumal die Erlassung eines Berichtigungsbescheides wie oben ausgeführt nicht in Betracht kommt.

Zusammenfassend ergibt sich im Lichte der seit der VwGH-Entscheidung 91/15/0085 vom 25.5.1992 gelockerten Judikatur somit, dass die Nennung der "Firma O. Ges.m.b.H. & Co." im Kopf (Adressfeld) der an den Rechtsanwalt Dr. K. in G., zugestellten Ausfertigung des Straferkenntnisses ein grober Missgriff der belangten Behörde ist. Im vorliegenden Fall scheint weder in der mit "Firma" gewählten Bezeichnung "O. Ges.m.b.H. & Co." der möglicherweise tatsächlich intendierte Beschuldigte O. auf, dessen Rechtsanwalt der in der Adresse angeführte Anwalt ist, noch ergibt sich der Name aus dem Spruch, wenn es darin heißt "Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "O. Ges.m.b.H.", persönlich haftende Gesellschafterin der Fa. O. Ges.m.b.H. & Co., mit Sitz in G., und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1991 idgF.) und Arbeitgeber zu verantworten, dass ..." Auch aus der Begründung des Straferkenntnisses ist nichts zu gewinnen, da auf den unter Umständen intendierten Beschuldigten nirgends namentlich Bezug genommen wird und zusammenfassend festgestellt wird "Es sind daher gemäß § 9 Abs.1 VStG die zur Vertretung der O. Ges.m.b.H & Co. als Arbeitgeberin nach außen berufenen Organe für die o.a. Übertretungen verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich." In der Zustellverfügung ist nur das am Verwaltungsstrafverfahren ebenfalls als Partei beteiligte Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten, angeführt und im Kopf der Erledigung scheint mit der bezeichneten Firma lediglich eine Nichtperson als Bescheidadressat auf. Ein derartiges "Vergreifen" in der Bezeichnung des Beschuldigten hat daher zur Folge, dass diese Erledigung nicht einmal als ein an den falschen Adressaten gerichteter Bescheid sondern als ein absolut nichtiger Bescheid zu werten ist.

Sohin war wegen Nichtvorliegens eines Bescheides die Berufung als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. Klempt

Beschlagwortung: Firma, Bescheidadressat, Nichtbescheid