Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280625/2/Le/Ni

Linz, 16.05.2002

VwSen-280625/2/Le/Ni Linz, am 16. Mai 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des K, vertreten durch Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 11.4.2002, Zl. Ge96, wegen Übertretung des Arbeitnehmerschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF, iVm §§ 24, 44a Z.1, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.3 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 11.4.2002 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 48 Abs.2 Bauarbeiterschutzverordnung iVm § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz eine Geldstrafe in Höhe von 726,72 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 2 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe als Inhaber der Gewerbeberechtigungen für die bewilligungspflichtigen Gewerbe Maurer und Bauträger mit dem Standort (Bauunternehmung) in S und als Arbeitgeber folgende Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verantworten:

"Am 2. September 2000 um ca. 9.30 Uhr erfolgte seitens der Polizeidirektion eine telefonische Verständigung an das Arbeitsinspektorat W, dass sich auf der Kanalbaustelle ein Arbeitsunfall ereignet hatte, wobei ein Arbeitnehmer (AN) durch einstürzendes Material verschüttet wurde.

Daraufhin wurde von einem Arbeitsinspektionsorgan eine Unfallerhebung an Ort und Stelle durchgeführt.

Dabei wurde folgendes festgestellt:

Seitens der Firma W, etabliert in N, wurde auf der o.a. Baustelle eine ca. 8 m lange, ca. 1,5 m breite und ca. 1,6 m tiefe Künette ausgehoben. Bei dem Boden handelt es sich um einen ortsüblichen Schotterboden. Die Künette war so ausgegraben, dass eine senkrechte Wand stand. Eine Böschung war nicht vorhanden.

Der Arbeitnehmer B, beschäftigt beim Bauunternehmen K, stieg in die ungesicherte Künette, um eine darin befindliche Schaufel zu holen.

Als er die Künette über die Anlegeleiter wieder verlassen wollte, stürzte die Künette ein und Herr B wurde bis zu den Knien verschüttet und zog sich Verletzungen zu."

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 30.4.2002, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Geldstrafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen.

Zur Begründung führte der Berufungswerber aus, die gegenständliche Baustelle seinem Mitarbeiter S übergeben zu haben. Dieser sei seit 11 Jahren in seiner Firma beschäftigt und führe aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung und Praxis solche Arbeiten in Eigenverantwortung durch.

Er hätte auch vertrauen können, dass S, sofern erforderlich, für eine entsprechende Absicherung der Künette Sorge trage, bzw. zumindest dafür sorge, dass B nicht in die Künette klettere.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Da aus dem vorgelegten Verwaltungsakt bereits hervorgeht, dass das angefochtene Straferkenntnis aus formalen Gründen aufzuheben ist, konnte gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG eine öffentliche mündliche Verhandlung entfallen.

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 2.000 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat; ...

Nach Lehre und Judikatur (siehe hiezu etwa Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Wien 1996, Seite 969 ff) kommt dem Spruch des Straferkenntnisses in Hinblick auf die in § 44a Z1 bis 5 festgelegten Erfordernisse besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des VwGH ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

Die zentrale Frage, wie ein Spruch abgefasst sein muss, um der Bestimmung des § 44a Z1 VStG zu entsprechen, hat sowohl in der Praxis der Behörden als auch in der Judikatur des VwGH manchmal zu Unsicherheiten geführt. Ein bedeutender Schritt zur Lösung der Problematik kann in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates des VwGH vom 13.6.1984 Slg 11466A gesehen werden, in dem dargelegt wurde, dass die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, dass

  1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
  2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

4.2.1. Die Anführung der Tatzeit im Spruch des Straferkenntnisses ist somit ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der angelasteten Tat.

Die Angabe der Tatzeit fehlt jedoch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses gänzlich!

Als einziger zeitlicher Anhaltspunkt findet sich im Spruch, der im Übrigen durch seine mehr erzählende Form wenig konkret ist und auch Teile der Begründung enthält, lediglich Datum und Uhrzeit der polizeilichen Verständigung des Arbeitsinspektorates über einen Arbeitsunfall. Dem ist zu entnehmen, dass am 2. September 2000 um ca. 9.30 Uhr die Polizeidirektion W das Arbeitsinspektorat W über einen Arbeitsunfall telefonisch verständigt hat.

Daraus ist lediglich zu entnehmen, dass die angelastete Verwaltungsübertretung zeitlich vor dieser Verständigung stattgefunden haben musste. Es geht daraus aber nicht hervor, wann der Arbeitsunfall tatsächlich war bzw. wann der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nun begangen haben soll.

4.2.2. Des Weiteren geht aus dem Straferkenntnis nicht hervor, warum die Tat dem Berufungswerber angelastet wurde, weil im Spruch immerhin darauf hingewiesen wird, dass die Firma W, etabliert in N, diese Künette ausgehoben hat. Warum der Berufungswerber für diesen Arbeitsunfall verantwortlich gemacht wurde, wird auch in der Begründung des Straferkenntnisses nicht näher erklärt.

Da insbesondere die Tatzeit, weil außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.2 VStG liegend, nicht mehr nachträglich durch den Unabhängigen Verwaltungssenat eingefügt werden kann, war bereits aus diesem Grunde spruchgemäß zu entscheiden, ohne auf das Berufungsvorbringen näher einzugehen.

Zu II.:

Wird ein Strafverfahren eingestellt, so sind gemäß § 66 Abs.1 VStG die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen.

Damit war der Verfahrenskostenausspruch der belangten Behörde aufzuheben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, weil der Berufung Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. L e i t g e b

Beschlagwortung: Spruchkonkretisierung und Tatkraft

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