Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280662/4/Ga/Pe

Linz, 27.02.2003

 

 

 VwSen-280662/4/Ga/Pe Linz, am 27. Februar 2003

DVR.0690392
 

 
 

E R K E N N T N I S
 
 
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die VII. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Langeder, den Berichter Mag. Gallnbrunner und den Beisitzer Dr. Konrath über die Berufung des RB in gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. Februar 2003, Ge96-223-2000/Gr, wegen Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG), zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z1 zweite Alternative, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 6. Februar 2003 wurde der Berufungswerber einer Übertretung des § 60 Abs.1 iVm § 130 Abs.1 Z19 ASchG für schuldig befunden. Näherhin wurde ihm angelastet:
"Sie haben als zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gem. § 9 Abs.1 VStG der Arbeitgeberin ‚SBGesellschaft m.b.H.' mit Sitz in , zu vertreten, dass, wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz anlässlich einer Unfallerhebung am 13.10.2000 in der Arbeitsstätte in, festgestellt wurde, der Arbeitnehmer der oa. Gesellschaft, Herr MD, am 13.10.2000 in der Fertigungshalle der oa. Arbeitsstätte mit der Bearbeitung eines I-Trägers - HE B 1000 - Länge ~ 7000 mm, Höhe ~ 1000 mm, Flanschbreite ~ 300 mm, Gewicht ~ 2,5 t, beschäftigt wurde, ohne dass gemäß den Bestimmungen des § 60 Abs.1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz dafür gesorgt wurde, dass der oa. Arbeitsvorgang so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt wird, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird, indem der genannte I-Träger nicht gegen Umfallen, wie z.B. durch Abstützung, Sicherung mittels Anschlagmittel (Ketten, Gurte, Bänder, Seile) am Hallenkran, gesichert war (aufgrund der Schwerpunktlage und der ungeeigneten Abstellung auf Weichkanthölzern mit einem Querschnitt von 10/12 cm und 8/10 cm und insbesondere auf Grund des Umstandes das im Bereich eines Trägerendes der 300 mm breite Flansch des angeführten I-Trägers nur mit ca. 100 mm auf dem Kantholz auflag, bestand jedenfalls die Gefahr des Umfallens) und deshalb in weiterer Folge beim Aufzwängen der bereits aufgeschweißten Versteifungsplatte mittels eines Stemmeisens auf Herrn D fiel und ihn schwer verletzte, obwohl gemäß § 60 Abs.1 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes Arbeitgeber dafür zu sorgen haben, dass Arbeitsvorgänge so vorbereitet, gestaltet und durchgeführt werden, dass ein wirksamer Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer erreicht wird."
Wegen dieser Übertretung wurde über den Berufungswerber gemäß § 130 Abs.1 ASchG eine Geldstrafe von 3.634 € kostenpflichtig verhängt und eine Ersatzfreiheitsstrafe festgesetzt.
Aus Anlass der die Verfahrenseinstellung und (konkludent) die Aufhebung des Straferkenntnisses begehrenden Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach Einsicht in den zugleich mit der Berufung vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde und nach ergänzenden Erhebungen (§ 66 Abs.1 AVG) erwogen:
Der Berufungswerber bestreitet nicht den im Schuldspruch näher beschriebenen Vorfall als solchen, bekämpft den Tatvorwurf jedoch schuldseitig. Er bezweifelt, dass überhaupt ein Verstoß gegen das Arbeitnehmerinnenschutzgesetz vorliege und empfindet die verhängte Geldstrafe als "bei weitem überhöht".
Im Berufungsfall unstrittig ist der im Schuldspruch erwähnte Unfall in der sprucherfassten Arbeitsstätte mit schwerer Verletzung des Arbeitnehmers MD (nahezu vollständige Abtrennung des linken Fußes), die ihm durch den von ihm bearbeiteten tonnenschweren I-Träger, der nicht ausreichend gesichert gewesen ist und daher umfiel, zugefügt wurde.
Der belangten Behörde wurde, wie aus dem vorgelegten Strafakt ersichtlich ist, mit Schreiben des Rechtsfreundes des Berufungswerbers vom 16. Februar 2001 mitgeteilt, dass "zu dem gleichen Sachverhalt (Arbeitsunfall D vom 13.10.2000) unter der Aktenzahl: Zl 15 BAZ 385/2000 z gerichtliche Vorerhebungen durch das Bezirksgericht Neuhofen an der Krems geführt werden". Das daraufhin von der belangten Behörde (erst am 7. Mai 2001) um Auskunft über den Stand des strafgerichtlichen Verfahrens ersuchte BG Neuhofen an der Krems teilte (durch die Staatsanwaltschaft Steyr) am 15. Mai 2001 mit, dass in der Strafsache (zur oben erwähnten Zahl) gegen RB wegen § 88 Abs.1 und 4 erster Fall StGB das Strafverfahren (schon) am 6. März 2001 gemäß § 90f Abs.1 StPO (Probezeit zwei Jahre) "zurückgelegt" wurde. Diese Wortwahl wurde von der belangten Behörde offenbar dahin missverstanden, dass eine formlose Zurücklegung der Anzeige nach § 90 StPO erfolgt sei. Jedenfalls sah sich die belangte Behörde nicht veranlasst, das von ihr in dieser Sache geführte Verwaltungsstrafverfahren im Hinblick auf die diversionelle Maßnahme der Strafjustiz gegen den Beschuldigten einzustellen.
 
Im Berufungsfall ist jedoch das Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art.4 7. ZP EMRK schlagend. Diese Bestimmung verbietet bei Idealkonkurrenzen nicht nur die mehrfache Bestrafung, sondern auch die mehrfache Strafverfolgung. Sie gilt auch für das österreichische Verwaltungsstrafrecht. Und zwar so, wie dies durch die Judikatur des VfGH klargestellt wurde, dass dann, wenn jemand, der wegen einer strafbaren Handlung bereits rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde, in einem Strafverfahren des selben Staates nicht erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden darf.
Vor diesem Hintergrund hat der VfGH (vgl. Erk. VfSlg. 15.293/1998) die Wirkung des Art.4 7. ZP EMRK für die (scheinkonkurrierende) Konstellation des § 130 Abs.5 Z1 ASchG iVm § 88 Abs.1 StGB klargestellt. Danach erschöpft das Delikt der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 StGB in aller Regel den Unrechts- und Schuldgehalt des Delikts des § 130 Abs.5 Z1 ASchG vollständig. Dasselbe hat, auf den Berufungsfall angewendet, nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates uneingeschränkt im Verhältnis auch zu dem hier angesprochenen Delikt des § 130 Abs.1 Z19 ASchG zu gelten. Dass in dieser Sache kein Regelfall vorläge, dahin nämlich, dass - mit Blick auf die beiderseitigen Strafdrohungen - nicht schon das gerichtliche Strafverfahren den wesentlichen Gesichtspunkt des Verwaltungsstraftatbestandes vollständig abdeckt, ist nicht hervorgekommen.
Das in Rede stehende strafgerichtliche Verfahren - den selben Beschuldigten mit den selben Tatumständen (und den selben dadurch verletzten Arbeitnehmer) betreffend - endete - vorläufig - mit diversioneller Verfügung gemäß § 90f Abs.1 StPO mit Anordnung einer zweijährigen Probezeit (= Höchstmaß). Diese staatsanwaltliche Verfügung war zu treffen, weil iS der im § 90a StPO (idF der Strafprozeßnovelle 1999, BGBl. I Nr. 55) niedergelegten Voraussetzungen für die Diversion in diesem Fall festgestanden war, dass auf Grund des Ermittlungsstandes sich ein - tatseitig und schuldseitig - ausreichender Tatverdacht, der an sich die Erhebung einer Anklage rechtfertigen würde, ergeben hatte und daher ein Zurücklegen der Anzeige nach § 90 StPO gerade nicht in Betracht gekommen und auch § 42 StGB ("Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat") nicht vorgelegen ist.
Der Weiterführung des verwaltungsstrafrechtlichen Verfahrens in dieser Sache steht somit, weil die Tat schon durch eine vom zuständigen Organ der Strafjustiz nach Durchführung des hiefür vorgesehenen strafprozessrechtlichen Verfahrens verfügte rk. diversionelle Maßnahme geahndet wurde (und nach friktionsfreiem Verlauf der Probezeit als dann vollständig gesühnt zu erachten ist), das Verbot der neuerlichen Strafverfolgung bzw. "Verurteilung" entgegen, weshalb im Berufungsfall die Einstellung zu verfügen war (ohne dass andere Einstellungsgründe zu prüfen waren; vgl VwGH 20.5.1994, 93/02/0110).
Dieses Verfahrensergebnis befreit den Berufungswerber auch aus seiner Kostenpflicht; ein Beitrag zu den Kosten des Tribunalverfahrens war nicht aufzuerlegen.
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.
 
 

 

Dr. L a n g e d e r

 
Beschlagwortung:
Diversion; Maßnahme gemäß § 90f Abs.1 (Probezeit) StPO; sühnt Tat vollständig

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