Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280673/2/Kl/Ri

Linz, 15.04.2003

 

 

 VwSen-280673/2/Kl/Ri Linz, am 15. April 2003

DVR.0690392
 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Dipl. Ing. FR, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 28. Februar 2003, Ge96-45-2002, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

Der Berufung gegen die Strafhöhe wird Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf 1.000 Euro, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 2 Tage herabgesetzt.

 

Der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 100 Euro; zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 16, 19 und 51 VStG sowie §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 28.2.2003, Ge96-45-2002, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 130 Abs.5 Z1, 118 Abs.3 AschG iVm §§ 87 Abs.3 und Abs.5 Z2 BauV verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R GmbH mit Firmensitz in, und somit gemäß § 9 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch dieses Unternehmen verantwortlich ist und zu verantworten hat, dass am 17.10.2002 auf der Baustelle in Ried in der, die Arbeitnehmer EM (Partieführer), AS und MF mit Dacharbeiten (Anbringung der Dachlattung) bei einer Absturzhöhe von 6,0 - 9,0 Meter (im Giebelbereich) und einer Dachneigung von 30° beschäftigt wurden und dabei keine geeigneten Schutzeinrichtungen, wie Dachschutzblenden oder Dachfanggerüste vorhanden waren. Die Arbeitnehmer waren auch nicht mit einem Sicherheitsgeschirr gesichert.

Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung von mehr als 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m müssen jedoch geeignete Schutzeinrichtungen vorhanden sein, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindern. Das Anbringen solcher Schutzeinrichtungen darf nur entfallen bei geringfügigen Arbeiten, wie Reparatur- und Anstricharbeiten, die nicht länger als einen Tag dauern, oder bei Arbeiten im Dachsaum oder im Giebelbereich, wobei in diesen Fällen die Arbeitnehmer mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein müssen. Er hat als Arbeitgeber somit nicht dafür gesorgt, dass die erforderlichen Schutzeinrichtungen vorhanden sind bzw die persönliche Schutzausrüstung verwendet wird.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung gegen die Strafhöhe eingebracht und darin dargelegt, dass das Vergehen des Nichtvorhandenseins des Gerüstes hervorgerufen worden sei durch eine Fehldisposition, welche eine einmalige Angelegenheit war. Die Einhaltung der entsprechenden Schutzbestimmungen auf den Baustellen werde ständig vom jeweiligen Bauleiter kontrolliert. Es wurde um Verminderung des Strafausmaßes ersucht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Aus dem Akt ist ersichtlich, dass die belangte Behörde dem zuständigen Arbeitsinspektorat Parteiengehör zur Berufung eingeräumt hat und eine Stellungnahme hinsichtlich einer Strafreduzierung auf 1.100 Euro eingeholt hat. Das Arbeitsinspektorat hat unter der Voraussetzung, dass es sich um einen Wiederholungsfall handelt, der Herabsetzung der Strafhöhe zugestimmt.

 

Die belangte Behörde hielt in einem Aktenvermerk vom 3. April 2003 weiters fest, dass es sich um einen Wiederholungsfall handle, weil bereits mit Straferkenntnis vom 21. August 2000 Herr JR als handelsrechtlicher Geschäftsführer der R GmbH wegen einer Übertretung nach dem ASchG iVm der BauV bestraft wurde.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Eine mündliche Verhandlung entfällt, weil sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet und eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde (§ 51e Abs.3 Z2 VStG).

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl.Nr. 450/1994 idgF, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. Gemäß § 118 Abs.3 leg. cit. gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Weil das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld nicht angefochten wurde, ist es in Rechtskraft erwachsen. Es ist daher dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, zur rechtlichen Beurteilung Ausführungen zu treffen.

 

5.2. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen

 

Die belangte Behörde ist in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses davon ausgegangen, dass ein Wiederholungsfall nicht vorliegt. Sie hat der Strafbemessung ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000 Euro sowie den Besitz eines Einfamilienhauses und keine Sorgepflichten zugrundegelegt. Besondere Erschwerungs- oder Milderungsgründe waren nicht zu werten.

 

Zu den Äußerungen der belangten Behörde hinsichtlich eines "Wiederholungsfalles" ist auszuführen, dass es sich bei dem Ausdruck "im Wiederholungsfall" nach § 130 Abs.5 Einleitungssatz ASchG um ein Tatbestandsmerkmal handelt, welches noch innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist vorzuwerfen ist. Ein nachträglicher Tatvorwurf ist daher nicht mehr möglich. Zur Erfüllung des Tatbestandes "im Wiederholungsfall" ist aber erforderlich, dass eine rechtskräftige einschlägige Vorstrafe, und zwar hinsichtlich des selben Täters vorliegt. Die einschlägige Vorstrafe muss bereits zum Zeitpunkt der Tat rechtskräftig sein (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, zu § 19 VStG mit Nachweisen).

 

Im Fall der Erfüllung dieser Voraussetzung hat dies zur Folge, dass dieses erschwerende Element bereits im Tatvorwurf enthalten ist und daher auch in der erhöhten Strafdrohung, nämlich im erhöhten Strafsatz, seinen Ausdruck findet. Es darf daher die rechtskräftige Vorstrafe, welche im Übrigen einen Erschwerungsgrund darstellt, nicht mehr als Erschwerungsgrund gewertet werden.

 

Bei der gegenständlichen Strafbemessung ist die belangte Behörde in ihrer Begründung von dem Nichtvorliegen eines Wiederholungsfalles ausgegangen, was auch zu Recht erfolgt ist. Wie nämlich aus dem beigelegten Verwaltungsstrafakt ersichtlich ist, betrifft die rechtskräftige Vorstrafe den weiteren handelsrechtlichen Geschäftsführer der R GembH, Herrn JR. Eine solche Verwaltungsvorstrafe kann, weil es im Österreichischen Recht um ein Verschuldensstrafrecht und daher um ein täterbezogenes Strafrecht geht, nicht dem nunmehrigen Beschuldigten angelastet werden. Es ist daher die belangte Behörde rechtsrichtig davon ausgegangen, dass auch kein Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe vorliegt. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sind im Übrigen keinerlei Verwaltungsvorstrafen zu Lasten des Beschuldigten ersichtlich. Es war daher die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Beschuldigten als Milderungsgrund zu berücksichtigen. Dies hat die belangte Behörde bei ihrer Strafbemessung unterlassen. (Arg. "keine Milderungsgründe").

 

Es war daher von der verhängten Geldstrafe abzugehen und in entsprechender Würdigung des Milderungsgrundes und Beurteilung des Nichtvorhandenseins eines Wiederholungsfalles die verhängte Geldstrafe spruchgemäß herabzusetzen. Im Übrigen hat die belangte Behörde durchschnittliche Einkommensverhältnisse sowie die Vermögenssituation des Beschuldigten berücksichtigt. Dem hat der Berufungswerber nichts entgegen gesetzt. Weitere Strafbemessungsgründe kamen nicht hervor. Es konnte daher in Anbetracht der erstmaligen Tatbegehung des Berufungswerbers mit dem nunmehr festgesetzten Ausmaß der Geldstrafe das Auslangen gefunden werden.

 

Gemäß § 16 Abs.1 VStG war entsprechend auch die Ersatzfreiheitsstrafe herabzusetzen.

 

Die verhängte Geldstrafe war aber insofern erforderlich, als drei Arbeitnehmer von der Verwaltungsübertretung betroffen waren und die Absturzhöhe immerhin 6 Meter betrug. Es ist daher ein erhöhter Unrechtsgehalt der Tat, nämlich ein massiver Eingriff in die schutzwürdigen Interessen der Arbeitnehmer gegeben.

 

5.4. Auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 2002, Zl. 2002/02/0037-6, wird besonders hingewiesen, wonach mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe - wie im Beschwerdefalle - gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten, und daher gemäß § 22 VStG und dem darin normierten Kumulationsgebot mehrere Verwaltungsübertretungen vorliegen, weshalb für jede Verwaltungsübertretung eine gesonderte Strafe zu verhängen ist. In Anbetracht der vorliegenden Rechtskraft hinsichtlich der Schuld und der damit verbundenen rechtlichen Beurteilung als eine Verwaltungsübertretung war daher auch das Strafausmaß nur ein mal zu bemessen.

 

6. Gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG musste der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz auf 10 % der nunmehr verhängten Strafe reduziert werden; gemäß § 65 VStG war zum Berufungsverfahren kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Klempt
 
 

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