Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280680/2/Ga/He

Linz, 17.12.2003

 

 

 

VwSen-280680/2/Ga/He Linz, am 17. Dezember 2003

DVR.0690392 

 

E R K E N N T N I S

 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des H R vertreten durch H L Rechtsanwälte GmbH, Rechtsanwälte in L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16. April 2003, Zl. Ge96-26-2002/Ew, wegen Übertretung von Arbeitszeitvorschriften in mehreren Fällen, zu Recht erkannt:
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren in allen Fakten eingestellt.
Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z2 und 3, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.
 

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 16. April 2003 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe in seiner Eigenschaft als gem. § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin G T Gesellschaft m.b.H., Sitz in P, dafür einzustehen, dass, wie vom AI auf Grund der Durchsicht von Mitteilungen der Sicherheitsbehörden festgestellt und angezeigt worden sei, gegenüber namentlich genannten Arbeitnehmern als Lenker von Lastkraftwagen in jeweils näher umschriebener Weise (durch Angabe genauer Zeiträume an bestimmten Tagen im Oktober, November und Dezember des Jahres 2001) gegen Arbeitszeitvorschriften verstoßen worden sei, nämlich:
1. A bis I durch Überschreitung der zulässigen Tageslenkzeit; 2. A bis H durch Nichtgewährung der vorgeschriebenen Ruhezeit.
Dadurch habe der Berufungswerber folgende Rechtsvorschriften verletzt: zu 1. A bis I § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm Art.6 Abs.1 VO (EWG) 3820/85; zu 2. A bis H § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm Art.8 Abs.1 VO (EWG) 3820/85.
 
Wegen dieser insgesamt 17 Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber in allen Fällen gemäß § 28 Abs.1a AZG Geldstrafen zwischen 500 € und 1.000 € kostenpflichtig verhängt und Ersatzfreiheitsstrafen festgesetzt.
 
Über die gegen dieses Straferkenntnis erhobene, Aufhebung und Einstellung in allen Fällen (mit dem zu Gunsten seiner Schuldlosigkeit vorgetragenen Einwand eines ausreichenden Kontrollsystems) begehrende Berufung hat der Unabhängige Verwaltungssenat nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:
 
Weder die objektiven Tatsachverhalte des Schuldspruchs hinsichtlich der überschrittenen Tageslenkzeiten und der unterschrittenen Ruhezeiten der angeführten Fahrer (welche Lkw sie bei den inkriminierten Fahrten gelenkt haben sollen, blieb in der Anlastung des Schuldspruchs und allen vorgängigen Verfolgungshandlungen allerdings unbestimmt) noch die Haftung des Berufungswerbers als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung (jedenfalls) des Arbeitszeitgesetzes durch die von ihm vertretene Gesellschaft sind im Berufungsfall strittig.
 
Dennoch war das angefochtene Straferkenntnis unter objektiven Gesichtspunkten aus rechtlichen Gründen (vergleichbar dem mit dem h. Erkenntnis vom 30.9.2003, VwSen-280658/26/Ga/Pe, entschiedenen Fall) aufzuheben.
 
Bei den in Rede stehenden Fahrten hat es sich, was die Anzeige des AI vom 18. Februar 2002 (durch eine jeweils zwar allgemein formulierte, nicht aber auf die konkrete Fahrt bezogene Erwähnung) immerhin anzudeuten scheint, möglicherweise um Transporte im internationalen Straßenverkehr gehandelt.
Für Fälle dieser Konstellation ist durch die Judikatur klargestellt, dass unterschieden werden muss, ob es sich um einen internationalen oder innerstaatlichen Straßenverkehr handelt; bei ersterem ist ferner die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen innergemeinschaftlichen oder einen Straßenverkehr von bzw. nach Drittländern handelt. Dies ist aus § 28 Abs.3 und Abs.4 AZG abzuleiten, wonach gemäß letzter Vorschrift für Verstöße gegen die im Abs.1a und Abs.1b angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr die Verjährungsfrist abweichend vom § 31 Abs.2 VStG ein Jahr beträgt.
Ein entsprechender Hinweis im Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses ist daher als wesentliches Tatbestandsmerkmal erforderlich (vgl. VwGH 20.2.2001, 2000/11/0294), um eine ausreichende Individualisierung der Tat zu erreichen und damit dem Bestimmtheitsgebot des § 44a Z1 VStG zu entsprechen (vgl. VwGH 23.10.2001, 2000/11/0273). Im Berufungsfall ist dieser Hinweis in den Schuldsprüchen (und bezüglichen Verfolgungshandlungen) zu 1. und 2. unterblieben.
 
Anders jedoch als in jenen, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0294, zugrunde liegenden Fallkonstellationen wurde vorliegend:

  • das angefochtene Straferkenntnis bereits außerhalb der hier möglicherweise maßgeblich gewesenen einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist erlassen;
  • enthält das angefochtene Straferkenntnis im Schuldspruch (und auch in der Begründung) nichts, was als Hinweis auf die Tachographenscheiben und auf eine Auswertung derselben zu erkennen wäre;
  • gilt gleiches für die erste Verfolgungshandlung in diesem Fall, das ist die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13.3.2002;
  • waren die Tachographenscheiben nur der Anzeige des AI vom 18.2.2002 angeschlossen, nicht jedoch der ersten Verfolgungshandlung (die AzR vom 13.3.2002, der die Anzeige auch nicht als Beilage mitgegeben gewesen ist); die an verschiedene Behörden zwecks zeugenschaftlicher Vernehmung bestimmter Lenker gleichlautend gerichtet gewesenen Rechtshilfeersuchen vom 28.10.2002 formulierten als Vernehmungsthema nicht Fragen zu den konkreten Verstößen, sondern dezidiert nur betreffend das vom Beschuldigten eingewendete Kontrollsystem; davon abgesehen waren ihnen weder die zit. Anzeige noch die Tachographenscheiben angeschlossen.

Aus diesen Gründen wurde zu allen Fakten unter 1. und 2. eine dem Bestimmtheitsgebot im dargelegten Verständnis entsprechende Verfolgungshandlung nicht gesetzt, weshalb die Schuldsprüche aufzuheben waren und die Einstellung, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, zu verfügen war.
Dieses Verfahrensergebnis entlastet den Berufungswerber zu allen Fakten auch von der Kostenpflicht.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 € zu entrichten.
 

 

Mag. Gallnbrunner