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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280178/2/Kl/Pe

Linz, 02.03.2004

 

 

 VwSen-280178/2/Kl/Pe Linz, am 2. März 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn G L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. G & Dr. K & Mag. P Partnerschaft, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.1.2004, Ge96-98-2002/Si, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der Behörde aufgehoben.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 27 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.1.2004, Ge96-98-2002/Si, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 1) 500 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden), 2) von 700 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) und 3) von 1.000 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) wegen Verwaltungsübertretungen nach § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm 1) und 2) §§7 Abs.1 und 2 Z3 bzw. Z1, 8, 9 und 10 BauV und §) § 87 Abs.3 und 5 Z2 BauV verhängt, weil er als zum Tatzeitpunkt zur Vertretung nach außen berufener handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit Verantwortlicher gemäß § 9 Abs.1 VStG der "J K Baugesellschaft m.b.H" mit Sitz und einer Zweigniederlassung in, zu vertreten hat, dass, wie von einem Organ des Arbeitsinspektorates Linz im Zuge einer Besichtigung der Baustelle der o.a. Gesellschaft in, Gemeinde, (neben Nr. , Neubau Herr S) am 11.3.2002 festgestellt wurde, am 11.3.2002

  1. insgesamt fünf Arbeitnehmer der o.a. Gesellschaft mit verschiedenen Arbeiten zur Herstellung eines Rohbaues beschäftigt wurden, ohne dass trotz Absturzgefahr bei einer Außenwandöffnung an der Ostseite des Rohbaues bei einer Absturzhöhe von ca. 2,0 m Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht wurden, obwohl gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) bei Absturzgefahr (gemäß § 7 Abs.2 Z3 BauV liegt Absturzgefahr unter anderem an Wandöffnungen vor) Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen sind,
  2. die unter Punkt 1. angeführten Arbeitnehmer der o.a. Gesellschaft mit verschiedenen Arbeiten zur Herstellung des genannten Rohbaues beschäftigt wurden, ohne dass der offene Teil der Stiegenhausöffnung in der Decke zum Dachgeschoß trotz einer möglichen Absturzhöhe von ca. 3 - 5 m mit entsprechenden Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen versehen war (die Steigenhausöffnung im Ausmaß von ca. 2 x 3 m war nur etwa zu einem Drittel mit Schaltafeln abgedeckt, der offene Teil war jedoch mit keinerlei Absturzsicherungen versehen), obwohl gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) bei Absturzgefahr (gemäß § 7 Abs.2 Z1 BauV liegt Absturzgefahr bei Öffnungen und Vertiefungen im Fuß- oder Erdboden, wie Schächten, Kanälen, Gruben, Gräben und Künetten, bei Öffnungen in Geschoßdecken, wie Installationsöffnungen oder in Dächern, wie Lichtkuppeln oder Sheddachöffnungen vor) Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) anzubringen sind,
  3. zwei Arbeitnehmer der o.a. Gesellschaft (z.B. Herr P M) auf der Nordseite des Daches bei einer Dachneidung von ca. 30° und einer Absturzhöhe von ca. 4,5 m am Dachsaum mit Arbeiten beschäftigt wurden, ohne dass diese mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt waren, obwohl gemäß § 87 Abs.5 Z2 BauV bei Arbeiten am Dachsaum oder im Giebelbereich das Anbringen von Schutzeinrichtungen nach Abs.3 entfallen darf, in diesem Falle die Arbeitnehmer jedoch mittels Sicherheitsgeschirr angeseilt sein müssen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu Herabsetzung der Geldstrafe beantragt. Begründend wurde darauf hingewiesen, dass am 11.3.2002 erst um ca. 8.30 Uhr nach längerer Unterbrechung auf dieser Baustelle die Arbeiten wieder aufgenommen wurden und daher kurz nach der Wiederaufnahme der Arbeiten noch nicht allen Schutzvorschriften entsprochen sein konnte, weil die Arbeiter erst damit beschäftigt waren, die Baustelle wieder in Betrieb zu nehmen und die Absicherungsmaßnahmen zu setzen. Die Arbeiter und Vorarbeiter waren genau instruiert über die erforderlichen Schutzeinrichtungen und informiert, bei Arbeiten im Dachbereich bei Absturzgefahr das Arbeitsgeschirr anzulegen und sich anzuseilen. Der Geschäftsführer hat einen Verantwortlichen bestellt, den Angestellten Ing. J W, welcher speziell für diese und derartige Baustellen bestellt ist. Der Vorarbeiter hätte für die Anbringung der Absicherungsarbeiten Sorge tragen müssen, wie auch der genannte Ing. Josef Wimmer, der ständig überprüft und kontrolliert. Er ist zum verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten der Firma bestellt. Es hätte daher der Vorarbeiter M W sowie auch Ing. J W über die Bauüberwachung einvernommen werden müssen. Weiters ist die verhängte Geldstrafe zu hoch. Der Berufungswerber verdient 1.200 Euro netto. Darüber hinaus wurde die Verwaltungsübertretung in Traberg begangen und ist daher die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land für das Verwaltungsstrafverfahren nicht zuständig.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme. Weil bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 27 Abs.1 VStG ist örtlich die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand führende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.

 

Dem Berufungswerber werden als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit nach außen zur Vertretung berufenes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG der "J K Baugesellschaft m.b.H mit Sitz und einer Zweigniederlassung in" dann näher bezeichnete Zuwiderhandlungen gegen die BauV vorgeworfen, wobei diese Zuwiderhandlungen auf der Baustelle in Traberg, Gemeinde Oberneukirchen, festgestellt wurden.

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist, wenn dem Beschuldigten die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet wird, für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend, an dem der Beschuldigte tätig hätte werden sollen (handeln hätte sollen). Das ist jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (VwGH 14.5.1990, 90/19/0018 u.a., 25.3.1994, 94/02/0026).

Wird ein zur Vertretung einer juristischen Person nach außen befugtes Organ gemäß § 9 Abs.1 VStG verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen, so ist im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes Tatort der Verwaltungsübertretung der Sitz der Unternehmensleitung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären (VwGH 24.6.1994, 94/02/0021).

 

Unzweifelhaft steht fest, dass mit dem vorgeworfenen Verhalten die Unterlassung von gebotenen Vorsorgehandlungen bezeichnet wurde und im Spruch des Straferkenntnisses der Sitz der J K Baugesellschaft m.b.H in genannt wurde. Dieser geht auch unzweifelhaft aus dem im Akt befindlichen Firmenbuchauszug hervor. Aus dem Firmenbuchauszug ist auch die Zweigniederlassung in ersichtlich. Allerdings geht weder aus dem Akt noch aus den Äußerungen des Beschuldigten hervor, dass der Sitz der Unternehmensleitung und daher die Unternehmensleitung woanders ausgeübt wird, als am im Handelsregister angegebenen Firmensitz in.

Es ist daher unzweifelhaft Tatort der Sitz des Unternehmens, also.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ändert der Umstand, dass eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen ist und die ihr im Rahmen des Gesamtunternehmens übertragenen Geschäfte selbständig besorgt, an der örtlichen Zuständigkeit der Behörde am Sitz des Unternehmens (nicht der Zweigniederlassung) zur Untersuchung und Bestrafung von Verwaltungsübertretungen iSd § 27 Abs.1 VStG nichts (E vom 26.3.1997, 97/03/0031 sowie 21.1.1988, 87/98/0027). Nach dieser Judikatur ist daher die Zweigniederlassung in nicht Tatort.

4.2. Wenn hingegen der Beschuldigte sich auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten iSd § 9 Abs.2 VStG beruft, so ist für die Zweigniederlassung in eine gültige Bestellung nicht zu Stande gekommen, zumal das anzeigende Arbeitsinspektorat Linz in seiner Anzeige vom 14.3.2002 ausdrücklich anführt, dass dem Arbeitsinspektorat keine Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 ArbIG gemeldet wurde. Da aber eine entsprechende Meldung nach § 23 ArbIG unbedingt für die Rechtswirksamkeit erforderlich ist, ist sohin von keiner wirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Hinblick auf die Zweigniederlassung auszugehen. Mangels einer rechtsgültigen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für die Zweigniederlassung in, ist daher auch unter diesem Aspekt eine Zuständigkeit der belangten Behörde für den Standort dieser Zweigniederlassung nicht gegeben.

 

Es wurde daher das gegenständliche Straferkenntnis von der unzuständigen Behörde erlassen.

Gemäß § 6 Abs.1 Satz 1 AVG, welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet, hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Die Zuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen und aufzugreifen.

 

Es hat der unabhängige Verwaltungssenat spruchgemäß das angefochtene Straferkenntnis mangels Zuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

 

Weil Verfolgungsverjährung aber nicht eingetreten ist, war nicht mit Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens vorzugehen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

Beschlagwortung:

Tatort, Unternehmenssitz, nicht Zweigniederlassung

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