Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280737/6/Wim/RSt

Linz, 31.05.2006

 

 

 

VwSen-280737/6/Wim/RSt Linz, am 31. Mai 2006

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn M. N., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. P. F., T., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 19.4.2004, Ge96-7-2004-GRM/KM, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (AZG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 8.5.2006, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z.3, 51 und 51c Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) der Verwaltungsübertretungen zu 1) gemäß Art.6 Abs.1 EG-VO 3820 iVm dem KV gemäß § 28 Abs.1a Z4 AZG, zu 2) gemäß Art. 8 Abs.1 EG-VO 3820 iVm dem KV gemäß § 28 Abs.1a Z2 AZG und zu 3) gemäß Art.7 Abs.1 EG-VO 3820 iVm dem KV gemäß § 28 Abs.1a Z6 AZG für schuldig erkannt und werden über ihn Geldstrafen zu 1) und 2) in der Höhe von je 600 Euro und zu 3) in der Höhe von 150 Euro, falls diese uneinbringlich sind, Ersatzfreiheitsstrafen zu 1) und 2) in der Dauer von vier Tagen und zu 3) in der Dauer von einem Tag verhängt.

 

Ferner wurde der Bw gemäß § 64 VStG verpflichtet 135 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen.

 

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben es als Gewerbeinhaber in Ausübung des Gewerbes ‚Gewerbsmäßige Beförderung von Gütern mit zehn (10) Kraftfahrzeugen des Straßenverkehrs im grenzüberschreitenden Güterverkehr (Gewerbeschein ausgestellt vom Landeshauptmann von Oberösterreich am 21.12.1998, GZ: VerkGe-211.470/5-1998/Sie) am Standort A-46 W., W., Arbeitgeber folgende durch ein Arbeitsinspektionsorgan des Arbeitsinspektorates Wels anlässlich einer Kontrolle der Tachografenschaublätter festgestellte Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verantworten:

Der Arbeitnehmer F. S., geb. am 8.9.1939, beschäftigt im Güterbeförderungsunternehmen N. M., W., 46 W., als Lenker eines Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen LL das der Güterbeförderung dient, und dessen höchstzulässiges Gesamtgewicht 3,5 Tonnen übersteigt, wurde laut den vorliegenden Tachografenschaublättern zu folgenden gesetzwidrigen Arbeitszeiten herangezogen:

 

1. Überschreiten der täglichen Lenkzeit:

von

bis

Stunden/Minuten

2. Okt. 2003, 04:20 Uhr

3. Okt. 2003, 22:45 Uhr

25 Std. 5 Min

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 6 Abs.1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach die tägliche Lenkzeit zwischen zwei Ruhezeiten an zwei Tagen pro Woche zehn Stunden, an den übrigen Tagen neun Stunden nicht überschreiten darf.

 

2. Unterschreiten der Ruhezeiten:

Beginn (des 24-Stunden Zeitraums)

Ende

Dauer der Ruhezeit

2. Okt. 2003, 04:20 Uhr

3. Okt. 2003, 04:56 Uhr

3 Std. 40 Min.

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 8 Abs.1 der EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV dar, wonach innerhalb jenes Zeitraumes von 24 Stunden eine ununterbrochene tägliche Ruhezeit von mindestens elf Stunden zu gewähren ist. Diese Ruhezeit darf bei entsprechendem Ausgleich verkürzt werden, und zwar auf nicht weniger als neun zusammenhängende Stunden.

Hinweis:

Es liegt keine zulässige Teilung der täglichen Ruhezeit gemäß Art.8 Abs.1 EG-VO 3820 in Verbindung mit dem KV vor.

 

3. Nichteinhalten der vorgeschriebenen Unterbrechung/Lenkpause:

Die Unterbrechung/Lenkpause wurde durchgeführt:

von

bis

Std.

Min.

2. Okt. 2003

16:00 Uhr

3. Okt. 2003

0:40 Uhr

8

5

3. Okt. 2003

16:15 Uhr

3. Okt. 2003

22:45 Uhr

6

5

Dies stellt eine Übertretung des Artikels 7 Abs.1 der EG-VO 3820/85 in Verbindung mit dem KV dar, wonach nach einer ununterbrochenen Lenkzeit von höchstens viereinhalb Stunden eine Unterbrechung/Lenkpause von mindestens 45 Minuten einzuhalten ist."

 

2. Dagegen hat der Bw durch seinen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Begründend wurde vorgebracht, dass der Bw erstmals im gegenständlichen Straferkenntnis mit dem Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystems konfrontiert wurde, was als Verfahrensmangel gerügt wird. Die belangte Behörde habe eigene, vollkommen neue Ermittlungsergebnisse zugrunde gelegt und dem Bw anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme keine Möglichkeit zur Rechtfertigung zu den nunmehr vorgeworfenen rechtlichen Feststellungen gegeben, weshalb eine Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs vorliege. Die belangte Behörde sei verpflichtet gewesen, den Bw über die neuerlichen Erhebungsereignisse sowie über die rechtlichen Aspekte dieser in Kenntnis zu setzen und ein Stellungnahmerecht einzuräumen, wodurch das Recht auf Parteiengehör verletzt wurde. Ohne Verletzung des Parteiengehörs wäre es dem Bw ein leichtes gewesen, den Vorwurf eines nicht funktionierenden Kontrollsystems zu entkräften sowie darzutun, dass nach Kenntnis der Arbeitszeitüberschreitung die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Entlassung ausgesprochen wurde, weshalb es für den Bw jedenfalls zu einer günstigeren Entscheidung gekommen wäre. Aus diesem Grunde sei das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig ergangen.

Weiters wird ausgeführt, dass die im angefochtenen Straferkenntnis getroffenen Feststellungen nicht den Tatsachen entsprechen. Für den betretenen Lenker habe kein zeitlicher Druck bestanden und werde jeder Lenker im Unternehmen striktest angewiesen, die gesetzlich vorgegebenen Lenk- und Ruhezeiten bzw. Lenkpausen einzuhalten. Der Bw habe ein lückenloses Kontrollsystem, da nach sämtlichen Fahrten die Tachographenblätter durch den Bw überprüft werden. Der gegenständliche Lenker sei unverzüglich nach Rückkehr auf das Firmengelände unter Vorlage der Tachographenblätter zur Rede gestellt worden und aufgrund der durchgeführten Kontrolle und Feststellung, dass die Lenkzeiten nicht eingehalten bzw. die Ruhezeiten deutlich unterschritten worden seien, sofort entlassen worden.

Ebenfalls wurde unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht und beantragt, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben sowie eine Berufungsverhandlung anzuberaumen.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 8.5.2006, an welcher der Bw und sein Rechtsvertreter, die belangte Behörde sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates W teilgenommen haben.

 

3.2. Der Bw brachte in der Berufungsverhandlung noch weiters vor, dass sein Transportunternehmen seit September 2004 nicht mehr existiere, er für zwei Kinder sorgepflichtig sei und seine Ehegattin halbtags beschäftigt sei. Der betretene Lenker sei nur von 1. bis 3.10.2003 beim Bw beschäftigt gewesen. Der Lenker habe eigenmächtig die Rückfahrt in Form einer Leerfahrt nach Österreich angetreten, obwohl er mehrere Ladestellen in Italien gehabt hätte. Daraufhin sei er sofort wieder entlassen worden. Hinsichtlich des Kontrollsystems führte der Bw aus, dass jeder Fahrer ein Fahrerhandbuch bekommen habe, in welchem die detaillierten Regelungen über das AZG, insbesondere Lenk-, Fahr- und Ruhezeiten sowie die Konsequenzen bei Verstößen gegen die Arbeitszeit (z.B. Entlassung) enthalten waren. Den Erhalt des Fahrerhandbuches mussten die Fahrer schriftlich bestätigen. Überdies seien auch die Tachographenblätter am Wochenende eingesammelt und kontrolliert worden.

Abschließend wurde vom Rechtsvertreter des Bw der Berufungsantrag insofern erweitert, als in eventu auch der Ausspruch einer Ermahnung bzw. die Herabsetzung der Strafe beantragt wurde.

 

Vom Vertreter des Arbeitsinspektorates wurde noch die Einvernahme eines weiteren Zeugen beantragt.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

Gemäß § 44a Zi.1 VStG hat der Spruch eines Bescheides, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als Erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Eine diese Bestimmung entsprechende Tatumschreibung erfordert nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter anderem, einem Beschuldigten das zur Last gelegte Verhalten unter Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale vorzuhalten.

 

Aus § 28 Abs.4 AZG ergibt sich, dass für alle Verstöße gegen die VO 3820/85 der "internationale (innergemeinschaftliche)" Straßenverkehr ein gemeinsames und auch wesentliches Tatbestandsmerkmal ist. (Siehe unter anderem VwGH 2004/11/0161 vom 16.12.2004, 2000/11/0294 vom 20.2.2001)

 

Obwohl in der entsprechenden Strafanzeige des Arbeitsinspektorrates in Wels vom 2. Dezember 2003 noch diesen Aspekt beinhaltet hat, wurde er von der Erstbehörde in den Tatvorwurf der Aufforderung zur Rechtfertigung und auch im gesamten weiteren Verfahren nicht aufgenommen. Mangels nunmehr eingetretener Verfolgungsverjährung konnte dieser Mangel auch nicht mehr im Berufungsverfahren saniert werden.

 

Es war daher aus formalen Gründen spruchgemäß zu entscheiden. Der zusätzliche Beweisantrag des Arbeitsinspektorates war somit nicht mehr relevant.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Wimmer

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