Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280738/3/Ga/Da

Linz, 23.12.2004

 

 

 VwSen-280738/3/Ga/Da Linz, am 23. Dezember 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich (UVS) hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des H R vertreten durch H, Rechtsanwälte in L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7. April 2004, Ge96-95-2002/Ew, wegen Übertretung von Arbeitszeitvorschriften in mehreren Fällen, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird stattgegeben; das Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren in allen Fakten eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:
Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 7. April 2004 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe in seiner Eigenschaft als gem. § 9 Abs.2 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter der Arbeitgeberin G., Sitz in P, dafür einzustehen, dass, wie vom AI auf Grund der Durchsicht von Mitteilungen der Sicherheitsbehörden festgestellt und angezeigt worden sei, gegenüber namentlich genannten Arbeitnehmern als Lenker von (durch die Kennzeichen) bestimmten Lastkraftwagen im internationalen innergemeinschaftlichen Straßenverkehr sowie im internationalen Straßenverkehr mit Drittländern in jeweils näher angegebener Weise (durch Beschreibung der von den Lenkern zurückgelegten Fahrstrecken in Verbindung mit der Anführung genauer Zeiträume an bestimmten Tagen im Jänner des Jahres 2002) gegen Arbeitszeitvorschriften verstoßen worden sei, nämlich:
A.1. bis A.12. durch Überschreitung der zulässigen Tageslenkzeit; B.1. bis B.9. durch Nichtgewährung der vorgeschriebenen täglichen Ruhezeit.
Dadurch habe der Berufungswerber folgende Rechtsvorschriften verletzt: zu A.1. bis A.12. § 28 Abs.1a Z4 AZG iVm Art. 6 Abs.1 VO (EWG) 3820/85; zu B.1. bis B.9. § 28 Abs.1a Z2 AZG iVm Art. 8 Abs.1 VO (EWG) 3820/85.
Wegen dieser insgesamt 21 Verwaltungsübertretungen wurden über den Berufungswerber in allen Fakten gemäß § 28 Abs.1a AZG Geldstrafen zwischen 100 Euro und 200 Euro kostenpflichtig verhängt und Ersatzfreiheitsstrafen festgesetzt.
 
Über die gegen dieses Straferkenntnis im ganzen Umfang erhobene, Aufhebung und Einstellung aus dem Grund des zunächst vorgetragenen Einwandes der Verfolgungsverjährung begehrende Berufung hat der UVS nach Einsicht in den zugleich vorgelegten Strafverfahrensakt der belangten Behörde erwogen:
 
Im Berufungsfall unbestritten blieb die Haftungsdelegierung auf den Berufungswerber als verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung (jedenfalls auch) des AZG durch die involvierte Gesellschaft sowie in sachverhaltsmäßiger Hinsicht die jeweils überschrittenen Tageslenkzeiten und jeweils unterschrittenen Ruhezeiten auf den jeweiligen Fahrstrecken durch die angeführten Fahrer.
 
Der Berufungswerber bestreitet allerdings die Rechtmäßigkeit des Straferkenntnisses, weil hinsichtlich aller Fakten Verfolgungsverjährung eingetreten sei und das Straferkenntnis daher nicht mehr hätte gefällt werden dürfen. Zwar enthalte der Tatvorwurf des Straferkenntnisses den im Hinblick auf die einschlägige Judikatur für die Erfüllung des Straftatbestandes in sämtlichen Fakten wesentlichen Hinweis, dass die Arbeitnehmer bei Transporten im internationalen (innergemeinschaftlichen bzw mit Drittländern stattgefundenen) Straßenverkehr beschäftigt worden seien. Diese für die Tatkonkretisierung im Berufungsfall wesentlichen Angaben hätten jedoch sämtliche, dem Straferkenntnis vorangegangenen Verfolgungshandlungen noch nicht enthalten und seien daher dem Berufungswerber zum ersten Mal mit dem Straferkenntnis bereits außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen worden.
 
Mit dem Einwand der Verfolgungsverjährung ist der Berufungswerber im Recht.
 
Auch wenn das angefochtene Straferkenntnis vom 7. April 2004 in seiner Sachverhaltsannahme Transporte im internationalen Straßenverkehr ausdrücklich erfasst, so geht dieser wesentliche Tatumstand schon aus dem Text der Anzeige des AI vom 8. Mai 2002 in keiner Weise hervor.
Für Transportfahrten, für die ein Arbeitgeber hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften durch die von ihm beschäftigten Lenker in Pflicht genommen wird, ist durch die Judikatur klargestellt, dass unterschieden werden muss, ob es sich um einen internationalen oder innerstaatlichen Straßenverkehr handelt; bei ersterem ist ferner die Unterscheidung zu treffen, ob es sich um einen innergemeinschaftlichen oder einen Straßenverkehr von bzw. nach Drittländern handelt. Dies ist aus § 28 Abs.3 und Abs.4 AZG abzuleiten, wonach gemäß letzterer Vorschrift für Verstöße gegen die im Abs. 1a und Abs. 1b des § 28 leg.cit. angeführten Rechtsvorschriften im internationalen Straßenverkehr die Verjährungsfrist abweichend vom § 31 Abs.2 VStG ein Jahr beträgt.
Ein entsprechender Hinweis im Spruch eines verurteilenden Straferkenntnisses ist daher als wesentliches Tatbestandsmerkmal erforderlich (vgl. VwGH vom 20.2.2001, 2000/11/0294), um eine ausreichende Individualisierung der Tat zu erreichen und damit dem Bestimmtheitsgebot des § 44a Z1 VStG zu entsprechen (vgl. VwGH 23.10.2001, 2000/11/0273). Im Berufungsfall wurde dieser Hinweis jeweils in der Einleitung zu A. und B. mit Geltung für sämtliche Fakten zwar in das Straferkenntnis aufgenommen (dies in Entsprechung der mittlerweile erflossenen, mit vergleichbaren Konstellationen denselben Beschuldigten / dieselbe belangte Behörde betreffenden h. Judikatur vom 30.9.2003, VwSen-280658, und Folgeentscheidungen), in allen vorgängigen Verfolgungsverhandlungen ist der entsprechende Hinweis jedoch unterblieben.
 
Anders als in jenen, dem vorhin zit. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Februar 2001, Zl. 2000/11/0294, zu Grunde liegenden Fallkonstellationen wurde vorliegend:
- das angefochtene Straferkenntnis bereits außerhalb der hier offenbar maßgeblich gewesenen einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist erlassen;
- waren in den Anlastungen sämtlicher Verfolgungshandlungen, die noch innerhalb der (je nach Faktum frühestens mit 7.1.2003, spätestens mit 22.1.2003 abgelaufenen) Verjährungsfrist gesetzt wurden, weder entsprechende, die Transportfahrt im internationalen Straßenverkehr beschreibende Sachverhaltselemente noch Vorhaltungen, aus denen ein Hinweis auf die Tachografenscheiben und auf eine Auswertung derselben für den Beschuldigten zu erkennen gewesen wäre, enthalten;
- waren die Tachografenscheiben nur der Anzeige des AI vom 8. Mai 2002 angeschlossen, nicht jedoch der ersten Verfolgungshandlung (die AzR vom 1.7.2002, der die Anzeige auch nicht als Beilage mitgegeben gewesen ist; gleiches gilt für das Rechtshilfeersuchen vom 30.12.2002 und das - bereits außerhalb der Verjährungsfrist ergangene - Rechtshilfeersuchen vom 15.4.2003). Das an verschiedene Behörden zwecks zeugenschaftlicher Vernehmung bestimmter Lenker gleichlautend gerichtet gewesene Rechtshilfeersuchen vom 30.12.2002 formulierte - ausgehend von der Rechtfertigung des Beschuldigten vom 22.8.2002 - als Vernehmungsthema keine Fragen zu den konkreten Verstößen bzw enthielt keine Angaben, die in irgendeiner Weise auf das Tatbestandsmerkmal "internationaler Straßenverkehr" Bezug genommen hätten. Vielmehr bezog sich das Ersuchen dezidiert nur auf das vom Beschuldigten eingewendete Kontrollsystem; davon abgesehen waren dem Ersuchen weder die zit. Anzeige noch die Tachografenscheiben angeschlossen.
 
Aus diesen Gründen wurde zu allen Fakten unter A. und B. eine dem Bestimmtheitsgebot im dargelegten Verständnis entsprechende Verfolgungshandlung innerhalb der hiefür offengestanden Frist nicht gesetzt.
Entgegen der Ansicht des AI (Stellungnahme vom 22.1.2004) vermag auch der handschriftliche Aktenvermerk vom 24. Juli 2002 ("Frau K W, Mitarbeiterin RA H, wurde eine Kopie der Anzeige angefertigt.") auf der AzR vom 1. Juli 2002, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass nicht nur die Anzeige, sondern mit ihr auch die Kopien von (allen) Tachografenscheiben mitübergeben worden wären, keine andere Beurteilung zu bewirken.
Diesfalls wäre nämlich zu berücksichtigen, dass die Übergabe von Kopien der Tachografenscheiben gänzlich formlos geschah, nämlich ohne dass die AzR vom 1. Juli 2002 auf irgendwelche aus den Tachografenscheiben ersichtlichen Sachverhalte ausgedehnt worden wäre. Aus dem Strafakt ist keinerlei bestimmte (innerhalb der Verjährungsfrist ergangene) Erklärung der belangten Behörde ersichtlich, der zufolge der Beschuldigte in seine Rechtfertigung, zu welcher er aufgefordert worden war, nun auch die Tachografenscheiben mit einzubeziehen hätte. Damit übereinstimmend wird eine solche Ausdehnung der Aufforderung auch nicht in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses dargetan.
Und schließlich wurden zu keiner Zeit des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Tachografenscheiben auch nicht etwa als Ermittlungsergebnis dem Beschuldigten / seiner Rechtsvertretung zu dem Zweck ausgehändigt, um dem Beschuldigten Parteiengehör zu den aus den Tachografenscheiben ersichtlichen Umständen zu gewähren.

In Anwendung der einschlägigen Judikatur (vgl VwGH 7.9.1990, 85/18/0186) auf den Berufungsfall hat die hier maßgebliche AzR vom 1. Juli 2002 wesentliche, der späteren Bestrafung zugrunde liegende Sachverhaltselemente nicht enthalten, dh. aus der Aufforderung war die später bestrafte Tat gerade nicht zu entnehmen, weil die AzR diese Tat nicht umschrieben hatte (abgesehen davon, dass auch aus dem Inhalt der Anzeige diese Tat nicht hervor ging, waren ihr Kopien der Tachografenscheiben ohne jede textliche Querverbindung bloß beigelegt und enthielt der Text der Anzeige auch keinerlei Angaben zu den jeweiligen Fahrstrecken der einzelnen Fakten).
Was im Besonderen noch die Tachografenscheiben für sich genommen anbelangt, so ging aus deren Inhalt zwar die später bestrafte Tat (hinsichtlich der in der AzR fehlenden Sachverhaltselemente) hervor, aber zu diesen dem Berufungswerber - offensichtlich - zur Kenntnis gebrachten Aktenstücken wurde er, wie er zutreffend nun zu seiner Verteidigung einwendet, nicht zur Rechtfertigung aufgefordert (weil, wie dargelegt, weder die Ergänzung der AzR durchgeführt wurde noch eine entsprechende Aufforderung in den fünf Monate nach der AzR gesetzten Rechtshilfeersuchen erfolgte).
Im Ergebnis steht fest, dass die hier wesentlichen Sachverhaltselemente betreffend das Tatbestandsmerkmal "internationaler Straßenverkehr" dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist nicht vorgehalten worden waren. Wenn im übrigen die AzR vom 1. Juli 2002 die Formulierung enthielt: "aufgrund der Durchsicht der Mitteilungen der Sicherheitsbehörden", so ist nach Auffassung des UVS daraus nicht ableitbar, dass sich hinter dieser Formulierung - für den Beschuldigten nicht erkennbar - die Tachografenscheiben verborgen haben könnten.
 
War aus allen diesen Gründen daher festzustellen, dass das angefochtene Straferkenntnis wegen bereits eingetreten gewesener Verfolgungsverjährung nicht hätte gefällt werden dürfen, so waren die Schuldsprüche aufzuheben und es war die Einstellung, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung für alle Fakten ausschließen, zu verfügen.
Dieses Verfahrensergebnis entlastet den Berufungswerber auch von der Kostenpflicht.
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 

 

Mag. Gallnbrunner