Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280761/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 03.11.2004

 

 

 VwSen-280761/2/Kl/Rd/Pe Linz, am 3. November 2004

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des H S, vertreten durch Rechtsanwälte G G & P OEG, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 1.9.2004, Ge96-115-2003-GRM/KM, wegen einer Übertretung des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 1.9.2004, Ge96-115-2003-GRM/KM, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 700 Euro sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.1 iVm §§ 7 Abs.2 Z4 und 7 Abs.4 BauV iVm § 118 Abs.3 ASchG sowie iVm § 130 Abs.5 Z1 ASchG verhängt.

Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Bei der Besichtigung der Baustelle am Betriebsgelände der V A Sl GesmbH in, Stahlwerk LD 3, Stranggussanlage CC6 der Firma H I F H GmbH mit Sitz in, wurde durch einen Arbeitsinspektor des Arbeitsinspektorates Linz der nachstehende Sachverhalt festgestellt und Sie haben somit als handelsrechtlicher Geschäftsführer der oa Firma und als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1991 idgF) Folgendes zu verantworten:

Der Arbeitnehmer (AN) S K war zwischen der Längsachse B und den Querachsen 0,23 bis 0,43 mit Stahlbau-Montagearbeiten beschäftigt. Dabei befand er sich völlig ungesichert auf einem ca. 80 cm breiten Stahlträger, dessen Oberfläche durch vormontierte Schienenhalterungen für die Kranbahn eine Vielzahl von möglichen Stolperstellen aufwies. Gänzlich ungesichert musste der Arbeitnehmer zB Konstruktionsteile vom Kranhaken des eingesetzten Mobilkranes lösen. Der Arbeitsplatz war nicht durch Absturzsicherungen im Sinne des § 8 BauV oder durch Schutzeinrichtungen im Sinne des § 10 BauV abgesichert.

Trotz Absturzgefahr waren für die Arbeiten in ca. 16,5 m Höhe (lt. Plan) keine Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) angebracht bzw war der oa AN nicht entsprechend sicher angeseilt.

Nach einer Kontrolle der Baustelle am 16. Juli 2003 wurde der Arbeitgeber am 21. Juli 2003 schriftlich auf die Einhaltung der Arbeitnehmer-Schutzbestimmungen aufmerksam gemacht.

Am 7. August 2003 wurde mit den Vorarbeitern (Poliere) vor Ort die Möglichkeit diverser Schutzsysteme besprochen.

Umgesetzt wurden sie, wie die Besichtigung am 8. August 2003 zeigt, nicht."

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Straferkenntnis mit Nichtigkeit behaftet sei, da dem Spruch kein konkreter Tatzeitpunkt zu entnehmen sei. Weiters wurde vorgebracht, dass es durch den Bw immer wieder zu regelmäßigen Unterweisungen der einzelnen Dienstnehmer, so auch des S K, gekommen sei. Sämtliche Unterweisungen seien von den Dienstnehmern unterfertigt, zur Kenntnis genommen und auch eingehalten worden. Die Unterweisungen seien so weit gegangen, dass bei Zuwiderhandeln die Entlassung gedroht habe. Der Bw sei daher seiner Pflicht, ein Kontroll- und Überwachungssystem aufzubauen und zumutbare Maßnahmen zu treffen, welche die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften mit gutem Grund erwarten lassen, nachgekommen. Auch seien bei der Einvernahme vor der belangten Behörde die entsprechenden unterfertigten Sicherheitsbelehrungen vorgelegt worden. Die vom Arbeitsinspektorat erfolgten Wahrnehmungen seien durchaus zutreffend, die Handlungen des Dienstnehmers K seien allerdings ohne Wissen und ohne Willen des Bw erfolgt, sodass dem Bw der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden könne. Es wird daher die Einstellung des Verfahrens beantragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG abgesehen werden.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

4.2. Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

Wie der Anzeige des Arbeitsinspektorates Linz vom 9. 8.2003 entnommen werden kann, wurde der im Spruch näher ausgeführte Tatvorwurf am 8.8.2003 anlässlich einer Besichtigung durch den Arbeitsinspektor Ing. W festgestellt.

 

Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 1.9.2003 - innerhalb des sechsmonatigen Verfolgungsjährungsfrist - wurde dem Bw der Sachverhalt, jedoch ohne Anführung eines konkreten Tattages, zur Kenntnis gebracht. In der Folge wurde von der belangten Behörde am 1.9.2004 das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen und darin erstmals der 8.8.2003 als Tattag angeführt.

Die belangte Behörde hat somit die Tatzeit jedoch erst nach Ablauf der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs.1 VStG als Verfolgungshandlung - in Form der Aufnahme in den Spruch des bekämpften Straferkenntnisses - vorgeworfen. Im Spruch wurde dem in § 44a Abs.1 VStG geforderten Konkretisierungsmerkmal zwar damit ausreichend Rechnung getragen, aber erst nach Eintritt der Verfolgungsverjährung und somit ohne fristhemmende Wirkung.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Da hinsichtlich des konkreten Tatzeitpunktes keine entsprechende fristgerechte Verfolgungshandlung getätigt wurde, war es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, eine dahingehende Spruchberichtigung vorzunehmen.

 

5. Da die Berufung Erfolg hatte, war auf das weitere Berufungsvorbringen nicht näher einzugehen. Ein Kostenbeitrag entfällt gemäß § 66 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Klempt
 
Beschlagwortung:
Tatzeit, Verjährung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum