Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-280824/21/Kl/Pe

Linz, 02.11.2005

 

 

 

VwSen-280824/21/Kl/Pe Linz, am 2. November 2005

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine IX. Kammer (Vorsitzender: Vizepräsident Mag. Dr. Steiner, Berichterin: Dr. Klempt, Beisitzerin: Mag. Bismaier) über die Berufung des F S, vertreten durch Dr. M P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 16.3.2005, Ge96-43-2003, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 13.9.2005 zu Recht erkannt:

 

 

 

 

 

 

    • Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz in der Fassung "BGBl. I Nr. 159/2001" und die Bauarbeiterschutzverordnung - BauV mit "BGBl. Nr. 340/1994 idgF" sowie die Strafnorm mit "§ 130 Abs.5 Einleitung ASchG" zu zitieren ist.
    • Der Berufungswerber hat einen Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind 600 Euro zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 16.3.2005, Ge96-43-2003, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 3.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.5 Z1 und § 118 Abs.3 ASchG iVm §§ 87 Abs.2 und 7 bis 10 BauV verhängt, weil er zum Zeitpunkt 16.9.2003 persönlich haftender Gesellschafter der B KG, nunmehr B D und S GmbH & Co KG, mit Firmensitz in war und somit gemäß § 9 VStG für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch dieses Unternehmen verantwortlich ist, dass am 16.9.2003 auf der Baustelle: (Fa. T - Errichtung einer Nassproduktion), der Arbeitnehmer C K mit Folienschweißarbeiten im Zuge der Dacheindeckung am Flachdach ohne geeignete Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen beschäftigt wurde, obwohl Absturzgefahr von ca. 12 m auf ein angrenzendes Dach und ca. 18 m auf das Terrain bestand. Dadurch konnte es geschehen, dass der Arbeitnehmer abstürzte und sich dabei schwer verletzte. Bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m müssen Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 BauV (Absturzsicherungen, Abgrenzungen, Schutzeinrichtungen) angebracht werden. Sie haben somit als Arbeitgeber nicht dafür gesorgt, dass trotz Absturzgefahr von einem Dach mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3 m die für die Arbeitnehmer erforderlichen Schutzeinrichtungen vorhanden waren. Lediglich an zwei Seiten des Flachdaches waren mehrreihige Metallrohrgerüste jedoch ohne die erforderlichen tragfähigen Schutzwände an der Außenseite der Gerüste angebracht. Die Höhe der Attika betrug ca. 40 cm und war somit als Absturzsicherung ebenfalls nicht geeignet.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und das Straferkenntnis zur Gänze angefochten. Es wurde Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht und insbesondere auf die Einvernahme des C O im Hinblick auf die Möglichkeit und technische Durchführbarkeit von Absturzsicherungen hingewiesen sowie auf die Einvernahme der Zeugen S und B, dass die Betriebsanweisung auf Empfehlung eines Mitarbeiters des Arbeitsinspektorates oder der AUVA erfolgt war. Weiters wären weitere Mitarbeiter der Firma Z zu hören. Schließlich wurde auch unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht, weil ein Gerüst nicht hat aufgestellt werden können, weil an der Vorderseite des Gebäudes für den Baustellenverkehr eine Einfahrt vorgesehen war und darüber hinaus an der Fassade zahlreiche Rohrleitungen angebracht waren, welche das Aufstellen eines Gerüstes offenbar nicht zugelassen haben. Auch musste auf dem Dach die Folie über die Attika aufgebracht werden, sodass ein Fangnetz zumindest vorübergehend wieder hätte entfernt werden müssen. Der verunfallte C K hätte während seiner Arbeiten die persönliche Schutzausrüstung zu verwenden gehabt, dies auch bei Vorhandensein eines Gerüstes oder Fangnetzes. Auch stamme die von sämtlichen Mitarbeitern des Unternehmens unterfertigte Betriebsanweisung von einem Mitarbeiter des Arbeitsinspektorates oder der AUVA, also von kompetenten Personen, sodass der Berufungswerber für spätere Arbeitsunfälle nicht rechtlich zur Verantwortung gezogen werden könne. Auch wurde Schuldlosigkeit geltend gemacht, weil trotz unterfertigter Betriebsanweisung nicht hinter jedem einzelnen Mitarbeiter nachkontrolliert werden könne. Das Unternehmen betrieb zum Unfallszeitpunkt insgesamt 62 Baustellen in Oberösterreich und Wien mit 22 Mitarbeitern. Eine Kontrolle jedes Mitarbeiters sei unzumutbar. Es wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme, insbesondere in die vorliegenden Fotos über den Tatort. Weiters wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung für den 13.9.2005 anberaumt und an diesem Tage durchgeführt. Zur mündlichen Verhandlung wurden der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter, die belangte Behörde und das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten geladen und haben an der Verhandlung teilgenommen. Für das Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien hat das Arbeitsinspektorat Linz an der Verhandlung teilgenommen. Weiters wurden die Zeugen C O, E S und W B, alle Firma B D und S GmbH & Co KG, sowie der Zeuge M B, Firma Z F GmbH & Co KG, sowie der AI Ing. D H vom Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien geladen und einvernommen. Der weiters geladene Zeuge S K ist nicht erschienen.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender entscheidungswesentliche Sachverhalt:

 

Der AI Ing. D H gibt bei seiner Einvernahme an, dass er als Arbeitsinspektor langjährig in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten beschäftigt ist und auch gerichtlich beeideter Sachverständiger für technisches Unfallwesen und Arbeitsschutz ist. Er hat die Unfallserhebung durchgeführt und dabei festgestellt, dass an der angetroffenen Baustelle auf zwei Seiten ein mehrreihiges Metallrohrgerüst vorhanden war, aber ohne Schutzblenden, dh ohne Netze oder Bretter. Die Oberkante der Brustwehr befand sich etwa 10 cm unter der Attika-Oberkante. Es sind Gerüstauflagen vorhanden, Dachschutzblenden sind nicht vorhanden. Es handelt sich um einen Hallenneubau und waren sämtliche Dacharbeiten für diesen Neubau durch die gegenständliche Firma durchzuführen. Diese Dacharbeiten nahmen mehrere Tage in Anspruch. Im Eingangsbereich der Halle war kein Gerüst vorhanden und befand sich im Bereich der Einfahrt bzw. des Einganges die Absturzstelle. Auch ist hier der Holzteil der Attika zu sehen. Im Absturzbereich gab es keine Absturzsicherung. Auch trug der Verunfallte keine persönliche Schutzausrüstung.

 

Zu möglichen Schutzeinrichtungen befragt, gab der Zeuge an, dass eine Möglichkeit wäre, das Metallrohrgerüst höher hinaufzuziehen, sodass sich die Gerüstlage in etwa in Höhe der Attika befindet und dann die Brustwehren in entsprechend weiterer Höhe, ca. 1 m über Attika, gelegen sind. Dann wären zusätzliche Netze oder Schutzwände nicht erforderlich. Eine andere Möglichkeit wäre eine Umwehrung, allerdings mit einem Abstandshalter, sodass eine Dachverkleidung über die Attika möglich ist.

 

Beim Eintreffen zu Unfallserhebung waren sämtliche Arbeiten eingestellt. Es wurde vereinbart, dass Restarbeiten unter Verwendung einer speziellen Öse in Verbindung mit einem Sicherheitsseil durchgeführt werden dürfen. Es sollten die Anschlagpunkte gleich bestimmt werden, um dort die persönliche Schutzausrüstung zu befestigen. Zum Zeitpunkt der Unfallerhebung jedoch war ein gemäß EN 795 entsprechender Anschlagspunkt nicht vorgewiesen worden.

 

Über Befragen gab der Zeuge auch weiters an, dass unter Verwendung der persönlichen Schutzausrüstung der Unfall vermieden hätte werden können, dass aber die persönliche Schutzausrüstung zwar unfallverhindernd wirke, aber nicht den Bauarbeiterschutzbestimmungen und einer ordnungsgemäßen Schutzausrüstung entspricht. Es waren aber nach seiner Erinnerung keine Sicherheitsseile auf dem Dach sichtbar und vorhanden. Allerdings waren persönliche Schutzausrüstungen in einem Container an der Baustelle vorhanden.

 

Der einvernommene Zeuge C O war zum Tatzeitpunkt Vorarbeiter an der Baustelle und ist bei der Firma B KG beschäftigt. Dass keine Schutzeinrichtungen verwendet wurden, wurde damit begründet, dass die Plane über die Attika gezogen werden musste und daher das Gerüst hätte weggenommen werden müssen. Er sagte daher den Arbeitnehmern, dass sie sich dort bei den Arbeiten angurten müssen. Auch hat er jeden Tag in der Früh den Arbeitnehmern gesagt, dass sie sich angurten müssen, wenn sie am Randbereich arbeiten. Wenn in der Mitte des Daches gearbeitet wird, war ein Angurten nicht erforderlich. Auch dem Verunfallten wurde dies gesagt. Der Zeuge hat den Unfall nicht beobachtet, weil er auf der anderen Seite des Daches sich befand. Zur Frage der Verantwortlichkeit für das Gerüst gibt der Zeuge an, dass jeder Polier geschult ist und dafür Soge zu tragen hat, dass das entsprechende Gerüst mitgenommen wird. Er selbst ist Sicherheitsvertrauensperson. Für diese Baustelle wurde aber von der Firma zugesagt, dass diese Baustelle von einer anderen Firma eingerüstet wird. Bei Eintreffen war an zwei Seiten schon ein Gerüst vorhanden, weil dort schon mit Vollwärmeschutzarbeiten begonnen worden war. Dieses Gerüst konnte mitbenützt werden. Es war geplant, die persönliche Schutzausrüstung bei der Metallleiter mit Metallplattform anzubringen. Die Seile reichen für die Arbeiten am gesamten Dach aus. Er ist als Vorarbeiter verantwortlich für die Arbeitnehmer. Ihm vorgesetzt ist der Berufungswerber. Dieser kommt zu Beginn der Arbeiten zur Baustelle. Kontrollen finden je nach dem, ob es Probleme gibt, jedenfalls einmal in der Woche statt. Auf dem Foto ist zwar eine persönliche Schutzausrüstung nicht erkennbar, allerdings ist er sich sicher, dass eine solche am Dach vorhanden war. Zu den Arbeiten führte er aus, dass zunächst auf dem niedrigeren Trakt, der an die hohe Halle angrenzt, ca. eine Woche gearbeitet wurde. Es handelte sich dabei um Sanierungsmaßnahmen. Dann sollte aber schnell auch das Flachdach der hohen Halle zugemacht werden, vermutlich um die vorhandenen elektrischen Anlagen zu schützen. Die Firma betreibt im Monat durchschnittlich 50 Baustellen. Die persönliche Schutzausrüstung der Arbeitnehmer befindet sich im Firmenbus, zusätzliche Arbeitnehmer haben einen Koffer in der Firma, der von ihnen mitgenommen wird. Zur Betriebsanweisung führt er aus, dass diese von einer Person der Arbeitsmedizin oder AUVA abgefasst wurde und auch angeraten wurde, dass jedem Polier und Arbeitnehmer dies zur Unterschrift zu geben ist. Der Vorarbeiter sah, dass an der Baustelle nur zwei Seiten eingerüstet waren, nahm aber keinen Kontakt mit seinem Chef auf, um zu fragen, was zu tun sei. Es wurde dem Verunfallten in der Früh gesagt, dass er die Schutzausrüstung zu verwenden habe, nachgesehen hat der Vorarbeiter nicht.

 

Der Zeuge W B bestätigte das Vorhandensein einer Betriebsanweisung, wonach ab einer bestimmten Höhe und Dachneigung Absturzsicherungen zu verwenden sind. Er habe auch so eine Betriebsanweisung unterschrieben. Wenn er eine Baustelle betreue, lege er auch fest, welche Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden. Dabei ist er selbständig und wird vom Berufungswerber nicht kontrolliert. Es erfolgt im Unternehmen eine Arbeitsteilung, dass manche Baustellen vom Berufungswerber betreut werden, manche Baustellen werden vom Zeugen betreut. Es erfolgte die Schriftlichkeit der Betriebsanweisung, sodass ein Nachweis vorhanden ist für den Fall eines Unfalles, dass tatsächlich eine Unterweisung stattgefunden hat.

 

Auch der Zeuge E S bestätigte, dass er auf Anweisung des Berufungswerber die Protokollierung der Betriebsanweisung vorgenommen habe und dies die Arbeitnehmer unterschrieben haben. Die Anweisungen und Unterweisungen führten der Berufungswerber und die Vorarbeiter durch. Er selbst habe nur die Protokollierung durchgeführt. Zunächst sollten nur die Vorarbeiter unterschreiben, dann kam im März 2003 noch jemand und sagte, dass alle Arbeitnehmer unterschreiben sollen. Dies wurde auch nachgeholt. Zum Unfallzeitpunkt wurden etwa 60 Baustellen betrieben.

 

Der Zeuge M B war zum Unfallszeitpunkt ebenfalls auf dem Flachdach beschäftigt. Er war zu diesem Zeitpunkt angegurtet. Der Vorarbeiter hat jeden Tag in der Früh unterwiesen, dass sich die Arbeitnehmer angurten müssen. Eine Kontrolle durch den Berufungswerber an der Baustelle hat der Zeuge nicht wahrgenommen. Er ist Arbeitnehmer der Firma Z F, die als Subunternehmen für den Berufungswerber gearbeitet hat. Der Zeuge gab an, dass er sein Seil an einem Blech, welches am Silo befestigt ist, befestigt hat. Er habe eher am Rand gearbeitet, nämlich die kleineren Teile zwischen Silo und Dachkante verlegt. Mit ihm war auch Herr K als Pole bei der Firma Z und an der gegenständlichen Baustelle beschäftigt. Dieser befindet sich aber nicht mehr bei der Firma Z.

 

Die Absturzstelle, die Baustelle und insbesondere die Absturzhöhe wurden vom Berufungswerber nicht bestritten.

 

Es steht daher fest, dass der Arbeitnehmer C K zum Tatzeitpunkt mit Folienschweißarbeiten im Zuge der Dacheindeckung am Flachdach ohne Absturzsicherungen, Abgrenzungen und Schutzeinrichtungen, auch ohne persönliche Schutzausrüstung, beschäftigt war, obwohl Absturzgefahr von ca. 12 m auf ein angrenzendes Dach und ca. 18 m auf das Terrain bestand.

 

4.2. Der Zeuge Xx kann aufgrund des unbekannten Aufenthaltes in Polen nicht einvernommen werden.

 

Die Bestellung eines bautechnischen Sachverständigen war nicht erforderlich, weil bereits der Zeuge AI Ing. H als sachverständiger Zeuge sowohl die Wahrnehmungen bei der Unfallserhebung als auch die Möglichkeiten einer Absturzsicherung darlegen konnte. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen und auch an der Fachkunde des Zeugen wird in keinster Weise gezweifelt. Der Arbeitsinspektor ist als Zeuge sowie als Sachverständiger an die Wahrheit gebunden. Weitergehende Erhebungen und ein weiteres Gutachten waren nicht erforderlich.

 

5. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG, BGBl. Nr.450/1994 idF BGBl. I Nr. 159/2001, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 bis 14.530 Euro, zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 87 Abs.2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß §§ 7 bis 10 ASchG sind Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen vorgeschrieben.

 

Müssen Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen entfernt werden, sind geeignete andere Schutzmaßnahmen zu treffen, wie die Verwendung von persönlichen Schutzausrüstungen (§ 7 Abs.3 BauV). Auch bei Betreten des Bereiches zwischen Abgrenzung und Absturzkante ist der Arbeitnehmer entsprechend sicher anzuseilen (§ 9 Abs.4 BauV).

 

Zum Unfallszeitpunkt waren erwiesenermaßen keine Schutzeinrichtungen, Absturzsicherungen oder Abgrenzungen vorhanden. Auch war der Arbeitnehmer nicht angeseilt. Er arbeitete am Randbereich des Flachdaches und stürzte ab. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt.

 

Die Einwendung, dass entsprechende Einrichtungen nicht montiert werden können, wurde einerseits vom sachverständigen Zeugen durch tatsächliche Ausführungen widerlegt. Andererseits aber wäre dann nach den vorzitierten Bestimmungen eine persönliche Schutzausrüstung zu verwenden, welche aber tatsächlich nicht verwendet wurde.

 

5.2. Der Beschuldigte macht mangelndes Verschulden geltend. Er stützt sich dabei auf eine Betriebsanweisung sowie auf die Anweisung des Vorarbeiters, dass die persönliche Schutzausrüstung im Randbereich des Daches zu verwenden ist. Diese Ausführungen können aber den Berufungswerber nicht entlasten.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt nämlich, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten und ist Fahrlässigkeit bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar, wobei zur Strafbarkeit bereits Fahrlässigkeit ausreicht und Fahrlässigkeit im Sinn der zitierten Bestimmungen ohne weiteres anzunehmen ist, sofern vom Berufungswerber kein Entlastungsnachweis erbracht wird.

 

Im Sinne der Arbeitnehmerschutzbestimmungen und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht ausreichend nachgekommen. Es wird zwar darauf Bedacht genommen, dass die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zulässt, dass sich der Unternehmer aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt, es ist ihm vielmehr zuzubilligen, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf eine angemessene Kontrolle zu beschränken. Es ist der Unternehmer dann persönlich von der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung befreit, wenn er den Nachweis zu erbringen vermag, dass er Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Der dem Berufungswerber nach § 5 Abs.1 VStG obliegende Entlastungsbeweis kann aber nicht allein dadurch erbracht werden, dass die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen worden sei. Es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 18.9.1991, 90/19/0177, sowie vom 13.12.1990, 90/09/0141). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus (vgl. VwGH 30.6.1994, 94/09/0049). Entscheidend ist, ob auch eine wirksame Kontrolle über die Einhaltung der vom Verantwortlichen erteilten Weisungen erfolgte. In diesem Sinne führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.12.2002, 99/02/0220, aus, dass der Hinweis auf die Betreuung Dritter mit Kontrollaufgaben, auf die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem genügt. Insbesondere bemängelt der Verwaltungsgerichtshof, dass der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht hat, dass er etwa die Einhaltung der vom verunfallten Arbeitnehmer erteilten Aufträge und Weisungen während deren Ausführung überprüft hätte. "Gerade für den Fall, dass die Arbeitnehmer aus eigenem Antrieb aufgrund eigenmächtiger Handlungen gegen die Arbeitnehmervorschriften verstoßen, hat das entsprechende, vom Arbeitgeber eingerichtete Kontrollsystem, Platz zu greifen. Im Beschwerdefall zeigt jedoch das eigenmächtige Verhalten des verunfallten Arbeitnehmers zum Tatzeitpunkt, dass kein wirksames Kontrollsystem im Sinn der hg. Judikatur vorhanden war."

 

Im Sinn dieser Judikatur reicht es daher nicht aus, dass der Berufungswerber geltend macht, dass er einen geeigneten Vorarbeiter eingesetzt hat und dass er eine allgemeine Betriebsanweisung unterlassen hat, nämlich eine Unterweisung der Vorarbeiter und dann sämtlicher Arbeitnehmer, welche diese auch zu unterzeichnen haben. Vielmehr hätte es auch eines weiteren Nachweises bedurft, wie der Berufungswerber Kontrollen durchführt, wie oft er diese Kontrollen durchführt und welche konkreten Maßnahmen er getroffen hat, um unter den vorhersehbaren Umständen die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften gewährleisten zu können. Ein entsprechendes Vorbringen, dass der Berufungswerber selbst kontrolliert, insbesondere dass er den von ihm beauftragten Vorarbeiter kontrolliert, fehlt jedoch zur Gänze. Auch fehlen Wahrnehmungen des Vorarbeiters und der Arbeitnehmer, dass der Berufungswerber tatsächlich die Baustelle kontrollierte. Darüber hinaus fehlt aber auch ein Vorbringen dahingehend, welche Maßnahmen zur Sicherstellung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen vom Berufungswerber getroffen wurden. So insbesondere eine Verhaltensmaßnahme für den Fall, dass die zugesicherte Gerüstung tatsächlich auf der Baustelle nicht vorhanden ist. Entsprechende Anordnungen wie dann vorzugehen ist, fehlten jedoch. Auch wurde kein Kontakt seitens des Vorarbeiters mit der Firma und dem Berufungswerber hergestellt. Es wurden daher keine Maßnahmen getroffen, die die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen durch den Vorarbeiter gewährleisten. Ebenso wenig gibt es Maßnahmen, die die Einhaltung der Anweisungen der Arbeitnehmer sicherstellen. So gibt der Vorarbeiter selbst an, dass er zwar anordnete, dass der verunfallte Arbeitnehmer sich im Randbereich angurten sollte, konkret aber kontrolliert hat er dies nicht. Auch vom Berufungswerber selbst wurden dahingehende Kontrollen nicht geltend gemacht. Anweisungen allein, sei es mündlich auf der Baustelle, sei es die schriftliche Betriebsanweisung, sind aber nach der VwGH-Judikatur nicht ausreichend, sondern ist deren Einhaltung zu kontrollieren. Auch gibt es hinsichtlich der gegenständlichen Baustelle keine konkreten Anweisungen für die Einhaltung von Schutzbestimmungen.

 

Wenn der Berufungswerber hingegen sich dahingehend verteidigt, dass ihm eine weitere Kontrolle nicht zumutbar ist, so ist ihm entgegenzuhalten, dass gerade eine solche Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen vom Verwaltungsgerichtshof verlangt wird, um sich vom gesetzlich vermuteten Verschulden zu entlasten. Das Kontrollsystem dient genau dazu, dass eigenmächtige Vorgangsweisen der Arbeitnehmer nicht eintreffen und soll das Kontrollsystem verhindern, dass gegen das Wissen und den Willen des Arbeitgebers Arbeitnehmer Handlungen setzen und Arbeitnehmerschutzvorschriften außer Acht lassen. Es war daher vom Verschulden des Berufungswerbers auszugehen.

 

Hingegen ist der Kausalzusammenhang des Unfalles nicht zu überprüfen und nicht für die Tatbestandsmäßigkeit erforderlich. Vielmehr ist auch ohne Unfall die Nichteinhaltung als bloßes Ungehorsamsdelikt verwaltungsrechtlich strafbar.

 

Zur Betriebsanweisung selbst ist noch anzuführen, dass auch ein Anraten des Arbeitsinspektorates oder der AUVA den Berufungswerber seiner Verantwortung nicht enthebt, sich im Zweifel bei der zuständigen Behörde Kenntnis über die entsprechenden Vorschriften zu verschaffen. Bei entsprechendem Studium der rechtlichen Bestimmungen bzw. Einholung der Rechtsinformation bei der Behörde hätte ihm auch auffallen müssen, dass der Text der Betriebsanweisung den zitierten gesetzlichen Bestimmungen nicht entspricht. Darüber hinaus ist die Unterschriftsleistung der Arbeitnehmer erforderlich, weil nach den Arbeitnehmerschutzbestimmungen die Unterweisung schriftlich erfolgen muss. Die schriftliche Unterweisung allein aber - wie schon oben ausgeführt - kann das Verschulden des Berufungswerbers nicht aufheben.

 

Es war daher das Straferkenntnis hinsichtlich der Schuld zu bestätigen. Die Spruchkorrektur ergibt sich aus den zitierten Rechtsvorschriften.

 

5.3. Hinsichtlich der Strafbemessung hat die belangte Behörde auf sämtliche objektive und subjektive Strafbemessungsgründe gemäß § 19 VStG Bedacht genommen. Sie hat die persönlichen Verhältnisse dem Berufungswerber vorgehalten und der Entscheidung zugrunde gelegt. Zu Recht ist die belangte Behörde von dem höheren Strafrahmen bis 14.530 Euro ausgegangen, weil gegen den Berufungswerber bereits drei einschlägige Verwaltungsvorstrafen aufscheinen. Im Hinblick auf die Höchststrafe ist die gegenständlich verhängte Geldstrafe im untersten Bereich des Strafrahmens angesiedelt. Auch waren keine Milderungsgründe zu berücksichtigen. Die belangte Behörde hat auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers ausreichend Bedacht genommen. Zu Recht ist die belangte Behörde auch vom Unrechtsgehalt der Tat ausgegangen, insbesondere auf die grobe Verletzung des Schutzzweckes der Norm und auf die nachteiligen Folgen der Tat, nämlich ein Arbeitsunfall, bei dem ein Arbeitnehmer lebensgefährlich verletzt wurde. In Anbetracht dieser Gründe ist die belangte Behörde bei dem ihr zukommenden Ermessen in gesetzmäßiger Weise vorgegangen und war daher auch das Strafausmaß zu bestätigen. Auch war die Strafe erforderlich um den Berufungswerber von einer weiteren Tatbegehung abzuhalten und ihn zu gesetzeskonformen Maßnahmen zu bewegen.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Wolfgang Steiner

 

Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Sicherungsmaßnahmen

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 24. November 2006, Zl.: 2005/02/0324

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