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VwSen-280828/15/Kl/Pe

Linz, 09.08.2005

 

 

 VwSen-280828/15/Kl/Pe Linz, am 9. August 2005

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Herrn O M, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. F G, Dr. S S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12.4.2005, Ge96-92-2004-GRM, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 4.8.2005 zu Recht erkannt:

  1. Der Berufung wird keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass

II. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat 20 % der verhängten Strafen, das sind 600 Euro, zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 5, 19 und 51 VStG.

zu II.: § 64 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 12.4.2005, Ge96-92-2004-GRM, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen in zwei Fällen von je 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von je fünf Tagen, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 87 Abs.2 BauV iVm § 118 Abs.3 und § 130 Abs.5 ASchG verhängt, weil er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma O M GmbH mit Sitz in, und somit als zur Vertretung nach außen Berufener (§ 9 VStG) - festgestellt am 10.8.2004 durch ein Arbeitsinspektionsorgan des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten anlässlich einer Überprüfung der Baustelle, des oben genannten Unternehmens - zu verantworten hat, dass folgende Übertretungen von ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen begangen wurden:

Bei der am 10.8.2004 durchgeführten Besichtigung der Baustelle in, auf der die Arbeitnehmer F Al und E H des Unternehmens M O GmbH, etabliert, Dacharbeiten (Spenglereiarbeiten) durchgeführt haben, wurde folgender Mangel festgestellt:

Die Arbeitnehmer F A und E H waren am 10.8.2004 (Tatzeitpunkt) auf dem Flachdach (Absturzhöhe ca. 4,5 m; Dachneigung ca. 2°) mit Arbeiten auf der Dachfläche (Trapezbleche verlegen und abdichten) beschäftigt, obwohl Absturzgefahr von ca. 4,5 m bestand, waren keine Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 8 bis 10 BauV angebracht.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und es wurde die Aufhebung des Bescheides und Verfahrenseinstellung in eventu Herabsetzung des Strafausmaßes beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde keine Beweise aufgenommen hat, keine konkrete Tatzeit und keine konkrete Beschreibung der tatsächlich durchgeführten Arbeiten und auch keine tatsächlich lotrecht gemessene Höhe von der Traufenkante bis zur Auftrefffläche angegeben hat. Die Vorwürfe seien während des gesamten Verfahrens bestritten worden, weil die Dienstnehmer ohnedies nicht ohne Schutzeinrichtungen bzw. Seilsicherungen tätig wurden und außerdem bloß geringfügige Arbeiten durchgeführt wurden. Es hätten bauseits Schutzmaßnahmen vorhanden sein müssen, waren aber bei Ankunft der Mitarbeiter auf der Baustelle nicht vorhanden und wurden daher von den Dienstnehmern Holzbretter für die Herstellung einer Wandabsicherung beschafft. Zur Ausführung der Sicherungsarbeiten hatten sich die Arbeitnehmer entsprechend sicher anzuseilen. Bei der nächsten Anreise auf die Baustelle wurden dann "Original-Randabsicherungen" montiert. Sämtliche Dienstnehmer sind angewiesen, die Sicherheitsvorkehrungen mittels Gurt, Randabsicherung usw. zu verwenden. Diesbezügliche Unterweisungen wurden auch unterschrieben. Es wurde die Absturzhöhe bestritten, weil es kein hinreichendes Beweismittel gebe. Wenn Mitarbeiter noch vor oder zur Anbringung der Randabsicherung auf das Dach gestiegen sind, so handelt es sich um kurzfristiges Betreten des Daches für geringfügige Arbeiten. Die Behörde erster Instanz hat nicht ermittelt, ob über das Geringfügigkeitsmaß hinausgegangen wurde. Die Materialien zur Herstellung der Schutzeinrichtungen waren bereits bestellt und konnten kurz nach Mittag angebracht werden. Auch musste der Berufungswerber davon ausgehen, dass die Dienstnehmer die geringfügigen Tätigkeiten unter Verwendung der ihnen zur Verfügung stehenden Sicherheitsgeschirre ausgeführt haben. Auch lagen am Tattag ebenfalls günstige Witterungsverhältnisse vor. Der Spruch des Straferkenntnisses weise keine konkrete Tatzeit auf. Auch sind dem Spruch keine Umstände zu entnehmen, dass die Voraussetzungen nach § 87 Abs.5 BauV nicht vorgelegen wären. Schließlich wurde eingewendet, dass ein Wiederholungsfall nach § 130 Abs.5 ASchG nicht vorliegt, weil zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch keine rechtskräftige Vorstrafe vorlag. Auch hätte bei der Strafbemessung berücksichtigt werden müssen, dass Anweisung gegeben wurde, entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen und einzuhalten. Der Beschuldigte könne nicht bei jeder noch so weit von seinem Firmensitz entfernten Baustelle persönliche Kontrollen durchführen. Auch sind keine nachteiligen Folgen eingetreten.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme und durch Anberaumung und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4.8.2005, zu welcher der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter, die belangte Behörde und das zuständige Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien geladen wurden und auch teilgenommen haben. Weiters wurden die Zeugen AI Ing. H und H E geladen und bei der Verhandlung einvernommen. Der weitere Arbeitnehmer A F konnte mangels Zustellbarkeit der Ladung nicht einvernommen werden.

 

4.1. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurden vom Arbeitsinspektorat vier Fotos, angefertigt anlässlich der Kontrolle vom Kontrollorgan, der konkreten Baustelle vorgelegt. Es wurde vom Berufungswerber bestätigt, dass es sich um die verfahrensgegenständliche Baustelle handelt und bei einem Arbeitnehmer es sich um Herrn F handelt. Auch wurde bestätigt, dass auf den Fotos der Firmenbus der O M GmbH ersichtlich ist sowie ein Firmen-Lkw, auf dem Trapezbleche geladen sind. Weiters sind auf den Fotos abgelagerte Dämmplatten ersichtlich, welche verlegt werden sollten.

 

4.2. Das Kontrollorgan AI Ing. H vom Arbeitsinspektorat für Bauarbeiten in Wien hat glaubwürdig seine Kontrolle am 10.8.2004 dargelegt. Dabei hat er zwei Arbeitnehmer der O M GmbH bei Dacharbeiten angetroffen, wobei die Dacharbeiten in vollem Gange waren und es sich im weitesten Sinn um Spenglerarbeiten handelte. Die Trapezbleche waren zu diesem Zeitpunkt schon fertig verlegt und wurde dies vom Zeugen auch von der Halle aus, nämlich vom Innenbereich aus, festgestellt. Es gab nur mehr Vollendungsarbeiten und sollten im Anschluss die Wärmedämmplatten aufgebracht und dann die weitere Dachdeckung aufgebracht werden. Die Arbeiten wurden nicht am konkreten Tag begonnen, sondern schon ca. zwei Tage vorher, dies auch aufgrund des Umstandes, dass sämtliche Trapezbleche bereits verlegt waren. Der Zeuge hat auch mit den beiden Arbeitnehmern gesprochen und gaben diese an, dass die Absturzsicherungen noch nicht an der Baustelle eingetroffen sind, aber noch an diesem Tage eintreffen sollten. Die Kontrolle war gegen Mittag, etwa zwischen 10.30 Uhr und 12.00 Uhr. Es waren daher an der gesamten Baustelle technische Schutzeinrichtungen nicht vorhanden. Auch wurde von den Arbeitnehmern bei Eintreffen des Kontrollorganes keine persönliche Schutzausrüstung getragen. Zu der persönlichen Schutzausrüstung befragt gaben die Arbeitnehmer an, dass sich diese im Firmenbus befinde, allerdings der Firmenbus zu diesem Zeitpunkt nicht auf der Baustelle war und daher die persönliche Schutzausrüstung nicht greifbar war. Warum nicht bei Arbeitsbeginn die persönliche Schutzausrüstung verwendet wurde, wurde dem Zeugen von den Arbeitnehmern so dargelegt, dass die Höhe ohnedies nicht so gefährlich ist und daher keine Schutzausrüstung notwendig ist. Zur Absturzhöhe befragt, gab der Zeuge unzweifelhaft und fachkundig an, dass es sich um eine Absturzhöhe von ca. 4,5 m handelte. Diese Angabe wurde aus Planunterlagen des Baupoliers an der Baustelle entnommen. Eine Cirkaangabe erklärte der Zeuge damit, dass zum Kontrollzeitpunkt die Außenanlagen noch nicht fertig gestellt waren und daher das endgültige Niveau noch nicht ersichtlich war. Der Zeuge ist Gerichtssachverständiger und kann einwandfrei bezeugen, dass die Absturzhöhe mehr als 3 m war. Über weiteres Befragen führte er auch aus, dass die tatsächliche Absturzhöhe zum Kontrollzeitpunkt mehr als 4,5 m betragen muss, weil das Außenniveau noch nicht fertig war und daher zur tatsächlichen Absturzhöhe von 4,5 m noch ca. 30 cm hinzuzurechnen seien. Auch handelt es sich bei den gegenständlichen Arbeiten nicht um kurzfristige Arbeiten der Arbeitnehmer, da es sich um eine große neugebaute Halle handelte, konkret um die Neueindeckung dieser Halle. Die Arbeitnehmer wurden bei Annäherung an die Baustelle auf dem Dach arbeitend vorgefunden und gaben dem Arbeitsinspektor zu den konkreten Arbeiten befragt an, dass noch Fertigstellungsarbeiten hinsichtlich der Trapezblechverlegung durchzuführen waren und im Anschluss die Dämmplatten zu verlegen waren. Es wurde an verschiedenen Bereichen des Flachdaches gearbeitet, sowohl in der Mitte als auch im Randbereich. Dabei verweist der Zeuge auch auf ein Foto, bei dem ein gut ersichtlicher Arbeitnehmer im Randbereich, nach Angaben des Zeugen etwa 30 cm von der Innenkante der Attika befindlich ist.

 

Diese Aussagen waren glaubwürdig und wiesen keine Wiedersprüche auf und sind auch durch die beigebrachten Fotos bestätigt. Auch handelt es sich bei dem Zeugen um einen sachverständigen Zeugen mit langjähriger Berufungserfahrung.

 

4.3. Der als Zeuge einvernommene Arbeitnehmer E bestätigte ebenfalls, dass die Trapezbleche bereits verlegt waren und im Anschluss Dämmplatten verlegt werden sollten. Auch erkannte er auf dem Foto seinen Kollegen F und auch seine Person. Er bestätigte, dass technische Sicherungsmaßnahmen nicht angebracht waren und auch zum Kontrollzeitpunkt durch ihn und seinen Kollegen keine Seile oder Sicherheitsgeschirre verwendet wurden. Dazu führte er aus, dass nicht am Rand gearbeitet wurde, allerdings gab er zu, dass sie schon ab und zu zum Rand gegangen sind. Hinsichtlich des Fotos seines Kollegen F führte er aus, dass dieser hier wahrscheinlich Werkzeug aufgehoben hat. Zur Absicherung führte er glaubwürdig aus, dass sie zunächst bei der Firma Absicherungen mitnehmen wollten, ihnen dann aber vom Chef gesagt wurde, dass dies nicht nötig sei, weil bauseits schon welche vorhanden sind. Bei Einlangen an der Baustelle fanden sie aber keine Absicherungen vor und teilten dies auch der Firma mit, welche bekannt gab, dass sie sich kümmern werde. Daraufhin kam es zur Kontrolle durch den Arbeitsinspektor. Diesem musste auch zugesichert werden, dass erst dann am Randbereich gearbeitet wird, wenn Absturzsicherungen montiert sind. Weil keine Sicherungen von der Firma gekommen sind wurden im Lagerhaus Staffeln bestellt. Die Trapezbleche waren zu diesem Zeitpunkt schon verlegt, der Zeuge glaubte bereits in der Vorwoche. Das Verlegen der Bleche brauchte zwei Tage. Der Zeuge führt aus, dass er nicht am Randbereich gearbeitet hat, lediglich ab und zu zum Randbereich gegangen ist um Werkzeug zu holen. Arbeitsbeginn war ca. um 7.30 Uhr. Eine Besprechung, was zu machen ist, gibt es nicht, sondern das weiß jeder selber. Eine Kontrolle durch den Berufungswerber am 10.8.2004 gab es auf der Baustelle nicht. Allerdings brachte er in der Vorwoche mit dem Kranwagen die Trapezbleche zur Baustelle. Persönliche Schutzausrüstung wie Sicherheitsgeschirre befinden sich für jeden Arbeitnehmer nummeriert im Firmenbus. Es wurde jedoch nicht getragen, weil nicht am Rand gearbeitet wurde.

 

4.4. Wie in der öffentlichen mündlichen Verhandlung der Zeuge konkret angesprochen wurde, wurde der Arbeitnehmer H E bereits bei einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates an einer anderen Baustelle, aber jedenfalls auch bei einer Flachdacheindeckung angetroffen, ohne dass technische Schutzeinrichtungen gegen Absturz vorhanden waren. Es musste daher der Arbeitnehmer von der Notwendigkeit wissen und ist über die gesetzlichen Erfordernisse informiert.

 

4.5. Weites verweist der Berufungswerber in seiner Stellungnahme vom 2.11.2004, auf welche auch in der Berufung Bezug genommen wird, selbst darauf hin, dass bauseits Schutzmaßnahmen vorhanden sein sollten. "Aus diesem Grund wurden unsere Dienstnehmer A F und E H auf die Baustelle geschickt, um Abdichtungs- und Isolierarbeiten durchzuführen." Nach Rücksprache mit der Firmenleitung teilten die Dienstnehmer mit, dass sie zwischenzeitig mittels Seilsystem (Gurte) Abhilfe schaffen und in der Zwischenzeit von einem Holzhändler in der Nähe Bretter herrichten lassen, um eine Randabsicherung herzustellen.

 

4.6. Es ist daher erwiesen, dass zum Kontrollzeitpunkt die zwei namentlich genannten Arbeitnehmer Arbeiten auf einem Flachdach mit einer Neigung von ca. 2° und in einer Absturzhöhe von ca. 4,5 m durchgeführt haben, wobei eindeutig feststeht, dass im weiten Sinne Spenglerarbeiten durchgeführt wurden, es aber unerheblich ist, ob noch Vervollständigungsarbeiten bei den Trapezblechen bzw. Abdichtungsarbeiten durchgeführt wurden oder bereits mit der Verlegung der Dämmplatten begonnen wurde. Es waren keine Schutzeinrichtungen an der Baustelle vorhanden und montiert. Auch wurden keine persönlichen Schutzausrüstungen verwendet. Die Arbeitnehmer arbeiteten an verschiedenen Bereich des Flachdaches, sowohl in der Mitte als auch im Randbereich. Weiters steht fest, dass auch das Verwenden, Aufheben und Holen von Werkzeug zu Dacharbeiten gehört. Kontrollen durch den Beschuldigten fanden nicht statt. Dieser war auch an der Baustelle nicht anwesend. Die Arbeiten dauerten auch mehrere Tage. Auch am Kontrolltag wurden die Arbeiten bereits einige Stunden vor der Kontrolle durchgeführt.

 

4.7. Eine weitere Beweisaufnahme war jedoch nicht erforderlich und nicht relevant. Dies gilt insbesondere für die beantragte Einvernahme der Angestellten D A, dass baulicherseits bereits Randabsicherungen vorhanden hätten sein müssen. Vertragliche Vereinbarungen können den Arbeitgeber nicht von seiner gesetzlichen Verpflichtung befreien. Auch war die Einvernahme des Arbeitnehmers A F nicht mehr erforderlich, weil die Durchführung von Arbeiten einwandfrei durch die aufgenommenen Beweise, insbesondere auch durch die Fotos erwiesen ist. Auch das Betreten des Randbereiches und Arbeiten im Randbereich ist durch ein Foto erwiesen und durch Zeugenaussagen bestätigt. Ob hier konkret Abdichtungsarbeiten vorgenommen wurden, ist jedoch für die Tatanlastung nicht relevant.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weitergeltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 87 Abs.2 BauV müssen bei Arbeiten auf Dächern mit einer Neigung bis zu 20° und einer Absturzhöhe von mehr als 3,00 m Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 7 bis 10 vorhanden sein.

 

Gemäß § 7 Abs.1 BauV sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10, das sind bei Dächern Dachfanggerüste oder Dachschutzblenden gemäß § 88) anzubringen.

 

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes ist erwiesenermaßen davon auszugehen, dass in einer Absturzhöhe von mehr als 3 m, nämlich konkret 4,5 m Höhe, und bei einer Dachneigung von 2° Arbeiten auf dem Dach durch zwei Arbeitnehmer, die namentlich genannt wurden, durchgeführt wurden. Diese Arbeiten waren voll im Gange. Es waren daher gemäß § 87 Abs.2 BauV Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen erforderlich. Solche waren aber zum Tatzeitpunkt erwiesenermaßen nicht vorhanden. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung erfüllt.

 

Welche Arbeiten konkret durchgeführt wurden ist konkret für den Tatbestand nicht von Belang. Aufgrund des Beweisverfahrens ist aber bestätigt, dass Abschlussarbeiten bei den Trapezblechen bzw. Abdichtungsarbeiten noch im Gange waren und gleichzeitig oder im Anschluss auch die Dämmplatten aufgetragen werden sollten. Weiters ist entgegen den Berufungsausführungen nach § 87 Abs.2 BauV nicht gefordert, dass die Arbeiten im Randbereich durchgeführt werden. Es ist generell von Arbeiten auf Dächern unter den gegebenen Voraussetzungen die Rede und daher sind Absturzsicherungen - auch wenn nicht im Randbereich gearbeitet wird - erforderlich. Dazu ist aber anzumerken, dass schon ein Foto nachweist, dass auch im Randbereich gearbeitet wurde und auch ein Arbeitnehmer angab, dass auch der Randbereich betreten wurde und wird. Die Arbeiten waren noch voll im Gange. Sie dauerten noch mehr als einen Tag. Es war daher keinesfalls von vorübergehenden Arbeiten auszugehen.

 

5.2. Auch lagen keine Voraussetzungen für einen Entfall von Schutzeinrichtungen vor. Entgegen den Berufungsausführungen ist nämlich ein Entfall des Anbringens von Schutzeinrichtungen in § 87 Abs.5 BauV nur für den Fall von Arbeiten auf Dächern gemäß § 87 Abs.3 BauV geregelt. Gegenständlich liegt allerdings ein Fall gemäß Abs.2 des § 87 BauV vor. Darüber hinaus ist aber erwiesen, dass keine geringfügigen Arbeiten wie Reparatur- oder Anstricharbeiten durchgeführt wurden, weil die konkreten Arbeiten länger als einen Tag in Anspruch nahmen.

 

Abgesehen davon, das zum Kontrollzeitpunkt auch keine persönlichen Schutzeinrichtungen wie Sicherheitsgeschirr, verwendet wurden, war aber auch das reine Anseilen nicht dem Gesetz entsprechend und ist in § 87 BauV für die gegenständlichen Verhältnisse nicht vorgesehen. Da aber die Absturzhöhe eindeutig mehr als 3 m betrug, konnte auch vom Anseilen nicht abgesehen werden. Es war daher der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung einwandfrei erfüllt.

 

Hinsichtlich der geltend gemachten mangelhaften Tatkonkretisierung wird aber auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, z.B. Erkenntnis vom 24.11.1993, 93/02/0163, hingewiesen, wonach die Angabe einer Uhrzeit nicht erforderlich ist. Es wird der Beschuldigte nicht in seinen Verteidigungsrechten verletzt und besteht auch nicht die Gefahr einer Doppelbestrafung. Mit dem gegenständlichen Tatvorwurf ist das unrechtmäßige Verhalten am genannten Tattag abgegolten.

 

5.3. Eine vertragliche Vereinbarung mit dem Auftraggeber, dass Randabsicherungen bauseits vorhanden sind, kann das Tatverhalten weder Rechtfertigen noch entschuldigen. Gemäß § 155 Abs.1 BauV haben nämlich die Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass den Vorschriften des 1., 2. und 3. Hauptstückes dieser Verordnung sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Unterhaltung und Führung der Baustelle entsprochen wird. Dies bedeutet, dass schon bei der Einrichtung also vor Inangriffnahme der Arbeiten die Vorschriften der BauV , also auch konkret des § 87 BauV eingehalten werden. Dieser Bestimmung hat aber der Berufungswerber nicht entsprochen. Vielmehr hätte er bei Kenntniserlangung, dass keine Absicherungen vorhanden sind, einen Auftrag erteilen müssen, dass nicht mit den Arbeiten begonnen wird. Entsprechendes ist nicht erfolgt. Die Verwendung von Seilen und Sicherheitsgeschirr hingegen ist nach den obzitierten Bestimmungen der BauV nicht ausreichend für die gegenständliche Baustelle. Weitere Umstände für eine Entlastung hat der Berufungswerber nicht vorgebracht. Schließlich verweist er darauf, dass er nicht ständig bei jeder Baustelle anwesend sein kann und kontrollieren kann. Es hat daher der Berufungswerber keinen Nachweis erbringen können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Weil die gegenständliche Übertretung zu den Ungehorsamsdelikten zählt, war daher gemäß § 5 Abs.1 VStG von Fahrlässigkeit auszugehen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat nämlich der Arbeitgeber dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Dieser Pflicht ist der Berufungswerber nicht nachgekommen. Er führt selbst aus, dass er die Baustelle zum Kontrollzeitpunkt nicht kennt. Die Arbeitnehmer hingegen geben an, dass jeder selbst weiß, was er zu tun hat. Der Berufungswerber gibt auch noch an, dass ihm von den Arbeitnehmern versprochen wurde, dass sie sich anseilen. Eine konkrete Kontrolle hingegen wurde nicht durchgeführt. Es konnte daher der Berufungswerber einen Nachweis, wie er nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gefordert wird, nicht erbringen, dass er alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. So hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.7.2002, 2002/02/0037, in einem gleichgelagerten Fall hinsichtlich einer Übertretung nach § 87 BauV zum Kontrollsystem ausgesprochen, dass es erforderlich gewesen wäre aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten. Insbesondre entspricht es auch der ständigen Rechtsprechung, dass die bloße Erteilung von Weisungen keine ausreichende Kontrolle im beschriebenen Sinne darstellt. Auch genügt nach der Judikatur der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem. Selbst wenn solche Verstöße von einem Dienstnehmer ohne Willen des Betriebsinhabers begangen werden, ist letzterer strafbar, wenn er nicht den Nachweis zu erbringen vermag, dass von ihm solche Maßnahmen getroffen wurden, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen (VwGH vom 31.3.2000, 96/02/0052). In diesem Erkenntnis führt er auch aus, dass Weisungen, Anweisungen und Schulungen der Arbeitnehmer nicht ausreichend sind, da die bloße Erteilung von Weisungen keine ausreichende Kontrolle darstellen. Gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften hat das entsprechende Kontrollsystem Platz zu greifen.

 

Es war daher auch vom Verschulden, nämlich von Fahrlässigkeit des Berufungswerbers auszugehen.

 

5.4. Schließlich wird unter Hinweis auf die bereits zitierten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung bestätigt, dass mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten, was hier zutrifft. Es war daher von zwei Delikten auszugehen und waren daher zwei gesonderte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen zu verhängen.

 

5.5. Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Die belangte Behörde ist richtig von einem erheblichen Unrechtsgehalt der Tat ausgegangen. Gerade die Bestimmungen des ASchG bzw. der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen. Auf diesen Umstand hat auch das anzeigende Arbeitsinspektorat hingewiesen. Dies ist auch zu berücksichtigen, obwohl keine nachteiligen Folgen eingetreten sind.

 

Hinsichtlich der subjektiven Strafbemessungsgründe hat die belangte Behörde keine Erschwerungs- und Milderungsgründe festgestellt. Es ist daher beizupflichten, dass aufgrund der Vormerkungen des Berufungswerbers der Milderungsgrund der Unbescholtenheit nicht vorliegt. Auch liegen keine rechtskräftigen einschlägigen Vorstrafen vor und konnten daher nicht als erschwerend gewertet werden. Wenn sich die belangte Behörde auf den Wiederholungsfall und sohin erhöhten Strafrahmen gemäß § 130 Abs.5 Einleitung ASchG stützt, so ist ihr aber entgegenzuhalten, dass zum Tatzeitpunkt ein Wiederholungsfall nicht gegeben war, da zum Tatzeitpunkt eine rechtskräftige einschlägige Vorstrafe noch nicht vorlag. Es war daher von einem gesetzlichen Strafrahmen von mindestens 145 Euro und höchstens 7.260 Euro auszugehen. Allerdings konnte dieser Umstand nicht zu einer Strafmilderung führen. Insbesondere kam in der mündlichen Verhandlung hervor, dass einer der Arbeitnehmer bereits bei den vorausgegangenen Betretungen, welche zwar zum nunmehrigen Tatzeitpunkt noch nicht rechtskräftig bestraft waren, nunmehr aber rechtskräftige Verwaltungsstrafverfahren vorliegen, involviert war. Die Tatumstände waren gleichartig, nämlich ebenfalls eine Flachdacheindeckung in einer Höhe von mehr als 3 m. Auch daran waren keine Absturzsicherungen vorhanden. Es hat daher der Arbeitnehmer von der Notwendigkeit von technischen Sicherheitseinrichtungen gewusst. Auch wusste der Arbeitgeber, also der Beschuldigte von der Notwendigkeit von technischen Sicherheitseinrichtungen. Trotz dieser Vorfälle, die nunmehr rechtskräftig abgeschlossen sind, hat er keine Verbesserungen hinsichtlich der Schutzeinrichtungen und hinsichtlich des Kontrollsystems durchgeführt. Es haben ihn daher die vorausgegangenen Vorfälle nicht dazu angehalten, seinen Sorgfaltspflichten nachzukommen bzw. sein Kontrollsystem zu verbessern. Dieser Umstand der Uneinsichtigkeit war entsprechend im nunmehrigen Strafverfahren zu werten und auch der Strafbemessung entsprechend zugrunde zu legen.

 

Aus den bereits genannten nunmehr rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren wegen gleichartiger Übertretungen zu VwSen-280757 und VwSen-280756 vor dem Oö. Verwaltungssenat gehen die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers hervor, nämlich monatliches Einkommen von 2.000 Euro, Sorgepflichten für drei Kinder und Firmenanteile des Berufungswerbers. Diese persönlichen Verhältnisse wurden im nunmehrigen Strafverfahren nicht geändert oder berichtigt und kamen keine anderen Umstände hervor. Sie waren daher auch bei der nunmehrigen Strafbemessung zugrunde zu legen. Angesichts der persönlichen Verhältnisse und des gesetzlich geregelten Strafrahmens ist die von der Behörde festgelegte Geldstrafe je Delikt nicht überhöht, insbesondere liegt sie noch im unteren Drittel des gesetzlichen Strafrahmens. Sie ist als tat- und schuldangemessen zu werten und ist auch den persönlichen Verhältnissen angepasst. Sie ist aber jedenfalls erforderlich, um den Beschuldigten vor einer weiteren Tatbegehung abzuhalten und ihn zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu bewegen. Es war daher die festgesetzte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe je Delikt zu bestätigen.

 

Ein erhebliches Überwiegen der Milderungsgründe gemäß § 20 VStG sowie geringfügiges Verschulden gemäß § 21 VStG war nicht festzustellen und kamen daher diese Bestimmungen nicht zu Anwendung.

 

6. Weil die Berufung keinen Erfolg hatte, war ein Kostenbeitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat gemäß § 64 VStG in der Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafen, das sind 600 Euro, festzusetzen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs-gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 
 

Dr. Klempt
 
 
Beschlagwortung:

Kontrollsystem, Absturzsicherungen

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehendeEntscheidung wurde abgewiesen. VwGH vom 16.12.2005, Zl.: 2005/02/0238-7

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