Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720093/6/Gf/Mu/Sta

Linz, 14.08.2006

VwSen-720093/6/Gf/Mu/Sta
Linz, am 14. August 2006
DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof aus Anlass der Berufung der R L, H, P, vertreten durch RA Mag. M W, H, L, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 20. Jänner 2005, Zl. 1049426/FRB, wegen der Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als es in dessen Spruch anstelle "unbefristetes" nunmehr "auf sieben Jahre befristetes" zu heißen und der Satz "Gem. § 64 Abs. 2 AVG wird die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen." zu entfallen hat; im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Die am 2. Juni 1974 geborene Beschwerdeführerin, eine tschechische Staatsangehörige, wurde wegen des Verbrechens eines am 19. August 1993 als Mittäterin begangenen vorsätzlichen Mordes mit Urteil des Geschworenengerichts Lucca (Italien) vom 3. Juli 1996 zu einer Freiheitsstrafe von 23 Jahren verurteilt; der Vollstreckung dieser Strafe hat sie sich jedoch durch Flucht in ihren Heimatstaat entzogen. In der Folge wurde sie wegen desselben Deliktes vom Stadtgericht Prag mit Urteil vom 3. Oktober 1997 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und nach Verbüßung eines Teiles der Haftstrafe am 11. Dezember 2003 auf Bewährung (Bewährungszeit: sechs Jahre) vorzeitig entlassen.

Am 5. Oktober 2004 wurde sie bei der Einreise nach Österreich festgenommen und in der Folge auf Grund eines von der Republik Italien gestellten Auslieferungsbegehrens mit Beschluss des Untersuchungsrichters des LG Linz vom 9. Dezember 2004, 17 Ur 286/04y-38, in Haft gehalten.

1.2. Mit (mündlich verkündetem) Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom
20. Jänner 2005, Zl. 1049426/FRB (schriftlich ausgefertigt am 1. Februar 2005), wurde gegen die Rechtsmittelwerberin ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass es offenkundig sei, dass jemand, der das Leben anderer Personen derartig gering schätzt und zur Ausführung eines Verbrechens wie vorsätzlicher Mord in der Lage ist, die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Zudem habe die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen ausschließlich in ihrem Heimatstaat und weder Angehörige noch private Bindungen in Österreich.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, am 3. Februar 2005 − und damit rechtzeitig − mittels Telefax eingebrachte Berufung.

Darin bringt sie vor, dass sie keine aktuelle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit mehr darstelle, weil die ihr angelastete Tat schon lange zurückliege, ein einmaliges Fehlverhalten darstelle, sie ihre Strafe verbüßt habe und wegen guter Führung vorzeitig entlassen worden sei. Außerdem habe das OLG Linz zwischenzeitlich selbst mit Beschluss vom 26. Jänner 2005, 9 Bs 311/04) festgestellt, dass eine Auslieferung der Rechtsmittelwerberin nach Italien wegen des Verbotes des "ne bis in idem" unzulässig sei.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 9. August 2006 wurden u.a. ein tschechischer Strafregisterauszug vom 14. Juli 2006, aus dem hervorgeht, dass seit der o.a. gerichtlichen Verurteilung vom 3. Oktober 1997 (vgl. 1.1.) keine weiteren Eintragungen mehr vorliegen; der gerichtliche Beschluss vom 11. Dezember 2003 über die vorzeitige, mit einer Probezeit von sechs Jahren bedingte Entlassung aus der Strafhaft; und ein Arbeitszeugnis vom 17. Juli 2006 über deren aktuelle berufliche Tätigkeit als Betriebsleiterin in einem Restaurant in Ostrau, aus dem sich ergibt, dass sie ihre Verpflichtungen sorgfältig erfülle, Konflikte vermeide und bei den Angestellten beliebt sei; vorgelegt.

Aus allen diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Akten der BPD Linz zu Zl. 1049426/FRB und der Sicherheitsdirektion Oberösterreich zu Zl. St 53/05; da sich bereits aus diesen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 60 Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 99/2006 (im Folgenden: FPG), kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet.

Als bestimmte Tatsache in diesem Sinne gilt nach § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 73 StGB u.a., wenn der Fremde von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist.

Ein Aufenthaltsverbot kann im Fall des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG unbefristet, sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden (§ 63 Abs. 1 FPG).

Nach § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Gründe für seine Erlassung weggefallen sind.

Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger nur zulässig, wenn auf Grund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei dieses persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall liegt − auch von der Beschwerdeführerin unbestritten − eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren und damit eine bestimmte Tatsache iSd § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG vor (s.o., 1.1.), die die Fremdenpolizeibehörde nach § 63 Abs. 1 FPG grundsätzlich dazu ermächtigte, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot zu verhängen.

Angesichts dieses gravierenden Fehlverhaltens − vorsätzlicher Mord verkörpert abstrakt besehen nach der Wertung des StGB jene Tat mit dem vergleichsweise massivsten Unrechtsgehalt − bedeutet ein Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet dann eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit, die das Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung vergleichbarer Straftaten berührt, wenn bei ihr die kriminelle Neigung immer noch aktuell vorhanden ist.

Dafür spricht jedenfalls, dass zum einen selbst der Zeitraum ihrer Bewährung noch (bis zum 11. Dezember 2009) andauert und zudem der seit ihrer Haftentlassung zum Ende des Jahres 2003 verstrichene Zeitraum jedenfalls noch zu kurz ist, um die von der Rechtsmittelwerberin ausgehende Gefahr der Begehung weiterer, insbesondere gleichartiger Delikte in verlässlicher Weise als bereits weggefallen oder entscheidend gemindert ansehen zu können.

In diesem Zusammenhang ist weiters darauf hinzuweisen, dass die erste Verurteilung durch das − zweifelsfrei sachnähere − Gericht des Tatortes in Italien eine Freiheitsstrafe von 23 Jahren, also in einem extrem hohen Ausmaß verfügt hat, die in einem auffallenden Missverhältnis zu der vom Gericht ihres Heimatstaates verhängten, relativ milden Haftstrafe von bloß zehn Jahren steht.

3.2.2. Zugunsten der Beschwerdeführerin ist jedoch andererseits zunächst zu berücksichtigen, dass sie zum Tatzeitpunkt fast noch jugendlich war. Zudem hat sie dieses Delikt − abgesehen davon, dass im Zuge der Strafbemessung zahlreiche weitere Milderungsgründe zu berücksichtigen waren − im Zusammenwirken mit einer anderen Person, also gleichsam "bloß" als Mittäterin begangen. Schließlich liegt die Tat bereits 13 Jahre zurück, wobei sich die Rechtsmittelwerberin seither auffallend wohlverhalten hat (nach 21/2 Jahren Haft Verlegung von einem Gefängnis mit Bewachung in ein solches mit bloßer Überwachung; nach weiteren 31/2 Jahren Überstellung in eine Gefangenenanstalt mit Aufsicht; nach weiteren 4 Monaten bedingte Entlassung; seit diesem Zeitpunkt − d.s. ca. 21/2 Jahre − zumindest keine gerichtlich strafbare Handlung begangen und offenbar beruflich sowie sozial integriert).

3.3. All dies sowie berücksichtigend, dass einerseits selbst die gerichtliche Bewährungsfrist erst am 11. Dezember 2009 endet, andererseits aber nicht von der Hand zu weisen ist, dass die Beschwerdeführerin bei der Verurteilung durch ein Gericht ihres Heimatstaates im Vergleich zu ihrer Verurteilung durch das Gericht des Tatortes hinsichtlich des Strafausmaßes offenkundig bevorzugt wurde, findet es der Oö. Verwaltungssenat daher als den Umständen des vorliegenden Falles − unter besonderer Beachtung des Faktums, dass es sich bei der Rechtsmittelwerberin, die zwar keine Bindungen nach Österreich aufweist, dennoch um eine Unionsbürgerin handelt und das Aufenthaltsverbot faktisch nicht nur für Österreich, sondern für den gesamten Schengen-Raum gilt − angemessen, die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes mit sieben Jahren (d.i. bis zum 20. Jänner 2012) festzusetzen.

Davon abgesehen bleibt es der Beschwerdeführerin zudem unbenommen, nach § 65 Abs. 1 FPG jederzeit einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes zu stellen, wenn (sie der Meinung ist, dass) die Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

3.4. Der gegenständlichen Berufung war daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit sowie im Hinblick darauf stattzugeben, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Berufung aufgehoben wird, da sich die Rechtsmittelwerberin zum einen faktisch nicht mehr im Bundesgebiet befindet und zum anderen eine Berufung gegen ho. Bescheide nicht mehr zulässig ist; im Übrigen war die Beschwerde hingegen als unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid zu bestätigen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

  1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

  2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 13 Euro angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr. G r o f

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