Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720094/14/Ste

Linz, 18.07.2006

 

 

 

VwSen-720094/14/Ste Linz, am 18. Juli 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des D M, B D, Slowenien, vertreten durch Mag.Dr. W F, Mag.Dr. B G, Mag. U N, Rechtsanwälte, L, G, gegen die Spruchpunkte II. und III. des Bescheids des Bezirkshauptmanns des Bezirks Braunau am Inn vom 2. März 2005, Sich40-21194, wegen Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufung wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III wie folgt lautet:

"III. Durchsetzungsaufschub:

Ein Durchsetzungsaufschub wird nicht erteilt.

Rechtsgrundlage:

§ 86 Abs. 3 FPG".

Im Übrigen wird der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmanns des Bezirks Braunau am Inn vom 2. März 2005 wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw), einen slowenischen Staatsangehörigen, auf der Basis des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt.

 

Gleichzeitig wurde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen (Spruchpunkt II) und von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs abgesehen (Spruchpunkt III).

 

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bw mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. September 2004 wegen Suchtgifthandels zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahre, davon 16 Monate bedingt auf 3 Jahre und 8 Monate unbedingt, rechtskräftig verurteilt wurde. Dem Urteil sei insbesondere ein langer Tatzeitraum, eine große Menge an importiertem und in Verkehr gebrachten Suchtgift, die Tatwiederholung und das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen mit einem Vergehen zu entnehmen.

 

Nach ausführlicher Abwägung des mit einem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in das Privat- und Familienleben sowie der Dauer des bisherigen Aufenthalts, dem Ausmaß der Integration und der Intensität der familiären und sonstigen Bindungen, kommt die belangte Behörde zum Schluss, dass das Gefährdungspotenzial des nunmehrigen Bw sowie die von ihm ausgehende Gefahr für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit, die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots rechtfertigen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 4. März 2005 zugestellt wurde, erhob dieser rechtzeitig das Rechtsmittel der Berufung, die (zunächst) der Sicherheitsdirektion Oberösterreich vorgelegt wurde.

 

1.3. Mit Schreiben vom 17. Jänner 2006 übermittelte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich den Verwaltungsakt "aufgrund der nunmehrigen dortigen Zuständigkeit (§ 9 Abs. 1 Z. 1 FPG) zur Berufungsentscheidung".

 

1.4. Mit Erkenntnis vom 10. Februar 2006, VwSen-720094/4, hat der Oö. Verwaltungssenat die dagegen gerichtete Berufung mit zwei Maßgaben bei der Zitierung der Rechtsvorschriften als unbegründet abgewiesen.

 

1.5 Dagegen erhob der Bw Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 27. Juni 2006, 2006/18/0092, die Beschwerde betreffend den Ausspruch über das Aufenthaltsverbot abwies, jedoch den Bescheid in seinem Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sowie in seinem Ausspruch betreffend das Absehen von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufhob.

 

In diesem Umfang ist daher ein Ersatzbescheid zu erlassen.

 

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem im Verfahren im Wesentlichen ausschließlich die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG; vgl. dazu das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs).

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenats ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, da der Bw slowenischer Staatsangehöriger und daher Angehöriger eines Mitgliedstaates des EWR ist.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 AVG).

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist slowenischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit August 1995 in Österreich auf. Erstmals wurde ihm von der Bezirkshauptmannschaft Villach am 2. Oktober 1995 eine aufenthaltsrechtliche Bewilligung erteilt.

 

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 28. September 2004, 16 Hv 166/04m, wurde der Bw für schuldig erkannt

  1. in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen,

    1. Im Zeitraum Sommer 2002 bis 4.7.2004 insgesamt mindestens 5.000 Stück Ecstasytabletten mit einer Reinsubstanz von mindestens 240 Gramm Amphetaminderivat in mehreren Angriffen aus Slowenien aus- und teils über Italien nach Österreich eingeführt;

    2. Im Zeitraum seit zumindest Anfang 2003 bis 4.7.2004 insgesamt mindestens 4.000 Stück Ecstasytabletten mit einer Reinsubstanz von mindestens 180 Gramm Amphetaminderivat durch unzählige gewinnbringende Verkäufe unter anderem an S I (gewinnbringender Verkauf von insgesamt ca. 3.300 Stück Ecstasytabletten im Zeitraum Jänner 2004 bis 3.7.2004), E V (gewinnbringender Verkauf von insgesamt mindestens 300 Stück Ecstasytabletten im Zeitraum Februar 2004 bis Mai 2004), S K (gewinnbringender Verkauf von insgesamt ca. 150 bis 200 Stück Ecstasytabletten im Zeitraum Juli 2003 bis Ende Februar 2004), A B (Verkauf von insgesamt ca. 100 Stück Ecstasytabletten im Jahr 2003), R W (Verkauf von insgesamt ca. 25 Stück Ecstasytabletten im Zeitraum Sommer 2003 bis Mai 2004), C E (gewinnbringender Verkauf von insgesamt ca. 40 bis 50 Stück Ecstasytabletten im Zeitraum Herbst 2003 bis Frühjahr 2004), M K (gewinnbringender Verkauf von insgesamt mindestens 50 Stück Ecstasytabletten im Zeitraum Sommer 2002 bis 2.7.2004) sowie an weitere bislang nicht ausgemittelten Personen in Verkehr gesetzt;

  1. außer den Fällen des § 28 SMG erworben, besessen und anderen überlassen, und zwar

    1. in der Zeit von Sommer 2002 bis 4.7.2004 unbestimmte Mengen Ecstasytabletten die nicht aus den zu Faktum I.) angeführten Tathandlungen stammen, sowie unbestimmte Mengen Heroin, Kokain, Speed, LSD, Cannabiskraut und Cannabisharz anlässlich des wiederholten, teils gemeinschaftlichen Konsums;

    2. am 4.7.2004, 51 Stück Ecstasytabletten mit einer Reinsubstanz von mindestens 2,55 Gramm MDE-Base bis zur Sicherstellung.

Er hat hiedurch zu I.) die Verbrechen nach den §§ 28 Abs. 2 (2., 3. und 4. Fall) und Abs. 3 (1. Fall) SMG und zu II.) die Vergehen nach dem § 27 Abs. 1 SMG begangen.

 

Er wird hiefür unter Bedachtnahme auf die §§ 28 und 36 StGB in Heranziehung des letzten Satzes des § 28 Abs. 3 SMG nach dem Strafsatz des § 28 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren - wobei gemäß den §§ 43 Abs. 1, 43a Abs. 3 StGB ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde - rechtskräftig verurteilt.

 

Dieser Sachverhalt ergibt sich - im Wesentlichen auch vom Bw unbestritten - auf Grund der vorliegenden Dokumente.

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Auf Grund der Übergangsbestimmungen des § 125 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. I Nr. 157/2005 und BGBl. I Nr. 99/2006, ist das Verfahren auf der Grundlage des FPG weiterzuführen (§ 125 Abs. 1 FPG).

 

3.2. Gemäß § 64 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG haben rechtzeitig eingebrachte Berufungen aufschiebende Wirkung. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Behörde die aufschiebende Wirkung ua. ausschließen, wenn die vorzeitige Vollstreckung im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

 

Gemäß § 64 FPG darf bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot ausgeschlossen werden, wenn die sofortige Ausreise des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich ist.

 

§ 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung ua. für EWR-Bürger. Gemäß Abs. 1 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich.

 

Art. 11 Abs. 2 B-VG räumt dem Gesetzgeber die Kompetenz ein, in einzelnen Gebieten der Verwaltung von den einheitlichen Vorschriften abweichende Regelungen zu erlassen, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind (dazu zB. Verwaltungsgerichtshof vom 15. Dezember 1994, 94/19/0015, 0810). Im vorliegenden Fall sind daher die Regelungen des § 64 FPG beziehungsweise des § 86 FPG anzuwenden.

 

3.3. In inhaltlicher Hinsicht hat der Oö. Verwaltungssenat in seiner Entscheidung vom 10. Februar 2006 Folgendes ausgeführt:

 

"Zu prüfen ist daher zunächst, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die in Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Diese unbestimmten Gesetzesbegriffe sind vor dem Hintergrund der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. Nr. L 56 vom 4. April 1964, S. 850, sowie dem dazu ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 27. Oktober 1977, Rs. 30/77, auszulegen.

 

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw grundsätzlich ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Im konkreten Fall ist dieses Grundinteresse der Gesellschaft darin zu sehen, den illegalen Handel mit Suchtgiften und die damit in Zusammenhang stehende Folge- und Beschaffungskriminalität zu verhindern. Dieses Grundinteresse ist auch dadurch bestätigt, dass die österreichische Rechtsordnung - insbesondere auch im Suchtmittelgesetz - für die einschlägigen Delikte hohe Strafen vorsieht, womit deren hoher Unrechtsgehalt dokumentiert wird. Es handelt sich auch nicht um ein bloßes sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse, stellt doch gerade die Suchtgiftkriminalität im weitesten Sinn eine große Gefahr für das Zusammenleben der Menschen in der Gesellschaft dar. Abgesehen von den Folgen für die Gesundheit der Suchtgiftkonsumentinnen und -konsumenten und die damit im Zusammenhang stehenden Kosten für Krankenfürsorge-, Entwöhnungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, ist dazu vor allem auf die Folge- und Beschaffungskriminalität zu verweisen, die dadurch entsteht, dass die suchtgiftabhängigen Personen meist erhebliche Geldsummen für den Suchtgiftankauf brauchen und sich diese illegal besorgen (vgl. etwa Verwaltungsgerichthof vom 27. Juni 2001, 2001/18/0102).

 

Vom Bw ist durch sein bisheriges persönliches Verhalten eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für dieses Grundinteresse der Gesellschaft ausgegangen. Er hat seine strafrechtliche relevanten Aktivitäten über einen langen Zeitraum (jedenfalls vom Sommer 2002 an bis zu seiner Verhaftung), vorsätzlich und mit großer Intensität (Menge des Suchtgifts) betrieben. Er hat dabei - als gerade Volljähriger - Suchtmittel nach Österreich eingeführt und in unzähligen Verkaufshandlungen an eine größere Anzahl von Abnehmerinnen und Abnehmern in Verkehr gebracht. Die bis zu seiner Verurteilung gegebene Unbescholtenheit konnte im konkreten Fall deswegen nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats letztlich nicht zu Gunsten des Bw herangezogen werden, weil dem der lange vorsätzliche Tatzeitraum entgegen steht (vgl. zur "gravierenden" Verletzung öffentlicher Interessen schon durch den Versuch der Einführung von Suchtmitteln VwGH vom 30. November 2004, 2002/18/0036).

 

Es besteht die begründete Annahme, dass der Bw diese Handlungen auch fortgeführt hätte, wäre er nicht vorher verhaftet worden. Die Gefahr für das Grundinteresse der Gesellschaft war daher jedenfalls bis zu seiner Verhaftung unmittelbar gegenwärtig. Auch unter Berücksichtigung des von Anfang seiner Verhaftung an reumütigen Geständnisses und des Versprechens, sich in Therapie zu begeben, stellte der Bw im Zeitpunkt des Ausspruchs des Aufenthaltsverbots und stellt er wohl auch aktuell eine gegenwärtige Gefahr dar. Er kennt seit langer Zeit Möglichkeiten und Wege sich Suchtgift zu beschaffen, es nach Österreich zu bringen und es hier gewinnbringend zu verkaufen. Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenats kann der belangten Behörde daher nicht entgegen getreten werden, wenn sie für die Person des Bw von einer grundsätzlich negativen Prognose im Hinblick auf das zu schützende Grundinteresse der Gesellschaft ausgeht (vgl. in diesem Sinn auch Verwaltungsgerichtshof vom 7. April 2005, 2005/18/0101). Nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenats kann das Tatbestandsmerkmal "gegenwärtig" auch nicht so ausgelegt werden, dass eine Strafhaft eine solche gegenwärtige Gefahr grundsätzlich ausschließt, weil die betroffene Person dort ohnehin im Gewahrsam ist (oder sich aktuell nicht mehr im Inland aufhält) und daher keine Gefahr von ihr (ihrem Verhalten) ausgehen kann. Das Tatbestandsmerkmal muss wohl so ausgelegt werden, dass es darauf ankommt, ob das prognostizierte Verhalten der Person für den Fall ihrer Entlassung (oder Wiedereinreise) zu diesem Zeitpunkt eine solche Gefahr darstellen würde.

 

Im Hinblick auf sein in Rede stehendes gravierendes Fehlverhalten ist dabei nicht zu erkennen, dass eine auf den Zeitpunkt der Durchsetzbarkeit des vorliegenden Aufenthaltsverbotes abgestellte Gefährlichkeitsprognose zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.

 

Im Übrigen ist der seit der Verurteilung verstrichene Zeitraum (der ja nur im Strafvollzug verbrachte Zeiten enthält, die bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben haben [vgl. etwa Verwaltungsgerichtshof vom 24. Juli 2002, 99/18/0260]) auch angesichts des schwer wiegenden Fehlverhalts des Bw zu kurz, um auf einen Wegfall oder auch nur eine entscheidende Minderung der Gefahr weiterer Straftaten schließen zu können (vgl. in diesem Sinn Verwaltungsgerichtshof vom 30. November 2004, 2002/18/0036).

 

Damit sind aber in der Person des Bw alle Tatbestandselemente konkret und auf den speziellen Fall abgestellt erfüllt. Es liegt damit wie gezeigt - außer der Störung der öffentlichen Ordnung, die jede Gesetzesverletzung darstellt - eine tatsächliche und hinreichend schwere (erhebliche) Gefährdung vor, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. in diesem Sinn die zitierte Entscheidung des EuGH, sowie etwa Verwaltungsgerichtshof vom 30. November 2004, 2002/18/0036).

 

Als für die Erlassung maßgeblicher Sachverhalt im Sinn des § 86 Abs. 1 letzter Satz FPG sind die Drogendelikte des Bw im Zeitraum 2002 bis zu seiner Festnahme am 4. Juli 2004 anzusehen. Er hatte seinen Hauptwohnsitz seit 24. August 1995 in Österreich, somit noch keine zehn Jahre vor dem maßgeblichen Sachverhalt. Damit kommt ihm das weitere Privileg des § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG nicht zu."

 

3.4. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots war daher rechtmäßig was auch durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Punkt 1.5) bestätigt wird. Von diesen Überlegungen ausgehend, sind nunmehr die Spruchpunkte II und III des angefochtenen Bescheids inhaltlich näher zu überprüfen:

 

3.4.1. Die aufschiebende Wirkung darf nur aufgrund der in § 64 FPG genannten Gründe - dh im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit - ausgeschlossen werden. Nach der Rechtsprechung ist diesbezüglich ein strenger Maßstab anzulegen. Als Grundlage für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung kommt nur eine vom Fremden ausgehende schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Betracht, der ein annähernd gleiches Gewicht zukommt wie einer Gefährdung der nationalen Sicherheit (VwGH vom 14. Dezember 1995, 94/18/0791, und vom 17. Februar 2000, 97/18/0564). Wie der Gerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Februar 2000, 97/18/0564, ausgesprochen hat, umfasst - in Hinblick auf den strengen Maßstab, der bei der Beurteilung dieser Frage anzuwenden ist - die gravierende Beeinträchtigung des Interesses der öffentlichen Ordnung jedenfalls auch die Abwehr strafrechtlich sanktionierter Gefahren.

 

Der Bw hat über einen langen Zeitraum Möglichkeit und Wege gefunden, sich Suchtgift zu beschaffen, es nach Österreich zu bringen und hier gewinnbringend zu verkaufen. In Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere für die Gesundheit anderer, ist die vorzeitige Vollstreckung des Aufenthaltsverbotes im Interesse des öffentlichen Wohles wegen Gefahr im Verzug dringend geboten (vgl. dazu VwGH vom 18. November 2000, 96/18/0502).

 

3.4.2. Gemäß § 86 Abs. 3 FPG ist in den dort genannten Fällen grundsätzlich ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu gewähren, es sei denn die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich also, dass die Gewährung eines Durchsetzungsaufschubes nicht nur ausnahmsweise zu erfolgen hat, ein solcher ist vielmehr - außer in den genannten Fällen - regelmäßig zu erteilen (vgl. dazu das zur gleich lautenden Bestimmung des § 48 Abs. 3 FrG 1997 ergangene Erkenntnis des VwGH vom 11. Oktober 2005, 2005/21/0331 mwN). Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen (VwGH vom 9. Juni 2005, 2005/21/0057 mwN). Die Behörde hat vielmehr zu begründen, dass es konkrete, über die schon für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes notwendigen Gründe gibt, warum es unerlässlich ist, das erlassene Aufenthaltsverbot auch sofort zu vollziehen und warum dem Fremden nicht ein - ihm grundsätzlich zustehender - Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt werden kann (VwGH vom 24. Februar 2002, 99/21/0109).

 

Der Bw hat vor seiner Verhaftung und der nachfolgenden Haft über einige Jahre hinweg in großem Stil Suchtmittel nach Österreich verbracht und sie im Bundesgebiet der Republik Österreich gewinnbringend verkauft beziehungsweise selbst konsumiert. Berücksichtigt man die hohen Rückfallsquoten im Bereich der Suchtgiftkriminalität und den langen Zeitraum, den der Bw im "Suchtgiftmilieu" verbracht hat, so besteht die doch erhebliche Gefahr, dass der Bw sofort nach seiner Haftentlassung bei einem Verbleib im Bundesgebiet der Republik Österreich neuerlich Straftaten begeht; insbesondere zur Vermeidung weiterer Straftaten ist es daher unerlässlich, dass der Bw das Bundesgebiet der Republik Österreich unverzüglich verlässt. Aufgrund der vom Bw damit ausgehenden besonderen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit kann der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden, wenn sie einen Durchsetzungsaufschub nicht erteilte.

 

3.5. Es war daher der angefochtene Bescheid als rechtmäßig zu bestätigen und die Berufung auch in dem nunmehr zu beurteilendem Umfang abzuweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

Wolfgang Steiner

 

Beachte:

Vorstehender Bescheid wurde in seinem Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung sowie im Ausspruch betreffend das Absehen von der Gewährung eines Durchsetzungsaufschubs wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.

VwGH vom 27.06.2006, Zl.: 2006/18/0092-6

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