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des Landes Oberösterreich
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VwSen-280861/9/Kl/Rd/Pe

Linz, 20.06.2006

 

 

 

VwSen-280861/9/Kl/Rd/Pe Linz, am 20. Juni 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die auf das Strafausmaß beschränkte Berufung des G W, vertreten durch Rechtsanwälte H & P, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 16.8.2005, Ge96-2546-2004, wegen Übertretungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 8.6.2006, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die zu Fakten 1 und 2 verhängten Geldstrafen auf jeweils 500 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf jeweils 25 Stunden herabgesetzt werden.

 

II. Der Berufungswerber hat als Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz den Betrag von 100 Euro, ds 10% der hinsichtlich Fakten 1 und 2 nunmehr verhängten Geldstrafen, zu leisten. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 19 und 51 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 16.8.2005, Ge96-2546-2004, wurden über den Bw Geldstrafen zu Faktum 1 und 2 von je 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 70 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 iVm 118 Abs.3 und 61 Abs.1 ASchG iVm § 87 Abs.2 und §§ 7-10 BauV (Faktum 1) und gemäß §§ 130 Abs.5 Z1 iVm 118 Abs.3 und 61 Abs.1 ASchG iVm § 87 Abs.2, 7 Abs.2 Z1 und §§ 8, 9 und 10 BauV verhängt, weil ihm als gemäß § 9 Abs.2 VStG verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften der P B-S GmbH mit Sitz in , zur Last gelegt worden sei, dass bei einer am 8.11.2004 um ca. 13.10 Uhr durch das Arbeitsinspektorat Leoben durchgeführten Überprüfung der Baustelle in Liezen, Neubau Autohaus B, Folgendes festgestellt worden sei:

1) Zwei Arbeitnehmer der Fa. P B-Sl GmbH seien auf dem Hallendach des neu errichteten Autohauses (Dachneigung unter 20°, Bereich Werkstatt) in einer Höhe von ca. 6m völlig ungesichert gegen Absturz bei Dacharbeiten angetroffen worden. Es habe jegliche Absturzsicherung nach außen gefehlt.

2) Beim oa Hallendach seien bei den 15 Lichtkuppelöffnungen (Größe 2,40m x 1,50m bzw 1,50m x 1,50m; Absturzhöhe nach innen ca 6m) keine Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) vorhanden gewesen.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher der Bw den objektiven Sachverhalt außer Streit stelle, die Strafhöhe hinsichtlich der Fakten 1 und 2 angefochten werde, da das Verschulden als geringfügig zu betrachten sei.

Zum einen war der Bw selbst als Monteur beschäftigt und zum anderen als verantwortlicher Beauftragter tätig. Dies habe zur Folge, dass er einerseits in den Schutzbereich der Arbeitnehmerschutzvorschriften falle und andererseits zur Überwachung deren Einhaltung verpflichtet sei. Darüber hinaus rügt der Bw, dass bei der Strafbemessung die genauen Umstände der örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen gewesen seien. So liege bei einem nahezu flachen Dach (Dachneigung 2°) an sich keine besondere Gefährlichkeit vor, zumal die Absturzgefahr genauso groß wie beispielsweise in einer Höhe von 1m sei. Wesentlich dabei sei, dass die Standsicherheit ausreichend gewährleistet sei. Auch sei vom Dach der verfahrensgegenständlichen Baustelle keine besondere Gefahr ausgegangen und habe sich ohnehin kein Unfall ereignet. Die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen sei im vorliegenden Fall ausschließlich auf das geringe Gefahrenpotential und den erhöhten Termindruck zurückzuführen gewesen. Der Bw habe auch nicht vorsätzlich gehandelt, sondern die Anbringung von Schutzeinrichtungen ausschließlich unterlassen, da davon auszugehen gewesen sei, dass vom Dach keine Gefahr ausgegangen sei.

Der Bw sei unbescholten und sorgepflichtig für die Ehegattin sowie für 4 minderjährige Kinder. Es bestehe kein nennenswertes Vermögen und belaufe sich der monatliche Verdienst des Bw auf 1.800 Euro. Die belangte Behörde hätte aufgrund des geringfügigen Verschuldens mit einer weit geringeren Strafe das Auslangen finden können bzw es bei einer Ermahnung belassen können. Die tatsächlich verhängte Geldstrafe treffe den Bw mit unzumutbarer, unverhältnismäßiger Härte, was nicht im Sinne des Gesetzes, insbesondere im Hinblick auf general- und spezialpräventive Überlegungen liegen würde.

Es werde daher die Aufhebung und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Anwendung des § 21 VStG, in eventu eine Herabsetzung der verhängten Geldstrafen, beantragt.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Das Arbeitsinspektorat Leoben wurde am Verfahren beteiligt.

 

Am 8.6.2006 wurde vom Oö. Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, zu welcher die Verfahrensparteien geladen wurden und erschienen sind. Im Zuge der Verhandlung wurde vom Bw die Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Da der Bw anlässlich der oa öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich um Herabsetzung der verhängten Geldstrafen ersucht hat, ist der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen und ist es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, hierauf einzugehen.

 

4.2. Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz - ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis zu 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

Gemäß § 118 Abs.3 ASchG gilt die Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 19 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat (Abs.1).

Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden.

Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die von der Behörde nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt dann nicht vor, wenn die Behörde, von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es der Behörde, die Befolgung des § 60 AVG (§ 24 VStG) in der Begründung des Bescheides die für die Ermessensausübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Ziel des Gesetzes erforderlich ist.

 

4.3. Die Bestimmungen des ASchG bzw der auf ihrer Grundlage erlassenen Verordnungen haben den Schutz des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer zum Ziel und sind daher entsprechende Verstöße mit einem besonderen Unrechtsgehalt der Tat behaftet, weil hiedurch genau jene Gefährdungen herbeigeführt werden, denen die genannten Bestimmungen entgegenwirken sollen.

So werden durch das Nichtverwenden bzw Nichtanbringen von geeigneten Schutzeinrichtungen Arbeitnehmer gerade jenen Gefahren in hohem Maß ausgesetzt, denen die Arbeitnehmerschutzbestimmungen entgegentreten wollen, was auch durch schwerste Unfälle mit teilweise tödlichem Ausgang immer wieder vor Augen geführt wird.

 

Unbeschadet dessen ist zu bemerken:

Die von der belangten Behörde festgesetzten Geldstrafen in Höhe von jeweils 1.500 Euro stellen zum einen die mehr als 10fache Mindeststrafe dar und bedürften diesbezüglich einer entsprechenden Begründung, die dem angefochtenen Straferkenntnis jedoch nicht entnommen werden kann. Zum anderen war jedoch ua zu berücksichtigen, dass der Bw als verantwortlicher Beauftragter selbst auf der Baustelle anwesend war und mitgearbeitet hat und auf keinerlei Sicherheitsvorkehrungen Bedacht genommen hat, also auffällig sorglos gehandelt oder sogar die Verwaltungsübertretung in Kauf genommen hat, also mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Als erschwerend waren auch die Absturzhöhe von 6m bei einer Dachneigung von 2° zu werten, da - entgegen der Ansicht des Bw -, die flache Dachkonstruktion das Gefährdungspotential keineswegs verringert, ist doch eine Absturzhöhe von 6m gegeben. Auch darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Witterungsverhältnisse im November und der vom Bw ins Treffen geführte Termindruck für die Fertigstellung des Autohauses ein gewisses Gefahrenpotential in sich birgt. Diese Tatsachen verhindern zwar die Geldstrafen mit der gesetzlichen Mindeststrafe (145 Euro) festzusetzen, rechtfertigen aber noch nicht die gegenständlichen Strafhöhen.

 

Zu berücksichtigen waren aber auch die persönlichen Verhältnisse des Bw. Die belangte Behörde ging bei ihrer Strafbemessung im angefochtenen Straferkenntnis von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.700 Euro, keinem Vermögen und keinen Sorgepflichten aus. Im Zuge der Berufungserhebung wurden die persönlichen Verhältnisse vom Bw dahingehend revidiert, als sich das monatliche Einkommen auf 1.800 Euro belaufe, kein nennenswertes Vermögen vorhanden sei und der Bw sorgepflichtig für seine Ehegattin und vier minderjährige Kinder sei.

 

Zumal Verwaltungsstrafen nicht dazu führen sollen, dass Sorgepflichten beeinträchtigt werden könnten, erscheint es nach Ansicht des Oö. Verwaltungssenates vertretbar und geboten unter Berücksichtigung dieses Umstandes, die verhängten Geldstrafen in der Höhe von jeweils 500 Euro entsprechend herabzusetzen.

 

Anlässlich der erstmaligen Tatbegehung erscheinen die nunmehr festgesetzten Geldstrafen noch ausreichend, um den Bw künftighin wiederum zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen des ASchG bzw der BauV, für die er als verantwortlicher Beauftragter verantwortlich ist, zu bewegen. Darüber hinaus wäre bei einer nochmaligen Tatbegehung aber mit einer empfindlich höheren Strafe zu rechnen.

 

Der in der Berufungsschrift angesprochenen Anwendung des § 21 Abs.1 VStG konnte aber nicht näher getreten werden, zumal die Voraussetzungen für das Absehen von der Strafe nicht gegeben sind. Es wird auf die obigen Ausführungen verwiesen, wodurch beim Bw nicht mehr von geringfügigem Verschulden die Rede sein kann. Das Verhalten des Bw bleibt nicht erheblich hinter dem in der Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurück.

 

Obwohl dem Bw der nicht unwesentliche Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zugute zuhalten ist, rechtfertigt dieser Umstand alleine nicht die Anwendung des § 20 VStG. So war der vom Bw in der Berufungsschrift vorgebrachte Milderungsgrund, wonach sich trotz des Fehlens von geeigneten Schutzvorrichtungen kein Unfall ereignet habe, nicht als strafmildernd, sondern ist der Eintritt eines Erfolges für das Delikt nicht erforderlich. Weitere Milderungsgründe lagen nicht vor und kamen auch nicht hervor. Es konnte daher von keinem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe ausgegangen werden und war daher die Anwendung der außerordentlichen Milderung der Strafe nicht in Betracht zu ziehen.

 

Die verhängten Ersatzfreiheitsstrafen waren entsprechend herabzusetzen (§ 16 VStG).

 

6. Weil die Berufung teilweise Erfolg hatte, waren zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Verfahrenskosten gemäß § 65 VStG aufzuerlegen. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich gemäß § 64 VStG auf insgesamt 100 Euro, ds 10 % der nunmehr verhängten Geldstrafen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

Beschlagwortung:

persönliche Verhältnisse

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