Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-102562/87/Bi/Km

Linz, 28.01.2002

VwSen-102562/87/Bi/Km Linz, am 28. Jänner 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 4. Kammer (Vorsitzender: Mag. Alfred Kisch, Berichterin: Mag. Karin Bissenberger, Beisitzer: Dr. Wolfgang Weiß) nach Aufhebung des Strafausspruchs des h. Erkenntnisses vom 7. November 2000, VwSen-102562/66/BI/KM, durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 5. Dezember 2001, B 4/01-18, über die Berufung des Herrn S, , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Johann Postlmayr, Stadtplatz 6, 5230 Mattighofen, vom 30. Jänner 1995 gegen Punkt 1) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 11. Jänner 1995, VerkR96-4313-2-1994-Shw, wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafe (samt Kosten) neuerlich erkannt und am 28. Jänner 2002 öffentlich mündlich verkündet:

  1. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 290,50 Euro (entspricht 4.000 S) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 84 Stunden herabgesetzt wird.

II. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz ermäßigt sich daher auf 29 Euro (entspricht 400 S); ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfällt.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1 und 20 VStG, § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 idFd BGBl.Nr.522/1993 und BGBl.I Nr. 32/2002

zu II.: §§ 64 und 65 VStG

Entscheidungsgründe:

zu I.:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau/Inn hat mit Punkt 1) des oben genannten Straferkenntnisses über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung gemäß §§ 5 Abs.1 iVm 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 13.000 S (13 Tagen EFS) verhängt, weil er am 19. Juni 1994 um 2.30 Uhr den PKW, Kz. BR-56DW, von Ach kommend auf der Oberinnviertlerstraße bis zum Haus Hoisgassen 18, Gemeinde Gilgenberg, Bezirk Braunau/Inn, und in weiterer Folge auf öffentlichen Straßen nach , gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Gleichzeitig wurde ihm ein anteiliger Verfahrenskostenbeitrag von 1.300 S auferlegt.

Der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung wurde mit h Erkenntnis vom 22. April 1996, VwSen-102562/51/Bi/Fb, Folge gegeben, das genannte Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

Der daraufhin vom Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie eingebrachten Amtsbeschwerde gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. April 2000, ZI.96/02/0313, Folge und hob das angefochtene Erkenntnis auf.

Mit h Erkenntnis (Ersatzbescheid) vom 7. November 2000, VwSen-402562/66/BI/KM, wurde der Berufung insofern Folge gegeben, als Punkt 1) des Straferkenntnisses hinsichtlich des Schuldspruchs mit Maßgabe von Änderungen (Entfall der Wortfolge "und in weiterer Folge auf öffentlichen Straßen nach 5132 Geretsberg, Ehrschwendt 7,") bestätigt, die Geldstrafe jedoch auf 10.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 10 Tage herabgesetzt wurde. Der Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz wurde auf 1.000 S herabgesetzt und ausgesprochen, dass ein Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren entfalle.

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2001, B 4/01-18, wurde der gegen dieses Erkenntnis seitens des Beschuldigten eingebrachten Beschwerde insofern Folge gegeben, als das Erkenntnis in Strafausspruch und im Kostenausspruch aufgehoben wurde. Begründet wurde dies damit, es sei zu berücksichtigen gewesen, dass die zu beurteilende Verfahrensdauer insgesamt sechs Jahre vier Monate und 27 Tage betrage, was allein auf das Handeln staatlicher Organe zurückzuführen und als unangemessen und als Art.6 Abs.1 EMRK verletzend anzusehen und bei der Strafbemessung, nämlich als weiterer mildernder Umstand gemäß § 34 Abs.2 StGB, zu berücksichtigen gewesen wäre.

2. Es ist sohin der Schulspruch in Rechtskraft erwachsen. Über den Straf- und (damit verbunden) den Kostenausspruch war auf dieser Grundlage neu zu entscheiden. Da im Straferkenntnis eine 726 Euro (entspricht 9.989,98 S) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige 4. Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer neuerlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich. Am 28. Jänner 2002 wurde im Rahmen einer öffentlichen Verkündungstagsatzung die gegenständliche Berufungsentscheidung mündlich verkündet.

3. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 1Abs.2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.

Der Strafrahmen des § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 idF BGBl.Nr.522/93 und BGBl.I Nr.32/2002 reichte sowohl zur Zeit der Tat (19. Juni 1994) als auch zur Zeit der Fällung des Straferkenntnisses (11. Jänner 1995) von 581 Euro (entspricht 8.000 S) bis 3.633 Euro (entspricht 50.000 S) Geldstrafe bzw. im Fall einer Uneinbringlichkeit von einer bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.

Gegenüber der im angefochtenen Straferkenntnis verhängten Strafe von 13.000 S (13 Tage EFS) wurde im nunmehr hinsichtlich des Strafausspruches vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Erkenntnis auf Grund des Wegfalls der später getilgten einschlägigen Vormerkung und der mittlerweile eingetretenen Unbescholtenheit und des Alters des Rechtsmittelwerbers - er war zum Vorfallszeitpunkt nicht mehr Jugendlicher, hatte jedoch das 21. Legensjahr noch nicht vollendet - trotz des Umstandes, dass er beim Lenken eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol in einem nicht als geringfügig anzusehenden Ausmaß beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht hat, die Geldstrafe auf 10.000 S (10 Tage EFS) herabgesetzt.

Der Verfassungsgerichtshof hat ausgeführt, dass die überlange Verfahrensdauer, nämlich von der Einleitung des Verwaltungsstrafverfahrens mit 3. Juli 1994 bis zur Erlassung des nunmehr im Strafausspruch aufgehobenen Erkenntnisses mit 7. November 2000, ds insgesamt sechs Jahre, vier Monate und 27 Tage, im gegenständlichen Fall allein auf das Handeln staatlicher Organe zurückzuführen war, ohne dass Art und Umfang des Sachverhalts noch die zu beurteilenden Rechtsfragen die Behandlung als ungewöhnlich komplex oder schwierig erscheinen lassen und sich auch keine rechtfertigenden Gründe für die Dauer des Verfahrens, insbesondere vor dem Verwaltungsgerichtshof, ergeben haben. Die Verfahrensdauer hätte somit als unangemessen und Art.6 Abs.1 EMRK verletzend festgestellt werden und bei der Strafbemessung als Milderungsgrund gewertet werden müssen.

Auf der Grundlage der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes unter Bezugnahme auf die im Erkenntnis vom 5. Dezember 2001, B 4/01-18, zitierte Judikatur des EGMR wird hiermit seitens des Unabhängigen Verwaltungssenates ausdrücklich festgestellt, dass die Dauer des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens als unangemessen lang und Art.6 Abs.1 EMRK verletzend anzusehen ist. Im Rahmen der Strafbemessung ist daher zusätzlich zu den bereits oben angeführten strafmildernden Umständen von einem weiteren Milderungsgrund im Sinne des § 32 Abs.2 StGB - das gegen den Täter geführte Verfahren hat aus einem nicht von ihm oder seinem Verteidiger zu vertretenden Grund unverhältnismäßig lange gedauert - auszugehen.

Gemäß § 100 Abs.5 StVO war zur Zeit der Tat die Anwendung des § 21 VStG ausgeschlossen. Die Aufhebung dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof (15.8.2000, G 211/98-9, G 108/99-7) ab 31.12.2000 hat auf den gegenständlichen Fall keine Auswirkung. Abgesehen davon hatte das Lenken des Pkw durch den Rechtsmittelwerber in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand einen Verkehrsunfall mit Sachschaden zur Folge, sodass die Voraussetzungen des § 21 VStG, wäre er anzuwenden gewesen, nicht vorlagen.

Die Anwendung des § 20 VStG war ab In-Kraft-Treten der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr.518/94, (gemäß § 103 Abs.2a StVO) mit 1. Oktober 1994 ausgeschlossen, dh zur Zeit der Tat war die Anwendung des § 20 VStG ("Überwiegen die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich oder ist der Beschuldigte ein Jugendlicher, so kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.") zulässig.

Der Rechtsmittelwerber ist am 11. Juni 1975 geboren, war also zum Vorfallszeitpunkt 19. Juni 1994 nicht mehr Jugendlicher, sodass die Voraussetzungen des § 20 VStG hinsichtlich des Vorliegens der zweiten Alternative zu prüfen waren, nämlich ob von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im gegenständlichen Fall auszugehen war.

Die mittlerweile eingetretene Tilgung der (zur Zeit der Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) als straferscherend gewerteten einschlägigen Vormerkung, die mittlerweile eingetretene verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, die Nichtvollendung des 21. Lebensjahres iSd § 34 Abs.1 Z1 StGB, der Milderungsgrund des § 34 Abs.2 StGB und der Milderungsgrund des § 34 Abs.1 Z18 StGB - laut Auskunft der Erstinstanz ist der Rechtsmittelwerber auch mittlerweile noch unbescholten, sodass davon auszugehen ist, dass er "die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat" - sind damit der Verursachung eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden in einem durch Alkohol in einem nicht geringfügigen Ausmaß beeinträchtigten Zustand gegenüberzustellen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt die Auffassung, dass insbesondere den Milderungsgründen gemäß § 34 Abs.1 Z18 und Abs.2 StGB wesentliches Gewicht zuzumessen ist, sodass in Verbindung mit den weitern mildernden Umständen, insbesondere dem wesentlichen Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Rechtsmittelwerbers, von einem beträchtlichen überwiegenden über die oben angeführten erschwerenden Umstände auszugehen war.

Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 20 VStG waren daher als gegeben anzusehen und der Strafbemessung ein Strafrahmen von 290,50 Euro (entspricht 4.000 S) bis 3.633 Euro (entspricht 50.000 S) Geldstrafe und für den Fall der Uneinbringlichkeit von 84 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe zugrundezulegen.

Mit der nunmehr verhängten Strafe wurde zugunsten des Rechtsmittelwerbers der Strafrahmen zur Gänze ausgeschöpft und die zum Zeitpunkt der Tat gesetzlich gültige niedrigstmögliche Mindeststrafe verhängt. Diese entspricht den Kriterien Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung ebenso wie denen des § 20 VStG, sodass auch eventuelle nunmehr bestehende ungünstige Einkommensverhältnisse des Rechtsmittelwerbers eine weitere Herabsetzung ausschließen. Gegebenenfalls steht es diesem frei, bei der Erstinstanz die Bezahlung der Geldstrafe in Teilbeträgen zu beantragen.

Die Ersatzfreiheitsstrafe wurde im Verhältnis zur Geldstrafe gemäß dem vorgegebenen Strafrahmen bemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei zu bemerken ist, dass der Einwand des Rechtsmittelwerbers (Schriftsatz vom 23. Jänner 2002), fünf Jahre nach Zustellung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, nämlich am 16. Jänner 2000, sei gemäß § 55 VStG Tilgung eingetreten, weshalb die Strafen auch nicht zum Teil bestätigt werden könne, zumal getilgte Strafen bei der Strafbemessung nicht berücksichtigt werden dürften, ins Leere geht. Das erstinstanzliche Straferkenntnis wurde durch die - über Amtsbeschwerde aufgehobene - (erste) Berufungsentscheidung aufgehoben. Ein "Straferkenntnis" im Sinne des § 55 VStG erging erst mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 7. November 2000, VwSen-102562/66/BI/KM. Es existierte auch keine der Tilgung unterliegende Vormerkung, die dem Rechtsmittelwerber in der Zwischenzeit zum Nachteil gereichen hätte können. Tilgung kann im Übrigen nur hinsichtlich einer anderen Strafe eintreten und nicht hinsichtlich der zur Beurteilung anstehenden.

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro (entspricht 2.476,85 S) zu entrichten.

Mag. Kisch

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VfGH vom 9.10.2002, Zl.: B 570/02-7

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