Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-280891/2/Kl/Rd/Pe

Linz, 24.04.2006

 

 

 

VwSen-280891/2/Kl/Rd/Pe Linz, am 24. April 2006

DVR.0690392

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des M Z gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 7.2.2006, Ge96-148-2005-Fux, wegen einer Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

zu II.: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 7.2.2006, Ge96-148-2005-Fux, wurde über den Bw eine Geldstrafe von 1.500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 130 Abs.1 Z6 iVm § 35 Abs.1 Z3 ASchG verhängt. Dem Schuldspruch liegt nachstehender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben, wie bei der Durchsicht der dem Arbeitsinspektorat Linz vorliegenden Unterlagen: 'Bericht zur strafrechtlichen Beurteilung' der Polizeiinspektion Bad Hall vom 29. November 2005 vom Arbeitsinspektorat Ing. Mag. C A folgende Übertretungen des ASchG festgestellt wurde, die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetze (ASchG) nicht eingehalten

Ihnen als dem verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (nach außen hin vertretungsbefugtem Organ, dh handelsrechtlichem Geschäftsführer) ist daher folgender Tatvorwurf zu machen:

Am 29. September 2005 gegen 9.30 Uhr verletzte sich Frau M Z bei dem Versuch stecken gebliebene Späne mittels eines Schraubenziehers aus dem Inneren der Kantenanleimmaschine OTT Euromatic FÜ, Masch.Nr. N/59130, Bauj.: 2000 zu entfernen. Sie musste dazu die Schutzhaube öffnen, was grundsätzlich einen Stillstand der Anlage innerhalb von 5 sec. durch die vom Hersteller der Maschine vorgesehene Sicherheitseinrichtung (Verriegelungsschalter) zur Folge gehabt hätte (Bedienungsanleitung Seite 4, Punkt 3b). Im gegenständlichen Fall funktionierte die Sicherheitseinrichtung nicht bzw war der Schutzmechanismus gar nicht vorhanden.

Dies stellt eine Übertretung des § 35 Abs.1 Z3 ASchG dar, wonach Arbeitsmittel nur mit den für die verschiedenen Verwendungszwecke vorgesehenen Schutz- und Sicherheitseinrichtungen benutzt werden dürfen."

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Vorwurf, den Arbeitsunfall von Frau M verschuldet zu haben, widersprochen werde. Ein Verschulden liege nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit vor. Ein Vorsatz sei hier keinesfalls vorhanden. Grobe Fahrlässigkeit wäre gegeben gewesen, wenn die dem Arbeitgeber obliegende Sorgfaltspflicht außergewöhnlich vernachlässigt worden wäre oder eine Vorhersehbarkeit des Schadenseintrittes vorgelegen sei. Die Mitarbeiter seien ordnungsgemäß mit dem Betrieb der Maschinen vertraut gemacht worden. Die Maschine sei auch regelmäßig gewartet worden. Eine entsprechende Sicherheitsvorrichtung sei grundsätzlich vorhanden gewesen und sei die Maschine grundsätzlich mit der Sicherheitsvorrichtung betrieben worden. Im Zuge von Justierungsarbeiten und anschließendem Testbetrieb sei es notwendig, die Sicherheitseinrichtung zu entfernen. Dies sei den Mitarbeitern bekannt; somit liege weder eine Vorhersehbarkeit noch eine Vernachlässigung vor. Ein Verstoß gegen § 130 Abs.1 Z6 ASchG iVm § 35 Abs.1 Z3 ASchG besteht somit aus Sicht des Bw nicht.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG abgesehen werden.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

4.2. Diesen Anforderungen wird aus nachstehenden Gründen nicht entsprochen:

 

Wie der Anzeige des Arbeitsinspektorates Linz vom 27.12.2005 entnommen werden kann, wurde der im Spruch näher ausgeführte Tatvorwurf vom 29.9.2005 aufgrund eines Berichts zur strafrechtlichen Beurteilung der Polizeiinspektion Bad Hall vom 29.11.2005 durch den Arbeitsinspektor Ing. A gemäß § 9 Abs.2 bis 4 ArbIG zur Anzeige gebracht. Die Betreffzeile lautet: "Z M GmbH; Übertretung der Bestimmungen des ASchG".

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung der belangten Behörde vom 27.12.2005, Ge96-148-2005, als erster Verfolgungshandlung, wurde darin Herrn M Z, der gegenständliche Tatvorwurf zur Kenntnis gebracht. Darauf erfolgte am 24.1.2006 eine diesbezügliche Stellungnahme des Bw. Am 7.2.2006 hat die belangte Behörde in der Folge das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, adressiert an Herrn M Z, erlassen.

 

Weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 27.12.2005 noch im Straferkenntnis vom 7.2.2006 wurde darin dem Bw ein konkreter Tatort zur Last gelegt.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. Erk vom 6.10.1994, Zl. 92/18/0366) ist bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Tatort, dessen Angabe der Spruch nach § 44a Z1 VStG zu enthalten hat, jener Ort anzusehen, an dem die gesetzlich gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde; dies ist der Sitz der Unternehmensführung. Der Unternehmenssitz ist allerdings im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht enthalten. Dem Bw wurde "als dem verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen (nach außen hin vertretungsbefugtem Organ, d.h. handelsrechtlichem Geschäftsführer) ist daher folgender Tatvorwurf zu machen ...." zur Last gelegt. Es wurde dem Bw somit innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist weder ein konkreter Tatort zur Last gelegt noch der Sitz des Unternehmens konkret benannt. Eine Zuordnung, an welcher Örtlichkeit (Betrieb) die mangelnde Vorsorgehandlung einen Verstoß gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften bewirkt haben soll, ist somit nicht möglich, obwohl dies bei einem Delikt wie dem vorliegenden ein wesentliches Sachverhaltselement bildet.

 

Die Angaben in der "Betreff-Zeile" des Arbeitsinspektorates scheiden als allfällige fristhemmende Verfolgungshandlung, die eine Ergänzung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses auch außerhalb der Frist des § 31 Abs.2 VStG zuließe, von vornherein aus, zumal das Arbeitsinspektorat nicht als Behörde zur Verfolgung von Verwaltungsübertretungen iSd § 32 Abs.2 VStG zu verstehen ist.

 

Zudem fehlen dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses jegliche Ausführungen, für welche juristische Person der Bw zur verwaltungsstrafrechtlichen Haftung iSd § 9 VStG herangezogen wurde.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

 

Da hinsichtlich des konkreten Tatortes keine entsprechende fristgerechte Verfolgungshandlung getätigt wurde, war es dem Oö. Verwaltungssenat verwehrt, eine dahingehende Spruchberichtigung vorzunehmen.

 

4.3. Da die Berufung Erfolg hatte, war auf das weitere Berufungsvorbringen nicht näher einzugehen. Ein Kostenbeitrag entfällt gemäß § 66 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Tatort, Tatkonkretisierung, Verjährung

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum