Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300007/5/Wei/Bk

Linz, 01.04.1996

VwSen-300007/5/Wei/Bk Linz, am 1. April 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des E H, geb. 1957, Justizanstalt S, B, vom 26. März 1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 7. März 1995, Zl. St 6886/94, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 3 Abs 1 O.ö.

Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 7. März 1995 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 3.12.1994 von 05.00 bis 05.30 Uhr in S, K vor der Wohnungstüre des K G durch heftiges Schlagen gegen die Wohnungstüre ungebührlicherweise störenden Lärm erregt Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 3/1 O.ö. PolStG.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß:

§ 10/1 a O.ö. PolStG.

folgende Strafe verhängt:

S 600,-falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von:

20 Std. ..." Ferner wurde ein Kostenbeitrag von S 60,-- vorgeschrieben.

Begründend verwies die belangte Strafbehörde auf die Anzeige von Beteiligten und das Einschreiten der Funkstreife am 3.

Dezember 1994 um 06.35 Uhr (vgl näher Anzeige des Wachzimmers M vom 4.12.1994). Da der Bw einem Ladungsbescheid nicht Folge leistete, hätte das Verwaltungsstrafverfahren ohne seine Anhörung durchgeführt werden müssen.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw durch Polizeibeamte des Wachzimmers M am 22. März 1995 um 16.30 Uhr im Gefangenenhaus der Justizanstalt S, B, zugestellt werden konnte, richtet sich dessen rechtzeitige Berufung vom 26. März 1995, die am 29. März 1995 beim O.ö.

Verwaltungssenat einlangte.

In der Berufung bringt der Bw vor, daß er sich am 3.

Dezember 1995 im Tanzcafe "F" befunden hätte und um ca.

04.00 Uhr mit seinem Bekannten G K dieses Lokal verlassen hätte. Sein Bekannter hätte ihn unverzüglich nach Hause in die S gebracht, wo er sich niedergelegt und geschlafen hätte. Er wäre keinesfalls in der Zeit von 05.00 Uhr bis 05.30 Uhr in der Nähe der Wohnung von K G, K, gewesen und hätte sich auch nicht in Begleitung von A B und K K befunden.

Außerdem bringt der Bw vor, daß er keinesfalls einen Ladungsbescheid der belangten Behörde erhalten hätte. Er befände sich seit 4. Dezember 1995 in der Justizanstalt S in Haft, wo ihm kein Ladungsbescheid zugegangen worden wäre.

Der belangten Behörde wäre außerdem bekannt gewesen, daß er sich in Haft befand.

Aus den genannten Gründen ersucht der Bw um nochmalige Überprüfung des Sachverhaltes und beantragt erschließbar die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich übermittelte mit Schreiben vom 30. März 1995 die Berufung der belangten Behörde zur allfälligen Berufungsvorentscheidung. Diese führte in der Folge ein Ermittlungsverfahren zur Überprüfung der Angaben des Bw durch. Am 26. April 1995 wurde der namhaft gemachte Zeuge G K niederschriftlich einvernommen, der die Angaben des Bw bestätigte und sich nicht vorstellen konnte, daß dieser um 05.00 Uhr in der K gewesen wäre. A B gab am 15. Mai 1995 als Zeuge, der in der Justizanstalt S vernommen wurde, an, daß sich der Bw zum angelasteten Tatzeitpunkt nicht in seiner Begleitung befunden hätte. Der am 26. April 1995 als Zeuge einvernommene K K, ein Bruder des Bw, konnte nicht angeben, ob sich der Bw in der K zum Tatzeitpunkt aufhielt, da er sich selbst dort nicht aufgehalten hätte und sich nicht erklären könnte, warum sein Name in diesem Zusammenhang genannt wurde.

Schließlich meinte die Zeugin E A am 26. April 1995, daß sie damals in Panik gewesen wäre und heute nicht mehr angeben könnte, ob der Bw einer der Täter war. Auch der Zeuge K H erklärte am 15. Mai 1995 vor der belangten Strafbehörde, daß er nicht mehr angeben könnte, von wem der Lärm zur Tatzeit erregt wurde, da er das Verursachen des Lärmes nicht gesehen hätte.

Die belangte Behörde stellte daraufhin mit Aktenvermerk vom 22. Mai 1995 gemäß § 45 Abs 1 lit a VStG 1991 das Verwaltungsstrafverfahren ein, weil die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden könne. Nach einem handschriftlichen Vermerk erfolgte eine mündliche Verständigung am 19. Mai 1995. Die belangte Behörde teilte dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 23. Mai 1995 diese Einstellung des Strafverfahrens mit und legte ihren Verwaltungsstrafakt vor.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt hinreichend geklärt ist und das Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Die belangte Strafbehörde hat noch in Anwendung der Vorschrift des § 51b VStG 1991 Ermittlungen durchgeführt und eine Entscheidung getroffen. Durch die VStG-Novelle BGBl Nr.

620/1995 wurde § 51b VStG 1991 mit Ablauf des 30. Juni 1995 außer Kraft gesetzt. Seit 1. Juli 1995 gilt die Vorschrift des § 64a AVG 1991 idF BGBl Nr. 471/1995 über die Berufungsvorentscheidung auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl § 24 VStG 1991 idF BGBl Nr. 620/1995).

Im Zeitpunkt der strafbehördlichen Ermittlungen war daher der § 51b VStG 1991 betreffend die Berufungsvorentscheidung im Verwaltungsstrafverfahren noch anwendbar. Nach dieser Bestimmung konnte die Strafbehörde das von ihr erlassene Erkenntnis aufgrund der Berufung und allfälliger weiterer Ermittlungen aufheben oder zum Vorteil des Beschuldigten abändern. Wurde binnen zwei Monaten nach Einlangen der Berufung eine Berufungsvorentscheidung erlassen, dann war die Berufung nur über Vorlageantrag der Partei binnen zwei Wochen vorzulegen. Mit dem Einlangen des Vorlageantrags trat die Berufungsvorentscheidung außer Kraft.

Die belangte Strafbehörde hat im gegenständlichen Fall keine wirksame Berufungsvorentscheidung innerhalb der Zweimonatefrist ab Einlangen der Berufung erlassen. Eine solche Berufungsvorentscheidung hätte selbstverständlich in Bescheidform ergehen müssen (vgl auch Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 1041, Anm 3 zu § 51b VStG). Mit dem Aktenvermerk vom 22. Mai 1995 konnte das zuvor erlassene Straferkenntnis vom 7. März 1995 weder rechtswirksam beseitigt noch abgeändert werden. Da die Zweimonatefrist für eine Berufungsvorentscheidung nach dem Einlangen des Verwaltungsstrafakts beim unabhängigen Verwaltungssenat bereits abgelaufen war, hat dieser davon abgesehen, den Akt unter Hinweis auf die dargestellte Rechtslage zur Erlassung eines Bescheides an die Strafbehörde zurückzuleiten. Es war daher mangels rechtswirksamer Berufungsvorentscheidung über die beim unabhängigen Verwaltungssenat eingebrachte Berufung vom 26.

März 1995 zu entscheiden.

4.2. Das von der belangten Strafbehörde nachträglich durchgeführte Ermittlungsverfahren hat auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates ergeben, daß die dem Bw angelastete Täterschaft als Lärmerreger nicht erwiesen werden kann. Soweit die Zeugen nicht ohnehin die leugnende Darstellung des Bw stützten, konnten sie sich nicht mehr mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit an den Vorfall erinnern. Die Anzeigerin E A war nach der Anzeige aus dem Fenster gesprungen, bevor sie eine Funkstreife informierte. Visuelle Wahrnehmungen hatte sie nicht behauptet. Auch der Wohnungsinhaber G bestritt in seiner Zeugenaussage, etwas gesehen zu haben. Aufgrund dieser schlechten Beweislage war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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