Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300015/11/Kei/Shn

Linz, 22.08.1996

VwSen-300015/11/Kei/Shn Linz, am 22. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 1. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Guschlbauer, dem Beisitzer Dr. Wegschaider und dem Berichter Dr. Keinberger über die Berufung der Wilhelmine O, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. Mai 1995, Zl.St.-4614/95-B, wegen einer Übertretung des O.ö. Polizeistrafgesetzes (O.ö. PolStG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. November 1995 und mündlicher Verkündung der Entscheidung am 22. August 1996, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z1, § 51 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin (Bw) eine Geldstrafe von 25.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) verhängt, weil sie "am 7.3.1995 um 21.27 Uhr in LINZ, Z16 durch Auf- und Abgehen, Ansprechen von männlichen Passanten und Pkw-Lenkern, sowie die Vereinbarung eines entgeltlichen GV mit einem Kunden sich in einer solchen Weise verhalten" habe, "die auf die Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken abzielte".

Dadurch habe sie eine Übertretung des "§ 2/3a OÖ. Pol.StG." begangen, weshalb sie gemäß "§ 10/1b OÖ. Pol.StG." zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses der Bw am 21. Mai 1995 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 2. Juni 1995 der Post zur Beförderung übergeben und fristgerecht erhoben wurde.

Die Bw bringt in der Berufung vor:

"BETRIFFT: BERUFUNG gegen das Urteil vom 18.5.95 ST.-4614/95-B Gegen diese Beschuldigung und Verurteilung, erhebe ich Berufung.

1.) Ich habe mit dem Herrn keinen G.V. ausgeübt, sollte es zu früherer Zeit gewesen sein so ist oder kann dies auch schon verjährt sein.

2.) Ich möchte eine Gegenüberstellung dieses Herrn.

3.) Ich habe diese Tat nicht begangen, wollte Kaffee trinken und habe Speck erhalten, mich anschließend nach Hause fahren lassen.

Dieses Urteil werde ich notfalls bis zum Verfassungsgerichtshof vortragen.

Hochachtungsvoll O".

3. Da im angefochtenen Bescheid eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hatte der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz vom 13. Juni 1995, Zl.III-St.4614/95-B, Einsicht genommen und am 30. November 1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e VStG - in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Bw und in Anwesenheit des Vertreters der belangten Behörde - durchgeführt. In dieser Verhandlung wurden zwei Zeugen (einer von beiden war ein Bediensteter der Bundespolizeidirektion Linz) einvernommen.

Der erste Zeuge sagte in der Verhandlung aus:

"Ich bin mit meinem Pkw zur Z gekommen. Ob mehrere Damen außer der Frau O - sich dort befunden haben, weiß ich nicht mehr. Ich habe die Frau O einsteigen lassen. Ich habe ihr auch einen Speck gegeben. Wir vereinbarten, daß wir auf einen Kaffee fahren würden. Ich kannte die Frau O bereits von früher. Wie genau über einen Geschlechtsverkehr gesprochen wurde, daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

Wir begaben uns in Richtung zu einem Kaffeehaus, daß sich soweit ich mich erinnern kann - in der Nähe der Donaulände befunden hat. Noch bevor wir in das Kaffeehaus gingen, wurden wir durch die Polizei angehalten. O und ich stiegen aus dem Auto aus. O hat sich links vom Auto befunden, ich rechts. Es wurden die Personalien aufgenommen. Durch einen der Beamten wurde mir gesagt: 'Wollen sie, daß sie einen Brief (eingeschrieben) kriegen?' Damit nicht meine Angehörigen von diesem Vorfall Kenntnis erlangen, machte ich dann die Aussagen. O und ich begaben uns nicht in das Kaffeehaus. Ich habe nach der Amtshandlung die Frau O zur Z zurückgebracht. Das Gespräch zwischen den Beamten und der Frau O habe ich nicht mitgehört. Die Zeitdauer, wie wir von der Z weggefahren sind und wieder dort angekommen sind, hat ca 15 bis 20 Minuten betragen. Zum Speck gebe ich an, daß ich diesen der Frau O früher versprochen habe. Es handelte sich dabei um ein relativ kleines Stück. Ich beabsichtigte nicht durch die Übergabe des Speckes gewissermaßen eine 'Anzahlung für einen Geschlechtsverkehr' zu geben. Ich habe an jenem Abend schon nach der Frau O Ausschau gehalten um ihr den Speck zu überreichen und als ich sie in der Z stehen gesehen habe, habe ich mit dem Fahrzeug angehalten. Mir war klar, daß ich für einen Geschlechtsverkehr mit der Frau O ein Entgelt zu bezahlen hätte." Nach Vorhalt der in der Niederschrift vom 21. April 1995 aufscheinenden Aussagen "Sie hat mir dann einen GV angeboten und es wurde vereinbart, daß dieser in ihrer Wohnung stattfinden soll. Daraufhin fuhr ich mit ihr weg und wir vereinbarten sodann, daß wir vor dem GV noch ein Kaffeehaus aufsuchen wollten." sagte der Zeuge aus: "Ich kann mich an den Wortlaut, der damals verwendet wurde, nicht mehr genau erinnern. Es könnte auch so gewesen sein, daß sich ein Geschlechtsverkehr gewissermaßen ergeben hätte. Frau O war einer Durchführung eines solchen nicht abgeneigt." Der Bedienstete der Bundespolizeidirektion Linz sagte in der Verhandlung aus:

"An die Person des heute erschienenen Zeugen kann ich mich noch erinnern. An die Amtshandlung am 7. März 1995 kann ich mich nur mehr grob erinnern. Insbesondere erinnere ich mich daran, daß der Freier einen Speck mitgehabt hat und daran, daß O und der Freier beabsichtigt haben, in ein Kaffeehaus zu gehen. Die Anhaltung ist im Bereich der F erfolgt. Der von uns zur Rede gestellte Freier gab damals sinngemäß an, daß beide auf einen Kaffee gehen wollten und daß er der Frau O Speck übergeben wollte. Bei der Amtshandlung wurden beide Personen getrennt vernommen. Ich vernahm den Freier, mein Kollege L hat die Frau O vernommen. Frau O hat sich aber ziemlich lautstark verhalten. Ob mein Kollege L die Frau O auch betreffend eine begangene Verwaltungsübertretung durch ihr Verhalten belehrt hat, daß habe ich nicht mitgehört, das wird aber üblicherweise durch uns bei derartigen Amtshandlungen so gemacht. Die Regel ist so, daß die Person hingewiesen und beanstandet wird, daß sie eine Verwaltungsübertretung begangen hat und daß aus diesem Grunde eine Anzeige erfolgen wird. Die Anbahnungssituation selbst in der Z habe ich beobachtet. Ob damals die Frau O den Freier auf sich aufmerksam gemacht hat oder ob dieser von sich aus beabsichtigt hat, bei der Frau O anzuhalten, weil er Stammkunde war, das kann ich nicht sagen. Im Zuge der Anhaltung hat mir der Freier gegenüber ausgesagt, daß über einen Preis noch nicht gesprochen worden ist. Der Freier führte mir gegenüber im Zuge der Anhaltung aus, daß über Art und Weise der geschlechtlichen Handlung zwischen O und ihm nichts ausgemacht worden sei, daß es jedoch seine Absicht gewesen ist, eine geschlechtliche Handlung durchzuführen.

Im Zuge der Amtshandlung hatten wir dem Freier nicht dahingehend gedroht, daß er aussagen solle, ansonsten seinen Angehörigen von seinem Umgang Mitteilung gemacht würde." 4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs.3 lit.a O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung der Prostitution abzielt. Als öffentlicher Ort hat ein solcher zu gelten, der jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Kreis von Personen betreten werden kann oder im Rahmen seiner Zweckbestimmung allgemein zugänglich ist. Dem Verhalten an einem öffentlichen Ort ist ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht an einem öffentlichen Ort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.

Gemäß § 10 Abs.1 O.ö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1, § 2 Abs.3 und § 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach (lit.b) § 2 Abs.3 mit Geldstrafe bis 200.000 S, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

4.2. Insbesondere die in Punkt 3 wiedergegebenen Aussagen des als erster vernommenen Zeugen werden durch den O.ö.

Verwaltungssenat als glaubhaft beurteilt. Diese Beurteilung gründet sich auf den persönlichen Eindruck, den der Zeuge in der Verhandlung hinterlassen hat und auch darauf, daß er unter Wahrheitspflicht (§§ 49 und 50 AVG iVm § 24 VStG) ausgesagt hat. Vor dem Hintergrund dieser Aussagen und auch wegen dem Vorbringen der Bw in der Berufung ist für den O.ö.

Verwaltungssenat nicht mit einer für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit erwiesen, daß die Bw die Tat, die ihr im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfen wurde, begangen hat. Daher war nach dem Grundsatz in dubio pro reo vorzugehen, der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Guschlbauer

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