Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-101671/15/Br

Linz, 07.02.1994

VwSen -101671/15/Br Linz, am 7. Februar 1994 DVR.0690392

Erkenntnis

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn J, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, , AZ. VerkR-7666/1992-Du, vom 30. November 1993, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 7. Februar 1994 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

I. a) Der Berufung wird insofern Folge gegeben als das angefochtene Straferkenntnis in Punkt 1) behoben wird; das Verwaltungsstrafverfahren wird in diesem Punkt eingestellt.

b) In Punkt 2) wird die verhängte Strafe auf 500 S sowie die Ersatzfreiheitsstrafe auf 15 Stunden ermäßigt; der Schuldspruch wird in diesem Punkt jedoch bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 4 Abs.1 lit.a und § 4 Abs.5 iVm § 99 Abs.2 lit.a und § 99 Abs.3 lit.b Straßenverkehrsordnung, BGBl.Nr. 159/1960, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 615/1991 - StVO 1960; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 866/1992 - AVG, iVm § 19, § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 666/1993 - VStG; II. a) Der erstinstanzliche Verfahrenskostenbeitrag entfällt. b) In Punkt 2) ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 50 S. Für das Berufungsverfahren entfällt jeglicher Verfahrenskostenbeitrag.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs. 1 und 2, sowie § 65, § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, hat mit dem Straferkenntnis vom 30. November 1993 über den Berufungswerber wegen der ihm zur Last gelegten Übertretungen der Straßenverkehrsordnung eine Geldstrafe von 1) 1.500 S und für den Nichteinbringungsfall 45 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und 2) 1.000 S und für den Nichteinbringungsfall 30 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil am 5. 11. 1992 gegen 13.10 Uhr in E auf der W Bundesstraße 134 bei Strkm. 0,160 in Fahrtrichtung W als Lenker des Lkw's mit dem behördlichen Kennzeichen es 1) unterlassen hätte, nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, mit dem sein Verhalten im ursächlichen Zusammenhang gestanden sei, das von ihm gelenkte Fahrzeug sofort anzuhalten und 2) er es unterlassen hätte, die nächste Gendarmeriedienststelle von diesem Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl ein gegenseitiger Nachweis von Namen und Anschrift der Unfallsbeteiligten unberblieben sei. 1.1. Hiezu führte die Erstbehörde begründend im wesentlichen aus, daß das Beweisverfahren als die wahrscheinlichere Variante einen Fahrzeugkontakt durch die beiden Fahrzeugspiegel ergeben habe. Dieser Kontakt hätte vom Berufungswerber bemerkt werden müssen. Es sei ein Kontaktgeräusch wahrnehmbar gewesen. Der Berufungswerber sei daher einerseits zum sofortigen Anhalten und andererseits zur Meldung an die nächste Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub verpflichtet gewesen. Die Übertretung sei daher wenigstens fahrlässig begangen worden. Mildernd wäre die Unbescholtenheit des Berufungswerbers zu werten gewesen. 2. In der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung führt schließlich der Berufungswerber durch seine ausgewiesenen Rechtsvertreter im wesentlichen aus, daß der Kontakt des Bundesheerfahrzeuges nicht beim Spiegel des von ihm gelenkten Fahrzeuges, sondern an der hinten befestigt gewesenen Leiter, erfolgt sei. Die Beschädigung sei daher für ihn nicht wahrnehmbar gewesen. Das von der Erstbehörde zitierte Erkenntnis des VwGH vom 17.6.1992 sei falsch interpretiert worden. In diesem sei es um das Überholen eines Sattelkraftfahrzeuges gegangen, wobei der Beschuldigte der überholende Pkw-Lenker gewesen sei. Zumal die Unfallstelle an einer äußerst ungünstigen Örtlichkeit (gemeint wohl unübersichtlichen Örtlichkeit) gelegen sei, könne auch das Anhalten erst nach 100 bis 200 Metern nicht als Verschulden gewertet werden. Aufgrund der Unübersichtlichkeit der Unfallstelle habe er nicht sehen können, daß der zweitbeteiligte Lenker sein Fahrzeug angehalten gehabt hätte. 3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen, AZ. VerkR-7666/1992-Du und Erörterung des Akteninhaltes im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Ferner durch das vom Kraftfahrzeugsachverständigen, Ing. L erstellten Gutachten, die Vernehmung der Zeugen H L und J sowie durch Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten. 4. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

4.1. Der Berufungswerber hat zur oben angeführten Zeit den Tankzug, Kennzeichen von Eferding in Richtung stadtauswärts gelenkt. Im Bereich der unübersichtlichen Stelle unmittelbar vor der Unfallsörtlichkeit hat seine Fahrgeschwindigkeit 25 bis 30 km/h betragen. Als ihm plötzlich das zweitbeteiligte Fahrzeug mit annähernd gleicher Geschwindigkeit entgegengekommen ist, hat er sein Fahrzeug unmittelbar an den rechten Fahrbahnrand gelenkt und es dort zum Stillstand gebracht. Der rechte Vorderreifen seines Fahrzeuges hat dabei sogar die Gehsteigkante gestreift. Mit dem Bundesheerfahrzeug ist es schließlich zur Berührung mit dem linken Außenspiegels des vom Berufungswerber gelenkten Lkw's gekommen. Dieser ist dadurch zerbrochen. Der Rahmen ist dabei gegen die linke Seitenscheibe des Fahrzeuges gedrückt worden. Ebenfalls ist es auch zu einer Beschädigung des linken Außenspiegels beim Bundesheerfahrzeug gekommen. Wo dieser Spiegel an dem vom Berufungswerber gelenkten Lkw kontaktierte, konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden. Das Bundesheerfahrzeug wurde anschließend noch etwa 20 Meter aus der unübersichtlichen Kurve hinausgelenkt und dort angehalten. Auf diese Stelle war eine Sicht aus der Position des Berufungswerbers - der Unfallstelle - nicht mehr gegeben. Der Berufungswerber ist folglich etwa 100 Meter weitergefahren und hat dann den Fahrlehrer eines nachfolgenden Bundesheerfahrzeuges von der Beschädigung seines Fahrzeugspiegels durch einen anderen Bundesheer-Lkw, nämlich jenen, welcher unmittelbar vorher diese Stelle passiert hatte, informiert. Eine Meldung bei der nächsten Gendarmeriedienststelle bzw. ein Identitätsnachweis unter den beteiligten Lenkern ist nicht erfolgt. 5. Das entscheidungsrelevante Beweisergebnis stützt sich insbesondere auf die Aussage des Zeugen J S. Dieser gibt an, daß er von der Unfallstelle noch etwa 20 Meter weiter, nämlich aus der unübersichtlichen Kurve hinauslenkte. Von der Unfallstelle bzw. dem Standort des Berufungswerbers war diese Stelle nicht mehr einzusehen. Der Zeuge umschreibt dies wörtlich damit, daß er meinte: "es wird eher nicht der Fall gewesen sein, daß der Lenker des Tankzuges unser Anhalten sah." In diesem Punkt wird auch die Verantwortung des Berufungswerbers bestätigt. Darüber hinaus war davon auszugehen, daß der Berufungswerber wenigstens mit der Möglichkeit einer Schadensverursachung rechnen mußte, zumal ihm wenigstens die Berührung des Zweitbeteiligten mit seinem linken Außenspiegel bekannt war. Ob nun das gegnerische Fahrzeug sein Fahrzeug beim Spiegel oder hinten touchierte kann daher dahingestellt bleiben. Durch die sachverständige Auswertung der Tachographenscheibe ist ferner auch die Verwantwortung des Berufungswerbers bestätigt, daß er im Zusammenhang mit diesem Vorfall sein Fahrzeug insgesamt dreimal angehalten hat. Einerseits an der Unfallstelle, das zweite Mal als er den Lenker eines weiteren, entgegenkommenden Bundesheerfahrzeuges über den Vorfall informierte. Ein weiteres Anhalten erfolgte dann etwa fünf Minuten später für eine Zeitdauer von ebenfalls fünf Minuten.

5.1. Rechtlich hat er unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

5.1.1. Die Anhaltepflicht tritt wohl grundsätzlich schon dann ein, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte. Es genügt im Sinne des § 4 Abs.1 lit.a StVO auch nicht das bloße kurzfristige zum Stillstand bringen des am Unfall beteiligten Fahrzeuges an der Unfallstelle bei anschließendem - ohne sich um die gesetzlichen Maßnahmen gekümmert zu haben - Fortsetzen der Fahrt. Diese gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen können jedoch dann nicht erfüllt werden, wenn auch der Zweitbeteiligte sich von der Unfallstelle entfernt (VwGH 6.4.1978, 754/77, ZVR 1978/253). Von dieser Tatsache konnte der Berufungswerber ausgehen, indem sich das Zweitbeteiligte Fahrzeug durch die Weiterfahrt um die Kurve, aus seinem Sichtbereich entfernt hatte (VwGH v. 20.11.1990, Zl. 90/18/161 sinngem.). Ein weiteres Verbleiben an der Unfallstelle würde in dieser Situation wohl keinen Sinn ergeben. Der Rahmen der Zumutbarkeit würde überschritten, in einer derartigen Situation von einem Fahrzeuglenker zu verlangen, gleichsam durch ein Suchen, sich zu überzeugen, ob der Zweitbeteiligte nicht doch noch irgendwo angehalten hat. Dies hätte insbesondere im gegenständlichen Fall noch zusätzlich eine schwere Verkehrsbehinderung zur Folge gehabt. Nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung solcher Sorgfaltspflichten, die Rechtsordnung nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise auferlegen darf, machen das Wesen der objektiven Sorgfaltswidrigkeit aus (vgl. VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). 5.1.2. Ungeachtet dessen hat aber für den Berufungswerber jedoch die Verpflichtung bestanden die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch (nur) unterbleiben, wenn die genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander die Identität nachgewiesen haben (§ 4 Abs.5 StVO). Dies geschah aber nicht. Die Meldepflicht wird ebenso nicht bloß im objektiven Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens, sondern in subjektiver Hinsicht das Wissen oder fahrlässige Nichtwissen vom Eintritt eines derartigen Schadens. Der Tatbestand ist schon dann gegeben, wenn dem Fahrzeuglenker objektive Umstände zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (VwGH v. 19.1.1990, Zl. 89/18/0199). Solche objektive Umstände sind im Wissen der tatsächlich stattgefundenen und vom Berufungswerber auch wahrgenommenen Touchierung gegeben. Das Nichtkennen der diesbezüglichen Vorschrift entschuldigt diese Zuwiderhandlung nicht. Inhalt dieser Pflicht ist einerseits die Ermöglichung der Sachverhaltsfeststellung und der späteren Durchsetzungsmöglichkeit der zivilrechtlichen Ansprüche. Der Meldepflicht wird folglich nur dann entsprochen, wenn der Inhalt der Verständigung den Polizei- oder Gendarmeriebeamten in die Lage versetzt, eine vollständige Meldung zu erstatten. Eine vollständige, ihren Zweck erfüllende Meldung ist aber nur möglich, wenn die Verständigung neben den Personalien des Beschädigers (des am Unfall in ursächlichem Zusammenhang stehenden Beteiligten) genaue Angaben über Unfallort, Unfallzeit, beschädigendes sowie beschädigtes Objekt und die Unfallursache enthält. 6. Bei der Strafzumessung ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der § 32 bis § 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden.

6.1. Konkret ist zur Strafzumessung auszuführen, daß der Berufungswerber, welcher als Berufskraftfahrer bisher noch nie negativ in Erscheinung getreten ist, offenbar nicht die Absicht hatte diesen Vorfall nicht aufzuklären. Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, daß er dem Lenker des nachfolgenden Bundesheerfahrzeuges vom stattgefundenen Fahrzeugkontakt Mitteilung machte. Dem Berufungswerber ist ferner zuzubilligen gewesen, daß er subjektiv davon ausgegangen war, daß ohnedies nur an seinem Fahrzeug ein Schaden entstanden wäre. Ein Schuldvorwurf trifft ihn aber jedenfalls darin, daß er mit einer Schadensverursachung am Zweitbeteiligten offenbar nicht gerechnet, obwohl er dies tun hätte müssen. Die Folge dieser Unterlassung war, daß der Zweitbeteiligte nur im Wege einer Anzeige, mit dem hiedurch verbundenen (vermeidbaren) erheblichen Verwaltungsaufwand, in den Besitz der für die Durchsetzung der Schadenersatzansprüche erforderlichen Daten gelangen konnte. Der objektive Unwertgehalt ist daher nicht als bloß gering zu erachten, sodaß die Erteilung einer Ermahnung jedenfalls nicht in Betracht zu ziehen war. Die von der Erstbehörde in diesen Punkt verhängte Strafe wäre an sich als durchaus angemessen erachtbar. Der im Rahmen des Berufungsverfahrens vom Beschuldigten gewonnene Eindruck war so positiv, sodaß jedenfalls unter zusätzlicher Bedachtnahme auf die bestehenden Sorgepflichten für Gattin und vier Kinder, auch mit 500 S das Auslangen gefunden werden konnte. Der Erstbehörde war offenbar das Ausmaß der Sorgepflichten vom Beschuldigten nicht zu Kenntnis gebracht worden. Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat:

Dr. Bleier

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