Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300053/4/Gb/Shn

Linz, 14.08.1996

VwSen-300053/4/Gb/Shn Linz, am 14. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat aufgrund des Devolutionsantrages des Privatanklägers vom 12.3.1996, ergänzt mit Schreiben vom 13.3.1996, durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Privatanklage des Herbert H, vom 4.9.1995, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 5.9.1995, gegen Wolfgang S, wegen einer Übertretung des § 1 lit.a des Gesetzes über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl.Nr.76/1975 (im folgenden: O.ö.

EhrenkränkungsG), zu Recht erkannt:

Von der Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens wird abgesehen und die Einstellung verfügt.

Rechtsgrundlage:

§ 73 Abs.2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm §§ 24, 56, 45 Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG).

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Schreiben vom 4.9.1995 hat Herbert H unter Berufung auf § 5 des Gesetzes vom 22.10.1975 (LGBl.1975/76) Strafanzeige gegen Wolfgang S erstattet, weil dieser sich gegenüber dem Privatankläger anläßlich eines Telefonates am selben Tag kurz nach 07.10 Uhr folgendermaßen geäußert habe:

"Du hast einen Vernichtungswahn und von dir lasse ich mich nicht erpressen". Dadurch habe S den Privatankläger einer nach dem Durchschnittsempfinden eines sozial integrierten, wertbewußten Menschen nichtswürdigenden und daher der Verachtung dienenden Eigenschaft und Gesinnung geziehen und einen Charaktermangel verpaßt, was geeignet wäre, den Privatankläger in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen. Schlußendlich habe der Angezeigte die objektive Ehre, die Wertung als Menschen, das Ansehen und den guten Ruf des Privatanklägers herabgesetzt. Diese Strafanzeige langte am 5.9.1995 bei der zuständigen BH Linz-Land ein.

1.2. Am 10.10.1995 erging an den Beschuldigten seitens der BH Linz-Land eine Aufforderung zur Rechtfertigung hinsichtlich der angezeigten Verwaltungsübertretung nach § 1 lit.a O.ö. EhrenkränkungsG. Der Beschuldigte rechtfertigte sich anläßlich der Beschuldigtenvernehmung am 19.10.1995 vor der BH Linz-Land dahingehend, daß er die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen habe. Herbert H habe ihn am 4.9.1995 um ca 07.00 Uhr und um 08.00 Uhr angerufen. Dabei habe er nicht gesagt: "Du hast einen Verfolgungswahn und von dir lasse ich mich nicht erpressen." Am 24.10.1995 erschien der Beschuldigte in Begleitung seiner Lebensgefährtin Christine G abermals (unaufgefordert) vor der Behörde und gab in gegenständlicher Angelegenheit ergänzend an, daß sich bei oben genannten beiden Telefongesprächen sich Frau G Christine mit ihm im Zimmer befunden habe. Die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung bestreite er auf das Entschiedenste.

Christine G gab als Zeugin einvernommen und auf die Wahrheitspflicht als Zeugin aufmerksam gemacht an, daß sie sich sehr genau an den 4.9.1995 morgens erinnere, da an diesem Tag beim Bezirksgericht Linz-Land eine Hauptverhandlung stattgefunden habe, an der der Privatankläger und Herr S und sie teilgenommen hätten. Um ca 07.00 Uhr und ein zweites Mal um ca 08.00 Uhr am 4.9.1995 habe Herr Herbert H in ihrer Wohnung angerufen. Beide Male habe Wolfgang S das Gespräch entgegen genommen. Sie habe sich jedes Mal mit im Zimmer befunden und habe den Verlauf dieser Gespräche mitverfolgen können. Bei keinem der Gespräche ist von Wolfgang S der Satz: "Du hast einen Vernichtungswahn und von dir lasse ich mich nicht erpressen" gebraucht worden.

Im weiteren Verfahren nahm der Privatankläger am 12.3.1996 Akteneinsicht.

2. Mit Schreiben vom 12.3.1996 hat der Privatankläger einen Devolutionsantrag an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, eingelangt am 15.3.1996, gestellt, da die Behörde es bis dato unterlassen habe, zum Privatanklagedelikt eine Entscheidung zu treffen und sie daher ihrer sechsmonatigen Entscheidungspflicht iSd § 73 AVG nicht nachgekommen sei. Die Untätigkeit sei ausschließlich auf das Verschulden der BH Linz-Land zurückzuführen und kann nicht damit gerechtfertigt werden, daß ihr die Akte zu 3 U 112/95 des BG Linz-Land nicht vorgelegen seien (Privatanklage Wolfgang S gegen Herbert H wegen § 111 StGB).

Der vom nunmehrigen Privatankläger Herbert H angezeigte Verwaltungstatbestand hätte mit dem Ausgang obigen Berufungsverfahrens nichts gemein. Es dürfe in diesem Zusammenhang nicht versickern, daß der jetzige Privatankläger den gegenständlich inkriminierten Satz anläßlich der Hauptverhandlung am 4.9.1995 beim BG Linz-Land zu 3 U 112/95 mündlich und schriftlich vorgebracht habe.

Dieses Vorbringen habe im Protokoll zur Hauptverhandlung jedoch keine Erwähnung gefunden und sei, abgesehen von einer von ihm selbst angefertigten Gedächtnisstütze, gerichtsseitig nirgendwo festgemacht oder gerichtsanhängig.

Wolfgang S habe bei der buchstabengetreuen Wiedergabe die Tatsache der in Rede stehenden Ehrenkränkung nicht bestritten und den Wortlaut inhaltlich ohne Korrektur belassen. Außerdem falle im Hinblick auf die aufgenommenen Niederschriften vor der BH Linz-Land auf, daß der Beschuldigte erst bei der zweiten Vernehmung am 24.10.1995 seine Lebensgefährtin G als Zeugin dieses Telefonates genannt habe und daß S und Grüsshaber zu dieser Einvernahme ohne Ladung bei der BH Linz-Land erschienen und gemeinsam eine "deckungsgleiche" Aussage gemacht hätten.

Nach Erinnerung des Privatanklägers habe Wolfgang S anläßlich des ersten Telefonats um 07.10 Uhr gesagt, daß er, S, jetzt ohne Beisein der Christine mit ihm, nämlich dem Privatankläger, spreche, da Christine (G) im Badezimmer sei.

Daher hege der Privatankläger nunmehr berechtigte Zweifel an der Darstellung der Zeugenaussage vom 24.10.1995, daß sich die Lebensgefährtin im Zimmer befunden hätte.

Abschließend wird der Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht unter Berufung auf die gesetzliche Bestimmung des § 73 Abs.2 AVG gestellt.

3.1. Der gegenständliche Verwaltungsstrafakt wurde über telefonische Rücksprache am 5.8.1996 dem unabhängigen Verwaltungssenat vorgelegt (eingelangt: 6.8.1996). Nach diesem steht für den unabhängigen Verwaltungssenat der entscheidungsrelevante Sachverhalt insbesondere auch aufgrund der Ermittlungen der BH Linz-Land als erwiesen fest, sodaß aus verwaltungsökonomischen Gründen und, weil eine mündliche Verhandlung auch nicht beantragt wurde, eine solche Verhandlung nicht anberaumt wurde. Da zudem in gegenständlicher Angelegenheit keine Berufung iSd § 51 Abs.1 VStG vorliegt, ist eine Kammerzuständigkeit nicht möglich.

Es ist daher das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

3.2. Demnach ist zum einen festzuhalten, daß die Privatanklage rechtzeitig und bei der zuständigen Behörde gestellt worden ist, zum anderen, daß die Verzögerung der Entscheidungspflicht weder durch das Verschulden der Partei noch durch unüberwindliche Hindernisse verursacht wurde, sondern vielmehr dadurch, daß die Behörde die Entscheidung des BG Linz-Land zu 3 U 112/95 (hier aber: Privatankläger Wolfgang S gegen Herbert H) abwarten wollte, was aber eine solche Verzögerung in gegenständlicher Sache nicht rechtfertigen kann.

Fest steht auch, daß die Lebensgefährtin G die beiden Telefongespräche am 4.9.1995 in der Früh mitgehört hat.

Hiezu ist anzuführen, daß sich diese Feststellung auf die zeugenschaftliche Aussage der Frau G stützt. Es finden sich keine Ansatzpunkte dafür, daß diese Zeugin trotz entsprechender Rechtsbelehrung bewußt eine falsche Zeugenaussage getätigt hätte. Zudem bestreitet auch der Beschuldigte "auf das Entschiedenste" den ihm angelasteten Satz: "Du hast einen Verfolgungswahn und von dir lasse ich mich nicht erpressen" anläßlich dieses ersten Telefonates dem nunmehrigen Privatankläger vorgeworfen zu haben. Wenn der Privatankläger mit dem Devolutionsantrag vorbringt, daß der Beschuldigte den ihm vorgehaltenen inkriminierten Satz nicht bestritten habe und den Wortlaut inhaltlich ohne Korrektur belassen habe, so ist dem, wie auch am Ende des Devolutionsantrages festgehalten, entgegenzusetzen, daß diese Erwähnung und dieser Sachverhalt im Protokoll zur Hauptverhandlung vom 4.9.1995 keine Erwähnung gefunden hat und dementsprechend in gegenständlicher Angelegenheit mangels konkreter Beweisangebote des Privatanklägers keine der Sache zum Erfolg verhelfende Berücksichtigung finden kann.

Auch im übrigen kann der Privatankläger zu seinen Vorbringen und Mutmaßungen keinerlei konkrete Beweismittel vorbringen, was gerade im gegenständlichen Verfahren, in der eine Strafverfolgung und Bestrafung (nur) über einen entsprechenden Strafantrag des Privatanklägers möglich ist, von besonderer Bedeutung ist.

Demgegenüber steht die Bestreitung des Beschuldigten und die Aussage einer Zeugin, wobei der unabhängige Verwaltungssenat aus obigen Gründen von der Richtigkeit dieser Aussagen ausgeht und seiner Entscheidung zugrundegelegt hat.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. § 56 Abs.1 VStG lautet:

"Die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung ist nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Verwaltungsübertretung und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt (Privatankläger)." Gemäß § 56 Abs.3 leg.cit. steht dem Privatankläger gegen die Einstellung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel die Behörde ihren Sitz hat, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. § 73 AVG gilt.

§ 73 Abs.1 AVG lautet:

"Die Behörde oder der unabhängige Verwaltungssenat sind verpflichtet, ..., über Anträge von Parteien ... ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen." Gemäß Abs.2 dieser Gesetzesstelle geht über schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt wurde. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen. Der Antrag ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ist zum einen ersichtlich, daß der vom Privatankläger gestellte Devolutionsantrag zulässig ist, da sämtliche Voraussetzungen hiezu erfüllt sind. Insbesondere ist festzuhalten, daß ausschließlich ein Verschulden der Behörde zu dieser Verzögerung geführt hat, was durch den von der BH Linz-Land am 5.8.1996 übermittelten gegenständlichen Verwaltungsstrafakt dokumentiert ist.

Die sechsmonatige Entscheidungsfrist der BH Linz-Land ist mit 5.3.1996 abgelaufen, sodaß der Devolutionsantrag auch in zeitlicher Hinsicht und, da er entsprechend § 73 Abs.2 AVG auch an die zuständige Behörde gerichtet worden ist, zulässig ist.

4.2. Nach Art.129a Abs.1 Z4 B-VG steht in Privatanklagesachen die Möglichkeit offen, Beschwerde an den UVS wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zu erheben.

Mit diesen "Privatanklagesachen" sind die nach dem VStG zu vollziehenden Verwaltungsübertretungen, die nur auf Antrag des Verletzten zu verfolgen sind, gemeint.

Gemäß § 1 lit.a des Gesetzes über die Verfolgung von Ehrenkränkungen, LGBl.Nr.76/1975, lautet: "Wer vorsätzlich einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, ohne das die Tat das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt, begeht die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 5 leg.cit. sind Ehrenkränkungen nur zu verfolgen und zu bestrafen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem er von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt hat, bei der Bezirksverwaltungsbehörde einen Strafantrag stellt (Privatankläger).

Da nach dem als erwiesen angenommenen Sachverhalt feststeht, daß der inkriminierte Satz nicht gefallen ist, war das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

4.3. Zudem ist weiters auszuführen, daß im gegenständlichen Fall aufgrund der als erwiesen angenommenen Feststellung, daß Frau G, die Lebensgefährtin des Beschuldigten, das Telefongespräch mitgehört hat, allenfalls der Tatbestand des § 111 Abs.1 StGB erfüllt ist.

Nach § 111 Abs.1 StGB begeht derjenige das Delikt der üblen Nachrede, der einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen.

Zweifellos kann nämlich die Lebensgefährtin des Stiefsohnes und Beschuldigten nicht als Familienangehörige angesehen werden, sodaß nicht davon die Rede sein kann, daß die dem Beschuldigten angelastete Tat im eigenen engeren Familienkreis begangen wurde (und damit zu sogenannten "beleidigungsfreien Intimsphäre" zählt, was eine strafgerichtliche Ahndung ausschließen würde). Selbst eine nicht mitbeleidigte nächste Angehörige kann durchaus als eine außenstehende wahrnehmungsfähige dritte Person iSd § 111 Abs.1 StGB angesehen werden (vgl zB H. Steininger - o.

Leukauf, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 3. Auflage, Eisenstadt 1992, Randnummer 19 zu § 111, mwN).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

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