Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300055/2/Gb/Shn

Linz, 26.08.1996

VwSen-300055/2/Gb/Shn Linz, am 26. August 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung der Brigitte P, gegen das Straferkenntnis der BH Wels-Land vom 27. Februar 1996, Zl. Pol96-210-1995 WIM/FF, wegen einer Übertretung des O.ö. Polizeistrafgesetzes - O.ö. PolStG zu Recht:

Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden reduziert wird.

Im übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe, daß die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, "§ 10 Abs.2 iVm § 5 Abs.1 O.ö.

Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG" und die Strafsanktionsnorm "§ 10 Abs.2 lit.b leg.cit." zu lauten hat, bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 5c, 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin (Bw) eine Geldstrafe von 800 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, verhängt, weil sie es am 21.8.1995 um ca. 16.30 Uhr als Tierhalterin unterlassen habe, ihren Hund, den Riesenschnautzer-Schäfermischling, männlich, viereinhalb Jahre alt, Rufname "Jimmy", Hundemarkennr., ordnungsgemäß zu verwahren bzw zu beaufsichtigen, sodaß dieser durch Überspringen bzw durch Untergraben des ca 170 cm hohen Gartenzaunes des Grundstückes in S, auf das Grundstück der Gabriele S, gelangen und den dort aufhältigen elfjährigen Sohn der Gabriele S, im Bereich des rechten Unterarmes und des rechten Unterschenkels beißen habe können und somit durch das Tier eine dritte Person gesundheitlich gefährdet worden sei. Dadurch habe die Bw die Rechtsvorschrift des "§ 10 iVm § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz 1979, zuletzt geändert durch LGBl.30/1995", verletzt.

2. Dagegen hat die Bw rechtzeitig Berufung erhoben und vorgebracht, daß sie als Tierhalterin des Mischlingsrüden "Jimmy" diesen nach besten Wissen und Gewissen verwahrt habe und zudem eine Einfriedung des Grundstückes vorhanden sei.

Der Hund habe auch niemanden gebissen. Eine allfällige Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wels wegen Körperverletzung sei eingestellt worden, da keine Verletzung stattgefunden habe. Abschließend führt die Bw aus, daß sie sich außerstande sehe, eine so hohe Strafe zu bezahlen, da sie derzeit ohne Beschäftigung sei, nur 7.800 S Notstandshilfe erhalte, vom Gatten getrennt lebe und für ein Kind sorgepflichtig sei.

3. Die BH Wels-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt und somit seine Zuständigkeit begründet. Da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist, ist das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Da zudem eine 3.000 S übersteigende Geldstrafe im angefochtenen Bescheid nicht verhängt worden ist, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung Abstand genommen werden, da im übrigen die Durchführung einer solchen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt worden ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Einsicht genommen in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt und einen ausreichend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Nach diesem steht folgender Sachverhalt fest:

4.1. Die Bw ist Halterin eines vierjährigen, rotbraunen Riesenschnautzer-Schäfermischlingsrüden mit Rufnamen "Jimmy" und der Hundemarkennummer.

Am 21.8.1995 um ca 16.30 Uhr gelangte dieser Hund trotz eines bestehenden ca 1,50 bis 1,70 hohen Lattenzauns auf das Grundstück der Gabriele S. Zu dieser Zeit war die reinrassige Schäferhündin der Gabriele S läufig. In den den am 21.8.1995 vorhergehenden Tagen ist es aus diesem Grund immer wieder vorgekommen, daß "Jimmy" zu der läufigen Hündin der Gabriele S, und zwar unbeaufsichtigt, gelaufen ist und auch dort von der Bw öfters geholt werden mußte.

Am 21.8.1995 um ca 16.30 Uhr wollte der Sohn der Gabriele S, "Jimmy" wieder aus dem Garten bringen. Dabei schnappte "Jimmy" aber nach ihm, sodaß Zayad Shah dadurch im Bereich des rechten Unterarmes und im Bereich des rechten Unterschenkels jeweils durch zwei punktförmige Verletzungszeichen verletzt wurde.

Ein wegen dieses Vorfalles eingeleitetes Gerichtsverfahren wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 88 StGB wurde gemäß § 90 Abs.1 StPO zurückgelegt.

Die Bw ist für ein Kind sorgepflichtig, verheiratet, geht derzeit keiner Beschäftigung nach und verfügt über 7.800 S Notstandshilfe.

4.2. Dieser als erwiesen angenommene Sachverhalt ergibt sich aufgrund der übereinstimmenden Aussagen der nunmehrigen Bw und der Gabriela S. Insbesondere hat die Bw in ihrer Niederschrift vom 22.8.1995 vor dem GP 4609 Thalheim/Wels angegeben, daß es in den letzten Tagen vor dem gegenständlichen Vorfall immer wieder vorgekommen sei, daß "Jimmy" zu der läufigen Hündin der Gabriela S gelaufen sei und dieser von der Bw des öfteren von dort geholt werden mußte.

Fest steht aufgrund des Befundes der Unfallabteilung des A.Ö. Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern Wels vom 22.5.1995 auch die durch den gegenständlichen Vorfall herrührenden, wenn auch eher als geringfügig zu bezeichnenden Verletzungen, sodaß das Berufungsvorbringen, daß der Hund niemanden gebissen habe, jeder Grundlage entbehrt.

Aufgrund der Tatsache, daß der Bw auch bekannt gewesen ist, daß der Hund des öfteren auf das Grundstück der Gabriele S gelaufen ist bzw laufen konnte und dieser schon des öfteren von der Bw erst wieder geholt werden mußte, steht auch fest, daß sie "Jimmy" eben nicht nach bestem Wissen und Gewissen verwahrt hat. Auch das Berufungsvorbringen, daß eine Einfriedung des Grundstückes vorhanden ist, ist nicht geeignet, eine ausreichende Verwahrung oder Beaufsichtigung darzutun. Es genügt nämlich keinesfalls, sich darauf zu verlassen, daß eine Einfriedung des Grundstückes vorhanden ist. Vielmehr hätte die Bw, da ihr bewußt war, daß "Jimmy" des öfteren dieses Hindernis überwunden hat, andere Maßnahmen setzen müssen, um ein derartiges Verhalten des Hundes zu unterbinden. Dies ganz besonders gerade dann, wenn die Hündin der Gabriela S gerade läufig ist. Aktenkundig ist aber, daß die Bw nach ihrem Vorbringen bislang keinerlei derart geeigneten Maßnahmen gesetzt hat, sondern "diesem Treiben" offensichtlich gleichgültig gegenüberstand. In Anbetracht dieser Überlegungen ist, was die Verschuldensseite betrifft, von einem grob fahrlässigem Verhalten der Bw auszugehen, da sich ein mit den rechtlichen Werten verbundenen Durchschnittsmensch anstelle der Bw anders verhalten hätte, nämlich dafür gesorgt hätte, daß ein Hund trotz des Bestehens eines Gartenzaunes aufgrund weiterer Maßnahmen, insbesondere zur Zeit der Läufigkeit eines anderen Hundes, eine dritte Person nicht gefährdet oder in unzumutbarer Weise belästigt.

Zudem ist, was den Verfahrensgang anbelangt, anzuführen, daß die Bw der Aufforderung zur Rechtfertigung der BH Wels-Land vom 27.2.1996, die sie eigenhändig übernommen hat, nicht nachgekommen ist, und das Verfahren, wie in dieser Aufforderung auch angeführt wurde, deshalb ohne Anhörung der Bw fortzusetzen und durchzuführen war.

4.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat folgendes erwogen:

§ 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG lautet:

"Wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, daß durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden, ..., begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung. Als unzumutbare Belästigung Dritter gilt insbesondere auch die Verunreinigung von Kinderspielplätzen und ähnlichen Flächen." § 10 Abs.2 lit.b leg.cit. lautet:

"Verstöße gegen die aufgrund des § 4 erlassenen Verordnungen und Verwaltungsübertretungen gemäß den §§ 5 und 6 sind von der Bezirkshauptmannschaft, in den Städten mit eigenem Statut vom Bürgermeister, bei Übertretungen nach § 5 mit Geldstrafe bis zu 20.000 S zu bestrafen." Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift (wie im vorliegenden Fall) über das Verschulden nicht anderes bestimmt.

Da es sich bei der Übertretung des § 5 Abs.1 O.ö. PolStG um ein Erfolgsdelikt handelt, hat die Behörde nicht nur die Erfüllung des objektiven Tatbestandes, sondern auch das subjektive Verschulden nachzuweisen. Unter Hinweis auf Punkt 4.2. ist dieser Nachweis gelungen, sodaß sowohl von der Erfüllung der objektiven als auch der subjektiven Tatseite auszugehen war.

In Anbetracht des oben als erwiesen feststehenden Sachverhaltes ist demnach die Subsumtion unter den objektiven Tatbestand der vorhin zitierten gesetzlichen Bestimmungen rechtmäßig erfolgt. Ferner steht fest, daß die Bw grob fahrlässig gehandelt hat, und somit auch, was die subjektive Tatseite betrifft, das zur Strafbarkeit nötige Verschulden zweifelsfrei gegeben ist.

Gemäß § 22 Abs.1 VStG sind die Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen hat oder eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde oder von einem Gericht zu ahndenden strafbaren Handlungen (§ 22 Abs.2 VStG).

Es hat daher der VwGH mehrmals ausgesprochen, daß im Verhältnis von Justiz- und Verwaltungsstrafrecht der Grundsatz, daß niemand wegen ein und derselben Tat zweimal bestraft werden darf, nur dann zur Anwendung kommt, wenn aus der Fassung der Verwaltungsvorschrift die Ablehnung des Kumulationsgrundsatzes (§ 22 VStG) hervorgeht, wenn also das Gesetz ausdrücklich eine Einschränkung des Kumulationsprinzips vorsieht. Dabei schließen Strafdrohungen dann einander aus, wenn nicht jedes Tatbild für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können, also die Verwirklichung des einen Tatbestandes die Verwirklichung des anderen zwingend nach sich zieht. Ob ein gerichtlich zu ahndender Tatbestand vorliegt, der die Ahndung als Verwaltungsübertretung ausschließt, hat im Falle der Einstellung des gerichtlichen Strafverfahrens die Verwaltungsbehörde selbst zu beurteilen. Dasselbe gilt übrigens auch für den Fall eines Freispruches.

Diesbezüglich ist hiezu festzuhalten, daß § 5 Abs.1 O.ö.

PolStG schon allein auf eine Gefährdung oder eine über das zumutbare Maß hinausgehende Belästigung dritter Personen und nicht auf eine Körperverletzung iSd StGB für die Strafbarkeit gemäß § 5 Abs.1 leg.cit. abstellt. Somit geht der Tatbestand des § 5 Abs.1 leg.cit. weit über jene Tatbestände des Strafgesetzbuches, welche die Delikte der Körperverletzung betreffen, hinaus, sodaß das diesbezügliche Vorbringen der Bw der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen konnte.

6. Hinsichtlich der persönlichen Verhältnisse hat die Bw in der Berufung die Verhältnisse, die die belangte Behörde bei der Strafbemessung zugrundegelegt hat, bestätigt und ist die verhängte Geldstrafe, die lediglich 4 % der möglichen Höchststrafe beträgt, insbesonders im Hinblick auf die Folgen der festgestellten Verwaltungsübertretung, durchaus schuld- und tatangemessen.

Demgegenüber ist aber die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden in Relation zur verhängten Geldstrafe und zum möglichen Höchstmaß der Geldstrafe nicht gerechtfertigt.

Gemäß § 16 Abs.2 VStG darf die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstmaß der für die Verwaltungsübertretung angedrohten Freiheitsstrafe und, wenn keine Freiheitsstrafe angedroht und nicht anderes bestimmt ist (wie im gegenständlichen Fall), zwei Wochen nicht übersteigen.

In diesem Sinne war die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf eine der verhängten Geldstrafe und der Strafsanktionsnorm des § 10 Abs.2 lit.b O.ö. PolStG entsprechende Relation zu reduzieren.

7. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht aufzuerlegen, da der Berufung teilweise Erfolg beschieden war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

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