Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300255/12/Kei/Shn

Linz, 30.09.1999

VwSen-300255/12/Kei/Shn Linz, am 30. September 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 1. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Guschlbauer, dem Beisitzer Dr. Schön und dem Berichter Dr. Keinberger über die Berufung des Georg S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Oktober 1998, Zl. III/S-21.768/98-2 SE, wegen einer Übertretung des Wehrgesetzes 1990 (WehrG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 31. August 1999, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe, daß im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses die Wendung "BGBl.Nr.43/1995" gestrichen wird, im Hinblick auf die Schuld keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Strafe wird der Berufung insoferne teilweise Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 10.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 168 Stunden herabgesetzt wird.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 51 Abs.1 VStG.

II. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, das sind 1.000 S zu leisten. Die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet:

"Sie sind eine wehrpflichtige Person im Sinne des § 16 des Wehrgesetzes und sind am 02.06.1998 in Linz, Garnisonstraße Nr. 36, beim Militärkommando für Oberösterreich, der Stellungspflicht nach § 24 Abs.1 des Wehrgesetzes nicht nachgekommen, indem Sie sich nicht der erforderlichen ärztlichen Untersuchung zur Feststellung Ihrer geistigen und körperlichen Eignung bei der Stellungskommission unterzogen haben." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch "§ 24 Abs.1 i.V.m. § 59 Abs.1 WehrG 1990, BGBl.Nr. 305/1990 in der geltenden Fassung BGBl.Nr.43/1995" übertreten, weshalb er gemäß "§ 59 Abs.1 WehrG" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage).

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

Der Bw brachte in der Berufung vor (auszugsweise wörtliche Wiedergabe):

"Ich erhebe hiermit Berufung gegen die Straferkenntins vom 15.10.98 und begründe dies wie folgt:

Wie Sie aus meinen wiederholten Angaben zu meinen Einkommensverhältnissen feststellen können, habe ich weder Einkommen noch Vermögen. Es ist mir deshalb nicht möglich die mir vorgeschriebene Strafe zu bezahlen.

Meine Gründe zur Stellungsverweigerung habe ich ebenfalls schon wiederholt dargelegt. Bisher wurde jedoch auf die Gründe nicht weiter eingegangen. Verweisen möchte ich auch auf die Gutachterliche Stellungnahme von Univ. Dozent Dr. Michael Geistlinger (Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes im Österreichischen Bundesheer und immerwährender Neutralität Österreichs). (Zusammenfassung des Gutachtens wurde bereits abgegeben und liegt beim Akt.)

Weiters weise ich darauf hin daß auch der amtierende Verteidigungsminister Werner Fasselabend sowie dessen Vorgänger Robert Lichal den Wehrdienst nicht abgeleistet haben Im Gegensatz zu mir wird den obengenannten jedoch nicht vorgeworfen, die Sicherheit des Staates Österreich zu gefährden.

Ich beantrage daher im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens auf diese Gründe einzugehen und das Verfahren einzustellen."

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat am 31. August 1999 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt - und zwar im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren und im Hinblick auf die Verfahren Zlen. VwSen-300273 und VwSen-300291 (auch in diesen Verfahren war Georg Sams Berufungswerber).

Der Oö. Verwaltungssenat hatte - weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde - durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu entscheiden.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Art. 9a Abs.3 B-VG lautet:

Jeder männliche österreichische Staatsbürger ist wehrpflichtig. Wer aus Gewissensgründen die Erfüllung der Wehrpflicht verweigert und hievon befreit wird, hat einen Ersatzdienst zu leisten. Das Nähere bestimmen die Gesetze.

Die Verfassungsbestimmung des § 2 Abs.1 Zivildienstgesetz 1986 lautet:

Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990 - WG, BGBl.Nr.305, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),

1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würden und

2. deshalb Zivildienst leisten zu wollen.

§ 2 Abs.4 Zivildienstgesetz 1986 lautet (auszugsweise):

Mit Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung wird der Wehrpflichtige von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig; er hat nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten.

§ 24 Abs.1 WehrG lautet (auszugsweise):

Wehrpflichtige (§ 16) sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, sich auf Grund einer allgemeinen, in ortsüblicher Weise kundzumachenden oder einer besonderen Aufforderung zur Feststellung ihrer geistigen und körperlichen Eignung für die Erfüllung der Wehrpflicht Stellungskommissionen zu stellen, sich hiebei den erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungen zu unterziehen, die zur Durchführung der Aufgaben der Stellungskommissionen notwendigen Auskünfte zu erteilen, sowie die zu diesem Zwecke angeforderten Unterlagen vorzulegen; sie sind ferner verpflichtet, auf besondere Anordnung der Stellungskommissionen die ihnen aus militärischen Erfordernissen zugewiesene Unterkunft in Anspruch zu nehmen (Stellungspflicht).

§ 59 Abs.1 WehrG lautet:

Wer der Stellungspflicht nach § 24 Abs.1 nicht nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu 30 000 S zu bestrafen.

§ 36a Abs.1 WehrG lautet:

Taugliche Wehrpflichtige können von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden:

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche, insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische, Interessen erfordern und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn ein solcher Grund während eines Präsenzdienstes eintritt. Über Befreiungen nach Z1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung, nach Z2 das zuständige Militärkommando zu entscheiden.

4.2. Das Vorliegen des Sachverhaltes, der im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses - in der als erwiesen angenommenen Tat (§ 44a Z1 VStG) - angeführt wurde, wurde durch den Bw nicht bestritten. Der Oö. Verwaltungssenat zweifelt nicht am Vorliegen dieses Sachverhaltes.

Die Haltung des Bw stützt sich ua auf eine gutachterliche Stellungnahme des Univ. Doz. Dr. Michael Geistlinger vom November 1996 ab. In dieser Stellungnahme wurde ua ausgeführt:

"1. Der Dienst im österreichischen Bundesheer ist nicht neutralitätskonform und widerspricht den geltenden Verfassungsgesetzen.

2. Die Absolvierung des ordentlichen Präsenzdienstes im österreichischen Bundesheer ist aus der Warte des einzelnen Präsenzdieners aufgrund des völkerrechtlich erheblichen Verhaltens und aufgrund der völkerrechtlich erheblichen Erklärungen der höchsten Vertreter des österreichischen Bundesheeres sowie aufgrund der eingegangenen und praktizierten Kooperationen des österreichischen Bundesheeres mit ausländischen Militärbündnissen als nicht neutralitätskonform und als damit nicht dem BVG über die immerwährende Neutralität Österreichs entsprechend zu beurteilen."

Diese Auffassung wird durch den Oö. Verwaltungssenat nicht geteilt. Ein Bedenken in verfassungsrechtlicher Hinsicht liegt für den Oö. Verwaltungssenat nicht vor.

In der österreichischen Rechtsordnung wurde Vorsorge getroffen um den Gründen, die der Bw vorgebracht hat, Rechnung tragen zu können: Im Hinblick auf die Gewissensgründe zB durch Art.9a Abs.3 zweiter und dritter Satz B-VG und § 2 Abs.1 Zivildienstgesetz 1986 und im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zB durch § 36a Abs.1 WehrG. Sowohl eine Vorgangsweise iSd Art.9a Abs.3 zweiter und dritter Satz B-VG und § 2 Abs.1 Zivildienstgesetz 1986 als auch eine solche iSd § 36a Abs.1 WehrG setzt voraus, daß eine Stellung erfolgt ist.

Ein Schuldausschließungsgrund oder ein Rechtfertigungsgrund liegt nicht vor.

Der objektive Tatbestand des § 24 Abs.1 iVm § 59 Abs.1 WehrG wurde im gegenständlichen Zusammenhang verwirklicht.

Das Verschulden des Bw wird als Vorsatz qualifiziert. Es ist angesichts der Möglichkeiten nach Absolvierung der Stellung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen den Dienst mit der Waffe nicht ableisten zu müssen und daher ohnedies in keinen Gewissenskonflikt geraten zu müssen nicht geringfügig iSd § 21 Abs.1 erster Satz VStG. Die Folgen der Übertretung sind nicht unbedeutend - bei dieser Beurteilung wurde insbesondere berücksichtigt, daß eine Knappheit von Personen, die zum Dienst des Vaterlandes gerufen sind, vorliegt (geburtenschwache Jahrgänge). Es konnte daher nicht die Bestimmung des § 21 Abs.1 VStG angewendet werden und es konnte nicht von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden.

4.3. Zur Strafbemessung:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Es liegt keine Vormerkung in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht vor. Der Milderungsgrund des § 34 Abs.1 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG kommt zum Tragen. Ein weiterer Milderungsgrund liegt nicht vor. Ein Erschwerungsgrund liegt nicht vor.

Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw wurde von folgenden Grundlagen ausgegangen: Der Bw ist im landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern beschäftigt und erhält Naturalverpflegung, Unterkunft und ein Taschengeld von ca 500 S pro Monat. Er hat kein Vermögen.

Der Unrechtsgehalt der Tat wird als gewichtig bewertet.

Der Bw verharrt in der verpönten Haltung. Diese Beurteilung gründet sich nicht zuletzt auf den persönlichen Eindruck, den der Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Oö. Verwaltungssenat hinterlassen hat und darauf, daß sich der Bw seit mehreren Jahren weigert, der Stellungspflicht nachzukommen.

Die Aspekte der Spezialprävention und der Generalprävention waren daher zu berücksichtigen. Auf das Ausmaß des Verschuldens wurde Bedacht genommen.

In Abwägung des gewichtigen Unrechtsgehaltes und der bedeutenden Schuldform jedoch unter Berücksichtigung des geringen Einkommens und des oben angeführten Milderungsgrundes fand der Oö. Verwaltungssenat eine Geldstrafe von 10.000 S für angemessen und ausreichend, um den Strafzwecken zu genügen. Die Ersatzfreiheitsstrafe, welche unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen auszumessen war, erschien im Ausmaß von 168 Stunden als angemessen und erforderlich.

4.4. Aus den angeführten Gründen war die Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG hinsichtlich des Schuldspruches abzuweisen und ihr hinsichtlich der Strafe teilweise Folge zu geben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe, das sind 1.000 S, vorzuschreiben. Da der Berufung teilweise Folge gegeben wurde, sind für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Guschlbauer

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