Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-300310/7/Kei/La

Linz, 29.09.2000

VwSen-300310/7/Kei/La Linz, am 29. September 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über den Antrag auf Verfahrenshilfe und die Berufung des A M, B 5, S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 8. Juli 1999, Zl. S 8815/ST/99, wegen einer Übertretung des Wehrgesetzes 1990 (WehrG), zu Recht:

  1. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
  2. Der Berufung wird mit der Maßgabe, dass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, im Hinblick auf die Schuld und im Hinblick auf die Geldstrafe keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Ersatzfreiheitsstrafe wird der Berufung insoferne teilweise Folge gegeben, als die Ersatzfreiheitsstrafe auf 44 Stunden herabgesetzt wird.
  3. Zwischen "sich" und "den zur" wird eingefügt "auf eine Aufforderung zur Stellung hin" und die Verwaltungsvorschriften, die durch die Tat verletzt worden sind, lauten "§ 24 Abs.1 iVm § 59 Abs.1 Wehrgesetz 1990".

  4. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, das sind 400 S (entspricht 29,07 Euro), zu leisten. Die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 51 Abs.1 VStG, § 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet:

"Sie sind am 25.02.1999 um 08.30 Uhr in L, G 36, im Amtsgebäude des Militärkommandos OÖ., Ergänzungsabteilung, vor der Stellungskommission des Militärkommandos OÖ. Ihrer Stellungspflicht nicht nachgekommen, indem Sie sich den zur Feststellung Ihrer geistigen und körperlichen Eignung für die Erfüllung der Wehrpflicht vor der Stellungskommission erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungen nicht unterzogen haben." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch "§ 24 Abs.1 Wehrgesetz 1990" übertreten, weshalb er "gemäß § 59 Abs.1 Wehrgesetz 1990" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 4 Tage).

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

Der Bw brachte in der Berufung im Wesentlichen vor:

Er sei am 25. Februar 1999 vor der Stellungskommission in L in Begleitung seines Rechtsbeistandes erschienen. Er hätte verlangt, einen Rechtsbeistand bei allen rechtlich bedeutsamen Handlungen beizuziehen. Von der Stellungskommission sei ihm die Stellung mit der Begründung verweigert worden, dass nur 1 Person als Rechtsbeistand zulässig sei und es dazu ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gebe.

Der Rechtsbeistand könne nicht aus einer beliebigen Anzahl von Personen bestehen, das schließe aber nicht eine der Sache angemessene Zahl aus.

Der Bw beantragte die Einstellung des Verfahrens bzw. die Herabsetzung des Strafausmaßes und die Gewährung von Verfahrenshilfe und Beigabe eines Verteidigers.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in die Verwaltungsakten der Bundespolizeidirektion Steyr Zl. S 8815/ST/99 vom 9. August 1999 und Zlen. S 1919/ST/99 und S 8815/ST/98 vom 16. September 1999 Einsicht genommen.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Am 11. November 1998 erschien der Bw mit mehreren Personen auf eine an ihn ergangene Aufforderung zur Stellung hin beim Militärkommando Oö, G 36, L. Der Bw hatte vor, dass mehrere Personen ihn als seine Rechtsbeistände beim Stellungsverfahren begleiten. Durch den Leiter der Stellungskommission Oberst M P wurde dem Bw mitgeteilt, dass als Rechtsbeistand des Bw nur eine Person und nicht mehrere Personen den Bw beim Stellungsverfahren begleiten darf. Der Bw bestand darauf, dass ihn mehrere Personen als Rechtsbeistände beim Stellungsverfahren begleiten. Der Bw unterzog sich im gegenständlichen Zusammenhang den ärztlichen und psychologischen Untersuchungen nicht - weder alleine noch in Begleitung von (nur) einer weiteren Person.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 24 Abs.1 WehrG lautet (auszugsweise):

Wehrpflichtige (§ 16) sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, sich auf Grund einer allgemeinen, in ortsüblicher Weise kundzumachenden oder einer besonderen Aufforderung zur Feststellung ihrer geistigen und körperlichen Eignung für die Erfüllung der Wehrpflicht Stellungskommissionen zu stellen, sich hiebei den erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungen zu unterziehen, die zur Durchführung der Aufgaben der Stellungskommissionen notwendigen Auskünfte zu erteilen, sowie die zu diesem Zwecke angeforderten Unterlagen vorzulegen; sie sind ferner verpflichtet, auf besondere Anordnung der Stellungskommissionen die ihnen aus militärischen Erfordernissen zugewiesene Unterkunft in Anspruch zu nehmen (Stellungspflicht).

§ 59 Abs.1 WehrG lautet:

Wer der Stellungspflicht nach § 24 Abs.1 nicht nachkommt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen.

§ 10 Abs.5 AVG iVm § 24 VStG lautet:

Die Beteiligten können sich eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor der Behörde erscheinen.

4.2. Der Oö. Verwaltungssenat zweifelt nicht am Vorliegen des Sachverhaltes, der in Punkt 3 angeführt wurde.

Es wird auf die im Folgenden wiedergegebenen Ausführungen aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1994, Zl. 94/11/0063, hingewiesen. Dieses Erkenntnis erging auf Grund einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien mit der der Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des Wehrgesetzes bestraft wurde.

"Im Stellungsverfahren sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden .... Es ist daher unter anderem auch § 10 Abs.5 AVG anzuwenden, wonach sich die Beteiligten eines Rechtsbeistandes bedienen und auch in seiner Begleitung vor Amt erscheinen können. Daraus ist für den Beschwerdeführer jedoch nichts gewonnen. Denn die Beiziehung des Rechtsbeistandes kommt einerseits nur dort in Betracht, wo rechtserhebliche Handlungen zu setzen bzw rechtserhebliche Erklärungen abzugeben sind. Die im Rahmen der Stellung vorgesehenen Untersuchungen stellen jedoch nur die Beweisaufnahme zur Gewinnung der Grundlagen für die Eignungsfeststellung dar. Andererseits kann auch aus § 10 Abs.5 AVG nicht abgeleitet werden, dass sich der Beschwerdeführer bei der Stellung einer beliebigen Anzahl von 'Rechtsbeiständen' bedienen könne. Indem dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten wurde, eine Person als Rechtsbeistand beizuziehen, hat die Behörde die ihr aus § 10 Abs.5 AVG zukommende Verpflichtung erfüllt.

......

Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die Behörde die Begleitung des Beschwerdeführers durch mehr als eine Person im Zuge des Stellungsverfahrens ablehnte."

Der Bw hätte sich im gegenständlichen Zusammenhang - alleine oder mit maximal einer weiteren Person (als Rechtsbeistand) - den ärztlichen und psychologischen Untersuchungen unterziehen müssen. Indem er das nicht getan hat, wurde der objektive Tatbestand des § 24 Abs.1 iVm § 59 Abs.1 WehrG verwirklicht.

Ein Schuldausschließungsgrund oder ein Rechtfertigungsgrund liegt nicht vor. Das Verschulden des Bw wird als Vorsatz qualifiziert. Das Verschulden des Bw ist nicht geringfügig iSd § 21 Abs. 1 erster Satz VStG. Die Folgen der Übertretung sind nicht unbedeutend - bei dieser Beurteilung wurde insbesondere berücksichtigt, dass eine Knappheit von Personen, die zum Dienst des Vaterlandes gerufen sind, vorliegt (geburtenschwache Jahrgänge). Es konnte nicht die Bestimmung des § 21 Abs.1 VStG angewendet werden und es konnte nicht von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe wurde deshalb abgewiesen, weil eine Verfahrenshilfe im gegenständlichen Zusammenhang nicht im Interesse der Verwaltungsrechtspflege gelegen ist (siehe § 51a Abs.1 VStG). Es liegen keine besonderen Schwierigkeiten der Sachlage oder der Rechtslage oder besondere persönliche Umstände des Bw vor.

4.3. Zur Strafbemessung:

Mildernd wird die Unbescholtenheit gewertet (§ 34 Abs.1 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG). Ein weiterer Milderungsgrund liegt nicht vor. Ein Erschwerungsgrund liegt nicht vor.

Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw wird durch den Oö. Verwaltungssenat von folgenden Grundlagen ausgegangen: Kein Einkommen, kein Vermögen, keine Sorgepflicht.

Der Aspekt der Generalprävention wird berücksichtigt. Der Aspekt der Spezialprävention wird nicht berücksichtigt. Auf den Unrechtsgehalt und auf das Ausmaß des Verschuldens wird Bedacht genommen.

Die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von 4.000 S ist insgesamt angemessen.

Die angedrohte Ersatzfreiheitsstrafe wurde durch die belangte Behörde viel zu hoch festgesetzt. Sie war durch den Oö. Verwaltungssenat neu festzusetzen.

4.4. Aus den angeführten Gründen war die Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG hinsichtlich der Schuld und hinsichtlich der Geldstrafe abzuweisen und ihr hinsichtlich der Ersatzfreiheitsstrafe teilweise Folge zu geben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe, das sind 400 S, vorzuschreiben. Da der Berufung teilweise Folge gegeben wurde, sind für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. Keinberger