Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300699/3/Ste VwSen300700/3/Ste

Linz, 02.11.2005

 

 

 

VwSen-300699/3/Ste

VwSen-300700/3/Ste Linz, am 2. November 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufungen des N K, vertreten durch F & G, gegen die Straferkenntnisse des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land

  1. vom 23. September 2005, Zl. Pol96-127-2004 (protokolliert beim Oö. Verwaltungssenat zu VwSen-300699),
  2. vom 23. September 2005, Zl. Pol96-300-2004 (protokolliert beim Oö. Verwaltungssenat zu VwSen-300700)

jeweils wegen einer Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

I. Den Berufungen wird stattgegeben, die angefochtenen Straferkenntnisse werden aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren werden eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten der Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, § 45 VStG;

zu II: § 66 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit den genannten Straferkenntnissen des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land wurden über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) jeweils gemäß "§ 7 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 iVm. § 2 Abs. 3 lit. c iVm. § 10 Abs. 1 lit. b Oö. Polizeistrafgesetz eine Geldstrafe, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er zwischen Jänner 2003 bis zumindest 19. Februar 2004 und am 13. Mai 2004 in einem Gebäude mit mehr als einer Wohnung, nämlich im Haus Hammerlingstraße 9/DG/9a in Linz, die angeführte Wohnung in einem Fall für den Zweck der Ausübung der geheimen Prostitution zur Verfügung gestellt bzw. die Verwendung zu solche einem Zweck geduldet, im anderen Fall näher bestimmten Frauen für den Zweck der Ausübung der Prostitution zur Verfügung gestellt habe.

 

Die genauen Daten der einzelnen Straferkenntnisse sind der nachstehenden Tabelle zu entnehmen:

Aktenzahl beim

Oö. Verwaltungssenat

VwSen-

Datum und

Aktenzahl des

Straferkenntnisses

Höhe der Geld- und

Ersatzfreiheitsstrafe

Datum und

Uhrzeit

300699

23. September 2005,

Pol96-127-2004

1.500 Euro

72 Stunden

Jänner 2003 bis

19. Februar 2004

300700

23. September 2005,

Pol96-300-2004

2.000 Euro

72 Stunden

13. Mai 2004

 

Begründend führt die Behörde erster Instanz - nach Darstellung des bisherigen Verfahrensgangs und Erwägungen zur Rechtfertigung und der Darstellung des Bw - im Wesentlichen aus, dass die Verwaltungsübertretungen auf Grund der dienstlichen Wahrnehmungen von Polizeibeamten, die zu Anzeigen geführt hätten, erwiesen sind. Die Behörde erster Instanz schließt ihre Begründung mit Erwägungen zur Strafbemessung.

 

1.2. Gegen diese Straferkenntnisse, die dem Bw am 28. September 2005 zugestellt wurden, richten sich die am 12. Oktober 2005 (Postaufgabe 11. Oktober 2005) - und somit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingelangten Berufungen. Darin rügt der Bw zunächst, dass seiner Ansicht nach bereits entschiedene Sache vorliege, weil die Angelegenheiten bereits im Verfahren der erster Instanz Pol96-182-2003 und nachfolgend mit Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenats vom 1. April 2005, VwSen-300589/51, entschieden seien.

 

Darüber hinaus habe der Bw keinen Straftatbestand verwirklicht und sie jedenfalls Verfolgungsverjährung eingetreten, weil sich der Tatvorwurf auf die Wohnung Top9a bezogen hätte, in der jedenfalls Personen wohnten, die mit Prostitution nichts zu tun hätten. Die fragliche Wohnung sei jedenfalls nicht zu Zwecken der Prostitution vermietet worden. Der Bw habe ein solches Verhalten auch werde gefördert noch geduldet.

Abschließend wird die Aufhebung der Straferkenntnisse und die Einstellung der Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

 

2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufungen samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakten zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da in den angefochtenen Straferkenntnissen keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte schon gemäß § 51e Abs. 2 Z 1 VStG entfallen.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Bw hat die fraglichen Wohnungen (Top 9a und Top 9c) für Wohnzwecke vermietet. Dies ergibt sich aus den bereits im Verfahren VwSen-300589 aktenkundigen und den in den laufenden Verfahren auf Aufforderung des Unabhängigen Verwaltungssenats vom Bw vorgelegten Mietverträgen, insbesondere deren Punkte 3 und 7b. Im Punkt 12 der Mietverträge ist ausdrücklich auch festgehalten, dass die Verwendung des Mietgegenstands, von Teilen desselben oder des Zubehörs, zu einem anderen Zweck, als zu dem diese vermietet werden, ausgeschlossen ist.

 

Die Wohnung Top 9a wurde darüber hinaus mit 1. Juli 2003 (vgl. den Mietvertrag vom 30. Jänner 2004) anderen Personen vermietet als jenen, die bei der Ausübung der Prostitution betreten wurden.

 

Das Gebäude Hamerlingstraße 9 wird nicht ausschließlich von Personen bewohnt oder benützt, die die Prostitution ausüben. Zumindest in einer vom Bw vermieteten Wohnung wurden Frauen bei der Ausübung der Prostitution betreten.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 2 Abs. 3 lit. c Oö. Polizeistrafgesetz Oö. PolStG, LGBl. Nr. 36/1979, in der hier anzuwendenden Fassung, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 147/2002 (die weitere Änderung durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 61/2005 brachte jedenfalls keine für den Bw günstigere Regelung), begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung, der in Gebäuden mit mehr als einer Wohnung eine Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder als Verfügungsberechtiger diese Verwendung gestattet oder duldet. Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn und solang die Prostitution in Gebäuden ausgeübt oder angebahnt wird, die ausschließlich von Personen bewohnt oder benützt werden, die die Prostitution ausüben.

Gemäß § 10 Abs. 1 lit. b Oö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 2 Abs. 3 mit Geldstrafe bis 14.500 Euro, in Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Auf Grund des ermittelten Sachverhalts steht fest, dass im fraglichen Gebäude in einer Wohnung Prostitution ausgeübt wurde; es steht auch fest, dass das Gebäude auch von anderen Personen bewohnt und benützt wurde, die nicht Prostitution ausüben.

 

Als weiteres Tatbestandsmerkmal, das als Voraussetzung für eine Bestrafung erfüllt sein muss, muss nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die beschuldigte Person

  1. entweder die Wohnung selbst für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution genutzt haben, oder
  2. die Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution oder zur Verfügung gestellt haben, oder
  3. die Verwendung der Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution gestattet haben, oder
  4. die Verwendung der Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution geduldet haben.

 

3.1.1. Im Verfahren zu VwSen-300699 hat die Behörde erster Instanz in keinem Stadium des Verfahrens dem Bw eine Handlung oder Unterlassung im Sinn der genannten Punkt a, c oder d vorgeworfen. Von der ersten Verfolgungshandlung an hat sie dem Bw immer und ausschließlich vorgeworfen, die Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution oder zur Verfügung gestellt zu haben (Punkt b).

 

Sowohl nach dem Wortlaut als auch aus Überlegungen der Gesetzessystematik heraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat, dass ein "Zur-Verfügung-Stellen" iSd. genannten Bestimmung einen bewussten und aktiven Akt voraussetzt. Einerseits sind nämlich in der genannten Bestimmung eigene Tatvarianten für das Gestatten und das Dulden (also passive Varianten) vorgesehen, andererseits scheint auch der Wortlaut eindeutig: ein Zur-Verfügung-Stellen kann immer nur durch ein aktives Tun erfolgen, jede andere Tathandlung wird durch andere verbale Umschreibungen ausgedrückt.

 

Der vom Bw abgeschlossene Mietvertrag wurde für Wohnzwecke abgeschlossen, eine andere Verwendung wurde darin ausdrücklich ausgeschlossen.

 

Auf Grund des festgestellten Sachverhalts kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Bw die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat, weil er die Wohnung eben (nur) zu Wohnzwecken, nicht aber für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution vermietet und daher zur Verfügung gestellt hat.

 

Der Bw hat daher die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen.

 

3.1.2. Im Verfahren zu VwSen-300700 hat die Behörde erster Instanz dem Bw ausschließlich vorgeworfen, die Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution oder zur Verfügung gestellt zu haben (Punkt b) "bzw." die Verwendung der Wohnung für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution geduldet haben (Punkt d).

Nach § 44a Z. 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat derart konkretisieren, dass der Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und er andererseits rechtlich davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., Anm. zu § 44a VStG, S. 1520 ff).

 

Der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, hat die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

 

Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung dargelegt hat, ist, um den Anforderungen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, im Spruch die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

 

Dem § 44a Z. 1 VStG ist dann entsprochen, wenn aufgrund der Tatumschreibung es dem Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Diesen Erfordernissen wird das angefochtene Straferkenntnis schon insofern nicht gerecht, als es (wie auch die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. August 2004) in der Tatumschreibung im Spruch einen Alternativvorwurf ("zur Verfügung gestellt bzw. [...] geduldet") enthält.

 

Enthält die Tatumschreibung im Spruch des Strafbescheides aber einen Alternativvorwurf (wie z.B. "bzw"), so liegt nach ständiger Rechtssprechung des VwGH ein Verstoß gegen § 44a Z. 1 VStG vor (vgl. z.B. VwGH vom 17. September 1992, 92/18/0180 und vom 12. März 1992, 91/06/0161).

 

Darüber hinaus leidet der Spruch wohl auch daran, dass in ihm (wie ebenfalls bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. August 2004) offensichtlich letztlich die falsche Wohnung (Top 9a) genannt ist. Es gibt nämlich auf der Basis der derzeit vorliegenden Beweismittel keine Anhaltspunkte dafür, dass die Wohnung Top 9a ab Beginn des Mieterverhältnisses mit den Mietern Tokarz (seit 1. Juli 2003) und damit auch am vorgeworfenen Tattag (13. Mai 2004) tatsächlich zu Zwecken der Prostitution verwendet wurde.

 

Auf Grund der zwischenzeitig eingetretenen Verfolgungsverjährung konnten diese Mängel auch nicht vom Unabhängigen Verwaltungssenat saniert werden.

 

3.2. Vor diesem Hintergrund waren die vorliegenden Berufungen daher gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, die angefochtenen Straferkenntnisse aufzuheben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen, ohne dass auf die weiteren Vorbringen des Bw inhaltlich eingegangen werden musste.

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten der Berufungsverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Wolfgang Steiner

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